Wien – Abenteuer

Dass Wien auch 2023 zu den ersten Reisezielen bundesdeutscher Besucher:innen zählt, beweist auch die Zweitauflage dieses Reiseführers, der in einer neuen Reihe des Michael Müller Verlages erscheint: “Abenteuer”.

Wien – Morbidität und Walzer Charme

Tatsächlich ist Wien immer noch für viele Reisende deutscher Zunge ein Abenteuer, sogar ein großes. Denn das Idiom der Einheimischen gilt immer noch als unverständlich und erheitert nicht nur Ohren, sondern auch Bauchmuskeln der aus dem Norden und Westen anreisenden Besucher:innen. Judith Weibrecht, studierte Literaturwissenschaftlerin und Psychologin (auch das schadet für Wien nicht), hat sich sogar einem Sprachkurs unterzogen, um besser in den Wiener Untergrund einsteigen zu können. Das tut sie tatsächlich: im zweiten Kapitel steigt sie für eine Tour in die düsteren Keller Wiens, wo sich einst die Särge turmhoch stapelten, so erzählt sie. “Hochkant wurden die Sorge durch ein Loch geschmissen”, erst später wurde eine Treppe nach unten gebaut und so kann man heute den lieben Herrn Franz oder die Aschenbrödel-Mumie (das Skelett trägt nur einen Schuh) in würdigem Abstand bewundern. Wien und der Tod – das passte immer schon gut zusammen, der Tod, das muss ein Wiener sein, sang schon Georg Kreisler oder besser noch brachte es der Helmut Qualtinger auf den Punkt: “Das einzige Lob, das es in Wien gibt, ist der Neid. Die einzige Zufriedenheit, die es in Wien gibt, ist der Tod.” Zentralfriedhof und Dritter Mann leisten heute noch einen großen Beitrag zur sprichwörtlichen Wiener Morbidität, die nur durch die süßen Zuckerlpakete vom Memel wieder aufgehoben werden können. Denn beides gehört in Wien eng zusammen, das Kaffeehaus und die Gruft.

Abenteuer im Untergrund und am Wasser

Schließlich logierte schon Graham Greene für seine Recherchen zum “Dritten Mann” ausgerechnet im Hotel Sacher, Heimat der weltberühmten Sacher-Torte. Das wohl am strengsten gehütete Kuchengeheimnis der Welt wurde x-fach imitiert und doch nie erreicht, aber vielleicht schmeckt die fake Sacher in einer der von Weibrecht besuchten Mensen sogar besser als das Original? Eine ihrer insgesamt acht Stadtführungen nennt sich “Mensaschmaus und Kantinenessen. Eine durchaus schmackhafte Stadtführung”, auch das offensichtlich eine Besonderheit Wiens. Hier findet sich auch das goldene Wiener Herz noch, denn für so manche Kantinenkraft ist ihr Job auch eine Mission. Schließlich stehen die Unimensen auch Nicht-Student:innen zur Verfügung und so kommt man recht preiswert zu einem Menü. Oder man geht ins Franziskanerkloster. Diesen Tip bekommt die Städtereisende auf einer Tour, die von einem Obdachlosen geführt wird. Neue Perspektiven auf das imperiale Wien bekommt man inzwischen aber auch vom Wasser aus. Etwa am Schwedenplatz wo viele Boote anlegen und manche auch vor Anker liegen.

Weitere Abenteuer in Europas Städten

Die Reihe “Abenteuer” des Michael Müller Verlages ist jung und spritzig geschrieben und versucht neue Wege des Städtetourismus zu gehen. Ebenfalls in dieser Reihe erschienen ist auch Prag, Berlin, Hamburg, etc…insgesamt 16 Städte, die aus einer einmal anderen Perspektive gezeigt werden.

Judith Weibrecht
Wien – Abenteuer
2022, 240 Seiten, farbig, 33 Stadtabenteuer zum Selbsterleben, 2. Auflage 2023
MM-Abenteuer
ISBN 978-3-96685-187-9
Michael Müller Verlag
17,90 € (D)18,40 € (A)26,90 CHF

 


Illustrated by Michael Müller Verlag Erlangen

Batman – Child of Dreams

Ein Batman aus Japan Kia Asamiya

Batman – Child of Dreams. Autor und Zeichner Kia Asamiya hat gemeinsam mit Texter Max Allan Collins ein erstes großes Manga über den Dunklen Ritter in Szene gesetzt. Der japanische Comic-Star Kia Asamiya, der moderne Manga-Klassiker wie Silent Möbius und Dark Angel schuf und sogar Star Wars: Episode I als Manga adaptierte, zeigt hier, dass Batman längst auch in Japan angekommen ist. Zumeist allerdings in Form der Filme, wie Kia Asamiya im ebenfalls in diesem Band abgedruckten Interview zu bedenken gibt. Der Comic, der zunächst für den japanischen Markt entstand, wurde später adaptiert und vom erfahrenen Batman-Comic-Autor und Krimi-Romancier Max Allan Collins mit den Dialogen für die westliche Ausgabe ergänzt. Dass der Band von hinten nach vorne gelesen wird, so wie in der japanischen Originalversion, wurde als besonderer Gag beibehalten.

Batman in Japan – Child of Dreams

Die denkwürdige Interpretation des Dunklen Ritters zeigt, wie Batman in Tokio gegen den Joker, Catwoman und den Riddler antritt. Jedoch sind nicht alle das, was sie zu sein scheinen. Manga-Legende Kia Asamiya fängt in seiner Vision für DCs Mitternachtsdetektiv die Ästhetik einer anderen Kultur sowie den Spirit der japanischen Comic-Welt ein. Ein einmaliges Leseerlebnis, das neue Perspektiven ermöglicht und zeigt, dass der Rahmen einer Vorgabe jederzeit auch innovativ gesprengt werden kann. Wie Kia Asamiya in einem Interview anmerkt wurde er von den amerikanischen Comickünstlern wie Frank Miller, Mike Mignola und Todd McFarlane beeinflusst. Er sei auch ein großer Batman-Memorabilien-Sammler, denn auch wenn er Superman bewundere, er würde lieber Batman sein, im wirklichen Leben!

Fanatic oder Fake Fur?

In seiner Batman-Interpretation bringt er eine neue Figur mit ein, die er Yuuko Yagi nennt und auf einer Person basiert, die er wirklich kennt. Aber es ist ein falscher Joker, der die Droge “Fanatic” im grossen Stil in Gotham verteilt und auch ein falscher Batman treibt sein Unwesen. Eine andere Droge, “Fake Fur” sorgt dafür, dass die DNA zerfällt und oft trifft es dann die, die andern eine Grube gruben. “Batman – Child of Dreams” warnt vor zu großem Fanatismus, denn allzu schnell kann aus Bewunderung und Fan-tum eine gefährliche Obsession werden, die schließlich auch dem Objekt der Begierde gefährlich wird. Gut, dass es den echten Batman auch noch gibt.

