Wie schreibt man eine Rezension? Das Besprechen von Büchern ist ein bewusster Schritt, mehr Aufmerksamkeit für die Literatur zu wecken und eine Brücke zwischen Autor und Leser zu schlagen. Das Anfertigen einer Rezension folgt einfachen Mustern: Im Grunde wird aufgeschrieben, was man beim Lesen entdeckt und empfunden hat.
Von Ruprecht Frieling
Nicht jedes Buch ist zum Rezensieren geeignet. Rein kommerzielle Bücher ohne jeden Anspruch langweilen den Leser, weil sie glatt und stromlinienförmig gebürstet daherkommen und den Leser eigentlich nur über den Tisch ziehen wollen. Oder anders ausgedrückt: Was einen gar nicht anspricht, ist eher ungeeignet für eine Rezension. Wo das Werk stumm bleibt, sollte vielleicht auch der Rezensent still bleiben. Denn auch für Bücher gilt die schöne Weisheit: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Letztlich sollte ein Buch rezensiert werden, weil der Rezensent davon ausgeht, dass es seine Leser im Guten wie im Schlechten kennenlernen sollten.
Das Faszinierende am Rezensieren ist, dass man sich sprachlich automatisch entwickelt und vor allem eine eigene Meinung zu anderen Werken herausbildet, die mehr sind als ein »Gefällt mir«-Häkchen. Es trägt unmittelbar dazu bei, sich in der Schriftsprache zu vervollkommnen.
Wie schreibt man eine Rezension?
Eine klassische Rezension beginnt mit einer kurzen Einführung in Gegenstand und Genre des Werkes und enthält meistens eine kurze Inhaltsangabe. Diese sieht bei einem Sachbuch oder weltanschaulichen Werk anders aus als bei einem schöngeistigen Buch. Vor allem bei Kriminal- und Entwicklungsromanen ist es beispielsweise wichtig, möglichst nicht allzu viel vom Ende zu verraten, sondern eher knisternde Spannung zu erzeugen. Wer die Auflösung einer Geschichte verrät, macht sich beim Leser unbeliebt, seine Besprechung gilt als »Spoiler« (Störer).
Da es verschiedene Türen gibt, durch die man ein Buch betreten kann, wird bereits ein Kurzinhalt individuell gefärbt sein und möglicherweise im Subtext verraten, welchen Kurs die Rezension einschlägt. Dabei sind jene Rezensionen besonders gelungen, wo es gelingt, die Diktion des Autors des zu besprechenden Buches nachzuempfinden und auch seine Wortwahl berücksichtigt wird. Wichtig ist, verständlich zu formulieren ohne zu vereinfachen.
Im weiteren Teil der Buchbesprechung wird etwas über formale Dinge ausgesagt. Hierbei helfen folgende Fragen als Anhaltspunkte, sich mit einem Text auseinandersetzen zu können (bitte lediglich als Checkliste und Anregung betrachten):
Wie schreibt man eine Rezension?
Konzeption und Anliegen
- Worin besteht die Konzeption des Autors?
- Stimmen Komposition und Dramaturgie des Buches (bei Belletristik)?
- Stimmen Aufbau, Gliederung und Argumentation (beim Sachbuch)?
- Stimmt die Logik der Geschichte?
- Gibt es Plotfehler?
- Gibt es schwerwiegende inhaltliche Systemfehler (also tanzen beispielsweise Eisbären am Südpol)?
- Fehlen Erklärungen?
Sprache und Stil
- Ist der Text kohärent = inhaltlich zusammenhängend?
- Ist der Text hinsichtlich Satzlänge, Wortwahl etc. zielgruppengerecht?
- Häufen sich Redundanzen = Wiederholungen in Erklärungen und Beschreibungen?
Das Personal
- Passt das Personal der Geschichte?
- Gibt es überzeugende Charaktere?
- Machen die Personen eine nachvollziehbare Entwicklung durch?
- Werden Personen ein- und auch wieder ausgeführt, oder verschwinden sie plötzlich von der Bildfläche?
