Marco Wanda: Dass es uns überhaupt gegeben hat

Marco Wanda. Marco Wanda,der Sänger und Songwriter der “größten österreichischen Rockband“, Wanda, die sich nach der Zuhälterin Wanda Kuchwalek benannte, hat ein Buch geschrieben. Dass er nicht zufällig Frontman und auch Texter der deutschsprachigen Chartstürmer wurde, beweist er in seiner Rockstarlebensbeichte durch sein ausgeklügeltes Erzähltalent.

Aufstieg, Ruhm und Läuterung

Der ehemalige Student der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien hatte mit Wanda so viel Erfolg, dass er sein Studium kurzerhand abbrechen musste. Allerdings wurde der steile Aufstieg und anhaltende Hype und der damit verbundene Ruhm bald zu einer Bedrohung für den 1987 in Wien geborenen Popbarden. Der Weg zur Weisheit ist schließlich mit guten Absichten gepflastert: Alkohol, Hasch, DMT, XTC, MDMA, Psychodelia und auch Kokain gehörten zum Benzin des kometenhaften Aufstiegs an die Spitze der deutschsprachigen Charts. “Man fühlt sich aus verschiedenen gründen schuldig und ist dankbar endlich dafür bestraft zu werden“. In der American Bar (“Die Bar”) ertränkt er sich mit Whisky Sour. “Man richtet sich hin und glaubt man feiert das Leben“, so Marco Wanda in der Synthesis seiner Rockerjahre. Aber der inzwischen 38-jährige zeigt sich durchwegs geläutert von seinem schnellen Aufstieg und dem damit verbundenen Rock’n’Roll Leben. Schon auf den ersten Seiten bekennt er, dass er Alkoholiker ist und hoffentlich bald war, denn inzwischen macht er eine Therapie. Auf dem Weg ganz nach oben hat er viele lieben Freunde verloren, vor allem aber auch seinen Vater und den Keyboarder seiner Band, Christian, der neben dem Gitarristen Manu zum Gründungsmitglied der „vielleicht letzten wichtigen Rock’n’Roll-Band unserer Generation“ (Musikexpress) avancierte. Immer wieder spielt der Tod in seinem Buch eine Rolle, es scheint fast, als wäre er ein ständiger Begleiter dieser Band aus dem Wiener Milieu, einer Stadt, die unheimlich vom Hype um diesen ersten großen Wiener Musikexport profitierte. Denn vor Wanda gab es außer Austropop nicht viel auf das man sich als junger Mensch beziehen konnte. Aber auch der war schon seit Jahrzehnten: tot.

Wanda als kollektive Sehnsucht

Wir werden von dem geleitet was wir nicht wissen wollen, etwas das uns kränkt und verletzt, davon laufen wir davon in die Wüste unserer Unwissenheit.” Als Wanda begannen sich zu formieren, sagen wir mal ca. 2010, war in Wien eigentlich nichts mehr los. Was die Bandmitglieder schnell verband, war das “Das Gefühl dieser entleerten Wiener Langeweile etwas entgegenhalten zu müssen. Irgendetwas musste passieren“. Kokett fügt er hinzu, dass es schließlich sie – Wanda – waren, die endlich “passierten“. Aber seine Selbsteinschätzung kommt nicht angeberisch, eher verwegen daher, denn Marco Wanda versteht es, immer wieder, zu betonen, wie viele andere Menschen, also Freunde und Freundinnen, am Erfolg von Wanda mitgebastelt haben. Trotz allen Stolzes ist ihm natürlich bewusst, wem er das alles zu verdanken hat und so wirkt auch seine Selbstüberschätzung durchwegs sympathisch da sie mit der Wien-typischen Selbstironie daherkommt. In Wien nennt man sowas nämlich Humor und vielleicht ist es genau das, was den meisten anderen Bewohner:innen der (Bundes-)Länder so abgeht. Selbst in der düstersten Stunde, als er von Schicksalsschlägen getroffen auf der Bühne immer noch weitermachen muss und er sich sein Rückgrat ruiniert, lacht er noch: “Endlich machte ich Bekanntschaft mit etwas, was sich gut anfühlte: legale Drogen“. Der Mick Jagger und alle bekommen es, meint sein Arzt, ein Allheilmittel für alle Künstler und Künstlerinnen, die es mal wieder übertrieben haben. Die Rede ist von Fentanyl, den höheren Weihen des Rockolymps legal zugänglich. Dieser Humor, dieses Schmunzeln, dieses “Singen auf der Folter” macht “Dass es uns überhaupt gegeben hat” zu einem hörenswerten Buch gerade weil es vom Autor selbst gelesen wird, der gerne auch die Stimmen anderer Prominenter imitiert. Auch dadurch wird sein literarisches Debüt zu einem echten literarischen Leckerbissen.

Reisen, Rockstars und Remedy

Dem Prinzip, dass nahezu alles, außer der Liebe, einen Preis hat, ist in diesem Leben nicht zu entkommen.“ Was seine Geschichten so einzigartig macht ist ihr Aufbau, teilweise lesen/hören sie sich wie erzählte Anekdoten an, einfach zu gut um wahr zu sein, da die Pointen wirklich sitzen. Egal ob er von seinen Reisen nach Kairo, Paris, London, New York, Koh Yao Yai oder Georgien erzählt oder einfach nur die Bandgeschichte vervollständigt, dieser Mensch hat einen Drive, einen Vibe, einen erzählerischen Ductus, der selbst seine politischen Ausführungen und Stellungnahmen nachvollziehbar machen. “Jede Erinnerung die kein sinnliches Gefühl heraufbeschwört ist falsch. Die einzig wahre Erinnerung ist die Liebe. Alles zerfällt außer unserer Liebe.” Sein Plädoyer gegen die Spaltung unserer Gesellschaft, die seit der Pandemie zugenommen hat, rechtfertigt tatsächlich die Absenz seiner Band von der Tagespolitik. Denn Wanda wollten immer einschließen, zusammenbringen und nicht auseinanderdividieren. Natürlich verwehrt er sich auch gegen jedwede politische Vereinnahmungen von links oder rechts. Letzteres sind sie mit Sicherheit nicht, auch wenn sie Lederjacken und Jeans wie die Ramones tragen. Es ist einfach toll, dass sie es geschafft haben, denn damit wurde wieder einmal der Beweis erbracht, dass die größte Kraft (in Wien) immer noch die Vorstellungskraft ist. Endlich ist “wieder etwas passiert“. In Wien.

Marco Wanda geht mit seinem Debüt auf Tournee und ist in folgenden Städten LIVE selbst zu erleben: Lestermine. Bis dahin: das Hörbuch oder der Hörbuchdownload sind ein guter Zeitverkürzer!

Marco Wanda
Dass es uns überhaupt gegeben hat
Hörbuch, ungekürzte Lesung
Sprecher*innen: Marco Wanda
2025, Hördauer: 10h 35min, Hörbuch Download
ISBN: 978-3-7599-0142-2
Penguin Books
€ 24,95

 


Genre: Biographie, Roman
Illustrated by Penguin