Hinterher

Hinterher – vielversprechendes Debüt

Hinterher. Liebeskummer. Wie kann man sowas überhaupt überleben? Wer dachte dieses Lebensgefühl, Liebeskummer, sei nur ein Problem von Pubertierenden wird in “Hinterher” eines besseren belehrt. Im Debüt des in Hannover geborenen Finn Job wird dem guten alten Liebeskummer ein trashiges und gleichzeitig intellektuelles Denkmal gesetzt, das so richtig reinhaut. Ein Roman wie ein Film, kurz und schmerzlos und direkt in die Arterien. So mag man Literatur.

Wir Kinder von Neukölln

Chaim, die große Liebe von “Boy”, wie ihn sein Freund Francesco liebevoll nennt, hat sich nach Israel abgesetzt. Boy bleibt allein in Berlin-Neukölln zurück und wird von einem Fahrrad angefahren, das ihm seine missliche Lage erst so richtig zu Bewusstsein bringt. Als im selben Moment Francesco mit dem Porsche Cayenne seiner Mutter um die Ecke schießt, steigt Boy ein und es beginnt ein abenteuerlicher Roadtrip in die Normandie. Dort soll er für Gédéon, einem Freund Francescos, ein altes Hotel wieder herrichten. Stattdessen hilft er dann aber Francesco, der eine verfallene Kirche mit Alufolie verkleiden will, um damit eine ganz bestimmte Botschaft zu transportieren. Da die beiden aber schon während ihrer Autofahrt in die Normandie nicht zu koksen aufhören konnten, gelingt schließlich weder das eine noch das andere Projekt.

Dem Leben & der Liebe “Hinterher”

Dazwischen erfährt der Leser viel über die Diskurse in der sich die Neuköllner junge Erwachsenenwelt befindet. Dass Schwulsein in Neukölln immer noch ein Problem zu sein scheint und es besser ist, sich dort nicht auf der Straße zu küssen, müssen Chaim und Boy am eigenen Leib verspüren. Aber dass dann selbst die eigene WG zum “Pack” gehört, das andere aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgrenzt, wiegt noch schwerer. “Pack” ist nämlich genau das Wort, das Boy für ihre Verfolger verwendet und auch ihn aus dem Kreis seiner politisch (über)korrekten Freunde ausschließt. Auch deswegen versprach die Flucht mit Francesco in die Normandie ein neues L’Chaim, ein neues “Leben”.

Wilde Flucht im Cayenne

Il n’y a pas de hors-texte“. Als dann die Drogen ausgehen – oder zumindest deren Qualität nachlässt – wird alles noch viel schwieriger und es gibt bald kein Entrinnen mehr. Dass man mit Anfang zwanzig schon so kaputt sein kann, ist kaum zu glauben, aber wohl in den Großstädten dieser Welt längst bittere Realität, wie wir ja schon seit Christiane F. wissen, die sogar noch viel jünger war, als sie auf den berühmten Hund kam. Finn Job hat seine surreale Reise in einer packenden Sprache geschrieben, die richtig über die Seiten fliegen lässt und bis zur letzten Sekunde spannend und hochtrabend bleibt. “Es war, als hätte ich mein Leben angehalten und wäre dennoch sehr alt geworden.” Finn Job bezieht sich nicht nur auf die aktuelle Populärkultur wie Songs u.ä., sondern auch viele literarische Vorbilder und kennt auch einige gute Maler.

Hinterher: vielversprechendes Debüt

Seine Referenzen sind gut nachvollziehbar und lohnen dem Nachverfolgen. Einer, der seine Hausgaben gründlich gemacht hat. Denn seine sprachlichen Bilder sitzen auch farblich. Er begibt seine Protagonisten in absurde und aberwitzige Situationen und es ist ein wahres Vergnügen, dabei förmlich zuzusehen, wie den beiden alles entgleitet. Vieles mag als purer Zynismus abgetan werden, aber hat ein Mensch, der vor enttäuschter Liebe buchstäblich zerbricht, nicht jedes Recht der Welt?

Ein Roman-Ende das förmlich nach einer Fortsetzung schreit. Bitte mehr!

Finn Job
Hinterher. Roman
2022, 192 Seiten. Klappenbroschur
ISBN 978-3-8031-3348-9
Wagenbach Verlag
Buch 22,– € / E-Book 18,99 €


Genre: Große Liebe, Kultur, Popkultur, Roman
Illustrated by Wagenbach

Detektiv Conan

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Detektiv Conan Vol. 1, Episoden 1-34

Infos vorab

„Meitantei Konan“ (Meisterdetektiv Conan) ist eine bis heute international erfolgreiche Manga-Serie von Gosho Aoyama, die seit 1994 läuft. Aus dieser Manga-Serie sind Kinofilme – mittlerweile 24, der 25. Film „Die Halloweenbraut“ soll in Deutschland voraussichtlich im Dezember erscheinen – sowie vier Realfilme und eine Fernsehserie als Animes hervorgegangen. Mir liegen die ersten Folgen der Anime-Fernsehserie von TMS Entertainment aus dem Jahr 1996 vor, die auf der Grundlage des Mangas produziert wurde. Die Fernsehserie wurde in Deutschland zum ersten Mal am 10. April 2002 in RTL II ausgestrahlt. Seit dem 2. November 2016 ist die Serie auf ProSieben Maxx zu sehen. Kazé veröffentlicht in Deutschland die Folgen auf DVD, mir liegt die Blu-ray-Fassung vor. Früher waren die Animes ab 6 Jahren freigegeben, was mittlerweile auf 12 Jahre erhöht wurde. Meiner Meinung nach ist eine FSK ab 6 Jahren tatsächlich deutlich zu früh, da man die blutüberströmten Mordopfer sieht und z.T. auch den Tathergang. Ab 10 Jahren kann man aber als verantwortliche Erwachsene abwägen, ob das Kind solche Szenen schon verträgt.

Inhalt

Der 17-jährige Schüler Shin‘ichi Kudo ist berühmt für seinen detektivischen Spürsinn. In der ersten Folge löst er zusammen mit der Polizei gleich am Anfang erfolgreich einen Mordfall. Als er sich mit seiner Sandkastenfreundin Ran auf dem Jahrmarkt trifft, wird er sofort in einen weiteren Mordfall verwickelt: Auf der Achterbahn, auf der er mit Ran mitfährt, wird ein junger Mann ermordet. Dort kommt Shin’ichi zum ersten Mal in Kontakt mit den mysteriösen Männern in Schwarz, die ebenfalls als Verdächtige infrage kommen. Es stellt sich heraus, dass die Männer in Schwarz nichts mit diesem Fall zu tun haben, aber dafür beobachtet Shin’ichi sie bei einem krummen Geschäft später am Abend. Aber bevor er einschreiten kann, wird er von einem der beiden Verbrecher niedergeschlagen. Der Mann in Schwarz gibt ihm ein Gift, von dem Shin’ichi annimmt, dass es tödlich ist. Shin’ichi schwinden kurz darauf die Sinne. Aber entgegen seinen Erwartungen stirbt er nicht – und wacht als kleiner Junge wieder auf.