- Ist die Auflösung der Geschichte schon bei Beginn absehbar (z.B. beim Krimi) oder gibt es überraschende und unvorhersehbare Wendungen?
Handwerkliche Aspekte
- Stimmt die Rechtschreibung (Orthographie) oder tanzt der Fehlerteufel auf jeder Seite?
- Stimmen Interpunktion und Silbentrennung?
- Sind Grammatik und Syntax, also das Zusammenspiel der verschiedenen Sätze und Absätze korrekt?
- Gibt es (wichtig beim Sachbuch) Hinweise auf weiterführende Literatur?
Technische Aspekte
- Überzeugt das optische Gesamtbild des Buches?
- Existiert (beim E-Book) ein interaktiv funktionierendes Inhaltsverzeichnis (TOC)?
- Existiert (sofern erforderlich) ein interaktives Abbildungs-, Personen oder Ortsverzeichnis?
- Gibt es ein Impressum, und ist der Autor für den Leser per E-Mail erreichbar?
Wie schreibt man eine Rezension?
Der schwierige Umgang mit Self-Publishern
Natürlich lässt sich behaupten, all die oben genannten Punkte müssten stets mit einem deutlichen JA beantwortet werden können. Es habe ein Lektor und ein Korrektor am Werk gearbeitet, oder der Autor sei selbst so gut, dass er derartiger Dienstleister nicht bedürfe. Viele Bücher sehen allerdings ganz anders aus und beweisen, dass Lektor nicht gleich Lektor ist, und ein Autor in seltenen Fällen ohne fremde Hilfe klar kommt. Dies gilt sogar für Bücher von renommierten Großverlagen!
Die Self-Publisher bilden allerdings eine besondere Spezies am Horizont des Literaturhimmels. Viele Rezensenten weigern sich mittlerweile, Titel von SP-lern in die Hand zu nehmen. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht, wurden beleidigt, bedrängt, oder – wie der Autor dieses Beitrages – als »Hassprediger« bezeichnet, weil er einem schwachen Titel »nur« drei Sterne bei Amazon gab.
Selbst konstruktive Kritik kann bereits einen Shitstorm auslösen. Überall lauern missgünstige Möchtegern-Autoren, die sich nicht ausreichend gewürdigt fühlen und wie Muränen aus ihren Löchern schießen, um zuzubeißen. Die Szene wirkt mitunter wie eine Schlangengrube, obwohl die überwiegende Mehrheit aus netten Leuten besteht.
Die eigene Meinung gilt
Ein Rezensent hat weder Sympathisant oder Freund des Autors zu sein, noch sein Scharfrichter oder Lehrer. Ein Rezensent hat auch nicht die Aufgabe, Marketing für den Autor, den Verlag oder irgendeine Händlerkette zu betreiben.
Müll ist Müll, da helfen auch keine E-Book-Junkies oder andere Seilschaften. Und Müll darf auch als solcher bezeichnet werden. Es besteht sogar die Pflicht des Rezensenten, aus Respekt vor dem Publikum kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Buchbesprechungen, die auf Schmusekurs geschrieben werden, fallen beim Leser durch, und genau das endet tödlich für den Rezensenten. Gefälligkeits-Rezensionen führen den Leser »hinters Licht«, und es dauert nicht lange, dann bemerkt er das auch.
Eigentlich besteht das Problem nur, wenn man den Autor durch soziale Netzwerke »kennt« und mit ihm/ihr »befreundet« ist. Als Kritiker muss man aber auch mal aushalten, dass andere Meinungen bestehen, und ein Autor, der halbwegs professionell ist, wird eine aufrichtige Kritik als hilfreich akzeptieren und wert schätzen.
Der Rezensent will dahin kommen, sich begründet mit Stärken und Schwächen einer Buches bzw. eines Autors auseinandersetzen zu können. Dazu zählt auch die begründete – natürlich streng subjektive – Sicht. Er übernimmt damit auch erhebliche Verantwortung.
Die Leser hingegen wollen dem Rezensenten vertrauen können. Ein Leser von Rezensionen spürt instinktiv sofort und lernt entsprechend schnell, wessen Urteil er folgen und was er folglich lesen/hören/sehen/besuchen kann.