Die Arbeit an “Batman – Child of Dreams” dauerte über ein Jahr und erschien erstmals in dem Magazine Z, einem mehr als 700 Seiten starken Manga des Verlagshauses Kodansha, das monatlich erscheint. Der Ausgabe vom Panini-Verlag ist ein Interview und ein Making-Of beigefügt, das Zeugnis gibt von einem der gefragtesten japanischen Comickünstler der Gegenwart.

Kia Asamiya
Batman – Child of Dreams
(Original Storys: Batman: Child of Dreams)
Charaktere: Batman, Catwoman, Joker, Riddler
2022, 340 Seiten, Hardcover, Maße ca. 18,5 x 26,5 cm
ISBN: 9783741627705
Panini Verlag
39,00 €


Genre: Comic
Illustrated by Panini Comics

Black Panther Anthologie

Black Panther Anthologie Panini Verlag

Dem unaufhaltsamen Aufstieg des erstaunlichsten Superhelden Afrikas wird in vorliegender Anthologie Tribut gezollt.
Die besten Black Panther-Storys aus nahezu sechs Jahrzehnten sind in diesem Hardcover-Band versammelt, darunter mit Geschichten von Zeichnern wie Jack Kirby, John Byrne, Mark Texeira, Rich Buckler, Sal Buscema, u.a. sowie Autoren wie Chris Claremont, Chris Priest, Don McGregor, J. Torres, Jack Kirby, Jason Aaron, Reginald Hudlin, Roy Thomas, Stan Lee, Ta-Nehisi Coates.

Vom Coal Tiger zu Black Panther

1966, am Höhepunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, betrat T’Challa aus Wakanda erstmals die Bühne der Welt. Zuerst sollt er noch den Namen Coal Tiger tragen, um Verwechslungen mit den militanten schwarzen Black Panther, einer Bürgerrechtsorganisation, die ein Ende des Rassismus in den USA einforderte, zu verhindern. Es gab aber auch schon ein paar andere schwarze Helden, Vorläufer sozusagen, die aber immer nur Hilfsdienste für andere (weiße) Superhelden leisteten. Lothar etwa, der Koch von Mandrake, oder Ebony White, das Mündel von Will Eisners Spirit oder Captain Marvels Sidekick Steamboat. In den 50igern schuf Stan Lee schließlich den Bantu-Prinzen Waku. 1963 zog der Afroamerikaner Gabe Jones mit Marvels Sgt. Fury sogar gegen die Nazis in den Krieg. Das Eis brach aber eindeutig Black Panther, dem dann auch weitere schwarze Helden wie etwa Falcon, Luke Cage, Blade oder Storm folgten. Ins Kino schaffte es allerdings bisher nur Black Panther. Erstmals 2018 und dieses Jahr mit der Fortsetzung “Wakanda Forever”.

Wakanda für immer!

Stan Lee und Jack Kirby hatten Black Panther ins MCU eingeführt, eine Geschichte die die wahren Ursprünge des Helden aus Wakanda erzählt, wurde aber von Sal Buscema und Roy Thomas in einer Avengers Geschichte erstmals erzählt. Wir erfahren, was Wakanda unter allen Nationen der Welt so besonders macht und dass es seinen Reichtum einem Metall verdankt, das Schall schlucken kann. Aber auch einige interne Intrigen am Hofstaate Wakandas werden offengelegt, denn als der Widersacher Klaw den Vater T’Challas tötet, entsteht ein Machtvakuum, das nicht so schnell wieder gefüllt werden kann. In einer anderen Geschichte kämpft Black Panther gegen Killmonger und seinen Jaguar, “Panther’s Rage” heißt das Abenteuer von Stan Lee, das von Don McGregor 1973 umgesetzt wurde. Jack Kirby zeichnete und schrieb “Kind Solomon’s Frog”, in der ein gewisser Mr. Little dem Helden aus Wakanda assistiert. Storm und Black Panther treffen in “Cry Vengeance” aufeinander. Eine Übersicht über die Freunde und Feinde Wakandas sowie die Autoren des Panthers ergänzen den vorliegenden Sammelband, der einen guten Einstieg in eine Welt ermöglicht, die zwar nur am Papier besteht, seine Realisierung aber in Ihren Träumen findet!

Stan Lee
Black Panther Anthologie.
Wakandas grösster Held.
(Original Storys: A + X (2012) 3, Avengers (1963) 87, Black Panther (1977) 1, Black Panther (1998) 1, 57–58, Black Panther (2005) 18, 39–41, Black Panther (2016) 1, Fantastic Four (1961) 52–53, Jungle Action (1972) 6, Marvel Team-Up (1972) 100)
2022, Hardcover, 324 Seiten
ISBN: 9783741629198
Panini Verlag
35,00 €


Genre: Comic
Illustrated by Panini Comics

Gegen die Ohnmacht: Meine Großmutter, die Politik und ich

gegen die ohnmachtIm Vorwort verteilt Luisas Oma selbst gestaltete Postkarten vor dem Eingang des Hamburger Botanischen Gartens: „Niemand macht einen größeren Fehler, als derjenige, der gar nichts macht, weil er nicht alles machen kann.“ Auf der Vorderseite ein Foto von einem übergewichtigen Adam, der in einen Apfel beißt: „Adam plündert sein Paradies“ heißt die Statue, die dort, am Eingangstor, steht. Hinten sind der Spruch des Philosophen Burke und ein Link zu einer Webseite, die über Ökostromanbieter informiert. Und das im ersten Jahr der Pandemie, sie ist Mitte Achtzig.

„Meine Großmutter ist dreißig Jahre vor mir Aktivistin geworden“. Ausgelöst durch „die atomare Bedrohung, hat sie die wachsenden ökologischen Krisen und weltweiten Ungerechtigkeiten“ auf ihre Art bekämpft, mit Leserbriefen oder Reden auf Aktionärsversammlungen, die als Beispiele aufgeführt werden.

Das Buch, von Luisa geschrieben, führt uns durch zwölf Kapitel, die jeweils einen Schwerpunkt bearbeiten: Erinnern, Rauchen, Empören, Fossilität, Privilegien sind Beispiele für deren Titel.