Der geschrumpfte Junge sucht Zuflucht bei Professor Hiroshi Agasa, einem Freund der Familie Kudo, der für seine verrückten Erfindungen bekannt ist. Dieser rät ihm, niemandem zu erzählen, dass er der berühmte Meisterdetektiv ist. So ist Shin’ichi vor den Männern in Schwarz sicher und kann in Ruhe Nachforschungen anstellen. Er nennt sich ab jetzt Conan Edogawa und kommt bei Rans Vater Kogoro Mori unter, einem nicht sehr erfolgreichen Privatdetektiv. Auch hier scheint Conan Fälle geradezu magisch anzuziehen, denn seit er bei Mori wohnt, hat dieser keine Probleme mehr, Aufträge zu bekommen. Der erste Fall, den Mori mithilfe des Scharfsinns von Conan lösen kann, ist ein Entführungsfall: Die 10-jährige Tochter eines reichen Firmenchefs wird verschleppt.

Im Laufe der Zeit gewöhnt sich Conan an seinen neuen Körper und geht auch wieder zur Grundschule. Dort kommt er in die Klasse von Ayumi, Mitsuhiko und Genta, denen er schon auf dem Jahrmarkt kurz begegnet ist. Das Mädchen und die beiden Jungen suchen die Freundschaft mit Conan und zusammen gründen sie die „Detektive Boys“, die entweder eigene Fälle lösen oder in die Fälle der Erwachsenen verwickelt werden. So gehen die vier z.B. auf Schatzsuche und werden dabei mit echten Juwelendieben konfrontiert. Ran kommt schon recht früh der Gedanke, dass Conan Shin’ichi sein könnte, aber Conan kann erfolgreich diesen Gedanken zerstreuen. Im Laufe der Zeit erweist es sich aber als schwierig, Ran hinzuhalten, die unbedingt ihren Freund wiedersehen will.

Conan, Kogoro Mori, seine Tochter Ran und die Polizei lösen in Laufe der Zeit unterschiedliche Fälle. So müssen sie z.B. einen Mord auf einem Schiff aufklären, einen Mord im Badezimmer, einen auf einer Toilette, einen an einem Schwertmeister, den Mord im Museum, den Tod einer Klassenkameradin bei einem Klassentreffen Moris, den Mord in einer TV-Show usw.

Serie für Krimi-Fans

Schon in der ersten Folge begegnen den Zuschauer*innen alle zentralen Charaktere der Serie: Neben Shin’ichi sind das seine Freundin Ran Mori und die späteren Detektive Boys, sowie Privatdetektiv Kogoro Mori, Professor Agasa und die Tokioter Polizei, allen voran Kommissar Juzo Megure. Die einzelnen Folgen sind meist in sich abgeschlossen und nach dem Prinzip aufgebaut, dass es eine kurze Wiederholung gibt, warum Shin’ichi zu Conan wurde, danach kommt der Fall, schließlich der Abspann, dem ein Ausklang der Folge nachfolgt und letztlich eine Vorschau auf die nächste Folge, die sicherstellen soll, dass die Zuschauer*innen am Ball bleiben. Wenn der Fall 2 Folgen umfasst, gibt es einen Cliffhanger.

Die Folgen selbst laden zum Miträtseln ein, allerdings ist es manchmal schon für Erwachsene schwierig, die kleinen Details, die schließlich zur Lösung des Falls führen, zu entdecken und die Puzzlestücke zusammenzusetzen. Trotzdem macht das Schauen Spaß, denn die Episoden werden nach dem Spannungsbogen aufgebaut, sodass Shin’ichi in der Mitte der Folge weiß, wer der Mörder oder die Mörderin ist und dann den Fall mithilfe des schlafenden Kogoro aufrollt. Wer also nicht herausgefunden hat, wer die/der Täter*in ist, für die/den bleibt es bis zum Schluss spannend, alle anderen können schauen, ob sie richtig geraten haben.

Mein 10-jähriger Sohn mag die Serie sehr. Er findet sie „sehr gut, abwechslungsreich, spannend“, aber auch „schwer zu erraten“, wer die/der Täter*in ist. Was ihm auch gut gefällt: Man sieht, wie ein Charakter sein Leben wiederholt (Shin’ichi als Conan). Außerdem findet er die Fälle realitätsnah, es werde nichts gezeigt, was es nicht auch in echt geben könnte. Außerdem gebe es viele Emotionen: Unterschiedliche Emotionen wie Hass, Neid, Trauer, Verzweiflung aber auch der Spaß führen zu den Morden. Meine Ergänzung dazu: Meist kann man die Motive der Täter*innen nachvollziehen, denn nicht alle Fälle passieren aus Mordlust, sondern z.T. aus Notwehr oder anderen „milderen“ Motiven.

Mir persönlich ist aufgefallen, dass drei Figuren eine (schnelle) Wandlung in ihrem Charakter vollziehen: Genta, der größte und kräftigste der Detektive Boys, kommt anfangs eher als Raufbold daher, wird aber bald einem großen Schmusebär, der gern viel isst und nicht besonders intelligent ist. Shin’ichi selbst wirkt anfangs eher unsympathisch, weil er sich (zu) viel auf sich selbst einbildet und daher stramm in Richtung Arroganz marschiert. Die Einschränkungen, die er in einem Kinderkörper hat, lehren ihn, auf dem Teppich zu bleiben, was ihn gleich sympathischer macht. Professor Agasa wird anfangs als verrückter Professor dargestellt, dessen Erfindungen nicht funktionieren (ebenfalls ein gern genommener Typus in Mangas und Animes), der sich aber umgehend in einen ernstzunehmenden Erfinder wandelt.

Frauen- und Männerbild

Da die Serie schon älter ist, gibt es auch hier den damals weit verbreiteten Typus des männlichen Lüstlings (man denke an „Dragonball“ oder „Ranma ½“), hier in Gestalt von Kogoro Mori. Das finden zwar männliche Leser sicherlich lustig, aber ich als weibliche Leserin habe mich beim Lesen und Schauen damals wie heute sehr unwohl gefühlt, gepaart mit Gefühlen von Wut, weil Frauen so offensichtlich gar nicht wertgeschätzt, sondern bloß als Beute, Freiwild und Lustobjekt betrachtet werden. Japanische Frauen müssen sich in der Realität in vollen Zügen vor Grabschern fürchten – die durch sowas auch noch Rückenwind bekommen, weil es doch ach so lustig und harmlos ist. Aber lustig ist definitiv anders… Zum Glück scheint dieser Typus in den Mangas weniger zu werden; er darf ruhig ganz aussterben.

Frauen werden in diesem Anime wenigstens nicht ganz eindimensional dargestellt. Es gibt zum Glück nicht nur das weibliche Opfer, sondern auch Mörderinnen, Staatsanwältinnen und insgesamt recht selbstbewusste und selbstbestimmte Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts. Das fängt mit Ran Mori an, die eine Karate-Meisterin ist und sowohl Conan als auch ihren Vater immer wieder zur Vernunft schubst. Das Letztere allerdings ist leider eine typisch weibliche Aufgabe, ebenso wie die Hausarbeit, die die 17-jährige Ran in Ermangelung einer anderen Frau im Haus erledigen muss, was an sich schon rückständig ist. Mein Sohn kommentierte eine Szene, in der Kogoro sich darüber beschwert, dass Ran ihm ausnahmsweise kein Abendessen kocht, so: „Warum kocht er nicht selbst?“ Rollenklischees lassen grüßen und gehören schlicht abgeschafft. Außerdem kommen kaum alte Frauen vor, während die alten Männer, die dafür umso häufiger zu sehen sind, gern mal dem Klischee des „alten, weißen Mannes“ entsprechen.

