Das Schwarz an den Händen meines Vaters

Alkoholgesättigte Coming-of-Age-Geschichte

Als Thema für ihren zweiten Roman mit dem Titel «Das Schwarz an den Händen meines Vaters» hat Lena Schätte eine kaputte Familie gewählt, die ganz im Zeichen der Alkoholsucht des Vaters steht. Die ständige Sauferei ist aber nicht nur ein Problem des Vaters, sondern zeitweise auch eines seiner jüngsten Tochter, die er immer nur Motte nennt. Sie ist denn auch die Ich-Erzählerin dieser trotz aller Probleme unsentimentalen Coming-of-Age-Geschichte, in der für sie immer der Vater im Mittelpunkt steht und damit auch seine fatale Sucht.

Handlungsort ist eine kleine Stadt im Sauerland, zeitlich spielt diese Geschichte in den 1990er Jahren. Mottes Vater arbeitet in einer Fabrik und kommt täglich mit schmutzigen Händen von der Arbeit, die er dann auch durch heftiges Schrubben nicht sauber bekommt, allenfalls mal am Wochenende. Motte hat ein besonders inniges Verhältnis zu ihm, sie ist oft die Einzige, die mit ihm noch reden kann, wenn er im Suff nicht mehr ansprechbar ist für ihre Mutter und auch für ihre Geschwister. Wenn er nach der Arbeit nicht nach Hause kommt oder abends noch mal weggeht, was öfter geschieht, findet sie ihn nachts in irgendeiner Spelunke oder in einer Spielhölle. Und sie schafft es dann auch, ihn zu bewegen, doch mit nach Hause zu kommen. In seiner Firma wird er aus der Fertigungshalle in die Verwaltung versetzt, weil man befürchtet, dass er sich doch mal volltrunken die Hand absägt an den Maschinen. Der Alkohol, sagt die Mutter resigniert, war schon immer ein Problem bei den Männern in dieser Familie.

Auch Motte trinkt schon früh mehr als ihr gut tut, bei Festen ist sie es, die die Reste in den Gläsern austrinkt. Später als junge Frau ist sie dann manchmal so betrunken, dass sie einfach im Treppenhaus einschläft, weil sie spätnachts nicht mehr in der Lage war, den Schlüssel zu ihrer Wohnung ins Schlüsselloch zu stecken. Sie arbeitet als Krankenschwester und fühlt sich sehr wohl in dieser Tätigkeit nahe am Menschen. Einige Zeit lang hat sie dann auch einen Freund, der ihr hilft und sie stützt, auch wenn er oft selbst kaum noch stehen kann. Am meisten hilft ihr, auch mental, der Bruder, mit dem sie sich bestens versteht. Er arbeitet nebenan im Kindergarten als Erzieher und kann deshalb öfter mal nach ihr schauen. Eigentlich habe sie zwei Väter, stellt sie fest, den Vater, der alles weiß und alles kann, und den anderen, auf den kein Verlass ist, der sich immer wieder ins Delirium trinkt. Als er unheilbar an Krebs erkrankt, versucht Motte, sich allmählich von ihm zu verabschieden, und sie beschließt zudem, sich möglichst bald vom Alkohol zu verabschieden. Der hat inzwischen nämlich einen viel zu breiten Raum eingenommen in ihrem eigenen Leben.

In einer leicht lesbaren, klaren Sprache erzählt Lena Schätte von der inneren Dynamik einer kaputten Familie des unteren Mittelstands und den verschiedenartigen Verflechtungen, in die ihre Figuren traumatisch eingebunden sind. Sie tut das zielgerichtet ohne Schnörkel, ohne erzählerische Umwege, also wohltuend arabeskenfrei ohne Ausschmückungen, ohne ein einziges überflüssiges Wort. Die Figuren sind allesamt sympathisch, wobei der Vater besonders hervorsticht, weil er lebensbejahend immer das Positive sieht und gutmütig bleibt, auch wenn er sturzbetrunken ist. Der Plot erzeugt einen Sog beim Lesen, dem man sich kaum entziehen kann, nicht weil er so spannend ist, sondern weil er so stimmig die Realität abbildet, in der man sich oft selbst wieder zu erkennen glaubt. Die Autorin arbeitet dabei erstaunlicher Weise ganz ohne psychologische Tiefen-Lotungen, man spürt auch so, was in ihren Figuren vorgeht. Denn was sie empfinden, das erschließt sich beim Lesen erstaunlicher Weise wie von allein. Wenn am Ende der Vater zu Grabe getragen wird, nimmt der Sohn gegen den Protest der Mutter und des Pastors statt Blumen eine Flasche Schnaps mit zur Beerdigung. Nachdem der Sarg herunter gelassen ist, kippt er die ganze Flasche Schnaps in die Grube hinein, ein letzter Gruß an den Vater quasi, was letztendlich dann auch die Mutter und der Pastor als liebevolle Geste akzeptieren müssen.

Fazit:   erfreulich

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Genre: Roman
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