Ein Hobby schon der Familie der Großmutter sind Filme über das Aufwachsen der Kinder, und Luisa geht gerne zum Filmegucken, so lernen wir auch etwas über die anderen Familienmitglieder. Einige Bilder sind im Buch zu sehen. Es gibt sie schon aus den dreißiger Jahren, als Dagmar Reemtsma in Tilsit aufwuchs, 1933 geboren, nach der Machtergreifung Hitlers.

Der Vater lehnt den Nationalsozialismus ab, rät der Familie vor Kriegsende, inzwischen sind es fünf Kinder, zu fliehen, obwohl der politische Führer der Region genau das verboten hatte. Mutter und Kindern gelingt die Flucht, der Vater kommt wegen Ungehorsam ins KZ Stutthof bei Danzig, „wo er umkommt.“

Die Familie zieht nach Hamburg, wo Dagmar einen Spross der Reemtsma Familie heiratet. Sie genießt die Zuneigung der Schwiegerfamilie (zur Geburt des ersten Kindes schenkt der Schwiegervater „als Kinderwagen“ einen VW-Käfer!), und erst über vierzig Jahre später erfährt sie von der Verstrickung der Zigarettenfirma mit dem Naziregime. Auch in diesem Kapitel geht Luisa dialogisch vor, fragt sie, wie man nicht fragen konnte, warum eben dieser Schwiegervater nach dem Krieg inhaftiert worden war. Oder, was die Schwiegerfamilie zum Tod ihres Vaters im KZ sagte. „Luisa, darüber sprach man nicht. Ich war völlig ahnungslos. Im Geschichtsunterricht kam die jüngere Geschichte nicht zur Sprache, und sonst auch nicht.“

Nachdem Oma ihre Kinder großgezogen und sich von ihrem Gatten getrennt hatte, nahm sie an Demonstrationen teil. Trotz Hippiezeit blieb sie die Bürgerliche: Gut gekleidet und mit Hut. Bei der Aktionärsversammlung von Adidas beklagt sie die Höhe der Dividenden, die wegen der Ausbeutung der Näherinnen in Asien möglich sind.

Durch den Rückblick auf die Aktivitäten der Oma werden wir erinnert an Vorstellungen vom Fortschritt, die inzwischen Zeitgeschichte sind: den Elbausbau in Hamburg, die Flugzeugfabrik, die inzwischen abgerissen wurde.

Besonders lesenswert sind die Leserbriefe an die WELT, wo sie sich, auch schon 2007, gegen den Autowahn wendet: „Nach der mühevollen Einführung des Katalysators haben die deutschen Autohersteller absolut verantwortungslos agiert und produziert, und Herr Verheugen sorgt gerade in Brüssel dafür, dass es auch in Zukunft so bleiben wird.“ Und so kam es auch.

Manchmal spricht Luisa von ihrer Oma so liebevoll wie Großeltern von ihren Enkelkindern: „Der Computer und meine Großmutter führen eine aufreibende Ehe, stundenlang kann meine Großmutter vor mir stehen und sich beschweren: Heute hat er schon wieder dies gemacht …“

Als das Internet aufkam, hatte sie sofort einen Kurs bei der VHS belegt, weil sie ahnte, dass gerade Rentner hier schnell abgehängt werden können.

Im Kapitel Ostfronten geht es von der Flucht der Oma und den Kriegsfolgen weiter mit dem Krieg in der Ukraine. Wieder einen Krieg zu erleben, war für Europäer außerhalb jeder Vorstellung.

Gegen die Ohnmacht schließt mit den Gefühlen, die Aktivisten haben, wenn sie sehen, dass sie ihre Ziele nicht erreichen. Schon der Bericht, wie Aktivisten in Straßburg vor dem EU-Parlament erfahren müssen, dass Gas und Atom nachhaltig sein sollen, berührt. Ein Buch mit viel Informationen und Tiefgang, und auch noch gut zu lesen.


Genre: Biographien, Klimakrise, Zeitgeschichte
Illustrated by Tropen Verlag

Das liebestolle Krokodil

KI am deutschen Bücherhimmel

Der soeben erschienene, schmale Band «Das liebestolle Krokodil» des literarischen Tausendsassas Ruprecht Frieling aka Prinz Rupi trägt die Bezeichnung «Eine Groteske», was durch das ebenso bunte wie lustige Titelbild wirkungsvoll unterstrichen wird. Der Buchrücken informiert darüber, dass diese «stürmische Groteske … der erste mittels KI (Künstlicher Intelligenz) geschriebene und illustrierte Text am deutschsprachigen Bücherhimmel» sei. Spätestens da wird klar, dass hier «etwas vollkommen Neues, technisch nie Dagewesenes» auf den neugierig gewordenen Leser wartet. Weiterlesen


Genre: Groteske
Illustrated by Belle Époque Verlag

Bodentiefe Fenster von Anke Stelling

Sie macht alles richtig, funktioniert immer, ist Mutter, Frau und Journalistin zugleich. Sie will es besser machen. Besser als alle anderen und vor allem besser als ihre Mutter. Die Hauptfigur des Romans Bodentiefe Fenster heißt Sandra, wohnt mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem selbstverwalteten Gemeinschaftshaus und knickt unter der Last des Mutterseins nach und nach ein. „Sei glücklich“, schreit sich Sandra selbst Tag für Tag an, „sei glücklich, zufrieden und froh und vor allem ausgeglichen, ja, ausgeglichen musst du sein, denn deine Kinder brauchen eine glückliche, eine ausgeglichene Mutter.“ Dass derartige Zwangsgedanken auf Dauer nicht nur mürbe, sondern auch zynisch und abgestumpft macht, ist klar. Nur wie – das weiß man noch nicht. Weiterlesen


Genre: Gegenwartsliteratur
Illustrated by Verbrecher Verlag

The Secret Teachings of All Ages

Das faszinierende Cover von The Secret Teachings of All Ages

The Secret Teachings of All Ages. Dem Stein der Weisen dürfte wohl niemand je so nahe gekommen sein, wie Manly Palmer Hall, der 1928 erstmals diesen Klassiker publizierte. Der gelernte Philosoph aus Kanada behandelt darin
antike Symbole, verborgene Rituale und arkane Praktiken.

