Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs

Basquiat – das Buch zur Ausstellung in der Wiener Albertina

Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs. “BLAM BOOM BANG. Wo bin ich?” Heißt es auf einem Gemälde des leider zu früh verstorbenen haitianisch-puerto-ricanischen Künstlers aus New York auf Deutsch. Gerne benutzte Basquiat Symbole und Zeichen, vor allem eben auch Buchstaben und Worte in seinen Bildern. “Der Widerstreit zwischen gestisch-malerischen und figurativen Elementen, Buchstaben und Wörtern versus rinnende Acrylfarbe und aufgesprayte Linien resultierte in einem höchst dynamisierten Bilgeschehen, einem Netz aus Markierungen und Bedeutungen, einem Spiegel der vibrierenden Downtown Manhattan und ihrer Kunstszene”, schreibt der Herausgeber in seinem Vorwort.

Basquiat: Der “tanzende” Maler

Basquiat begann als junger Graffiti-Artist und kreierte mit seinem Samo© ein fiktives Künstlerkollektiv, das die Kunstwelt verändern wollte. Aber er speilte auch als Musiker in einer New Yorker Garage-Band im typischen Stil der Achtzigerjahre laut und kraklig, experimentell. New York war in dem Jahrzehnt durch Punk und Untergangsstimmung geprägt, das Stadtzentrum verwahrloste und wurde so zum Spielplatz vieler junger Kreativer. Basquiat war einer davon, der sich von Graffiti aus bald Richtung Art Brut und Minimalismus entwickelte. Dazu bediente er sich sowohl des reichen kulturellen Schatzes seiner Ahnen, als auch seinem Alltag im New York City der traurigen 80er. Die Zeichnung war die Grundlage der künstlerischen Praxis, aber er liebte auch Buchstaben, Wörter, die er “wie Pinselstriche” benutzte, schreibt Buchhart. Einen “tanzenden” Maler sah etwa ein Künstlerkollege, Fan 5 Freddy, in Basquiat, wenn er mit seinen Stiften über die Leinwand oder andere Materialien huschte. Die vorliegende Publikation folgt der derzeit in der Wiener Albertina zu sehenden Ausstellung mit dem Titel “Basquiat. Die Retrospektive”. Sie ist dort noch bis zum 8. Januar 2023 zu sehen.

Prometheus der Moderne

Sein Werk changiert zwischen Expressionismus, Pop- und Conceptual Art, nimmt Anleihen bei den Cartoons und Comics seiner Jugend und ist stets engagiert und immer politisch. Mit dem Pinsel als Waffe kämpfte er gegen Polizeigewalt, Rassismus und Unterdrückung oder sogar den Konsumkapitalismus. Francesco Pellizi zeigt Basquiat in seinem Beitrag in vorliegendem Band als Erbe der amerikanischen Tradition der Simplifizierung: Pop-Art, Minimal Art und Konzeptkunst hätten ihn beeinflusst, seine “Opfergaben” eher Selbstaufopferungen im Geiste Lautréamonts, Rimbauds oder Kafkas nicht “ex voto aus dem Verlangen, sondern von der Verlassenheit, ex desolatione“. Sein Verdienst liege vor allem in der Einführung einer ethnisch und kulturell marginalisierten Blackness in den Mainstream der westlichen Kunst. Ein Interview mit Ouattara Watts über Basquiat schließt sich an Exzerpte aus Basquiats malerischem Werk oder einigen fotografischen Aufnahmen an. Im Anschluss werden einige Werk in Großaufnahmen gezeigt, die dazwischen mit Zitaten von Jean-Michel Basquiat angereichert werden. Im Anhang befindet sich noch eine Chronologie des Lebens des Künstlers, den die Götter – vielleicht aus Neid – viel zu früh zu sich holten. Denn Basquiat war ein Brückenbauer und Prometheus der neuen Zeit: er brachte den Menschen das Feuer und musste dafür geopfert werden.

Dieter Buchhart (Hrsg.), Antonia Hoerschelmann (Hrsg.), Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.)
Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs
2022, Hardcover, Pappband, 216 Seiten, 24,5 x 30,0 cm, 85 farbige Abbildungen, 12 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-7956-2
€ 45,00 [D] inkl. MwSt.
€ 46,30 [A] | CHF 61,00 * (* empf. VK-Preis)
Prestel Verlag

 


Genre: Kunst, Kunstgeschichte, Malerei, Popkultur
Illustrated by Prestel

60 Jahre Winnetou-Film

60 Jahre Winnetou-Film. Vor 60 Jahren kam der erste Winnetou in die deutschen Kinos: Der Schatz im Silbersee. Michael Petzel hat aus aktuellem Anlass seine Ausgabe zum 50er nochmals neu überarbeitet und stellt auf 200 Seiten in 154 farbigen und 23 s/w Abbildungen die schönste Erfolgsgeschichte des deutschen Filmwunders dar. Aber nicht nur Pierre Brice oder Lex Barker stehen hier im Rampenlicht, sondern auch Marie Versink, Stewart Granger, Ralf Wolter oder Uschi Glas u.v.a.m.

Winnetou ideal besetzt

Die schönsten Ausschnitte und Szenen aus den Winnetou-Filmen stehen im Mittelpunkt dieser zweiten, neu überarbeiteten Auflage von “50 Jahre Winnetou-Film”. Dabei war es damals, vor 60 Jahren, als “Der Schatz im Silbersee” gar nicht so sicher, ob die Verfilmung des Karl May Klassikers ein Erfolg werden würde. Schließlich hatten sich schon Generationen von Jugendlichen (Jungs UND Mädchen) einen Fantasie-Winnetou ausgemalt, wie er von der Literaturvorlage (Erscheinungsdatum ca. 1891) zwar inspiriert aber niemals wirklich existiert hatte. Aber mit der Besetzung des Winnetou durch Pierre Brice gelang das, was nur in seltenen Fällen Realität wird.

Winnetou als Inspirator

Dabei lebte seine Darstellung eigentlich vor allem vom Understatement. Regisseur Harald Reinl erzählte, dass Brice sich darüber sogar bei ihm beschwert habe, nur herumstehen zu müssen. Aber bei Winnetou reichte eben gerade die bloße Präsenz. Dass Winnetou als Identifikationsfigur für die deutsche Jugend von anderen Vorbildern Ender Sechziger Jahre abgelöst worden sei, wie Petzel moniert, darf angesichts seiner Ideale doch angezweifelt werden. Denn war es nicht gerade “Mut, Aufrichtigkeit und Treue”, die von der aufbegehrenden 68er Jugend von ihrer Elterngeneration eingefordert wurde? Insofern könnte man also umgekehrt wie Petzen behaupten, dass gerade Winnetou die deutsche Jugend in ihrem Aufstand gegen ihre Eltern bestärkt hatte, in dem er an die wahren Tugenden in ihren Herzen appelliert hatte. Der 1968 erschienene und letzte Winnetou-Film, Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten, war zwar ein Flop und gibt insofern Petzen vielleicht recht. Jedoch gab es inzwischen einfach auch schon mehr Identifikationsangebote an die deutsche Jugend.