Die Frauen im Film, die zu den Hauptcharakteren in den jeweiligen Episoden gehören, sind jung (oder sehen zumindest jung aus), hübsch bis sexy und entsprechen damit Männerfantasien, aber nicht der Realität, die deutlich vielgestaltiger ist als dieses eindimensionale Bild einer Frau. Die Männer dagegen dürfen alt, unauffällig bis hin zu einem hässlichen Äußeren dargestellt werden. Den Fanservice gibt es also nur in eine Richtung, nämlich in die männliche. Danke auch. Kein Wunder, dass die hübschen Männer in den Mangas für Mädchen und Frauen Hochkonjunktur haben.

Was mir auch aufgestoßen ist: Die Kinder nennen sich „Detective Boys“, obwohl in ihren Reihen ein Mädchen ist. Das gehört zu einem Phänomen, das sich mittlerweile durch die Jahrtausende zieht. Das fängt mit der Sprache an, die den Löwenanteil des Alltags ausmacht, die aber nicht auf die Unterscheidung der diversen Geschlechter achtet und sie dadurch der Unsichtbarkeit und Marginalisierung preisgibt. Umfassend gehört es zu einer Geschichtsschreibung, die die Männer zum Normalfall macht, die Frauen aber an den Rand drängt bis hin zur Ausradierung sowohl in Wort, Schrift als auch in der Historie selbst.

Fazit

Spannende Krimi-Serie für ältere Kinder und Jugendliche, die aber die von der damaligen Zeit herrührenden Rollenklischees bedient – kein gutes und zeitgemäßes (Vor-)Bild.


Genre: Krimi
Illustrated by Kazé

Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs

Basquiat – das Buch zur Ausstellung in der Wiener Albertina

Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs. “BLAM BOOM BANG. Wo bin ich?” Heißt es auf einem Gemälde des leider zu früh verstorbenen haitianisch-puerto-ricanischen Künstlers aus New York auf Deutsch. Gerne benutzte Basquiat Symbole und Zeichen, vor allem eben auch Buchstaben und Worte in seinen Bildern. “Der Widerstreit zwischen gestisch-malerischen und figurativen Elementen, Buchstaben und Wörtern versus rinnende Acrylfarbe und aufgesprayte Linien resultierte in einem höchst dynamisierten Bilgeschehen, einem Netz aus Markierungen und Bedeutungen, einem Spiegel der vibrierenden Downtown Manhattan und ihrer Kunstszene”, schreibt der Herausgeber in seinem Vorwort.

Basquiat: Der “tanzende” Maler

Basquiat begann als junger Graffiti-Artist und kreierte mit seinem Samo© ein fiktives Künstlerkollektiv, das die Kunstwelt verändern wollte. Aber er speilte auch als Musiker in einer New Yorker Garage-Band im typischen Stil der Achtzigerjahre laut und kraklig, experimentell. New York war in dem Jahrzehnt durch Punk und Untergangsstimmung geprägt, das Stadtzentrum verwahrloste und wurde so zum Spielplatz vieler junger Kreativer. Basquiat war einer davon, der sich von Graffiti aus bald Richtung Art Brut und Minimalismus entwickelte. Dazu bediente er sich sowohl des reichen kulturellen Schatzes seiner Ahnen, als auch seinem Alltag im New York City der traurigen 80er. Die Zeichnung war die Grundlage der künstlerischen Praxis, aber er liebte auch Buchstaben, Wörter, die er “wie Pinselstriche” benutzte, schreibt Buchhart. Einen “tanzenden” Maler sah etwa ein Künstlerkollege, Fan 5 Freddy, in Basquiat, wenn er mit seinen Stiften über die Leinwand oder andere Materialien huschte. Die vorliegende Publikation folgt der derzeit in der Wiener Albertina zu sehenden Ausstellung mit dem Titel “Basquiat. Die Retrospektive”. Sie ist dort noch bis zum 8. Januar 2023 zu sehen.

Prometheus der Moderne

Sein Werk changiert zwischen Expressionismus, Pop- und Conceptual Art, nimmt Anleihen bei den Cartoons und Comics seiner Jugend und ist stets engagiert und immer politisch. Mit dem Pinsel als Waffe kämpfte er gegen Polizeigewalt, Rassismus und Unterdrückung oder sogar den Konsumkapitalismus. Francesco Pellizi zeigt Basquiat in seinem Beitrag in vorliegendem Band als Erbe der amerikanischen Tradition der Simplifizierung: Pop-Art, Minimal Art und Konzeptkunst hätten ihn beeinflusst, seine “Opfergaben” eher Selbstaufopferungen im Geiste Lautréamonts, Rimbauds oder Kafkas nicht “ex voto aus dem Verlangen, sondern von der Verlassenheit, ex desolatione“. Sein Verdienst liege vor allem in der Einführung einer ethnisch und kulturell marginalisierten Blackness in den Mainstream der westlichen Kunst. Ein Interview mit Ouattara Watts über Basquiat schließt sich an Exzerpte aus Basquiats malerischem Werk oder einigen fotografischen Aufnahmen an. Im Anschluss werden einige Werk in Großaufnahmen gezeigt, die dazwischen mit Zitaten von Jean-Michel Basquiat angereichert werden. Im Anhang befindet sich noch eine Chronologie des Lebens des Künstlers, den die Götter – vielleicht aus Neid – viel zu früh zu sich holten. Denn Basquiat war ein Brückenbauer und Prometheus der neuen Zeit: er brachte den Menschen das Feuer und musste dafür geopfert werden.

Dieter Buchhart (Hrsg.), Antonia Hoerschelmann (Hrsg.), Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.)
Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs
2022, Hardcover, Pappband, 216 Seiten, 24,5 x 30,0 cm, 85 farbige Abbildungen, 12 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-7956-2
€ 45,00 [D] inkl. MwSt.
€ 46,30 [A] | CHF 61,00 * (* empf. VK-Preis)
Prestel Verlag

 


Genre: Kunst, Kunstgeschichte, Malerei, Popkultur
Illustrated by Prestel

60 Jahre Winnetou-Film

60 Jahre Winnetou-Film. Vor 60 Jahren kam der erste Winnetou in die deutschen Kinos: Der Schatz im Silbersee. Michael Petzel hat aus aktuellem Anlass seine Ausgabe zum 50er nochmals neu überarbeitet und stellt auf 200 Seiten in 154 farbigen und 23 s/w Abbildungen die schönste Erfolgsgeschichte des deutschen Filmwunders dar. Aber nicht nur Pierre Brice oder Lex Barker stehen hier im Rampenlicht, sondern auch Marie Versink, Stewart Granger, Ralf Wolter oder Uschi Glas u.v.a.m.

Winnetou ideal besetzt

Die schönsten Ausschnitte und Szenen aus den Winnetou-Filmen stehen im Mittelpunkt dieser zweiten, neu überarbeiteten Auflage von “50 Jahre Winnetou-Film”. Dabei war es damals, vor 60 Jahren, als “Der Schatz im Silbersee” gar nicht so sicher, ob die Verfilmung des Karl May Klassikers ein Erfolg werden würde. Schließlich hatten sich schon Generationen von Jugendlichen (Jungs UND Mädchen) einen Fantasie-Winnetou ausgemalt, wie er von der Literaturvorlage (Erscheinungsdatum ca. 1891) zwar inspiriert aber niemals wirklich existiert hatte. Aber mit der Besetzung des Winnetou durch Pierre Brice gelang das, was nur in seltenen Fällen Realität wird.

