Unverdiente Ungleichheit Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann

Im Klappentext steht die Frage: “Arbeitest Du noch, oder erbst Du schon?“ Und im Text dann die Aufforderung, sich die Eltern gut auszusuchen; zu wessen Narrativ passt das? Darum geht es hier, wenn die Geschichte der Erbschaftssteuer im letzten Jahrhundert bearbeitet wird. Wer erbt unter den derzeitigen Bedingungen am wenigsten: da sind Frauen, Ost-Deutsche, als Folge der Arbeit der Treuhand, die (treuhänderisch) nur 5% der Betriebe in die Hände Ost-Deutscher legte. Und wie wird das begründet?

Frau Lynartes ist eine Wirtschaftswissenschaftlerin, die ihre Forderungen wohl begründet, fünfzehn Seiten nehmen die Fußnoten ein, die Literatur noch mehr.

Erst wird in einer „kurzen“ Geschichte der deutschen Erbschaftssteuer, das RAN, das Repertoire an Narrativen beschrieben, und das während der verschiedenen Phasen der Wirtschaftsdoktrinen: der Keynesianer, Ordoliberalen und Neoliberalen. Es zeigt sich, wie die Pro- bzw. Contranarrative wechseln, entsprechend der jeweils gängigen Doktrin.

Alle Daten werden in gelungenen Abbildungen untermalt, Frau Lynartes dankt zu Recht zuerst der Zeichnerin, die sie schuf.

Dann folgt ein Kapitel mit Interviews, die sie mit über 20 führenden deutschen WirtschaftsbossInnen führte, natürlich gut anonymisiert.

Deren Narrative überraschen zum Teil, aber die meisten glauben Investitionen bei der Bildung der ärmeren Kinder seien das Wichtigste, um die immer größer werdend Unterschiede auszugleichen.

Seit ich dieses Buch lese, kann ich die Narrative unserer Politiker besser verstehen: Ein führender FDP-Vertreter sieht uns in der Leistungsgesellschaft (die muss sich wieder lohnen!) wobei er nicht das meint, was die FDP sich zum Schluss der Regierung, deren Teil sie war, geleistet hatten. Und wer schadet uns mehr? Steuerhinterzieher oder betrügerische Hartz4 Empfänger? Hier noch ein Foto!

Die Erbschaftssteuer würde die Eigner der Großbetriebe vertreiben: Ist das der Grund, warum führende CSU-Vertreter sich wünschen, dass Erbschaftsteuern Länder Sache werden?

Wer sich fundiert mit Wirtschaftswissenschaften auseinandersetzen möchte, sich aber an den Piketty nicht wagt, lernt viel, ohne sich belehrt zu fühlen.


Genre: Politik und Gesellschaft
Illustrated by Rowohlt