Das Wissen der Alten

Eine Enzyklopädie der verborgenen Lehren und das Wissen der Alten in einer luxuriösen Ausstattung mit vielen Abbildungen und zudem 4 hochwertigen Drucken in einem Portfolio. Die Ausgabe erscheint in zwei Bänden im sog. Baby Sumo Format mit kunstledergebundenem Rücken und Goldfolienprägung. Halls Werk war zu seiner Zeit auch als “Das Großes Buch” bekannt, weil es beinahe das gesamte Wissen der damaligen Welt beinhaltete. Anschauliche Illustrationen des Künstlers J. Augustus Knapp und zusätzliche Abbildungen von Mihran Serailian, die im Begleitband zu finden sind, lassen eine okkulte Welt auch in bunten Farben erstehen und bieten den Leser:innen einen einzigartigen Zugang zu fast 60 Kunstwerken. Qabbala, Alchemie, Tarot, Ceremonial Magic, Neo-Platonische Philosophie, Mystery Religions, und auch die Theorie des Rosicrucianism und der Freemasonry werden in vorliegender Prachtausgabe ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt.

Faith, Honesty, and Common Sense

Die ursprüngliche Idee entstand schon 1923, als der junge Redner aus Los Angeles eine monatelange Reise um die Welt unternahm. Damals noch mit dem Schiff. Hall umrundete Ägypten, China und Indien und vertiefte sich in philosophische und religiöse Geschichten und Praktiken dieser Länder. Sieben Jahre soll er dann an seinem Werk gearbeitet haben, das nun als minutiös restaurierte Version von Halls “Großem Buch” beim TASCHEN Verlag, rund 100 Jahre nach seinem Entstehen, vorgelegt wird. 1934 gründete Hall die Philosophical Research Society (PRS), deren Präsident er bis zu seinem Tod war. Die Philosophical Research Society verfolgt weiterhin seine Mission, die Quellen für all diejenigen zu erforschen, die grundlegendes und praktisches Wissen für das 21. Jahrhundert suchen. Laut ihren Statuten ist die PRS auch heute noch “dedicated to the ensoulment of all arts, sciences, and crafts”. Halls Vermächtnis wird von der PRS mit folgenden Worten zusammengefasst: “With faith, honesty, and common sense we can build a better world than any we have known.

The Secret Teachings of All Ages

Das Begleitbuch ergänzt das Werk mit Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel der Secret Teachings sowie neu entdeckten Kunstwerken, seltenen Fotografien aus Halls Archiven und Essays von den Journalisten Mitch Horowitz und Jessica Hundley.

Manly Palmer Hall
The Secret Teachings of All Ages
Hardcover mit Ausklappseiten im Schuber,
33,5 x 47,5 cm, 356 Seiten, mit Begleitbuch, 23,8 x 32,2 cm, 256 Seiten, beide mit
kunstledergebundenem Rücken und Goldfolienprägung;
4 Drucke in einem Portfolio, je 33,5 x 47,5 cm, Gesamtgewicht 13 kg
ISBN 978-3-8365-8576-7 (Englisch)
TASCHEN Verlag
€ 500 | CHF 500


Genre: Antike, Bildband, Geschichte, Philosophie
Illustrated by Taschen Köln

Unter der Sonne: Erzählungen

Kehlmanns Titelgeschichte »Unter der Sonne« schildert den Werdegang eines gescheiterten Autors. Ein Mann schreibt über einen berühmten Schriftsteller, er widmet ihm sein gesamtes wissenschaftliches Werk und all seine Arbeitszeit. Doch gelingt es ihm nicht, den Schriftsteller zu Lebzeiten auch nur ein einziges Mal zu treffen oder ihm eine persönliche Zeile zu entlocken. Weiterlesen


Genre: Erzählungen
Illustrated by Rowohlt Taschenbuch Reinbek

Corto Maltese – Nacht in Berlin

Corto Maltese – Nacht in Berlin

Corto Maltese, der Sohn eines britischen Seemannes und einer Zigeunerin aus Sevilla (nein, nicht Carmén!), wurde von Hugo Pratt in das Comicuniversum eingeführt. Die Serie wird in vorliegendem Band des Schreiber & Leser Verlages wieder von Ruben Pellejero (Zeichnungen) und Juan Diaz Canales (Szenario) fortgeführt. Sie gestalteten insgesamt schon vier Bände, zuletzt “Tarowean“, ebenfalls bei Schreiber & Leser. Band 16, Nacht in Berlin, führt nun an einen gänzlich neuen Schauplatz. Berlin und Prag, zwei Städte Mitteleuropas in der besorgniserregenden Zwischenkriegszeit, bilden den Hintergrund dieses außergewöhnlichen Abenteuers.

Mitteleuropa im Würgegriff der Bestie

Seine hervorrstechendste Eigenschaft und gleichzeitig sein grösster Fehler ist zweifellos seine Wissbegier und genau die begleitet uns in dieses Abenteuer im alten Mitteleuropa, das von einer menschlichen Bestie heimgesucht wird: dem Nazismus. Ob diese neue politische Gruppe auch hinter dem Mord an Cortos altem Freund steckt? Prof. Jeremiah Steiner, Cortos alter Freund, wird nämlich in Berlin tot aufgefunden und natürlich will Corto herausfinden, wer die Urheber dieser Schandtat waren. Eine Geheimorganisation, die in die höchsten Kreise führt und sich “Consul” nennt, könnte dahinterstecken. Diese Org Consul ist auch in das Verschwinden der Rathenau-Papiere verwickelt, die ihre Machenschaften aufgedeckt hätten. Bei seinen “Ermittlungen” hilft ihm kein Geringerer als der österreichischen Schriftsteller Joseph Roth, der auch das Vorwort zu vorliegender Ausgabe geschrieben hat.

Comic und Geschichte

Natürlich nicht wirklich, denn Roth ist schon seit 1939 tot, aber Juan Diaz Canales hat sich ihn eben als Begleiter und Assistenten für Corto in diesem Abenteuer ausgedacht. Tatsächlich lebte Roth aber in den Jahren 1920-23 in Berlin und arbeitete als Journalist für diverse Zeitungen. Auch die sehr positiv dargestellte Rolle von Friedrich Ebert, mag so manchen Leser:in überraschen. Aber schließlich ist ein Comic ein Comic und kein Geschichtsbuch. Ersteres ist den beiden jedenfalls gelungen: sie haben einen lesenswerten Comic über eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte verfasst und zudem noch den Prager Golem zur Mitwirkung eingeladen.