Winnetou als Inspirator

Dabei lebte seine Darstellung eigentlich vor allem vom Understatement. Regisseur Harald Reinl erzählte, dass Brice sich darüber sogar bei ihm beschwert habe, nur herumstehen zu müssen. Aber bei Winnetou reichte eben gerade die bloße Präsenz. Dass Winnetou als Identifikationsfigur für die deutsche Jugend von anderen Vorbildern Ender Sechziger Jahre abgelöst worden sei, wie Petzel moniert, darf angesichts seiner Ideale doch angezweifelt werden. Denn war es nicht gerade “Mut, Aufrichtigkeit und Treue”, die von der aufbegehrenden 68er Jugend von ihrer Elterngeneration eingefordert wurde? Insofern könnte man also umgekehrt wie Petzen behaupten, dass gerade Winnetou die deutsche Jugend in ihrem Aufstand gegen ihre Eltern bestärkt hatte, in dem er an die wahren Tugenden in ihren Herzen appelliert hatte. Der 1968 erschienene und letzte Winnetou-Film, Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten, war zwar ein Flop und gibt insofern Petzen vielleicht recht. Jedoch gab es inzwischen einfach auch schon mehr Identifikationsangebote an die deutsche Jugend.

Winnetou in Wort, Bild und Sound

Wie dem auch sei, die vorliegende Publikation entführt in die eigene Jugend und zeigt die teilweise unter dramatischen Umständen geretteten Filmstills aus Grobnik polje bei Rijeka und anderen Drehorten in Kroatien. Die Fotos werden mit originalen Zitaten aus den Karl May Bestsellern ergänzt und auch mit Orten und Jahren beschriftet. Michael Petzel hat die Fotos chronologisch nach dem Erscheinen der elf Winnetou Filme geordnet und mit Kapitelüberschriften und -texten versehen. Wer sich dazu noch den Böttcher Soundtrack “Die große Karl May Soundtrack-Box“, 3 CDs digital remastert, Art-Nr.: 52089 beim Verlag, leistet, wird mit Sicherheit seinen Lesegenuss noch verstärken können. Unvergessliche Erlebnisse und Tagträume garantiert.

Michael Petzel
60 Jahre Winnetou-Film
Zweite, überarbeitete Auflage von “50 Jahre Winnetou-Film”
2022, Hardcover, 22,0 x 19,5 cm, 200 Seiten
ISBN: 978-3-7802-3094-2
Karl-May-Verlag GmbH
34,- €


Genre: Film, Jugendliteratur, Romantik
Illustrated by Karl May Verlag

No longer yours – Mulberry Mansion

No Longer Yours - Mulberry Mansion - Merit Niemeitz - PBOh Schreck, der Ex!

Jura-Studentin Avery ist begeistert, denn sie hat eines der vergünstigten Zimmer in der Mulberry Mansion bekommen. Dafür muss sie zusammen mit ihren Mitbewohner*innen das alte Haus renovieren. Das macht ihr nichts aus, sind doch ihre Mitbewohner*innen nett – bis sie entdeckt, dass auch ihr Ex-Freund Eden an der Renovierung beteiligt ist. Wie der Zufall will, muss sie zusammen mit ihm den Dachboden des Hauses auf Vordermann bringen. Da brechen alte Wunden wieder auf, denn der ernste, eigentlich tiefsinnige und vernunftbegabte junge Mann hat sie ausgerechnet beim Abschlussball der Schule abserviert. Mehrere Versuche, mit ihm darüber zu reden, scheitern, denn Eden verhält sich ihr gegenüber kalt und reserviert. Aber schließlich öffnen sich die beiden wieder zart füreinander und Avery findet letztlich den Grund heraus, warum Eden sie damals aus heiterem Himmel verließ.

Einblicke in die Gedankenwelt hochsensibler Charaktere

Merit Niemeitz packt hier erfreulicherweise ein Thema an, das eher selten in der Belletristik vorkommt: den Ex-Freund. Zumindest in dieser Geschichte beleuchtet sie, was sich viele Verlassene fragen: Warum wollte er mich nicht mehr? Und: Gibt es eine zweite Chance? Gerade diejenigen, die verlassen wurden und darüber hinaus den Grund nicht wissen, leiden sehr, denn das Selbstbewusstsein sinkt in den Keller und sie kreisen ständig und schmerzhaft um die Frage „Warum?“. Das greift die Autorin sehr schön auf und schildert, wie es Avery mit dieser Last geht. Auch das angeknackste Selbstbewusstsein, das bei Frauen aufgrund der Sozialisierung sowieso niedriger ist als bei Männern, kommt hier immer wieder zum Tragen und verhindert schnellere und entschlossenere Vorgehensweisen und das Einfordern einer verdienten Erklärung.

Schön auch die Beschreibung der einzelnen Charaktere der Mitbewohner*innen, die liebenswert mit Macken sind. Man kann sich beim Lesen schon denken, dass die Autorin mehrere Figuren im Kopf hat, die sie als Hauptcharaktere für eine Fortsetzung nutzen will. Vielleicht ist das schon etwas zu offensichtlich, aber Fans der Geschichte wird es freuen.

Außerdem bekommen hier hochsensible Charaktere ihre Chance, gesehen und verstanden zu werden, denn Avery und Eden sind beide hochsensibel, d.h. mit feinen, alles wahrnehmenden Sensoren ausgestattet, die sie ihre Welt in einem intensiveren Licht sehen lassen. Dazu passt, dass Eden lesebegeistert ist und Avery zum Introvertierten neigt. Beide sind tiefgründig, mit einem reichen Innenleben ausgestattet, sehr gewissenhaft und werden überwältigt von den Anforderungen der Welt, sind aber auch im einem positiven Sinn sehr empathisch. Diese Empathie kann aber zu folgenschweren Fehlentscheidungen führen, wie die Autorin sowohl bei Eden als auch bei Avery herausarbeitet. Denn der Gedanke, nicht gut für jemand anderen zu sein und damit vorauseilend eine Entscheidung für diesen anderen mit zutreffen, hat viel Leid verursacht. Sie nimmt zudem dem anderen die Entscheidungsfreiheit und einem selbst die Möglichkeit für eine erfüllende Beziehung, was Niemeitz ebenfalls verdeutlicht. Aber auch die intensiven Emotionen, die Hochsensible haben, können im Weg stehen, denn Avery ist lange nicht bereit, ihrer Familie zuzuhören und deren Entscheidung nachvollziehen zu wollen. Stattdessen vergräbt sie sich in tiefem Groll. Die Gründe für die Entscheidungen der Hauptfiguren sind letztlich nachvollziehbar, die Probleme werden allerdings durch eine fehlende Eigenschaft verursacht: der Bereitschaft zur Kommunikation, die essenziell für jede Art von Beziehung ist. Auch das arbeitet die Autorin schön heraus, denn als Avery und Eden anfangen miteinander zu reden, wenn auch anfangs sehr holprig, öffnet sich die Tür für eine bessere Zukunft.

Die Triggerwarnung – häusliche Gewalt, emotionaler Missbrauch, Beschreibungen von Gewalt, Panikattacken, Trauer und Trauerbewältigung – finde ich gut, wie schon in meinen anderen Rezensionen geschrieben. Diese Themen verleihen der sogenannten „Trivialliteratur“ Tiefe, zumal sie von Niemeitz einfühlsam eingewebt werden und erklären, warum Menschen so handeln, wie sie handeln und dass man sie aufgrund ihres Handelns nicht vorschnell verurteilen soll.