Wer sich einen derartigen Vertrauensvorschuss verdient hat, der darf berechtigt stolz sein und hat den Titel »Rezensent« durch seine Arbeit verdient.
Nachsatz: Sämtliche Hinweise und Fragestellungen sollen nur als eine Art Suchbaum oder Halteseil dienen. Wer alle Fragen beantwortet, bewegt sich bereits auf der Ebene des literarischen Gutachtens.
Lieber Rupi,
wie zu erwarten: Eine schöne, praktische “Anleitung” zum Rezensieren. Für mich ist es noch sehr wichtig, eine Rezension möglichst schnell nach dem Lesen zu schreiben, so lange das Gefühl für das Buch noch da ist. Das ist auch das, was ich bei anderen Rezensenten lesen möchte, was das Buch ausmacht, wie es wirkt und was es mit mir als Leser machen kann. Es gibt Rezensionen, die überzeugen mich sofort davon, dass ich genau dieses Buch lesen muss. Andererseits habe ich aber auch schon Rezis gelesen, die objektiv alles richtig gemacht haben, trotzdem aber nicht bei mir angekommen sind. Im Prinzip wie bei Büchern, wenn sie mich emotional packen können (dazu gehören durchaus auch negative Emotionen), will ich mehr davon. Was ich definitiv unterschreiben kann: Jede geschriebene Buchbesprechung verhilft zu einem besseren Schreibstil und zu einem tieferen Verständnis für die Werke. Man entwickelt sich von einem reinen Konsumenten zum Genießer 😉
Uff, das sind viele Punkte, die ich in Zukunft beachten muss, denn so viele Rezensionen habe ich noch nicht geschrieben und ich glaube, dass ich kaum einen dieser Punkte befolgt habe. Danke für die ausführliche Anleitung, Majestät.
Die Rezensionen der Selpublisher anzusprechen, halte ich für einen wichtigen Aspekt, denn ich habe diese bisher nur rezensiert, wenn sie mir gefallen habe. Negative Kritik zu üben war ich bisher zu feige, weil es genau so ist, wie du es anmerkst: irgendwie bin ich mit allen auf Facebook “befreundet” und scheue die Reaktion. Vielleicht sollte ich keine Titel mehr von Selfpublishern lesen?
Was Tanja schreibt, gilt auch für mich, denn ich schreibe die Rezension, wenn der Inhalt des Buches “noch warm” ist. Nur dann kann ich das beim Lesen Empfundene wiedegeben und auch authentisch schildern.
So lange schreibe ich auch noch nicht, glaube auch nicht, dass immer alle Punkte abgehandelt werden müssen. Ich schreibe darüber, was mir aufgefallen und hängen geblieben ist, in der Hoffnung, damit den Kern des Buches zu treffen 🙂
Es gibt keine negative Kritik, es gibt nur konstruktive Kritik, die weiterbringt und verbessern hilft.
Nun glaubt nur nicht, dass ich bei allen meinen Rezis sämtliche Punkte und Aspekte abarbeite! Das sind nur Anregungen, wie man an einen Text herangehen kann.
Ich finde es sinnvoll, nach dem Schreiben einer Rezension vielleicht mal kurz innezuhalten, ein bisschen mit deinen Anregungen abzugleichen und dann zu veröffentlichen.
Es soll nur eine Art Suchbaum oder Halteseil sein. Wer alle Fragen beantwortet, bewegt sich bereits auf der Ebene des literarischen Gutachtens.
Werter Freund !
Auch wenn im Text bereits steht, dass all Deine Punkte bitte nur als Checklist und Anregung zu verstehen sein mögen, vielleicht möchtest Du diesen Satz “Es soll nur eine Art Suchbaum oder Halteseil sein. Wer alle Fragen beantwortet, bewegt sich bereits auf der Ebene des literarischen Gutachtens.” doch noch an’s Ende Deines wunderbaren Textes setzen? Nur so als Anregung…. .