Champagner-Melancholie in der Weimarer Republik

Dass Corto Maltese im Berliner Untergrund der Weimarer Republik in einem berüchtigten Nachtclub die “Champagner-Melancholie” bekannt ist nur eine von vielen Überraschungen mit denen die beiden Autoren aufwarten. Auch eine Badeszene mit Liese im Berliner Nikolassee bestreitet Corto als alter Seewolf ohne Badehose, aber natürlich ist die Szene dennoch jugendfrei. Viel skandalöser als sein nackter Popo ist schließlich das Heraufdäuen der nazistischen Bestie, genau in der Zeit als in Babelsberg, dem Berliner Hollywood, ein genialer Regisseur einen düsteren, prophetischen Film mit dem Titel “Bestia Triumphans” dreht Aber auch Corto Maltese arbeitet kurz beim Film und springt als Teufel für eine Szene des vermissten Adolf Kraft ein. Dieser Adolf steht ideologisch allerdings auf der entgegengesetzten Seite wie der andere, leider berühmtere Adolf, der sein Unwesen in jenen Tagen in Mitteleuropa dreht. “Traurig, dass Glück nur um den Preis der Unwissenheit zu haben ist“, prophezeit Corto ein alter, es gutmeinender Freund. Was nicht bedeutet, dass nicht auch intelligente Menschen glücklich sein könnten…

Juan Diaz Canales/Ruben Pellejero
Corto Maltese
Nacht in Berlin. Band 16 der Reihe
2022, gebunden, Farbe, 88 Seiten
ISBN: 978-3-96582-088-3
€ 24,80
Schreiber & Leser Verlag


Genre: Comic, Graphic Novel
Illustrated by Schreiber & Leser

Das Rätsel der Schamanin – Eine archäologische Reise zu unseren Anfängen

https://c95871.ssl.cf3.rackcdn.com/p62wAOZrQE_assets/images/p62wAOZrQE_Zoom.webpWie ein Traum der Nazis zu einem Alptraum wird – und zu einem wahr gewordenen Traum der Egalität

Wer verstehen will, woher wir kommen und was unser Erb- und Kulturgut alles für Überraschungen bereithält, der halte sich an die Archäologie und Geschichtsforschung – aber ohne den ideologischen, kolonialen, patriarchalen und sonstigen Ballast, der unkritisch auch in die Forschung gern mal miteinfließt und damit instrumentalisiert wird.

So geschehen bei der Schamanin von Bad Dürrenberg. Denn das große und das winzige Skelett, das die Nazis zum gelungenen Beispiel ihrer Rassenideologie machten, entpuppte sich als wahrer Alptraum eines jeden Ariers: Zum einen lag in dem wichtigsten europäischen Grab des Mesolithikums kein Mann wie vorschnell angenommen, sondern eine mächtige Frau, die mit allen Ehren bestattet und Jahrhunderte nach ihrem Tod weiterhin verehrt und um Rat gefragt wurde. Zum zweiten war diese Frau auch noch eine „People of Color“ – braune Hautfarbe mit blauen Augen, wie die genetische Analyse zeigt. Und zum dritten wurde Menschen mit Handicaps früher augenscheinlich eine besondere Wertschätzung zuteil, wie dieses Grab und mehrere andere sorgfältig ausgestattete Gräber und deren inne liegende Knochen zeigen.

 

Unheilige Allianz von Patriarchat, Ideologie und Kolonialismus

Harald Meller und Kai Michel weisen in ihrem spannenden und z.T. humorvoll geschriebenen Buch nach, wie das patriarchale, ideologische und koloniale Denken in der Archäologie und der Geschichtsforschung eine unheilige Allianz eingegangen sind, um den jeweiligen Zeitgeist zu bestärken. Das hat mit unvoreingenommener, neutraler Wissenschaft nichts zu tun. Geht man aber objektiv an die Historie, dann hat die „Archäologie das Potential, unsere Gewissheiten auf den Kopf zu stellen. Welcome to Wonderland!“, wie es so treffend auf S. 42 im Buch heißt. Denn: „Der Archäologie im Verbund mit evolutionärer Anthropologie, Primatologie, Archäogenetik und Ethnografie verdanken wir die immer noch viel zu unbekannte Einsicht, dass unsere angebliche Normalität alles andere als normal ist. Wir leben in einem Ausnahmezustand.“ (S. 42/43)

Und zwar in einem negativen Ausnahmezustand. Dieser Ausnahmezustand umfasst das gesamte Patriarchat, das nur ein einziges Prozent der Menschheitsgeschichte ausmacht. In den 99% davor gab es egalitäre Gesellschaften, in denen Frauen geachtet bis hoch geachtet wurden. Es war die Zeit der hochmobilen Jäger*innen und Sammler*innen. Die Zeit dagegen, in der die Menschheit sesshaft geworden ist, ist viel zu kurz, um sich nennenswert in die menschliche Biologie einzuschreiben. Die Welt, in der wir leben, ist völlig anders als jene, an die wir uns die allermeiste Zeit der Geschichte angepasst haben. Deswegen beschleicht uns nach Michel und Heller immer wieder das Gefühl, mit dem Leben könne es nicht mit rechten Dingen zugehen. Die immer neuen kulturellen Adaptionen, die nicht selten der biologischen Natur zuwiderlaufen, sollen religiös, philosophisch und gesetzlich sicherstellen, dass Menschen in einem Umfeld funktionieren, das ihnen eigentlich widerstrebt.

Wie es früher nach hoher Wahrscheinlichkeit und nach gründlicher Recherche war, will das Autorenduo am Beispiel der Schamanin aufzeigen. Dabei wird zum einen der Begriff „Schamane“ und „Schamanimus“ und dessen Bedeutung genau unter die Lupe genommen, um nicht wieder dem Zeitgeist aufzusitzen. Ebenso wird der Animismus untersucht, der sich aus der Natur heraus selbst erklärt. Dieses Sich-aus-der-Natur-heraus-Selbsterklären zeigt auch auf, warum Frauen tendenziell eine geschätzte Stellung hatten – sie waren diejenigen, die das Wunder vollbrachten, Leben zu schenken. Das machte sie zu besonderen Wesen und das ist auch ein Grund, warum sie Zugang zu einer anderen Welt hatten. Im Übrigen galten Transvestiten, also jene mit wandelndem Geschlecht, als besonders talentiert im Umgang mit anderen Sphären.