Winnetou in Wort, Bild und Sound

Wie dem auch sei, die vorliegende Publikation entführt in die eigene Jugend und zeigt die teilweise unter dramatischen Umständen geretteten Filmstills aus Grobnik polje bei Rijeka und anderen Drehorten in Kroatien. Die Fotos werden mit originalen Zitaten aus den Karl May Bestsellern ergänzt und auch mit Orten und Jahren beschriftet. Michael Petzel hat die Fotos chronologisch nach dem Erscheinen der elf Winnetou Filme geordnet und mit Kapitelüberschriften und -texten versehen. Wer sich dazu noch den Böttcher Soundtrack “Die große Karl May Soundtrack-Box“, 3 CDs digital remastert, Art-Nr.: 52089 beim Verlag, leistet, wird mit Sicherheit seinen Lesegenuss noch verstärken können. Unvergessliche Erlebnisse und Tagträume garantiert.

Michael Petzel
60 Jahre Winnetou-Film
Zweite, überarbeitete Auflage von “50 Jahre Winnetou-Film”
2022, Hardcover, 22,0 x 19,5 cm, 200 Seiten
ISBN: 978-3-7802-3094-2
Karl-May-Verlag GmbH
34,- €


Genre: Film, Jugendliteratur, Romantik
Illustrated by Karl May Verlag

No longer yours – Mulberry Mansion

No Longer Yours - Mulberry Mansion - Merit Niemeitz - PBOh Schreck, der Ex!

Jura-Studentin Avery ist begeistert, denn sie hat eines der vergünstigten Zimmer in der Mulberry Mansion bekommen. Dafür muss sie zusammen mit ihren Mitbewohner*innen das alte Haus renovieren. Das macht ihr nichts aus, sind doch ihre Mitbewohner*innen nett – bis sie entdeckt, dass auch ihr Ex-Freund Eden an der Renovierung beteiligt ist. Wie der Zufall will, muss sie zusammen mit ihm den Dachboden des Hauses auf Vordermann bringen. Da brechen alte Wunden wieder auf, denn der ernste, eigentlich tiefsinnige und vernunftbegabte junge Mann hat sie ausgerechnet beim Abschlussball der Schule abserviert. Mehrere Versuche, mit ihm darüber zu reden, scheitern, denn Eden verhält sich ihr gegenüber kalt und reserviert. Aber schließlich öffnen sich die beiden wieder zart füreinander und Avery findet letztlich den Grund heraus, warum Eden sie damals aus heiterem Himmel verließ.

Einblicke in die Gedankenwelt hochsensibler Charaktere

Merit Niemeitz packt hier erfreulicherweise ein Thema an, das eher selten in der Belletristik vorkommt: den Ex-Freund. Zumindest in dieser Geschichte beleuchtet sie, was sich viele Verlassene fragen: Warum wollte er mich nicht mehr? Und: Gibt es eine zweite Chance? Gerade diejenigen, die verlassen wurden und darüber hinaus den Grund nicht wissen, leiden sehr, denn das Selbstbewusstsein sinkt in den Keller und sie kreisen ständig und schmerzhaft um die Frage „Warum?“. Das greift die Autorin sehr schön auf und schildert, wie es Avery mit dieser Last geht. Auch das angeknackste Selbstbewusstsein, das bei Frauen aufgrund der Sozialisierung sowieso niedriger ist als bei Männern, kommt hier immer wieder zum Tragen und verhindert schnellere und entschlossenere Vorgehensweisen und das Einfordern einer verdienten Erklärung.

Schön auch die Beschreibung der einzelnen Charaktere der Mitbewohner*innen, die liebenswert mit Macken sind. Man kann sich beim Lesen schon denken, dass die Autorin mehrere Figuren im Kopf hat, die sie als Hauptcharaktere für eine Fortsetzung nutzen will. Vielleicht ist das schon etwas zu offensichtlich, aber Fans der Geschichte wird es freuen.

Außerdem bekommen hier hochsensible Charaktere ihre Chance, gesehen und verstanden zu werden, denn Avery und Eden sind beide hochsensibel, d.h. mit feinen, alles wahrnehmenden Sensoren ausgestattet, die sie ihre Welt in einem intensiveren Licht sehen lassen. Dazu passt, dass Eden lesebegeistert ist und Avery zum Introvertierten neigt. Beide sind tiefgründig, mit einem reichen Innenleben ausgestattet, sehr gewissenhaft und werden überwältigt von den Anforderungen der Welt, sind aber auch im einem positiven Sinn sehr empathisch. Diese Empathie kann aber zu folgenschweren Fehlentscheidungen führen, wie die Autorin sowohl bei Eden als auch bei Avery herausarbeitet. Denn der Gedanke, nicht gut für jemand anderen zu sein und damit vorauseilend eine Entscheidung für diesen anderen mit zutreffen, hat viel Leid verursacht. Sie nimmt zudem dem anderen die Entscheidungsfreiheit und einem selbst die Möglichkeit für eine erfüllende Beziehung, was Niemeitz ebenfalls verdeutlicht. Aber auch die intensiven Emotionen, die Hochsensible haben, können im Weg stehen, denn Avery ist lange nicht bereit, ihrer Familie zuzuhören und deren Entscheidung nachvollziehen zu wollen. Stattdessen vergräbt sie sich in tiefem Groll. Die Gründe für die Entscheidungen der Hauptfiguren sind letztlich nachvollziehbar, die Probleme werden allerdings durch eine fehlende Eigenschaft verursacht: der Bereitschaft zur Kommunikation, die essenziell für jede Art von Beziehung ist. Auch das arbeitet die Autorin schön heraus, denn als Avery und Eden anfangen miteinander zu reden, wenn auch anfangs sehr holprig, öffnet sich die Tür für eine bessere Zukunft.

Die Triggerwarnung – häusliche Gewalt, emotionaler Missbrauch, Beschreibungen von Gewalt, Panikattacken, Trauer und Trauerbewältigung – finde ich gut, wie schon in meinen anderen Rezensionen geschrieben. Diese Themen verleihen der sogenannten „Trivialliteratur“ Tiefe, zumal sie von Niemeitz einfühlsam eingewebt werden und erklären, warum Menschen so handeln, wie sie handeln und dass man sie aufgrund ihres Handelns nicht vorschnell verurteilen soll.

Allerdings fällt der Roman auch durch ein paar Kritikpunkte auf: Niemeitz zieht, wohl dem Spannungsaufbau geschuldet, die Lösung in die Länge. Das liest sich irgendwann bemüht und lässt einen ungeduldig werden, denn zu viele Andeutungen und zu wenig Auflösung erhöhen nicht die Spannung, sondern eher den Unmut. Außerdem wirken Avery und Eden an manchen Stellen beinahe unsympathisch, denn Averys mauerndes Verhalten, was schon sehr an Schmollen grenzt, und Edens Kälte, sowie der Hang dazu, fast schon im Leiden zu baden – ohne die schlimmen Erfahrungen abwerten zu wollen, aber beide schlagen Hilfsangebote aus und bringen sich z.T. absichtlich in Schwierigkeiten – sind vor der Auflösung der Gründe hierfür kaum nachvollziehbar. Aber hier greift wieder, was ich schon oben erwähnte: Man soll Menschen nicht vorschnell verurteilen, Figuren auch nicht. Trotzdem ist es an manchen Stellen zu viel: zu viele Andeutungen, ohne dass es mit der Auflösung wirklich vorangeht, zu viel unverständliches Handeln, zu viele Wortwiederholungen, wenn Avery alles zu viel wird. Das alles soll zwar der Handlung und den Figuren Tiefe verleihen, aber es ist schlicht überdosiert. Das sage ich als Hochsensible, anderen fällt das vielleicht gar nicht auf und spielt somit beim Lesen keine Rolle.