Sehr gern erledigt 😉
Für mich hat es sich bewährt, erstmal ein oder zwei Tage über jede Rezi, die ich fertig habe, zu schlafen und mir sie dann mit ein wenig Abstand noch einmal durchzulesen. Meistens ändere ich dann noch ein paar Formulierungen, aber mir hilft das, um für mich zu sehen, ob ich mit meiner Rezi wirklich das Gefühl getroffen habe, welches ich bei der Lektüre des rezensierten Buches habe.
Ich rezensiere schon seit langem für die (österreichischen) Bibliotheksnachrichten. Immer wieder eine Herausforderung und Gratwanderung. Und das zwiespältige Gefühl bzw. die Sorge, dass ein Buch, das mich sehr beeindruckt hat, vielleicht nicht die Resonanz bekommt, die ich ihm wünsche. Was sich immer wieder bewahrheitet, ist, dass das Ruhenlassen der Rezension und sie nach ein paar Tagen noch einmal zu bearbeiten, nie falsch ist. Vor allem das Kürzen! Ich freue mich, hier auf ein Rezensentinnen-Forum gestoßen zu sein.
Liebe Ingrid, wir laden herzlich ein, sich an unserem Projekt aktiv zu beteiligen.
deine rezensionsanleitung sollte und könnte ruhig an viele selfpublisherstationen verteilt werden. gestern erst war eine “junge” autorin da, die ein “wunderbares buch” geschrieben hat mit einer dichten sprache, die sofort spannung verbreitet, aber komisch nur, dass es keiner kennt und lesen mag…
dabei habe ich eine leseprobe mitgebracht… naja.
In der Szene ist die Beratungsresistenz leider recht ausgeprägt …
Ich füge noch drei Bemerkungen meinerseits hinzu. Illustrrationen wie auch das Cover müssen ebenfalls besprochen werden (Qualität, Aussagekraft, passen die Bilder zum Text, bei Bilderbüchern: erzählen die Bilder auch ohne den Text die Geschichte). Der Rezensionsstil muß immer sachlich bleiben und dennoch ist der persönliche Grundton des Rezensenten erlaubt. Kritik muß nachvollziehbar begründet werden. Und das Buch sollte im Genre zu vergleichbaren Büchern eingeordnet werden.
Ooops, das hatte ich tatsächlich vergessen! Diese Aspekte sind natürlich total wichtig. Danke für die Ergänzung!
Eine wichtige und richtig schöne Anleitung – wobei ich das eher als Checkliste sehe. Denn es kommt letztendlich auch auf das Buch selbst an, zu entscheiden, welche der o.g. Dinge für die Rezension relevant sind.
Was das optische Erscheinungsbild betrifft, bin ich wahrscheinlich einer der wenigen, denen das Cover eines Buches ziemlich egal ist. So würde ich wahrscheinlich jedes Diogenes-Buch ignorieren, denn die Cover sagen meist so ziemlich nichts. Der Inhalt hingegen, auf den es letztlich ankommt, überzeugt hingegen meistens. Auch haben diverse andere Verlage i.d.R. meist derart austauschbare Cover für ihre Autoren, dass ich, wenn ich nach Covern gingen würde, wohl kaum etwas von den Verlagen lesen würde.
Daher kommt in meinen Rezensionen nur dann etwas zum Cover, wenn es so gar nicht zum Inhalt passt (Philipp Möllers “Isch geh Schulhof!”, “Bin isch Freak oda was?”, “Isch hab Geisterblitz!” lassen auf Comedy schließen, doch die Bücher sind ernster und nachdenklicher, als man glaubt – nur mal so als Beispiel).
Ein Schwachpunkt bei vielen Büchern ist, dass der Klappentext irreführend bis nichtssagend ist, manchmal allerdings sogar fatalerweise schon zu weit vorgreift.
Yep, der Klappentext ist auch von großer Bedeutung. Er soll den Leser ja ins Buch locken …
Richtig. Und da fühle ich mich manchmal im Buch, als hätte ich mich verirrt. Dann muss ich am Eingang noch mal nachsehen, ob ich auch die richtige Tür genommen habe. Oftmals bleibt der Eindruck dann auch nach getaner Lektüre.