 

Der Beginn der negativen 1% der Menschheitsgeschichte

Die Schamanin aus Bad Dürrenberg ist die ideale Personifizierung der animistischen Weltsicht; sie entpuppt sich als Meisterin der Beziehungen der Menschen untereinander und zu Wesen nichtmenschlicher Gestalt. Allerdings beginnt mit den Schamanen, und damit der Spezialisierung, das Zeitalter der Expert*innen. Das wiederrum bedeutet Abhängigkeiten, ungleich verteilte Ressourcen und Macht über andere. Der Zugang zu höheren, lebensbestimmenden Mächten, den früher alle hatten, wird beschränkt. Damit haben die Menschen ihr Schicksal nicht mehr in der eigenen Hand. Im Neolithikum, der nach dem Mesolithikum folgenden Welt der Ackerbauern, lösen sich die alten Gruppenbeziehungen auf. Die Menschen sind jetzt an den Boden gebunden, die Bevölkerung explodiert. Das führt zu Konkurrenz um Ressourcen bis hin zum Krieg. Eigentum sichert die Existenz und muss beschützt und ggf. verteidigt werden. Das ist jetzt Aufgabe der Männer, die vor Ort bleiben. Die Frauen dagegen müssen in fremde Familien einheiraten und verlieren so ihr altes soziales Netzwerk. Die Männer geben ihr Eigentum an die Söhne weiter. „Hier wird die Einbahnstraße Richtung Patriarchat eingeschlagen, das uralte Gleichgewicht der Geschlechter zerstört.“ (S. 323)

Das bedingt auch, dass der Ahnenkult zum Schutz der Ansprüche auf das Land und das Eigentum forciert wird. Auch die Ahnen werden wie die Menschen ungleicher. Erst wenn die Menschen mächtige Menschen kennen, können sie sich mächtige Gottheiten vorstellen. Ahnenkult und Götter sind also recht späte Erfindungen der Menschheit.

Wenn intensiv Landwirtschaft betrieben und Eigentum angehäuft wird, öffnet sich die soziale Schere immer weiter. Es entstehen neue Herrschaftsformen und erste Staaten, deren Herrscher sich auf die Macht der Götter berufen: Herrschaftsreligion. „Die Herrschaftsreligion setzt auf Überwältigung und Monumentalität, auf Heerscharen von Priestern und bombastische Tempel. In dieser polytheistischen Welt der vielen Götter bestehen aber auch noch die alten spirituellen Sphären fort, die Welt der Geister, der Magie, des Zaubers und einer Vielzahl schamanischer Techniken. Das ist bunt, alltagstauglich, nicht dogmatisch, es wird mit allem experimentiert, was hilft und heilt. Wir haben es mit einer Religion von oben und einer Religion von unten zu tun. Nur die von oben, die Herrschaftsreligion, schreibt den Menschen vor, was sie zu glauben haben, wie sie leben sollen und was gut und böse ist. Die von unten, die Alltagsreligion, ist einfach da und versteht sich von selbst.“ (S. 324)

Für den neuen Monotheismus dagegen sind alle anderen Götter nicht existent und ihre Verehrung Götzendienst. Damit wird die Religion von unten mit ihrer Alltagsreligion und ihren vielen mächtigen weiblichen Gottheiten bekämpft. Deren Repräsentant*innen sollen getötet werden. Die Menschen dürfen nur noch das glauben, was ihnen von oben vorgeschrieben wird. Alle anderen religiösen und spirituellen Praktiken werden verteufelt: Heiden, Hexen (Hek-se: Heckensitzerin; diejenige, die die Hecken, also die Grenzen [auch von Diesseits und Jenseits] bewacht und beschützt), manche Mystikerinnen werden brutal verfolgt. Der europäische Kolonialismus trägt die Religion von oben in die Welt und erklärt dem animistischen Denken, der Alltagsreligion, den Krieg.

„Doch das ist ein Kampf gegen die menschliche Natur. Denn die setzt bei übernatürlichen Dingen auf viele Akteure. Darum musste schon das Christentum mit Engeln und Teufel, mit Dämonen und Legionen von Heiligen nachbessern. Unsere Natur verlangt zu allen Zeiten nach ihrem Recht. Deshalb bricht diese verdrängte und unterdrückte Seite heute wieder hervor, kaum haben die Kirchen ihre Macht verloren. Mit dem wissenschaftlichen Fortschritt verschwindet das spirituelle Bedürfnis der Menschen beileibe nicht vollständig. Wie auch, meldet sich hier doch unsere alte, animistische Natur.“ (S. 325)

Allerdings hat die Geschichte immer wieder mit Geschichtsfälschungen zu kämpfen, denn die angeblich großen Denker und Forscher waren allesamt männlich und damit patriarchal, ideologisch und kolonial kontaminiert. Heller und Michel müssen sich also erst einmal durch allerlei Altlasten diesbezüglich wühlen, um der realen Frau von Bad Dürrenberg näher zu kommen. Das tun sie mit Beharrlichkeit und immer neuer Motivation, denn diese Frau birgt die ein oder andere Überraschung. Dabei beleuchten die beiden Autoren ausführlich die damaligen Umweltbedingungen, Lebensumstände und das vermutlich animistische Denken; dies alles wird auch im Kontext heutiger Schaman*innen und der weiteren Geschichtsschreibung gesehen.

 

Fazit

Die Schamanin von Bad Dürrenberg erwacht wieder zum Leben und hat uns auch heute noch etwas Wichtiges zu sagen – nämlich, woher wir kommen und wie die Vergangenheit in uns bis heute nachwirkt. Und das nicht zu unseren Ungunsten, ganz im Gegenteil. Sie holt das zutiefst Menschliche wieder ans Tageslicht, das uns immer wieder die Richtung zeigt im Umgang mit anderen Menschen, mit Tieren, mit Pflanzen, mit spirituellen Sphären. Deshalb ist die Vergangenheit gerade heute so aktuell wie nie zuvor, denn sie weist Richtungen auf, die zu Lösungen der aktuellen Katastrophen führen können. Auf all das weist das Buch hin und erweckt gleichzeitig die Vergangenheit, die bis in die Genetik reicht, auf faszinierende Weise wieder zum Leben. Heller und Michel ist damit ein wichtiges Buch gelungen, das gut vernetzt werden kann mit heutigen Erkenntnissen über den Schutz und der Achtung der Umwelt, mit dem spirituellen Grundbedürfnis der Menschen und mit einem guten sozialen Miteinander.