Außerdem finde ich es wie schon bei anderen Romanen deutschsprachiger Autorinnen schade, dass sie ihre Welt in der englischsprachigen Kultur ansiedeln, was immer etwas bemüht rüberkommt, aber wohl dem Verkaufsargument geschuldet ist.

Fazit

Liebesroman mit einem eher seltenen Thema: Wie umgehen mit Ex-Freund*innen? Der Roman spricht auch schwierige Lebenssituationen an und wie diese in Beziehungen reinspielen, bietet dafür aber eine Lösung an: Kommunikation und Verständnis. Allerdings hat der Roman ein paar Schwächen, s.o. Fortsetzungen sind angedeutet.


Genre: Romance, schwierige Lebenssituationen
Illustrated by LYX

Blowing Across

In dem Zukunftsroman »Blowing across« beschreibt Christine Keller eine von Umweltverschmutzung und Klimawandel zerstörte Erde, auf der sich zwei parallele Existenzen entwickelt haben. Da gibt es im Einklang mit der Natur lebende spirituelle Baummenschen und von Droiden kontrollierte Menschen in einer künstlichen Welt, die alle Reserven für das nackte Überleben aufspart. Weiterlesen


Genre: Science-fiction
Illustrated by Franzius

Lil Bob

Lil BobRuth Frobeen erzählt mit Eleganz und Empathie die Geschichte eines Kindes, das eine intensive innere Beziehung zum Cellospiel entwickelt und schließlich zu einer anerkannten Musikerin wird. In dem herausragenden Roman geht es um die Liebe zur Musik, um Freundschaft und tiefe Schatten der Vergangenheit. Weiterlesen


Genre: Musik, Romane
Illustrated by Selbstverlag

The Girl in the Love Song

The Girl in the Love Song
 - Emma Scott - PBDie ungeliebte “friend zone”

Ausgerechnet an ihrem Geburtstag tritt er in ihr Leben – Miller Stratton, ein sehr musikalischer Junge, der aber ein Geheimnis vor Violett hat: Er ist bitterarm und er will sich vor seiner reichen besten Freundin keine Blöße geben. Vom Vater verlassen wohnen seine Mutter und er in ihrem Auto, haben keine feste Bleibe und die Mutter muss zweifelhaften Jobs nachgehen, damit die Familie überhaupt überleben kann. All das prägt Miller zutiefst. Aber in Violett hat er eine zuverlässige Freundin gefunden, die ihm sogar das Leben rettet. Denn Miller hat Diabetes und weiß es nicht. Violett, die Ärztin werden will, regiert sofort, als er einen Schock erleidet, und kümmert sich ab diesem Zeitpunkt sorgfältig um Millers Gesundheit. Miller empfindet schon bald mehr für das großherzige Mädchen, aber Violett will ihre Freundschaft nicht für eine Liebesbeziehung aufs Spiel setzen, denn sie sieht an ihren völlig zerstrittenen Eltern, wohin eine Ehe führen kann. So leidet Miller heimlich, verarbeitet seine Gefühle aber in seinen Songs. Die gefallen irgendwann auch anderen und so nimmt seine musikalische Laufbahn durch Glück und Talent seinen Lauf. Als er es an die Spitze schafft, hat sich aber sein größter Traum nicht erfüllt: Violett ist immer noch „nur“ seine beste Freundin.

 

Raus aus den typischen Rollen für Frau oder Mann

Die in sich abgeschlossene Geschichte ist natürlich eine romantische Story: Die Charaktere merken, dass sie sich nicht nur mögen, sondern auch lieben. Aber wie bei romantischen Stories üblich haben sie mit vielen Hindernissen zu kämpfen, bis es vielleicht ein Happy End gibt. Dabei trifft die Autorin genau das richtige Tempo in der Entwicklung dieser Gefühle und wie mit ihnen umgegangen wird.

Liebeswirren sind den jungen Leser*innen schon bekannt, und diese können völlig unterschiedlich aussehen. Scott wählt hier Hindernisse, die eher nicht im Außen, sondern im Inneren eines Menschen ihren Ursprung haben: eine unglückliche Kindheit und Jugend, schädlich vorgelebte Rollen, Scham. Die Psyche spielt eine große Rolle in Beziehungen bzw. darin, ob man bereit ist, eine Beziehung und damit Nähe zuzulassen oder nicht. Und das bereitet das Buch hier sehr verständlich auf, wobei diese inneren Konflikte durchaus gern zum Spannungsaufbau genutzt werden, da sie sich hierfür anbieten.

Auch in diesem Buch gibt es wieder Triggerwarnungen: häusliche Gewalt, Krankheit von Angehörigen, Armut, Mobbing. Ich persönlich finde diese Warnungen gut, da man sich dann überlegen kann, ob man dieses Buch lesen will oder nicht. Allerdings habe ich auch schon gehört, dass allein die Triggerwarnungen triggern können. Wenn man allerdings bereit ist, sich seinen Ängsten zu stellen, bietet dieses Buch auch Möglichkeiten an, wie man mit Schwierigkeiten umgehen könnte.

Eine ganz zentrale Möglichkeit sind Freunde und das Sprechen über Dinge, die nicht gut laufen. Denn so hat man die Chance, mehrere Blickwinkel auf eine Sache zu erhalten und damit neue Ideen, wie man mit schwierigen Situationen umgehen könnte. Auch die Erleichterung und der Mut, den man aus guten Gesprächen schöpfen kann, sind nicht unerheblich für Problemlösungen.

Dabei gibt es aber auch in diesem Buch – wie im Leben auch – keine geraden Wege. Aber vielleicht sind ja v.a. die Umwege diejenigen, aus denen man letztlich am meisten lernen kann. Die Figuren haben Macken, auch Krankheiten, sie sind nicht perfekt. Sie ergehen sich aber nicht in ihren Leiden, sondern packen nach Phasen des Trauerns und der Tiefschläge immer wieder das Leben neu an. Die Kunst und die Träume, was man mit seinem Leben anfangen will, sind dabei zentrale Kraftquellen und im Fall der Kunst auch Katalysatoren, die wertgeschätzt werden.