Allerdings fällt der Roman auch durch ein paar Kritikpunkte auf: Niemeitz zieht, wohl dem Spannungsaufbau geschuldet, die Lösung in die Länge. Das liest sich irgendwann bemüht und lässt einen ungeduldig werden, denn zu viele Andeutungen und zu wenig Auflösung erhöhen nicht die Spannung, sondern eher den Unmut. Außerdem wirken Avery und Eden an manchen Stellen beinahe unsympathisch, denn Averys mauerndes Verhalten, was schon sehr an Schmollen grenzt, und Edens Kälte, sowie der Hang dazu, fast schon im Leiden zu baden – ohne die schlimmen Erfahrungen abwerten zu wollen, aber beide schlagen Hilfsangebote aus und bringen sich z.T. absichtlich in Schwierigkeiten – sind vor der Auflösung der Gründe hierfür kaum nachvollziehbar. Aber hier greift wieder, was ich schon oben erwähnte: Man soll Menschen nicht vorschnell verurteilen, Figuren auch nicht. Trotzdem ist es an manchen Stellen zu viel: zu viele Andeutungen, ohne dass es mit der Auflösung wirklich vorangeht, zu viel unverständliches Handeln, zu viele Wortwiederholungen, wenn Avery alles zu viel wird. Das alles soll zwar der Handlung und den Figuren Tiefe verleihen, aber es ist schlicht überdosiert. Das sage ich als Hochsensible, anderen fällt das vielleicht gar nicht auf und spielt somit beim Lesen keine Rolle.

Außerdem finde ich es wie schon bei anderen Romanen deutschsprachiger Autorinnen schade, dass sie ihre Welt in der englischsprachigen Kultur ansiedeln, was immer etwas bemüht rüberkommt, aber wohl dem Verkaufsargument geschuldet ist.

Fazit

Liebesroman mit einem eher seltenen Thema: Wie umgehen mit Ex-Freund*innen? Der Roman spricht auch schwierige Lebenssituationen an und wie diese in Beziehungen reinspielen, bietet dafür aber eine Lösung an: Kommunikation und Verständnis. Allerdings hat der Roman ein paar Schwächen, s.o. Fortsetzungen sind angedeutet.


Genre: Romance, schwierige Lebenssituationen
Illustrated by LYX

Blowing Across

In dem Zukunftsroman »Blowing across« beschreibt Christine Keller eine von Umweltverschmutzung und Klimawandel zerstörte Erde, auf der sich zwei parallele Existenzen entwickelt haben. Da gibt es im Einklang mit der Natur lebende spirituelle Baummenschen und von Droiden kontrollierte Menschen in einer künstlichen Welt, die alle Reserven für das nackte Überleben aufspart. Weiterlesen


Genre: Science-fiction
Illustrated by Franzius

Lil Bob

Lil BobRuth Frobeen erzählt mit Eleganz und Empathie die Geschichte eines Kindes, das eine intensive innere Beziehung zum Cellospiel entwickelt und schließlich zu einer anerkannten Musikerin wird. In dem herausragenden Roman geht es um die Liebe zur Musik, um Freundschaft und tiefe Schatten der Vergangenheit. Weiterlesen


Genre: Musik, Romane
Illustrated by Selbstverlag

The Girl in the Love Song

The Girl in the Love Song
 - Emma Scott - PBDie ungeliebte “friend zone”

Ausgerechnet an ihrem Geburtstag tritt er in ihr Leben – Miller Stratton, ein sehr musikalischer Junge, der aber ein Geheimnis vor Violett hat: Er ist bitterarm und er will sich vor seiner reichen besten Freundin keine Blöße geben. Vom Vater verlassen wohnen seine Mutter und er in ihrem Auto, haben keine feste Bleibe und die Mutter muss zweifelhaften Jobs nachgehen, damit die Familie überhaupt überleben kann. All das prägt Miller zutiefst. Aber in Violett hat er eine zuverlässige Freundin gefunden, die ihm sogar das Leben rettet. Denn Miller hat Diabetes und weiß es nicht. Violett, die Ärztin werden will, regiert sofort, als er einen Schock erleidet, und kümmert sich ab diesem Zeitpunkt sorgfältig um Millers Gesundheit. Miller empfindet schon bald mehr für das großherzige Mädchen, aber Violett will ihre Freundschaft nicht für eine Liebesbeziehung aufs Spiel setzen, denn sie sieht an ihren völlig zerstrittenen Eltern, wohin eine Ehe führen kann. So leidet Miller heimlich, verarbeitet seine Gefühle aber in seinen Songs. Die gefallen irgendwann auch anderen und so nimmt seine musikalische Laufbahn durch Glück und Talent seinen Lauf. Als er es an die Spitze schafft, hat sich aber sein größter Traum nicht erfüllt: Violett ist immer noch „nur“ seine beste Freundin.

 

Raus aus den typischen Rollen für Frau oder Mann

Die in sich abgeschlossene Geschichte ist natürlich eine romantische Story: Die Charaktere merken, dass sie sich nicht nur mögen, sondern auch lieben. Aber wie bei romantischen Stories üblich haben sie mit vielen Hindernissen zu kämpfen, bis es vielleicht ein Happy End gibt. Dabei trifft die Autorin genau das richtige Tempo in der Entwicklung dieser Gefühle und wie mit ihnen umgegangen wird.

Liebeswirren sind den jungen Leser*innen schon bekannt, und diese können völlig unterschiedlich aussehen. Scott wählt hier Hindernisse, die eher nicht im Außen, sondern im Inneren eines Menschen ihren Ursprung haben: eine unglückliche Kindheit und Jugend, schädlich vorgelebte Rollen, Scham. Die Psyche spielt eine große Rolle in Beziehungen bzw. darin, ob man bereit ist, eine Beziehung und damit Nähe zuzulassen oder nicht. Und das bereitet das Buch hier sehr verständlich auf, wobei diese inneren Konflikte durchaus gern zum Spannungsaufbau genutzt werden, da sie sich hierfür anbieten.

Auch in diesem Buch gibt es wieder Triggerwarnungen: häusliche Gewalt, Krankheit von Angehörigen, Armut, Mobbing. Ich persönlich finde diese Warnungen gut, da man sich dann überlegen kann, ob man dieses Buch lesen will oder nicht. Allerdings habe ich auch schon gehört, dass allein die Triggerwarnungen triggern können. Wenn man allerdings bereit ist, sich seinen Ängsten zu stellen, bietet dieses Buch auch Möglichkeiten an, wie man mit Schwierigkeiten umgehen könnte.

Eine ganz zentrale Möglichkeit sind Freunde und das Sprechen über Dinge, die nicht gut laufen. Denn so hat man die Chance, mehrere Blickwinkel auf eine Sache zu erhalten und damit neue Ideen, wie man mit schwierigen Situationen umgehen könnte. Auch die Erleichterung und der Mut, den man aus guten Gesprächen schöpfen kann, sind nicht unerheblich für Problemlösungen.

Dabei gibt es aber auch in diesem Buch – wie im Leben auch – keine geraden Wege. Aber vielleicht sind ja v.a. die Umwege diejenigen, aus denen man letztlich am meisten lernen kann. Die Figuren haben Macken, auch Krankheiten, sie sind nicht perfekt. Sie ergehen sich aber nicht in ihren Leiden, sondern packen nach Phasen des Trauerns und der Tiefschläge immer wieder das Leben neu an. Die Kunst und die Träume, was man mit seinem Leben anfangen will, sind dabei zentrale Kraftquellen und im Fall der Kunst auch Katalysatoren, die wertgeschätzt werden.