 


Genre: Anfänge der Menschheit, Animismus, Anthropologie, Archäogenetik, Archäologie, Egalität, Ethnografie, Ideologie, Kolonialismus, mächtige Frauen, Menschheitsgeschichte, Patriarchat, Primatologie, Religiosität, Spiritualität
Illustrated by Rowohlt

Love and Fortune 6 und 7

Bild 1 von 4Love and Fortune 7 - Bild 1 von 1

Turbulentes Alltagsleben

Yumeaki bekommt mit, wie Wakos Exfreund Jo ihr einen Heiratsantrag macht. Er hört aber auch, dass sie diesen ablehnt. Nach einem Gespräch verzeiht er Wako und sie organisieren sich ein schönes Weihnachtsfest mit vielen kleinen Dingen, die sie zum ersten Mal machen. Wako kommen aber Zweifel, ob diese Beziehung, die sie geheim halten müssen, auf Dauer gut gehen kann. Sie beschließt, das Beste aus der Situation zu machen, unterstützt Yumekai in seinen Träumen und macht sich Gedanken über ihre Zukunft, denn ihr Job ist nur befristet und sie hat wegen ihres Alters wenig Auswahl. Dabei erinnert sie sich, dass sie vor langer Zeit Filmvorführerin werden wollte. Sie nimmt eine gute Gelegenheit wahr, bei einem Filmdreh dabei zu sein, wundert sich aber, dass der filmbegeisterte Yumeaki nicht mitwill. Außerdem macht sie sich Gedanken um die traditionelle Rolle der Frau – alle ihre Freundinnen und ihre Schwester sind verheiratet, schwanger oder haben schon Kinder. Währenddessen begegnet Yumeaki einem geheimnisvollen Mädchen, das wie er filmt. Und Wako meldet sich für Fortbildungen an, um eine bessere Aussicht auf einen guten Job zu haben. Dann aber gibt ihr Yumeaki den Schlüssel zu ihrer Wohnung zurück und trennt sich von ihr.

Wako fällt aus allen Wolken, versucht aber trotzdem, weiterhin etwas aus ihrem Leben zu machen. Sie überdenkt ihre Selbstzweifel, schneidet sich die Haare, entfernt Yumeakis Sachen und gibt sich Zeit zum Trauern. Als ihre Mutter erkrankt, erkennt sie, dass diese nicht wollte, dass Wako das Rollenklischee erfüllt, sondern auf ihre Weise glücklich wird. Das befreit Wako von ihren kritischen inneren Stimmen. Im Gespräch mit einer Kollegin, deren Arbeitsvertag ebenfalls ausläuft, regt diese sie an, selbstständig und eine Barista zu werden – Wako liebt Kaffee über alles. Außerdem könnte Wako eine Mischung aus Café und Kino anbieten. Außerdem hat Wako jetzt den Mut, öffentlich zu sagen, dass sie sich von gesellschaftlichen Erwartungen nicht unter Druck setzen lassen und ihr eigenes Ding durchziehen will. Ein paar Jahre später ist Wako dort angekommen, wo sie hinwollte.

 

Der Druck der Normen und Rollenklischees

Die Reihe endet mit dem siebten Band und hält eine glückliche Wendung für Wako bereit. Damit ist diese Geschichte eine, die zwar die Schwierigkeiten einer Beziehung einer älteren Frau mit einem jüngeren Mann aufzeigt, diese aber nicht von vorneherein scheitern lässt oder auf eine endgültige Katastrophe zuläuft, wie das leider oft der Fall ist. Wenn der Mann (viel) älter als die Frau ist, ist das eine Selbstverständlichkeit, ist aber die Frau (viel) älter als der Mann, wird das auch in Fiktionen oft genug zu einem Drama hochgepuscht, in dem es gerade für die Frau nicht gut endet. Soll so die Frau für etwas, was für den Mann selbstverständlich ist, bestraft werden? Wie gesagt, zum Glück ist es hier anders. Der Manga hat den Anspruch, den er selbst durch Wako formuliert, in der Realität zu stehen. Deshalb zeigt er keine Promis, sondern ganz normale Menschen in einer ganz normalen Realität, die sich außerhalb der für sie vorgesehenen Norm verlieben – und dadurch Schwierigkeiten bekommen. Mit denen gehen sie auch mal besser und mal schlechter um, was ebenfalls ganz normal ist.

Außerdem sind es die kleinen Dinge, die im Manga Großes ankündigen oder auf leise, aber wichtige Dinge oder innere Befindlichkeiten hinweisen. Wako z.B. ist eine Frostbeule, und es ist kalt, als sie ihren großen Streit mit Yumeaki hat. Aber als sich dieser klärt, ist der sanft herabfallende Schnee ein Zeichen für ihr leises Glück und für die kleinen, aber wichtigen Veränderungen, die an diesem Tag geschehen. Am selben Tag findet Wako zwei Handschuhe im Schnee (nicht nur einen), die ihre Finger wärmen und sie bestellt für sich und Yumeaki einen teuren ganzen Kuchen, nicht nur einen halben – sie ist mit ihm ganz und für sie gehören zwei Menschen zueinander, wenn sie zueinander passen.

Es sind die kleinen und großen Ermunterungen der anderen, die manchmal den großen Unterschied machen. Wakos Kollegin bringt sie auf eine gute Idee, wie sie ihre berufliche Zukunft gestalten kann in einer Welt, die ältere Arbeitnehmer*innen aus ihrem Repertoire verbannt. Und Wakos Mutter befreit Wako aus ihrem Selbsthass, indem sie den Erwartungsdruck von ihr nimmt. Denn das zeigt der Manga immer wieder: Rollenklischees und der Erwartungsdruck, dem gerade Frauen ausgesetzt sind, sitzen tief. Und verletzen Frauen permanent. Wako befreit sich von sich aus schrittweise aus diesem Druck, aber eine weitere Frau, und dazu die wichtigste in ihrem Leben, ihre Mutter, lässt die inneren kritischen Stimmen verstummen, die Wako ihr ganzes Leben lang gegeißelt haben. Das Frauennetzwerk hilft Wako in kritischen Situationen weiter, aber manchmal sind es auch Frauen, die unreflektiert an alten Mustern festhalten und so Wakos Selbstzweifel nähren. Wako selbst dagegen wünscht sich für die anderen Frauen, die sie kennt, dass sie in ihrem Rahmen mit dem, was sie wollen, glücklich werden – sie lässt ihnen die Wahl. Diese will sie aber auch für sich selbst und steht schließlich für sich und ihre Ansichten ein. Der Manga zeigt also auch den Entwicklungsprozess der weiblichen Hauptfigur zu sich selbst und damit zu einer besseren Zukunft.

 

Sehr empfehlenswerter Manga zum Thema „Beziehung einer älteren Frau mit einem jüngeren Mann“.


Genre: Beziehungen, Kritik Rollenklischees, Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Cinema Speculation

Cinema Speculation

Cinema Speculation. Kinospekulationen. Quentin Tarantino’s zweites Buch bei Kiepenheuer&Witsch dreht sich um wichtigsten amerikanischen Filme der 1970er Jahre, also das, was gemeinhin als New Hollywood bekannt wurde.