Natürlich ist das alles sehr hilfreich und richtig, so soll eine gute Rezension aussehen. Allerdings könnten all diese Punkte einen Hobby-Rezensenten (mit day time-job) überfordern und vielleicht sogar abschrecken.
Und man sollte auch bedenken, wo die Rezi erscheint, bei Amazon ist es bisweilen kontraproduktiv, wenn sie zu ausführlich ist, in der Literaturzeitschrift ist das natürlich anders.
Zum Handwerklichen: Kann der Autor z.B. beim E-Book Dinge wie Silbentrennung etc. beeinflussen? Ich denke da an die unterschiedlichen Schriftgrößen. Wenn nicht, kann man das dem Autor ja auch nicht vorwerfen, oder?
Trotzdem natürlich vielen Dank für deinen Ratgeber, ich versuche, die Tipps zu beherzigen. 🙂
Überfordern und abschrecken möchte ich niemanden, lieber Uli. Es geht mir vielmehr um eine Checkliste, die hier und da angewendet werden kann, wenn man sich intensiv mit einem Buch beschäftigt.
So habe ich das schon verstanden, mein Lieber.
Mich interessiert aber auch, ob ein E-Book Autor die handwerklichen Dinge (z.B. Silbentrennung) beeinflussen kann, auf meinem Kindle gibt es bei unterschiedlichen Schriftgrößen oft abenteuerliche Resultate, du hast doch da Erfahrung?
Die Trennungen kann man durch harte und »weiche« Trennungen in der Datei beeinflussen. Ich versuche, meine Dateien ohne jede Trennung auszustatten, das führt immer noch zu den besten Ergebnissen.
Für mich ist das persönliche Gefühl immer am wichtigsten. Rezensionen mit Inhaltsangabe lese ich kaum, denn das kenne ich bereits vom Klappentext. Ich möchte wissen, ob die Geschichte packend erzählt und logisch aufgebaut ist, ob es aufregende und sympathische Personen gibt, die ich (aus welchem Grund auch immer) gern kennenlernen möchte.
Wenn du den Klappentext kennst, hast du dich bereits konkret mit einem Titel befasst. Ich glaube, dass Rezensionen dazu dienen, Leser auf einen Titel aufmerksam zu machen, den sie noch nicht kennen. Deshalb ist mir als “Entdecker” schon wichtig zu erfahren, worum es in einem Buch überhaupt geht.
Liebster Lieblingsprinz !
Chapeau! Welch großartiger Artikel. Edel, hilfreich und gut. Was mich besonders gefreut hat: ich sah diesen Artikel bereits zigfach verlinkt in den letzten Tagen. Möge er vielen Rezensenten ein Leitfaden sein.
Von vielen Punkten lasse auch ich mich sicher leiten. Der für mich wichtigste Punkt ist immer, dass ich mich dem zu rezensierenden Werk mit Respekt nähere und nur das Werk, nicht den Autor beurteile. Das ist für mich immer der Punkt, den ich auf jeden Fall nach dem Verfassen einer Rezension überprüfe.
Anmerken möchte ich gerne einiges zu den letzten Punkten in Deinem Artikel.
Zum Thema “Verriss”: Auf diesem Portal bin ich ja schon mit einigen Verrissen vertreten. Gerade da ist es mir immer wichtig, diese auch begründen zu können. Kann ich es nicht, lasse ich es. Es ist mir da noch einmal wichtiger, klar erkennbar zu machen, dass ich mich mit dem Werk eingehend beschäftigt und darüber nachgedacht habe. Ich habe zu meinen Verrissen auch schon kritische Rückmeldungen erhalten, welche aber zumindest mit Verlagen und Lektoren zu einem durchaus anregenden, respektvollen Meinungsaustausch führten.
Ganz anders jedoch im Bereich Self-Publishing. Da habe ich schon die Erfahrung gemacht, ein Buch durchaus wohlmeinend zu besprechen, aber für einige wenige erwähnte Kritikpunkte bereits die ganze Meute instrumentalisierter Claquere teils hasserfüllt am Hals zu haben und da bin ich absolut nicht mehr bereit zu. Sehr wahrscheinlich wäre ich das, wenn das Rezensieren mein Hauptberuf wäre. Aber da ich nach wie vor in meiner freien Zeit aus Leidenschaft und Liebe zum Lesen rezensiere, werden die selbstverlegten Bücher, die ich bespreche, handverlesen bleiben. Das Gros der Self-Publisher muss seine Karriere wohl leider ohne Rezensionen von Belang bestreiten.
( Zumal ich nach wie vor bei sehr vielen selbstverlegten Büchern bereits im ersten Drittel gravierende Grammatik – und/ oder Rechtschreibfehler finde, welche meiner Meinung nach den Respekt vor dem Leser vermissen lassen, den ich wiederum dem Autor und dem Werk entgegen bringen möchte)
Auf Amazon musst du noch nicht man ein Buch richtig verreißen, um Opfer der anonymen Fanboys und -girls zu werden. Alles unterhalb von 5 Sternen wird gnadenlos attackiert, besonders bei “aufstrebenden” deutschen Autoren.
Ich mag es nicht, wenn ich genötigt werde, etwas mit “gefällt mir” zu kennzeichnen. Ich sage von ganz allein, was ich mag. Und fünf Sterne vergab ich bisher nur äußerst wenige, was ich als ganz normal empfinde. Immerhin drücke ich mich inzwischen etwas vorsichtiger (unklarer) aus, weil jeder normal deutlicher Satz (außer: Das ist großartig!) als ganz furchtbar unerträgliche Kritik aufgefasst wird. Das ist wirklich äußerst langweilig.
Pingback: Wie schreibt man eigentlich eine “gute” Rezension? | Lesekabinett Leipzig
Netter Leitfaden. Eines vermisse ich indes v.a. in der Bewertung von Sprache, Syntax, etc.eine Punkt: hier ist es wichtig, zwischen Originalwerk und Übersetzung zu enterscheiden. Oft merkt man es tatsächlich am sogenannten “Fließen” des Textes, ob die Übersetzung kohärent ist oder nicht.
Was man vom Rezensenten nicht verlangen kann, ich aber dennoch nicht unerwähnt lassen möchte:Einige Male ist es mir passiert, dass ich ein -spanisches- Originalwerk gelesen habe, später die Übertragung ins Deutsche, und dann Fehler fand, der über die angeführte Liste hinausging, was auf ein nachlässig geführtes Lektorat schließen ließ. Etwa, wenn eine bewegliche Metapher ins Deutsche in eine starre übertragen wird, oder historische Begriffe falsch ins Deutsche übertragen werden, weil man sich vorher nicht in Sachbüchern informiert hat, etc. Das muss dann m.E. unbedingt auch in eine Rezension.
Das ist sicher alles richtig und wichtig, wenn es um Rezensionen in Literaturzeitschriften oder auf professionell betriebenen Buchblogs geht. Auf Rezensionen in Shops bezogen frage ich mich allerdings, wie hoch wir die Messlatte noch legen wollen. Rezensionen sind ein wichtiges Marketinginstrument, keine Frage. Aber gerade, weil wir die Messlatte so hoch legen, klagen alle Autoren darüber, dass sie keine Rezensionen bekommen. Und das führt dann zwangsläufig dazu, dass der “Rezi-Markt” immer seltsamere Blüten treibt. Ich persönlich gehöre wohl zu den wenigen Autorinnen, die nicht der Versuchung erliegen, ständig überall “Leserunden” zu veranstalten und für meine Facebookfans mein Mittagessen und meine Katze zu posten, um eine Leserbindung zu schaffen. Aber mich persönlich bringt auch eine kurze Lesermeinung mit einem “unwissenschaftlichen”, aber emotionalen Feedback in meiner Arbeit weiter, als jedes literarische Gutachten. Denn ich schreibe ja für Leser, nicht für Gutachter. Ich will hier also mal eine Lanze brechen für jeden Leser, der sich die Zeit nimmt, einfach ein kurzes Feedback aus dem Bauch heraus zu geben. Als Autor sollte man zwischen den Zeilen lesen können und auch ein knappes Feedback kann sehr wertvoll sein!
In meinem Beitrag geht es nicht um literarische Gutachten, sondern um Rezensionen.
Lesermeinungen auf Amazon und anderen Shop-Plattformen sind keine Rezensionen, da veröffentlicht ein Leser (bisweilen auch ein Fan aus einer entsprechenden Unterstützergruppe) seine persönliche Sichtweise ohne Anspruch auf Tiefgang. Entsprechend nichtssagend sind die Texte: »Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, so sehr hat es mich gepackt« oder »Auch dieser Band aus der Feder meiner Lieblingsautorin hat mich begeistert«.
Für den Autor ist dabei lediglich von Bedeutung, möglichst viele Sterne einzuheimsen, damit er im Ranking nach oben drückt und sichtbarer wird. Eine fundierte Kritik wird von den wenigsten gewünscht. Bei abweichenden Meinungen mit weniger als vier Sternen reagiert der (Amateur-)Autor deshalb gern beleidigt und mobilisiert seine Facebook-Freunde, den Beitrag abzustrafen oder zu »melden«.
Traurig finde ich jedoch, dass so mancher selbsternannte Rezensent überfordert ist. Ich habe am Wochenende einen richtig guten, literarisch hochwertigen Roman gelesen und anschließend festgestellt, dass die Rezensenten, denen der Roman von einer Agentur und vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde, ihn als zu ausschweifend, nicht spannend und “nicht mein Ding” bewertet haben. Deren Ding war Fantasy und Liebesgeschichten. Für mich ganz eindeutig die falsche Zielgruppe. Diese Rezensionen ziehen sich für besagtes Werk quer durch alle Bewertungs-Plattformen. Ein trauriger Einstieg für ein Erstlingswerk!
Schreib doch selbst eine Rezension für das Werk, wenn es dir so gut gefällt, Annette.
Hab ich schon gemacht! 🙂
Und wo können wir das lesen? Link?
Hier: https://www.amazon.de/review/R1UTWJV427CAU5/ref=pe_1604851_66412761_cm_rv_eml_rv0_rv
Dankeschön.
Lieber Rupi,
ein gute Stück Arbeit von dir, es kommt ja als Quintessenz deines langen literarischen Lebens daher. Als ich noch Buchhändler war und zur Ausbildung nach Leipzig durfte, hat unser damalger Dozent uns sehr gebündelt mitgegeben, denn es ist genau auch für den mündlichen Umgang (Buchhändler-Kunde)so gedacht. Es gab – logischerweise – noch keine selfpublisher, aber letztlich ist es so für sie vom Rezipienten anwendbar. Meine Begegnung mit SP waren sehr ähnlich. Sie waren immer ungehalten, wenn man schon über den Umschlag kritisch ausließ. Und die meist gestellte Frage war, warum ist denn Grass so berühmt. Ich hab gesagt, er ist mit seinem Buch auf Lesereise gegangen. Damals hieß das “Öffentlichkeitsarbeit”.
Angehende Autoren betrachten eine Besprechung ihres Buches, die nicht lobhudelnd daherkommt und mit 5 Sternen ausgezeichnet wird, mitunter als persönliche Schmach, Niederlage, Beleidigung. Statt froh über sachliche Kritik und Verbesserungshinweise zu sein, wird der Rezensent angezählt.
Dabei gilt in der Öffentlichkeitsarbeit, dass selbst die mieseste Kritik besser ist als totgeschwiegen zu werden.
Diejenigen, die verlagsfrei publizieren, verfügen nicht über den breiten Rücken eines Verlages mit Erfahrung. Sie stehen in erster Reihe und fühlen sich schutzlos. Reagiert wird meist über soziale Netzwerke, die den Autor dann bestätigen, ihn streicheln und in seiner Selbstverliebtheit bestätigen.
Dies macht es aus meiner Sicht doppelt schwer, Arbeiten von Self-Publishern zu rezensieren.
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