Überhaupt ist mir in der sogenannten „Trivialliteratur“ und (nicht nur) in amerikanischen Teenagerfilmen immer wieder aufgefallen, dass diese Probleme in der Gesellschaft ansprechen und auf ihre Weise bearbeiten. Gerade in amerikanischen Filmen z.B. sind die Stars nicht die propagierten Sportler oder Cheerleader oder sonstwie beliebten Schüler*innen in der High School, sondern die „Nerds“ und ihre Lebenswelt. Schaut man sich an, was aus vielen Nerds geworden ist, weiß man, wie wenig sinnvoll patriarchalische Wertvorstellungen sind – die in solchen Filmen und in der Literatur auch direkt oder indirekt kritisiert werden. Denn männliche Sportler-Machos will eigentlich niemand, ebenso wenig weibliche seichte Barbie-Puppen, schlimmstenfalls noch garniert mit einem schlechten Charakter. „Nerds“ und Außenseiter dagegen haben viel mehr zu bieten, sind tiefsinniger und halten einer Gesellschaft, die auf Äußerlichkeiten und patriarchale „Werte“ Wert legen, den Spiegel vor. Man denke nur an Till Eulenspiegel oder die damaligen Hofnarren, die das Gewissen der Gesellschaft waren. In diesem Buch wird z.B. ein Typ Mann vorgestellt, der weit ab vom Krieger- und Sportlertyp ist, der aber tiefsinnig und komplex ist und dabei sehr kreativ. Außerdem lässt er Gefühle zu und verarbeitet sie.

Auch Violett fällt aus der Rolle, die für sie vorgesehen ist, weil sie diese kritisch hinterfragt und mutig genug ist, ihre eigenen Vorstellungen zu verfolgen. Sie zeigt Stärke und steht damit für eine typische Frau nicht im Sinne des Rollenklischees, in welchem eine Frau eher schwach und naiv sein muss, um dem Mann nicht im Weg zu stehen, sondern bildet eine Realität ab, in der Frauen gerade in einem System, das sie unterdrücken will, stark sind und auch sein müssen, um nicht nur zu überleben, sondern auch zu leben.

 

Fazit

Gelungenes Buch über Beziehungen, die wie in der Realität nicht immer einfach sind. Das Buch zeigt, dass jede*r ihr/sein eigenes Päckchen zu tragen und abzuarbeiten hat und in eine Beziehung mitbringt. Aber Eigenschaften (wie eine gute Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Unterstützung, Verständnis), die traditionell als feminin angesehen werden (die aber zentral sind für das Herdentier Mensch, um in einer Gesellschaft nicht nur zu bestehen, sondern glücklich zu werden und das Leben insgesamt zu verbessern!), garantieren damit auch das Finden und Erhalten einer guten Liebesbeziehung. Also von wegen „trivial“!


Genre: psychische Probleme, Romantik, soziale Probleme
Illustrated by LYX

Abby (2) – Totgesagte leben länger

Ausbruch aus dem einengenden und für Frauen gefährlichen Zeitgeist

Seit mittlerweile 16 Jahren ist Abby mit James verheiratet. Ihre Tochter Alison ist zu einer eigenwilligen jungen Frau herangewachsen, die unbedingt Ärztin werden will. Sie ist fast schon besessen von Wissen und ihr bedeuten Bücher alles. Ihr Wissensdurst und ihre überdurchschnittliche Intelligenz würden es Alison ermöglichen, ihren Schulabschluss vorzuverlegen. Aber ihr Vater James ist nicht mehr wie früher. Seit dem Tod seiner Eltern, die er bei einem Erdbeben verlor, hat James eine erzkonservative Richtung eingeschlagen. Er pocht darauf, dass die Frauen in seinem Haushalt ihm gehorchen müssen. Abby hat sich widerwillig arrangiert, denn wenn sie ihn verlassen würde, bliebe ihr nichts und sie würde Alison ohne ihre Unterstützung dem diskriminierenden Frauenbild ihrer Zeit preisgeben.

Aber als Abby erfährt, dass Butch Cassidy entgegen aller Unkenrufe noch am Leben ist und Butch ihr ein Leben an seiner Seite anbietet, erwacht allmählich wieder ihr alter Kampfgeist. Heimlich legt sie Schmuck und andere wertvolle Dinge zurück, leitet den früheren Schulabschluss ihrer Tochter in die Wege und verlässt James, nachdem dieser sie geschlagen hat. Alison nimmt sie mit, damit sie nicht der Willkür ihres Vaters zum Opfer fällt. Aber James lässt diese Demütigung nicht auf sich sitzen und schickt ihnen Häscher hinterher. Wenn diese Abby und Alison finden, ist nicht nur die Freiheit der beiden Frauen in Gefahr, sondern auch das Leben von Butch Cassidy.

 

Egalität der Geschlechter

Der 3. Band der Reihe ist durch die Flucht und die daraus erwachsenden Abenteuer sehr spannend, er bietet auch zwei starke Frauenfiguren, die sich trotz aller Widrigkeiten behaupten und das Leben lieben. Wie es Abby schon in den ersten beiden Bänden gemacht hat, bieten sowohl sie als auch ihre Tochter Alison einem schockierend demütigenden, diskriminierenden Frauenbild die Stirn und leben ihr eigenes, wesentlich erfüllteres Leben. Dabei stellen sie fest, dass jede Frau eine andere Vorstellung von einem erfüllten Leben hat: Abby möchte ihres an der Seite eines Mannes verbringen, der sie nicht einengt, dafür aber in allem, was sie tut, unterstützt. Diesen Mann findet sie schließlich in Butch Cassidy, der ebenfalls andere – wesentlich humanere – Vorstellungen von Frau- und Mannsein hat, als der Zeitgeist es vorschreibt. Alison dagegen sieht ihre Erfüllung in ihrem Beruf und will sich privat nicht binden müssen. Sie zieht Wissen und den Dienst an Frauen in Form ihres Berufes einer Beziehung vor, lebt aber trotzdem nicht abstinent. Aber beide müssen für ihre Freiheit Opfer bringen: Abby und Alison verlieren einander. Und das sollte eigentlich nicht sein, dass ein erfülltes Leben zu (großen) Opfern zwingt – in einer egalitären Gesellschaft wären solche Opfer nicht nötig.

 

Alison ist auch entsetzt darüber, wie viele Frauen unter männlicher medizinischer Behandlung sterben und dass Frauenbelange nicht berücksichtigt werden. Das erinnert an heutige Erkenntnisse, dass die Medizin auf Männerkörper abgestimmt ist und deshalb Frauen schlechter medizinisch behandelt werden und wegen dieser falschen Behandlungen eher sterben.

 

James, früher ein offener, junger Mann, ist zu einem Patriarch erster Güte mutiert: Er will Herrschaft ausüben, koste es, was es wolle. Und wenn es das Wohl der Frauen seiner Familie kostet, hauptsache, er hat recht (Recht ist nicht Gerechtigkeit!) und kann seine Herrschaft weiter ausüben. Demgegenüber steht Butch Cassidy, eine ambivalente Figur: Seine Straftaten sprechen definitiv nicht für ihn, dafür umso mehr seine Ansichten über Frauen – die respektiert und unterstützt er und lässt ihnen alle Freiheiten. Er beutet sie weder sexuell, noch sozial, noch wirtschaftlich, noch politisch aus. Das alles zwar auch nicht von Anfang an, aber er ist willig zu lernen, auf Frauen einzugehen. Dieser Wille fehlt James irgendwann völlig, weswegen er den wohlverdienten Widerstand von Abby und Alison erntet – permanent und deutlich spürbar. Der Roman zeigt also auch, wie wichtig es für Frauen ist, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und sich lautstark Gehör zu verschaffen – nur dann ändert sich etwas, denn Männer, die Privilegien auf Kosten von Frauen genießen, wollen diese keinesfalls aufgeben. Lieber schaden sie missliebigen Frauen oder – noch besser – bringen sie um, wie die Geschichte der Emanzipation der Frauen immer wieder zeigt.