Hollywood Sozialisation in den 70igern

Im “Tiffany” fand der damalige Pimpf (Jahrgang 1963) Tarantino seine geistige Heimat. Denn seine Eltern nahmen ihn schon im Alter von sieben, acht Jahren mit ins Kino und so erlebte er nicht nur die Filme, sondern wie sich Erwachsene beim Betrachten von Filmen in einem dunklen Raum benehmen. Bei einer Vorstellung von “Black Gunn” mit seinem Stiefvater Reggie kam ihm auch sein erstes “S… my D…” über die Lippen. Er war gerade mal zehn Jahre alt und hatte die anderen Zuschauer nachgemacht. Das Tiffany zeigte damals vor allem “gegenkulturelle Filme von 1968 bis 1971“, schreibt Tarantino himself, “sie waren nicht alle gut, aber sie waren alle aufregend“. So etwa “Joe“, eine “rabenschwarze Komödie über das amerikanische Klassensystem” (O-Ton), in der ein Vater so erbost ist über die neue Generation, die Hippies, dass er aufs Versehen sogar seine eigene Tochter erschießt. Wenn der kleine Quentin zu viele Fragen stellte, musste er allerdings beim nächsten Mal zuhause bleiben, so war das mit seinen Eltern ausgemacht.

Film-Diskurse im Auto

Die Autofahrten nach Hause, nach dem Kinobesuch, gehören heute noch zu seinen schönsten Kindheitserinnerungen, weil seien Eltern dabei über die Filme, die sie eben gesehen hatten, diskutierten. So wurde er früh Teil der Erwachsenenwelt und bildete ein bestimmtes kinematographisches Filmgespür heraus, von dem wir heute alle profitieren. Denn sein immenses Film-Wissen setzt Quentin Tarantino, der wohl größte Regisseur der Gegenwart auch bei seinen eigenen Filmen ein. Damals schon hielten seine Klassenkameraden ihn für “mondän“, denn er hatte schon filme gesehen, von denen die anderen Gleichaltrigen nur träumen konnten.

Film-Rezensionen eines Regisseurs

Ob die Filme ihn denn nicht traumatisiert hätten? Seine Mutter antwortete darauf stets, dass sie sich eher Sorgen mache, wenn er die Nachrichten schaue. “Ein Film wird dir nicht wehtun.” Am ehesten hätte ihn der Film “Bambi traumatisierte, schießt Quarantino ironiefrei nach. “Black Gunn” mit Jim Brown wurde schließlich zur Initialzündung für Tarantino. In dem Kino in der Größe des Metropolitan Opera House waren 850 Schwarze und er, 800 davon männlich. “Und ehrlich gesagt war ich danach nicht mehr derselbe.” Die “maskulinste Erfahrung” seines Lebens wurde leider vom Abschied seines Stiefvaters Reggie begleitet, der nach diesem Abend nicht mehr bei seiner Mutter aufgetaucht war. Der Erzähler Tarantino setzt seinen Reigen dann mit ausführlichen Rezensionen seiner Lieblingsfilme fort, die mit so viel Detailinformationen aufwarten, dass man es am besten selbst liest.

New Hollywood and beyond

Der Reigen beginnt mit einer Hymne auf Steve McQueen in “Bullit” (1968), Dirty Harry (1971), Deliverance (1972), The Getaway (1972), The Outfit (1973), Rolling Thunder (1977), Paradise Alley (1978), Escape from Alcatraz (1979), Hardcore (1979), The Funhouse (dt. Das Kabinett des Schreckens, 1981), Sisters (dt. Die Schwestern des Bösen, 1972), Taxi Driver (1976) und eine seiner für dieses Buch titelgebenden Kinospekulationen (“Cinema Speculation”) ist ein Kapitel, in dem er sich dem Funfact widmet, was denn aus Taxi Driver geworden, wenn er tatsächlich Brian de Palma gedreht worden wäre. (Das Drehbuch ging von ihm an Martin Scorsese).

Die Floyd-Fußnote

Weiters ein Kapitel an den “Samurai der zweiten Garde, eine Hommage an Kevin Thomas, das New Hollywood in den Siebzigern, sowie als letztes Kapitel seine “Floyd-Fussnote”. Floyd Ray Wilson war ein Freund der Mitbewohnerin seiner Mutter mit dem Quentin oft über Action- und Blaxploitation-Filme redete. Hier erfahren wir auch sehr viele persönliche Dinge über Quentin Tarantino und auch wem er den großen Erfolg von Django Unchained sowie viel andere seiner größten Erfolge (indirekt) verdankt. Ein freimütiges Bekenntnis, das lesenswert und unterhaltsam auch als weiterführende Lektüre für künftige Drehbuchautoren und Cineasten empfohlen werden kann.

Quentin Tarantino
Cinema Speculation
Übersetzt von: Stephan Kleiner
2022, Hardcover, 400 Seiten
ISBN: 978-3-462-00429-8
Kiepenheuer&Witsch


Genre: Biographie, Film, Hollywood, Kino
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Aus den Filmen von Harry Potter. Magische Tierwesen. Mit zauberhaften Scherenschnitt-Silhouetten
by CHP

Das vorliegende Hardcover-Buch ist der 2. Band von Scherenschnitt-Silhouetten aus dem Harry-Potter-Universum (zuletzt “Magische Orte”). Diesmal geht es wie im Titel angekündigt um die magischen Tierwesen aus dieser Welt: Thestrale, Zentauren, Einhörner, Acromantulas, Drachen, Wassermenschen, Grindelohs, Dementoren, Basilisk, Inferi. Diese werden wieder in Untergruppen zusammengefasst. Die 3D-Papierschnitte sind mit Lasertechnik gestanzt.

Das Buch ist wieder so aufgebaut, dass pro Doppelseite eine Farbe vorherrscht, auf der linken Seite die Überschrift und ein passendes Zitat aus “Harry Potter” zu finden ist und auf der rechten Seite der 3D-Scherenschnitt mit einer Szene aus den Filmen. Die nächste Doppelseite zeigt neben den in derselben Grundfarbe gehaltenen Zeichnungen und Bildern aus dem entsprechenden Film die nicht nur im Scherenschnitt vorkommenden magischen Tiere und bietet in kurzen, prägnanten, verständlichen Texten Infos zu den Tieren selbst und wie sie für die Filme erzeugt wurden. Ergänzt werden die Texte durch Zitate aus den Filmen.

Das Buch selbst ist mithilfe fester Pappe hergestellt, sodass es ziemlich robust und stabil ist. Es bietet insgesamt 20 Seiten, die mit Text, Bild und Scherenschnitt gestaltet sind.

Eine sehr schöne, dafür aber mit 30 Euro auch teure Aufmachung für Fans.


Genre: Fantasy, Sachbuch, Scherenschnitt
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg