Der erste New York Besuch von Literaturzeitschrift-Redakteurin Gilda Laske war geprägt von Shoppingtouren, weil sie mit ihren Freundinnen dort war. Wie sollte es ihr gelingen, sie in dieses wundervolle alte und doch so zeitlose Gebäude zu zerren, wenn nebenan die tollsten Designer dieser Welt ihre Dependancen fast rund um die Uhr geöffnet haben?
Von Gilda Laske
Dieses Mal habe ich keinen Widerspruch geduldet, denn ich hatte meinen Mann und meinen jüngsten Sohn im Schlepptau und die beiden habe ich wirklich gut erzogen. Außerdem haben beide wenig Interesse an ausgedehnten Shoppingtouren. Genau wie ich. Also stand einer Besichtigung dieses Ehrfurcht einflößenden Ortes nichts mehr im Wege, und wir betraten die Public Library in der New Yorker 5th Avenue.
Allein der Treppenaufgang mit seinen gigantischen Säulen hat mich mit jeder Stufe wacher gemacht, weil ich jede noch so kleine Einzelheit in mich aufsaugen wollte. Das Gebäude wirkt fast wie ein Tempel. Ein Foto vor, hinter oder neben den beiden Löwen, auf dem nur ich mit einem von ihnen allein zu sehen bin, war unmöglich, weil einfach zu viele Menschen unterwegs waren. Wie ich später herausgefunden habe, heißen die Löwen Patience and Fortitude (Geduld und Taperferkeit). Ich finde das treffend, denn Geduld braucht man, wenn man im Inneren ist und Tapferkeit auch, damit man sich nicht mit den Menschen schlägt, die drinnen herumirren und nur auf ihre Handys starren. Die Eingangshalle (Astor Hall) ist so prächtig, dass man praktisch sofort von Ruhe und dem Hauch des Wissens gepackt wird. Es genügt, einfach nur dazustehen, die Augen weit aufzureißen und sich ganz langsam um seine eigene Achse zu drehen. Gigantisch. Ich habe Jonas Tilden inbrünstig gedankt dafür, dass er nach seinem Tod sein Vermögen an die Stadt New York gespendet hat, um aus den beiden bestehenden, finanziell schwer angeschlagenen Büchereien, in Verbindung mit weiteren Spenden den Grundstein für die heutige Public Library am Bryant Park zu legen.
Mann und Sohn wurden auf einer der steinernen Bänke platziert, die beidseitig an den Treppenaufgängen münden und so stieg ich Schritt für Schritt nach oben. Auf dem Treppenabsatz angekommen, stockte mir der Atem, ob so viel Schönheit. Ich kann diese Halle nicht mit Worten beschreiben, deshalb habe ich Fotos gemacht.
Die großen Lesesäle darf man leider nur betreten, wenn man eingetragenes Mitglied der öffentlichen Bücherei ist. So beschränkte ich mich, wie alle anderen Touristen auch, auf die öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten, die schon beeindruckend genug sind.
Der Edna Barnes Salomon Room war öffentlich zugänglich. Hier kann man alte Bilder und seltene alte Manuskripte bestaunen. Wirklich, ich habe nur gestaunt. Der Raum an sich ist ein kleiner Lesesaal, der aber vom Publikum genutzt wird, sich niederzulassen, die Handys zu zücken, sich ins kostenlose WiFi einzuloggen und munter zu twittern, Selfies zu machen oder Sprachnachrichten zu versenden. Wer’s braucht, bitteschön.
Ich bin dann durch einige Gänge geschlichen, einfach um diese vergeistigte Ruhe dort nicht zu stören, aber immer wieder piepten und zwitscherten aus allen Ecken die Handys der anderen Besucher. Anscheinend bin ich zu alt, um die Historie dieses Gebäudes mit den Attitüden der modernen Technik zu verbinden.
In den Raum der Pforzheimer Collection wäre ich am liebsten hinein marschiert und hätte mich dort niedergelassen. Leider war die Tür fest verschlossen.