 

Diversität – DAS Überlebensprinzip der Natur

Der Roman punktet aber noch mit einem weiteren Thema: das der Diversität. Alison ist nämlich eine Autistin, genauer gesagt eine Asperger Autistin. Das hat zwar so seine Nachteile, aber auch einige Vorteile, die im Roman auch zum Vorschein kommen, da Alison ihr Expertenwissen stetig erweitert und für eine gute Sache einsetzt, sowie für ihre Themen brennt und sich auch durchsetzt. Das wird im Roman nie ausdrücklich so benannt, aber wer die Anzeichen von Autismus kennt, erkennt sie auch an Alison. Abby erkennt die Andersartigkeit ihrer Tochter an, James nicht. Ein Schelm, wer da Ähnlichkeiten zwischen Frauenbewegungen und LGBTQ+- Bewegungen einerseits erkennt und andererseits James an alles erinnert, was frauenfeindlich, homophob usw. ist… Alison ist übrigens auch bisexuell.

 

Beide Frauen, Abby wie Alison, stehen für Fortschritt und Menschlichkeit. Denn der Status Quo bringt in einer patriarchalen Gesellschaft v.a. Leid, während der Fortschritt in Menschlichkeit und der Anerkennung der Diversität Türen zu einem besseren Leben öffnet. Sieht man sich die Natur mit ihrer unglaublichen Artenvielfalt und ihren unglaublich vielen Überlebensstrategien an, der weiß, dass Monokulturen auf Dauer niemals funktionieren können, aber in der Zeit, in der sie funktionieren, Schaden anrichten. Was Frauenfeinden, Homophoben, Klimaleugnern usw. zwar egal ist, aber Mutter Natur ist unbestechlich: Auch sie werden Katastrophen erleben, Schaden nehmen und evtl. sogar daran sterben.

 

Fazit

Ich mache es kurz und schmerzlos: Dieser Western aus Frauensicht ist in mehrerlei Hinsicht lesenswert!


Genre: Emanzipation, Western
Illustrated by Bogner

Die Pest

Kurzrezension

Um es gleich vorwegzusagen: Das Buch ist ganz schön brutal. Gleich zu Beginn wird man von den vielen verendeten Ratten verschreckt. „…Da sah er aus dem Dunkel des Ganges eine dicke Ratte auftauchen, mit feuchtem Fell und unsicherem Gang. Das Tier blieb stehen, schien sein Gleichgewicht zu suchen, wendete sich gegen den Arzt, blieb wieder stehen, drehte sich mit einem leisen Schrei im Kreis und fiel schließlich zu Boden, wobei aus den halbgeöffneten Lefzen Blut quoll…“

Mir war das so nicht bewusst, als ich das Taschenbuch aus aktuellem Anlass aus den Tiefen unserer Bibliothek hervorkramte. Man sieht es dem Cover schon an, dass ich es bereits Anfang der 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts erstanden hatte.

Letztlich ist es aber trotzdem in hohem Maße lesenswert, gerade in den Zeiten unserer Pandemie. Es gibt so viele Parallelen im Verhalten der Menschen und der Behörden. Erstaunlich ist schon, wie treffend Albert Camus die Gegebenheiten und Charaktere in dieser fiktiven Geschichte beschreibt, die in den 40-er Jahren in Oran, einer Stadt an der Küste Algeriens spielt. Zu Recht ist das Buch ein Klassiker der Weltliteratur. Sehr empfehlenswert!


Genre: Romane
Illustrated by Rowohlt

Seide

Nett. Das ist das erste, was einem einfällt, wenn man die letzte Seite dieses Buches gelesen hat. Und schön kurz. An einem entspannten Nachmittag hat man die 145 Seiten print und 534 KB digital durch.

Alessandro Baricco, italienischer Autor, Philosoph und Dozent für kreatives Schreiben, erzählt uns eine Geschichte, die Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts spielt und in welcher der französische Protagonist Hervè Joncour seinen Lebensunterhalt als Seidenhändler verdient. Eine Seuche unter den Seidenraupen (in einer Nebenrolle Louis Pasteur) zwingen ihn und die ganze Innung, ihren Seidenraupen-Import auf immer fernere Länder auszudehnen, so das Joncour als Abgesandter irgendwann im damals völlig von der Welt abgeschotteten Japan landet. Hier fasziniert ihn nicht nur die fremdartige Kultur, sondern vor allem die geheimnisumwobene Frau seines japanischen Gastgebers. Die Anziehungskraft von Land und Frau sind so stark, dass er die strapaziöse Reise wieder und wieder auf sich nimmt und seine eigene Frau monatelang alleine zurücklässt. Jahr um Jahr beschränkt sich das Verhältnis zwischen ihm und der japanischen Schönen auf ein gegenseitiges Anschmachten. Viele Blicke, manch symbolische Geste, jedoch niemals ein Wort. Bis eines Tages… Das ist dann wohl die Stelle, wo ein Rezensent abbrechen muss.

Baricco hat einen Stil gewählt – aufgrund der Vita nehmen wir mal an ganz bewusst -, der Leserin und Leser mühelos ins 19. Jahrhundert und in die französisch-japanische Kultur der damaligen Epoche mitnimmt. Die Erzählung ist weniger Roman, mehr poetisch-lyrisch, nur nicht in Versform. Sie ist bildstark und doch zurückhaltend, mit geradlinigem Handlungsstrang und doch feinsinnig und fast zartfühlend, farbenreich und doch einfach. Zur Verstärkung manchmal fast infantil-perseverierend wie die Gebrüder Grimm. Eine Erzählung wie eine in Worte gefasste naive Malerei.

Die Geschichte und das Erschaffen dieser Stimmung scheint für Baricco über alles zu gehen. Ihn interessiert nicht, welches Mann-Frau-Rollenverständnis er dabei transportiert. Männer handeln, Frauen bleiben im Hintergrund, sind scheu, duldsam, allenfalls im Geheimen aktiv und kreativ. Man nimmt hin, dass das damals einfach so war.

In Summe nette Kurzunterhaltung. Besonders geeignet für Liebhaber von Katzenbildern, Karel Gott, Hummelfiguren und Schneekugeln.


Genre: Belletristik, Erzählung, Historischer Roman, Liebesroman
Illustrated by Hoffmann und Campe

Boys run the Riot 1

Darf ich mich zeigen, so wie ich bin?

Ryo hat ein Problem: Er findet die Mädchenuniform seiner Schule fürchterlich – v.a. weil er sie selbst tragen muss. Denn Ryo ist transgender, ein Junge im Körper eines Mädchens. So ist er tagtäglich gezwungen, sich Ausreden zu überlegen, warum er nicht in Uniform sondern in Sportkleidung in die Schule kommt, muss die schrägen Blicke ertragen, wenn er mit Jungs abhängt und Mädchen toll findet. Nur seine Kumpeline Chika ist vom Charakter her offen und gegen jede Ungerechtigkeit. Aber selbst ihr kann Ryo seine wahre Identität nicht anvertrauen. Dann allerdings ändert sich sein Leben grundlegend, als Sitzenbleiber Jin in die Klasse kommt. Jin pfeift auf Konventionen, er will sein eigenes Leben leben – und er sieht Ryo, wie Ryo wirklich ist. Weil Rin alles so sieht, wie es wirklich ist, hat er auch keine Vorurteile und ist in der Lage, die Qualitäten und den Charakter eines jeden Menschen sofort wahrzunehmen. Deshalb bietet er Ryo spontan an, mit ihm ein Modelabel zu gründen, denn Ryo hat eine Begabung für alles Künstlerische. Aber Ryo ist noch misstrauisch, denn er hat mittlerweile zu viele Narben davongetragen, um noch jemandem zu vertrauen.

 

Der Gesellschaft einen unbequemen Spiegel vorhalten

Der 1. Band der Reihe lässt sich sehr gut an. Er bietet Einblicke in die Gedankenwelt derjenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen – und entlarvt gleichzeitig durch die reine Präsentation der Charaktere, wie die Gesellschaft wirklich tickt: arrogant, egoistisch, engstirnig, diskriminierend, gewalttätig. Diese Charakterzüge nämlich tragen die besonders beliebten Jungen der Schule, während Ryo, Rin und im weiteren Verlauf der begabte Fotograf und ebenfalls Außenseiter Todo zwar menschliche Schwächen und Macken haben, aber in der Lage sind, sich selbst und anderes zu reflektieren, den Mut zur Selbstfindung aufbringen, einen guten Kern haben, den eigenen Schwächen ins Auge zu blicken und den Mut anderer wertzuschätzen, ebenso wie sie lernen, nicht nur sich selbst, sondern auch andere aufgrund ihrer menschlichen Qualitäten zu schätzen. Und ausgerechnet Rin, der vom Aussehen her das Schlägerklischee in jeder Hinsicht erfüllt, ist Lehrmeister für Ryo und Todo. So lernen die beiden, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein und sich für ihre Werte einzusetzen.

Der Manga bringt also allmählich ans Licht, worauf es wirklich ankommt: Menschlichkeit, Selbstfindung und das Kämpfen für eine gerechte und barmherzige Welt. Denn die jetzige ist noch weit davon entfernt, wenn sie Gewalttätigkeit und Diskriminierung nicht nur zulässt, sondern sogar gutheißt und destruktive Menschen hohes Ansehen genießen. Der Manga hält der Welt den Spiegel vor und zeigt die Destruktivität der Menschen, für die das zum normalen Leben gehört. Und er bricht eine Lanze für die Kunst, die schon immer Selbstausdruck war, intelligent die Geschehnisse der Zeit beleuchtet, bricht, kritisiert, seziert, mögliche (Lösungs-)Wege aufzeigt und damit ein fundamental wichtiger Teil der Gesellschaft und deren Gewissen ist. Da Mangas ebenfalls Ausdruck von Kunst sind, kann man hier also von der Form her eine Ebene in der Ebene beobachten. Kunst drückt sich in diesem Manga nicht nur in qualitativ hochwertigen Graffitis und Fotos aus, sondern auch in der Mode – sofern diese eine Botschaft hat, dem Selbstausdruck dient und die Herzen der Menschen berührt. Natürlich wollen die drei mit ihrem Traum auch Geld verdienen, aber für Geld verbiegen sie sich nicht, sondern nutzen die Mode als ihr Sprachrohr.

 

Insgesamt also ein sehr gelungener, tiefgründiger Auftakt einer hoffentlich im weiteren Verlauf guten und wichtigen Serie!


Genre: Anderssein, Kunst, Manga, Mode, Selbstfindung, Transgender
Illustrated by Carlsen Manga!

Aromatherapie für Frauen – Das Selbsthilfebuch für bewusst lebende Frauen

Aromatherapie für Frauen

Ganzheitliche Infos rund um körperliche und seelische Belange der Frau und Hilfe in allen weiblichen Lebensabschnitten

Das vorliegende Buch ist sehr anschaulich und ansprechend, denn die pastellfarbenen Hintergründe und hübschen Fotos verbreiten stets eine Wohlfühlatmosphäre, in die man sich als am Thema interessierte Leserin hineinfallenlassen kann. Das Auge liest in diesem Fall mit und der Körper entspannt sich allein schon bei der Auswahl der Farben und Fotos.

 

Hinzu kommen strukturierte und gut verständliche Infos und Anleitungen zu Deos, Kompressen, Auflagen, Badesalzen, Körperölen, Duschgelen, Rasierbalsamen und vielem mehr – die Autorinnen bieten eine reichhaltige Auswahl an Dingen, die man mit Aromatherapie alles machen kann. Dazu gibt es jede Menge Infos zu Krankheiten, Forschungsergebnisse bzgl. Aromaölen, Rezepten für DIY-Mischungen und eine genauso breite Anwendungspalette für jede Lebenssituation der Frau, psychisch wie physisch: Pubertät, Schwangerschaft und Stillzeit mit all ihren Beschwerden, Wechseljahre, Zyklus. Dabei werden auch nicht schwere Beschwerden ausgespart wie Krebs und Endometriose. Die Autorinnen erklären den Zusammenhang von Beschwerden mit dem übermäßigen Stress, dem gerade Frauen ausgesetzt sind, und den zunehmenden Umweltbelastungen, die sehr negativ auf den Körper wirken. Dementsprechend hoch ist der Anteil an psychischen Problemen, über die das Buch informiert, und wie Aromatherapie zumindest Linderung verschaffen kann. Körperliche und psychische Beschwerden gehen aber oft Hand in Hand, was ebenfalls erklärt wird.

 

Das Buch ist also auf ganzer Linie ganzheitlich ausgelegt, betont den Umweltaspekt und geht einfühlsam auf die zahlreichen Situationen der Frauen ein, die sie ständig fordern und oft auch überlasten. Die Frau wird in jeder Zeile wertgeschätzt und ermutigt, was ebenfalls sehr wohltuend für Leserinnen ist. Die Aromatherapien unterstützen und ergänzen gängige Therapien, können aber auch in leichteren Fällen die Schulmedizin ersetzen. Dabei betonen die Autorinnen aber auch, dass jede Frau verschieden ist und ausprobieren sollte, was ihr persönlich guttut.

 

Vorab beginnt das Buch aber mit verständlichen Grundlageninfos über Aromatherapie und -öle, wobei ein guter Teil der Infos den Köperteilen zukommt, die das Aroma aufnehmen, z.B. die Nase. Die Funktion und der Aufbau der Nase werden erklärt und der Bezug der Düfte über die Nase z.B. zur Psyche hergestellt. Tipps zur Dosierung, zur Qualität, zum Einkauf, der sicheren Handhabung usw. ergänzen die Basisinfos. Wohlfühltipps zur Körper- und Zahnpflege bis hin zu Erkrankungen der Haut, zum Sport, zur Sexualität und zum gesunden Schlaf decken verschiedene Lebensbereiche ab. Ich habe mich nach der Lektüre sehr gut informiert gefühlt und die Rezepte zum Selbermachen sind nicht kompliziert. Insgesamt ein rundum gelungenes Buch!

 

Fazit

Ein vielseitiges, schön bebildertes, anschauliches, verständliches und informatives Buch rund um die Lebenssituationen der Frau, deren körperliche und psychische Belastungen und Krankheiten und wie frau sich mit Aromatherapie in verschiedenen Lebenslagen selbst helfen oder zumindest schulmedizinische Therapien unterstützen kann.


Genre: Aromatherapie, Frauen, Sachbuch
Illustrated by Joy Verlag