Interessant waren für mich die beiden Gänge, die sich mit den “Printing Women” beschäftigten. Hier wurden Exponate aus den Jahren 1570 bis etwa 1900 ausgestellt. Ich war sehr beeindruckt, wie Frauen sich durch die Jahrhunderte gegen alle Widerstände durchgesetzt und in einer Männerdomäne ihre eigenen Werke gedruckt und veröffentlicht habe. Ein frühe Form des Selfpublishing.
Plötzlich steht mitten im Gang ein Glaskasten mit ausgestellten Handschriften und Büchern. Ich wollte gerne sehr detaillierte Fotos machen, damit ich mir später in Ruhe noch einmal anschauen kann, was ich dort gelesen habe. Leider habe ich schnell diesen Ort des Grauens verlassen, weil es ringsherum nur wieder piepte und brummte. So habe ich es bei einem Foto belassen.
Auf der Flucht vor dem technischen Orchester gelangte ich dann in einen wunderschönen kleinen Lesesaal, in dem tatsächlich junge Menschen über Büchern saßen. Mit einer sehr sympathischen Studentin, aus Israel kommend, in New York Deutsch studierend kam ich ins Gespräch. Sie erklärte mir, dass die Public Library für jeden New Yorker Bürger kostenlos ist. Jedes Buch darf ausgeliehen werden, aber keines darf das Gebäude verlassen. Besonders alte und wertvolle Exponate dürfen nur von bestimmten Personen nach vorheriger Anmeldung in Begleitung der “Library-Wächter” (das hat sie wirklich gesagt und mir hat es gut gefallen), studiert werden. Sie ist dann mit mir durch viele Gänge und Räume marschiert, bis wir vor dem eigentlichen Ziel meines Besuches standen, der Gutenberg-Bibel. Natürlich liegt sie unter Glas, ist in der Mitte aufgeschlagen und sieht aus, als hätte man sie gerade im Moment dort hingelegt. Ich war wieder atemlos. Leider darf man in diesem Raum nicht fotografieren, aber inzwischen habe ich gesehen, dass es reichlich Bilder im Internet gibt.
Ich habe mich bei Talya bedankt und mich von ihr verabschiedet. Es waren inzwischen fast drei Stunden vergangen und siedend heiß fielen mir meine beiden Männer ein, die irgendwo noch auf einer Steinbank saßen. Trotzdem bin ich gemütlich geschlendert, habe unterwegs auch moderne Räumlichkeiten entdeckt, voll mit Menschen, die gleichzeitig über Büchern und Computern hockten. Glücklicherweise waren die Touristen so rücksichtsvoll, hier keine Fotos von studierenden Menschen zu machen.
Allerlei interessante Dinge habe ich noch entdeckt. Einen Raum mit alten Schränken, in denen auf Karteikarten wirklich handschriftlich paralell zu modernen Datenbanken, jedes einzelne Buch aufgeführt wird. Und der wunderbare knorrige alte Herr, der in dem Raum saß, hat mir versichert, dass er auf Anhieb jeden gewünschten Titel findet. Er wollte nicht mit auf das Foto, aber die Schränke durfte ich festhalten.
Am Ende bin ich noch an etwas vorbeigeschlendert, das es so eigentlich in der heutigen Zeit nicht mehr gibt: Eine öffentlich Telefonzelle von anno pief, die wirklich noch funktioniert.
An dieser Stelle möchte ich noch sagen, dass ich keinen Bericht erstellen wollte, der wissenschaftlich fundiert ist und alle Räumlichkeiten historisch hinterlegt. Ich wollte meine ganz persönlichen Eindrücke schildern, muss aber leider feststellen, dass es nicht genug Worte gibt, um dieses Erlebnis auch nur annähernd wiederzugeben.
Toller Beitrag! Vielleicht könne daraus eine Reihe über Bibliotheken in aller Welt entstehen.
Ich bin schon auf der Suche nach der nächsten Stadt mit einer tollen Bibliothek.
Habe ich gerne gemacht, Britta. Leider kann ich kaum in Worten ausdrücken, was ich gesehen und vor allen Dingen gefühlt habe. Hätte ich alle Fotos hier veröffentlicht und alles in Worte gepackt, wäre dieser Bericht unerträglich lang geworden.
Danke für’s Mitnehmen an diesen tollen Ort.