Überhaupt ist mir in der sogenannten „Trivialliteratur“ und (nicht nur) in amerikanischen Teenagerfilmen immer wieder aufgefallen, dass diese Probleme in der Gesellschaft ansprechen und auf ihre Weise bearbeiten. Gerade in amerikanischen Filmen z.B. sind die Stars nicht die propagierten Sportler oder Cheerleader oder sonstwie beliebten Schüler*innen in der High School, sondern die „Nerds“ und ihre Lebenswelt. Schaut man sich an, was aus vielen Nerds geworden ist, weiß man, wie wenig sinnvoll patriarchalische Wertvorstellungen sind – die in solchen Filmen und in der Literatur auch direkt oder indirekt kritisiert werden. Denn männliche Sportler-Machos will eigentlich niemand, ebenso wenig weibliche seichte Barbie-Puppen, schlimmstenfalls noch garniert mit einem schlechten Charakter. „Nerds“ und Außenseiter dagegen haben viel mehr zu bieten, sind tiefsinniger und halten einer Gesellschaft, die auf Äußerlichkeiten und patriarchale „Werte“ Wert legen, den Spiegel vor. Man denke nur an Till Eulenspiegel oder die damaligen Hofnarren, die das Gewissen der Gesellschaft waren. In diesem Buch wird z.B. ein Typ Mann vorgestellt, der weit ab vom Krieger- und Sportlertyp ist, der aber tiefsinnig und komplex ist und dabei sehr kreativ. Außerdem lässt er Gefühle zu und verarbeitet sie.

Auch Violett fällt aus der Rolle, die für sie vorgesehen ist, weil sie diese kritisch hinterfragt und mutig genug ist, ihre eigenen Vorstellungen zu verfolgen. Sie zeigt Stärke und steht damit für eine typische Frau nicht im Sinne des Rollenklischees, in welchem eine Frau eher schwach und naiv sein muss, um dem Mann nicht im Weg zu stehen, sondern bildet eine Realität ab, in der Frauen gerade in einem System, das sie unterdrücken will, stark sind und auch sein müssen, um nicht nur zu überleben, sondern auch zu leben.

 

Fazit

Gelungenes Buch über Beziehungen, die wie in der Realität nicht immer einfach sind. Das Buch zeigt, dass jede*r ihr/sein eigenes Päckchen zu tragen und abzuarbeiten hat und in eine Beziehung mitbringt. Aber Eigenschaften (wie eine gute Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Unterstützung, Verständnis), die traditionell als feminin angesehen werden (die aber zentral sind für das Herdentier Mensch, um in einer Gesellschaft nicht nur zu bestehen, sondern glücklich zu werden und das Leben insgesamt zu verbessern!), garantieren damit auch das Finden und Erhalten einer guten Liebesbeziehung. Also von wegen „trivial“!


Genre: psychische Probleme, Romantik, soziale Probleme
Illustrated by LYX

Abby (2) – Totgesagte leben länger

Ausbruch aus dem einengenden und für Frauen gefährlichen Zeitgeist

Seit mittlerweile 16 Jahren ist Abby mit James verheiratet. Ihre Tochter Alison ist zu einer eigenwilligen jungen Frau herangewachsen, die unbedingt Ärztin werden will. Sie ist fast schon besessen von Wissen und ihr bedeuten Bücher alles. Ihr Wissensdurst und ihre überdurchschnittliche Intelligenz würden es Alison ermöglichen, ihren Schulabschluss vorzuverlegen. Aber ihr Vater James ist nicht mehr wie früher. Seit dem Tod seiner Eltern, die er bei einem Erdbeben verlor, hat James eine erzkonservative Richtung eingeschlagen. Er pocht darauf, dass die Frauen in seinem Haushalt ihm gehorchen müssen. Abby hat sich widerwillig arrangiert, denn wenn sie ihn verlassen würde, bliebe ihr nichts und sie würde Alison ohne ihre Unterstützung dem diskriminierenden Frauenbild ihrer Zeit preisgeben.

Aber als Abby erfährt, dass Butch Cassidy entgegen aller Unkenrufe noch am Leben ist und Butch ihr ein Leben an seiner Seite anbietet, erwacht allmählich wieder ihr alter Kampfgeist. Heimlich legt sie Schmuck und andere wertvolle Dinge zurück, leitet den früheren Schulabschluss ihrer Tochter in die Wege und verlässt James, nachdem dieser sie geschlagen hat. Alison nimmt sie mit, damit sie nicht der Willkür ihres Vaters zum Opfer fällt. Aber James lässt diese Demütigung nicht auf sich sitzen und schickt ihnen Häscher hinterher. Wenn diese Abby und Alison finden, ist nicht nur die Freiheit der beiden Frauen in Gefahr, sondern auch das Leben von Butch Cassidy.

 

Egalität der Geschlechter

Der 3. Band der Reihe ist durch die Flucht und die daraus erwachsenden Abenteuer sehr spannend, er bietet auch zwei starke Frauenfiguren, die sich trotz aller Widrigkeiten behaupten und das Leben lieben. Wie es Abby schon in den ersten beiden Bänden gemacht hat, bieten sowohl sie als auch ihre Tochter Alison einem schockierend demütigenden, diskriminierenden Frauenbild die Stirn und leben ihr eigenes, wesentlich erfüllteres Leben. Dabei stellen sie fest, dass jede Frau eine andere Vorstellung von einem erfüllten Leben hat: Abby möchte ihres an der Seite eines Mannes verbringen, der sie nicht einengt, dafür aber in allem, was sie tut, unterstützt. Diesen Mann findet sie schließlich in Butch Cassidy, der ebenfalls andere – wesentlich humanere – Vorstellungen von Frau- und Mannsein hat, als der Zeitgeist es vorschreibt. Alison dagegen sieht ihre Erfüllung in ihrem Beruf und will sich privat nicht binden müssen. Sie zieht Wissen und den Dienst an Frauen in Form ihres Berufes einer Beziehung vor, lebt aber trotzdem nicht abstinent. Aber beide müssen für ihre Freiheit Opfer bringen: Abby und Alison verlieren einander. Und das sollte eigentlich nicht sein, dass ein erfülltes Leben zu (großen) Opfern zwingt – in einer egalitären Gesellschaft wären solche Opfer nicht nötig.

 

Alison ist auch entsetzt darüber, wie viele Frauen unter männlicher medizinischer Behandlung sterben und dass Frauenbelange nicht berücksichtigt werden. Das erinnert an heutige Erkenntnisse, dass die Medizin auf Männerkörper abgestimmt ist und deshalb Frauen schlechter medizinisch behandelt werden und wegen dieser falschen Behandlungen eher sterben.

 

James, früher ein offener, junger Mann, ist zu einem Patriarch erster Güte mutiert: Er will Herrschaft ausüben, koste es, was es wolle. Und wenn es das Wohl der Frauen seiner Familie kostet, hauptsache, er hat recht (Recht ist nicht Gerechtigkeit!) und kann seine Herrschaft weiter ausüben. Demgegenüber steht Butch Cassidy, eine ambivalente Figur: Seine Straftaten sprechen definitiv nicht für ihn, dafür umso mehr seine Ansichten über Frauen – die respektiert und unterstützt er und lässt ihnen alle Freiheiten. Er beutet sie weder sexuell, noch sozial, noch wirtschaftlich, noch politisch aus. Das alles zwar auch nicht von Anfang an, aber er ist willig zu lernen, auf Frauen einzugehen. Dieser Wille fehlt James irgendwann völlig, weswegen er den wohlverdienten Widerstand von Abby und Alison erntet – permanent und deutlich spürbar. Der Roman zeigt also auch, wie wichtig es für Frauen ist, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und sich lautstark Gehör zu verschaffen – nur dann ändert sich etwas, denn Männer, die Privilegien auf Kosten von Frauen genießen, wollen diese keinesfalls aufgeben. Lieber schaden sie missliebigen Frauen oder – noch besser – bringen sie um, wie die Geschichte der Emanzipation der Frauen immer wieder zeigt.

 

Diversität – DAS Überlebensprinzip der Natur

Der Roman punktet aber noch mit einem weiteren Thema: das der Diversität. Alison ist nämlich eine Autistin, genauer gesagt eine Asperger Autistin. Das hat zwar so seine Nachteile, aber auch einige Vorteile, die im Roman auch zum Vorschein kommen, da Alison ihr Expertenwissen stetig erweitert und für eine gute Sache einsetzt, sowie für ihre Themen brennt und sich auch durchsetzt. Das wird im Roman nie ausdrücklich so benannt, aber wer die Anzeichen von Autismus kennt, erkennt sie auch an Alison. Abby erkennt die Andersartigkeit ihrer Tochter an, James nicht. Ein Schelm, wer da Ähnlichkeiten zwischen Frauenbewegungen und LGBTQ+- Bewegungen einerseits erkennt und andererseits James an alles erinnert, was frauenfeindlich, homophob usw. ist… Alison ist übrigens auch bisexuell.

 

Beide Frauen, Abby wie Alison, stehen für Fortschritt und Menschlichkeit. Denn der Status Quo bringt in einer patriarchalen Gesellschaft v.a. Leid, während der Fortschritt in Menschlichkeit und der Anerkennung der Diversität Türen zu einem besseren Leben öffnet. Sieht man sich die Natur mit ihrer unglaublichen Artenvielfalt und ihren unglaublich vielen Überlebensstrategien an, der weiß, dass Monokulturen auf Dauer niemals funktionieren können, aber in der Zeit, in der sie funktionieren, Schaden anrichten. Was Frauenfeinden, Homophoben, Klimaleugnern usw. zwar egal ist, aber Mutter Natur ist unbestechlich: Auch sie werden Katastrophen erleben, Schaden nehmen und evtl. sogar daran sterben.

 

Fazit

Ich mache es kurz und schmerzlos: Dieser Western aus Frauensicht ist in mehrerlei Hinsicht lesenswert!


Genre: Emanzipation, Western
Illustrated by Bogner

Die Pest

Kurzrezension

Um es gleich vorwegzusagen: Das Buch ist ganz schön brutal. Gleich zu Beginn wird man von den vielen verendeten Ratten verschreckt. „…Da sah er aus dem Dunkel des Ganges eine dicke Ratte auftauchen, mit feuchtem Fell und unsicherem Gang. Das Tier blieb stehen, schien sein Gleichgewicht zu suchen, wendete sich gegen den Arzt, blieb wieder stehen, drehte sich mit einem leisen Schrei im Kreis und fiel schließlich zu Boden, wobei aus den halbgeöffneten Lefzen Blut quoll…“

Mir war das so nicht bewusst, als ich das Taschenbuch aus aktuellem Anlass aus den Tiefen unserer Bibliothek hervorkramte. Man sieht es dem Cover schon an, dass ich es bereits Anfang der 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts erstanden hatte.

Letztlich ist es aber trotzdem in hohem Maße lesenswert, gerade in den Zeiten unserer Pandemie. Es gibt so viele Parallelen im Verhalten der Menschen und der Behörden. Erstaunlich ist schon, wie treffend Albert Camus die Gegebenheiten und Charaktere in dieser fiktiven Geschichte beschreibt, die in den 40-er Jahren in Oran, einer Stadt an der Küste Algeriens spielt. Zu Recht ist das Buch ein Klassiker der Weltliteratur. Sehr empfehlenswert!


Genre: Romane
Illustrated by Rowohlt

Seide

Nett. Das ist das erste, was einem einfällt, wenn man die letzte Seite dieses Buches gelesen hat. Und schön kurz. An einem entspannten Nachmittag hat man die 145 Seiten print und 534 KB digital durch.

Alessandro Baricco, italienischer Autor, Philosoph und Dozent für kreatives Schreiben, erzählt uns eine Geschichte, die Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts spielt und in welcher der französische Protagonist Hervè Joncour seinen Lebensunterhalt als Seidenhändler verdient. Eine Seuche unter den Seidenraupen (in einer Nebenrolle Louis Pasteur) zwingen ihn und die ganze Innung, ihren Seidenraupen-Import auf immer fernere Länder auszudehnen, so das Joncour als Abgesandter irgendwann im damals völlig von der Welt abgeschotteten Japan landet. Hier fasziniert ihn nicht nur die fremdartige Kultur, sondern vor allem die geheimnisumwobene Frau seines japanischen Gastgebers. Die Anziehungskraft von Land und Frau sind so stark, dass er die strapaziöse Reise wieder und wieder auf sich nimmt und seine eigene Frau monatelang alleine zurücklässt. Jahr um Jahr beschränkt sich das Verhältnis zwischen ihm und der japanischen Schönen auf ein gegenseitiges Anschmachten. Viele Blicke, manch symbolische Geste, jedoch niemals ein Wort. Bis eines Tages… Das ist dann wohl die Stelle, wo ein Rezensent abbrechen muss.

Baricco hat einen Stil gewählt – aufgrund der Vita nehmen wir mal an ganz bewusst -, der Leserin und Leser mühelos ins 19. Jahrhundert und in die französisch-japanische Kultur der damaligen Epoche mitnimmt. Die Erzählung ist weniger Roman, mehr poetisch-lyrisch, nur nicht in Versform. Sie ist bildstark und doch zurückhaltend, mit geradlinigem Handlungsstrang und doch feinsinnig und fast zartfühlend, farbenreich und doch einfach. Zur Verstärkung manchmal fast infantil-perseverierend wie die Gebrüder Grimm. Eine Erzählung wie eine in Worte gefasste naive Malerei.

Die Geschichte und das Erschaffen dieser Stimmung scheint für Baricco über alles zu gehen. Ihn interessiert nicht, welches Mann-Frau-Rollenverständnis er dabei transportiert. Männer handeln, Frauen bleiben im Hintergrund, sind scheu, duldsam, allenfalls im Geheimen aktiv und kreativ. Man nimmt hin, dass das damals einfach so war.

In Summe nette Kurzunterhaltung. Besonders geeignet für Liebhaber von Katzenbildern, Karel Gott, Hummelfiguren und Schneekugeln.


Genre: Belletristik, Erzählung, Historischer Roman, Liebesroman
Illustrated by Hoffmann und Campe

Boys run the Riot 1

Darf ich mich zeigen, so wie ich bin?

Ryo hat ein Problem: Er findet die Mädchenuniform seiner Schule fürchterlich – v.a. weil er sie selbst tragen muss. Denn Ryo ist transgender, ein Junge im Körper eines Mädchens. So ist er tagtäglich gezwungen, sich Ausreden zu überlegen, warum er nicht in Uniform sondern in Sportkleidung in die Schule kommt, muss die schrägen Blicke ertragen, wenn er mit Jungs abhängt und Mädchen toll findet. Nur seine Kumpeline Chika ist vom Charakter her offen und gegen jede Ungerechtigkeit. Aber selbst ihr kann Ryo seine wahre Identität nicht anvertrauen. Dann allerdings ändert sich sein Leben grundlegend, als Sitzenbleiber Jin in die Klasse kommt. Jin pfeift auf Konventionen, er will sein eigenes Leben leben – und er sieht Ryo, wie Ryo wirklich ist. Weil Rin alles so sieht, wie es wirklich ist, hat er auch keine Vorurteile und ist in der Lage, die Qualitäten und den Charakter eines jeden Menschen sofort wahrzunehmen. Deshalb bietet er Ryo spontan an, mit ihm ein Modelabel zu gründen, denn Ryo hat eine Begabung für alles Künstlerische. Aber Ryo ist noch misstrauisch, denn er hat mittlerweile zu viele Narben davongetragen, um noch jemandem zu vertrauen.

 

Der Gesellschaft einen unbequemen Spiegel vorhalten

Der 1. Band der Reihe lässt sich sehr gut an. Er bietet Einblicke in die Gedankenwelt derjenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen – und entlarvt gleichzeitig durch die reine Präsentation der Charaktere, wie die Gesellschaft wirklich tickt: arrogant, egoistisch, engstirnig, diskriminierend, gewalttätig. Diese Charakterzüge nämlich tragen die besonders beliebten Jungen der Schule, während Ryo, Rin und im weiteren Verlauf der begabte Fotograf und ebenfalls Außenseiter Todo zwar menschliche Schwächen und Macken haben, aber in der Lage sind, sich selbst und anderes zu reflektieren, den Mut zur Selbstfindung aufbringen, einen guten Kern haben, den eigenen Schwächen ins Auge zu blicken und den Mut anderer wertzuschätzen, ebenso wie sie lernen, nicht nur sich selbst, sondern auch andere aufgrund ihrer menschlichen Qualitäten zu schätzen. Und ausgerechnet Rin, der vom Aussehen her das Schlägerklischee in jeder Hinsicht erfüllt, ist Lehrmeister für Ryo und Todo. So lernen die beiden, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein und sich für ihre Werte einzusetzen.

Der Manga bringt also allmählich ans Licht, worauf es wirklich ankommt: Menschlichkeit, Selbstfindung und das Kämpfen für eine gerechte und barmherzige Welt. Denn die jetzige ist noch weit davon entfernt, wenn sie Gewalttätigkeit und Diskriminierung nicht nur zulässt, sondern sogar gutheißt und destruktive Menschen hohes Ansehen genießen. Der Manga hält der Welt den Spiegel vor und zeigt die Destruktivität der Menschen, für die das zum normalen Leben gehört. Und er bricht eine Lanze für die Kunst, die schon immer Selbstausdruck war, intelligent die Geschehnisse der Zeit beleuchtet, bricht, kritisiert, seziert, mögliche (Lösungs-)Wege aufzeigt und damit ein fundamental wichtiger Teil der Gesellschaft und deren Gewissen ist. Da Mangas ebenfalls Ausdruck von Kunst sind, kann man hier also von der Form her eine Ebene in der Ebene beobachten. Kunst drückt sich in diesem Manga nicht nur in qualitativ hochwertigen Graffitis und Fotos aus, sondern auch in der Mode – sofern diese eine Botschaft hat, dem Selbstausdruck dient und die Herzen der Menschen berührt. Natürlich wollen die drei mit ihrem Traum auch Geld verdienen, aber für Geld verbiegen sie sich nicht, sondern nutzen die Mode als ihr Sprachrohr.

 

Insgesamt also ein sehr gelungener, tiefgründiger Auftakt einer hoffentlich im weiteren Verlauf guten und wichtigen Serie!


Genre: Anderssein, Kunst, Manga, Mode, Selbstfindung, Transgender
Illustrated by Carlsen Manga!

Aromatherapie für Frauen – Das Selbsthilfebuch für bewusst lebende Frauen

Aromatherapie für Frauen

Ganzheitliche Infos rund um körperliche und seelische Belange der Frau und Hilfe in allen weiblichen Lebensabschnitten

Das vorliegende Buch ist sehr anschaulich und ansprechend, denn die pastellfarbenen Hintergründe und hübschen Fotos verbreiten stets eine Wohlfühlatmosphäre, in die man sich als am Thema interessierte Leserin hineinfallenlassen kann. Das Auge liest in diesem Fall mit und der Körper entspannt sich allein schon bei der Auswahl der Farben und Fotos.

 

Hinzu kommen strukturierte und gut verständliche Infos und Anleitungen zu Deos, Kompressen, Auflagen, Badesalzen, Körperölen, Duschgelen, Rasierbalsamen und vielem mehr – die Autorinnen bieten eine reichhaltige Auswahl an Dingen, die man mit Aromatherapie alles machen kann. Dazu gibt es jede Menge Infos zu Krankheiten, Forschungsergebnisse bzgl. Aromaölen, Rezepten für DIY-Mischungen und eine genauso breite Anwendungspalette für jede Lebenssituation der Frau, psychisch wie physisch: Pubertät, Schwangerschaft und Stillzeit mit all ihren Beschwerden, Wechseljahre, Zyklus. Dabei werden auch nicht schwere Beschwerden ausgespart wie Krebs und Endometriose. Die Autorinnen erklären den Zusammenhang von Beschwerden mit dem übermäßigen Stress, dem gerade Frauen ausgesetzt sind, und den zunehmenden Umweltbelastungen, die sehr negativ auf den Körper wirken. Dementsprechend hoch ist der Anteil an psychischen Problemen, über die das Buch informiert, und wie Aromatherapie zumindest Linderung verschaffen kann. Körperliche und psychische Beschwerden gehen aber oft Hand in Hand, was ebenfalls erklärt wird.

 

Das Buch ist also auf ganzer Linie ganzheitlich ausgelegt, betont den Umweltaspekt und geht einfühlsam auf die zahlreichen Situationen der Frauen ein, die sie ständig fordern und oft auch überlasten. Die Frau wird in jeder Zeile wertgeschätzt und ermutigt, was ebenfalls sehr wohltuend für Leserinnen ist. Die Aromatherapien unterstützen und ergänzen gängige Therapien, können aber auch in leichteren Fällen die Schulmedizin ersetzen. Dabei betonen die Autorinnen aber auch, dass jede Frau verschieden ist und ausprobieren sollte, was ihr persönlich guttut.

 

Vorab beginnt das Buch aber mit verständlichen Grundlageninfos über Aromatherapie und -öle, wobei ein guter Teil der Infos den Köperteilen zukommt, die das Aroma aufnehmen, z.B. die Nase. Die Funktion und der Aufbau der Nase werden erklärt und der Bezug der Düfte über die Nase z.B. zur Psyche hergestellt. Tipps zur Dosierung, zur Qualität, zum Einkauf, der sicheren Handhabung usw. ergänzen die Basisinfos. Wohlfühltipps zur Körper- und Zahnpflege bis hin zu Erkrankungen der Haut, zum Sport, zur Sexualität und zum gesunden Schlaf decken verschiedene Lebensbereiche ab. Ich habe mich nach der Lektüre sehr gut informiert gefühlt und die Rezepte zum Selbermachen sind nicht kompliziert. Insgesamt ein rundum gelungenes Buch!

 

Fazit

Ein vielseitiges, schön bebildertes, anschauliches, verständliches und informatives Buch rund um die Lebenssituationen der Frau, deren körperliche und psychische Belastungen und Krankheiten und wie frau sich mit Aromatherapie in verschiedenen Lebenslagen selbst helfen oder zumindest schulmedizinische Therapien unterstützen kann.


Genre: Aromatherapie, Frauen, Sachbuch
Illustrated by Joy Verlag

Hochsensible Eltern. Zwischen Empathie und Reizüberflutung – wie Sie Ihrem Kind und sich selbst gerecht werden

Quellbild anzeigen

Hochsensibilität – ein Segen nicht nur für das Erziehen von Kindern

Die Psychologin Elaine N. Aron ist selbst hochsensibel und Pionierin auf dem Forschungsgebiet „Hochsensibilität“ – sie weiß also, wovon sie in ihren Büchern schreibt, und gibt deshalb nicht nur einen Überblick über hochsensibles Elterndasein, sondern geht auch mithilfe ihrer Beispiele ins Detail, um die Besonderheiten, Vor- und Nachteile der Hochsensibilität und den Umgang damit herauszuarbeiten. Dabei bleibt sie verständlich und anschaulich, denn ihr ist es wichtig, dass Hochsensible auch in ihrem Elterndasein ihr Potential voll ausschöpfen. Und Potential haben Hochsensible reichlich, denn durch ihre angeborene Empathie, Feinfühligkeit, Tiefgründigkeit, (Selbst-)Reflexionsfähigkeit, Kreativität und dem damit verbundenen hohen Potential an Problemlösungskompetenz, der hohen Wahrnehmungskompetenz, der Gründlichkeit, dem wachen Interesse, der genauen Beobachtungsgabe, dem aktiven Zuhören, dem ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühl, der hohen Flexibilität und den insgesamt in allen Bereichen feinen Sinnen und Antennen sind Hochsensible sehr gute Eltern, die ihren Kindern sehr viel Aufmerksamkeit und Zuwendung widmen und sich immer überlegen, wie man das Beste aus den jeweiligen Situationen und Konflikten machen kann.

 

Unweigerlichen Herausforderungen und Problemen nicht nur des hochsensiblen Elterndaseins praxisnah und alltagstauglich begegnen

Einzig die Reizüberflutung, die mit der Wahrnehmungstiefe einhergeht, grätscht in stressigen Situationen in eine gute Elternschaft hinein, denn auch Hochsensible reagieren nicht mehr sehr sensibel, wenn Grenzen und Belastbarkeit überschritten werden. Hier gibt Aron zahlreiche und praktische Tipps anhand von Fallbeispielen, Erzählungen aus eigenen Erfahrungen und Forschungsarbeiten, wie hochsensible Eltern (HSP) mit Reizüberflutung und deren Folgen umgehen können. Außerdem gibt sie detaillierte Tipps für Paare, deren Belastungen mit der Elternschaft sprunghaft ansteigen, und sie unterscheidet dabei zwischen Paaren, die eine*n hochsensible*n Partner*in haben oder wo beide Partner*innen hochsensibel sind, denn die Unterschiede zwischen diesen Paaren verlangen andere Vorgehensweisen, die sie verständlich an die Frau und den Mann bringt.

 

Was ich sehr gut und fundamental wichtig finde: Aron bedient keinerlei Mutter-Kind-Mythos, sie verklärt die Elternschaft mit keinem Wort, sondern sie orientiert sich an der Realität, die sehr viel Stress für alle Eltern mit sich bringt, nicht nur für diejenigen, die Elternschaft und Beruf vereinen müssen. Auch das „bloße“ Hausfrauen- oder Hausmanndasein wertschätzt sie, denn sie weiß, wieviel es auch den Eltern, die zuhause bleiben, abverlangt. Die Wertschätzung gegenüber Eltern und dem, was sie tagtäglich leisten, ist in jeder Zeile zu spüren, zumal sie selbst als Mutter weiß, wie wenig die Gesellschaft und v.a. die Berufswelt Rücksicht auf Familien nimmt – die eigentlich das Fundament und damit den wichtigsten und wertvollsten Teil der Gesellschaft bilden! Sie kennt die Tücken und Fallstricke des Elterndaseins aus eigener Erfahrung, v.a. die der hochsensiblen, legt diese dar, macht Mut und gibt immer wieder in strukturierter Form alltagstaugliche Tipps, die nicht nur für Hochsensible geeignet sind. Dabei begleitet sie hochsensible Eltern durch alle Altersabschnitte des Kindes und der damit verbundenen Herausforderungen für Eltern – welche nicht wenige sind –, macht mit den Herausforderungen und Problemen vertraut und zeigt Möglichkeiten auf, wie man mit diesen am besten umgehen kann. Auch die Paarprobleme, die unweigerlich auftauchen oder sich verschärfen, wenn Kinder im Haus sind, spart sie nicht aus, sondern beleuchtet diese und gibt Hilfen an die Hand, wie man mit ihnen umgehen kann. Auch die Selbstfürsorge während der Elternschaft, v.a. die der Frauen, ist ein großes und wichtiges Thema in ihrem Buch.

 

Aron geht aber auch immer wieder darauf ein, dass es alles andere als eine Schande ist, wenn sich Hochsensible (aufgrund der angeborenen gründlichen Reflexion und damit des genauen Abwiegens von Für- und Wider der Elternschaft) gegen ein Elterndasein entscheiden. Es gibt sehr gute Gründe dafür, keine Kinder zu bekommen, wie auch gute Gründe für Kinder. Beides haben sich Hochsensible vorab sehr gut überlegt.

Einziger Wehrmutstropfen: In dem Buch sind viele Tippfehler, v.a. “sie” und “Sie”, “ihnen” und “Ihnen” usw. wird häufig verwechselt.

 

Fazit

Erleuchtendes, informatives und sehr gut verständliches Buch nicht nur, aber vor allem für hochsensibles Elterndasein – und der Betonung darauf, dass hochsensible Eltern aufgrund ihrer angeborenen Eigenschaften sehr gute Eltern sind.


Genre: Elternschaft, Hochsensibilität, Sachbuch
Illustrated by mvg Verlag

Banksy – Die illustrierte Geschichte

Banksy – Die illustrierte Geschichte. Banksy ist kein Unbekannter. Und dennoch ist er immer noch unbekannt. Unerkannt? Die vorliegende illustrierte Geschichte macht sich auf die Suche nach einer Antworten auf das größte Rätsel der Street Art. Im Stile eines Edutainment-Comics (also education und entertainment) wird im Stile eines Lehrerin-Schüler Gesprächs die Geschichte von Banksy aufgerollt. Aber natürlich nicht ohne Pointe am Ende.

Banksy, Synoym einer Bewegung

Weltbekannt und dennoch anonym hat der aus Bristol stammende Banksy die Kunstwelt aufgerollt und deren Mechanismen ad absurdum geführt. Wohl am bekanntesten ist die Selbstshredderaktion bei einer Auktion in London. 25,4 Millionen erzielte das “Gemälde”. Aber von dem Geld hat Banksy selbst wohl nie etwas gesehen. Am meisten verdienen nämlich Galerien und Kunsthändler an seinen Streetart Werken. Denn eigentlich begann Banksy klein: auf der Straße. Denn wie für alle Graffiti oder Streetart Künstler ist dort sein Zuhause, die Straße ist die größte Kunstgalerie zur Welt und für jede/n frei zugänglich. Eine seiner ersten Arbeiten war die Reproduktion des Gesichts von Andre, the Giant mit dem Schriftzug “obey” auf der Stirn. “Gehorchen” (engl.: obey) war genau das, gegen das sich Banksy richtete. Ein anderes Banksy-Motiv aus den frühen Jahren stellte einen Teddybär dar, der einen Molotowcocktail auf Polizisten warf.

Banksy – Die illustrierte Geschichte

Damals, 1999, waren Kapitalismuskritik, Antikriegsbewegung, Antiglobalisierung State of the Art einer neuen Generation von politisch organisierten Jugendlichen, die an die Sechziger erinnerte. Banksy muss auch als Teil dieser Bewegung verstanden werden, meint zumindest die sympathische Lehrerin im Comic. Kennst du zum Beispiel Kim Phúc? Sie war das Mädchen auf dem Bild aus den Sechzigern, deren Körper von Napalm verbrannt war. Jahrzehnte später verwendet Banksy das Foto von ihr und gibt ihr Micky Mouse und Ronald McDonald an die Hand. Für manche mag das Bild “niedlich” erscheinen, aber was Banksy meinte ist wohl klar: diese (amerikanischen) Konzerne haben Blut an ihren Fingern.

Banksy: Das Milleniums-Kunstphänomen

Die Macht der Konzerne zu brechen ist wohl Die Herausforderung des Milleniums. Vom ethischen Standpunkt werden die größten Verbrechen gegen die Menschheit nämlich genau von Konzernen begangen, die nur auf Profit schauen und Arbeiter:innen und Umwelt ohne Rücksicht ausbeuten. Sie sprechen von Nachhaltigkeit und entziehen der Mehrheit der Bevölkerung die Menschenwürde. Banksy war wohl einer der ersten (Ende der 90er Jahre) der mit viel Drama und Ironie genau diese Millenium-Herausforderung artikulierte. “Ich mag das…Dinge zu verdrehen, um tiefere Bedeutungen zu finden…Die Logik verschwinden zu lassen, um den Betrachter aus den gewohnten Denkmustern herauszulösen”, meint schließlich der Schüler im Comic und zeigt, dass schon so mancher Schüler seine Lehrer überflügeln kann. Denn letztlich ist es völlig egal, wer Banksy ist, weil jeder von uns es sein könnte, ebenso wie jeder von uns Lehrer und Schüler in einer Person ist. “Banksy – Die illustrierte Geschichte” von Francesco Matteuzzi und Marco Maraggi zeigen in sauber gearbeiteten Illustrationen nicht nur den Werdegang eines der grandiosesten Kunstphänomene des Milleniums, sondern auch deren eigentliche Agenda. Früher nannte man das Agitprop: Agitation und Propaganda. In diesem Falle ein klarer Denk-Mal!

Francesco Matteuzzi
Banksy – Die illustrierte Geschichte
Mit Illustrationen von Marco Maraggi
Banksy – Die illustrierte Geschichte
2022, Hardcover, 128 Seiten, 17,0 x 24,0 cm
ISBN: 978-3-7913-8882-3

Panini Comics
€ 18,00 [D] inkl. MwSt.
€ 18,50 [A] | CHF 25,90 * (* empf. VK-Preis)


Genre: Comic, Graphic Novel

Catwoman – Lonely City 1

Catwoman – Loneyl City 1 von Cliff Chiang

Catwoman – Lonely City 1. Das DC Black Label ermöglicht neue Perspektiven auf Geschichten, die einem bekannt erscheinen. Aber das sind sie nicht. Denn das Black Label improvisiert und überrascht immer wieder mit unvorhergesehen Situationen. So wird in vorliegendem Comic, geschrieben und gezeichnet von Cliff Chiang, auf die “Nacht der Narren” verwiesen, die alles im Batman-Comic-Universum veränderte: Batman starb in Catwomans Armen.

Batman tot, Catwoman im Knast

Danach war nichts mehr dasselbe. Catwoman musste für zehn Jahre in den Bau, weil man sie als erstes verdächtigte, an Batmans Tod schuld zu sein. Dabei waren sie Geliebte! Aber auch für die Bewohner:innen von Gotham änderte sich nach Batmans Tod einiges: Bürgermeister Harvey Dent (alias: Doppelgesicht) regiert die dystopische Stadt mit Hightech-Überwachung und Polizeipräsenz. Aber trotz zehn Jahren Gefängnis will Selina Kyle es noch einmal wissen. Denn die Erzählung des Comics legt genau nach ihrer Entlassung los. Als erstes braucht sie allerdings ein Dach über dem Kopf, Knie und Rücken sind schließlich auch nicht mehr das was sie mal waren.

Catwoman – Lonely City 1

Ihr altes Haus steht noch, die Mieter ausgebombt, das Penthouse unversehrt. Ihre Sicherheitscodes funktionieren auch nach zehn Jahren noch, wenigstens ein Vorteil der ansonsten deprimierenden Umgebung: niemand kam nachsehen. Selina Kyle ist inzwischen übrigens schon 55 Jahre alt, grauhaarig und vielleicht genauso sexy wie damals, nur etwas weniger beweglich. Kenner der Materie werden sich an Batmans Comeback in hohem Alter in “Die Rückkehr des Dunklen Ritters” erinnern. Frank Miller hatte eine dystopische Welt geschaffen, in der es auch Batman nochmals wissen will und ganz nebenbei eine Verschwörung aufdeckt.

Doppelgesicht wieder da!

Man verkleidet sich, um gesehen zu werden.” Die Zeichnungen von Cliff Chiang erinnern etwas an die frühen Batman-Abenteuer aus den Anfangstagen des Genres. Sie sind knallbunt und unkompliziert, reihen Panel an Panel in geradliniger Struktur. Die Story entwickelt sich gut und so kann man schon mit Spannung erwarten, was der zweite Band – übrigens im Großformat – wohl bringen wird. Denn Catwoman verbündet sich mit einigen ehemaligen Kriminellen, darunter auch Poison Ivy und es ist nicht sicher, ob sie die Geister die sie rief, unbeschadet wieder los wird. Der Aufritt von Doppelgesicht wurde jedenfalls schon sehnsüchtig erwartet und keinem ist eigentlich klar, warum dieser aus der Batman-Saga so schnell wieder verschwunden ist und Joker das Feld räumen musste. Erst die Batman-Verfilmungen von Christopher Nolan holten den ambivalenten Schurken/Helden wieder aus der Versenkung. Und jetzt endlich bekommt er von Cliff Chiang wieder ein Chance. Chiang schuf u.a. auch einige WONDER WOMAN-Serien der Moderne, den Comic GREENDALE von Musiker Neil Young sowie die Science-Fiction-Serie Paper Girls, die der nächste TV-Hit auf Augenhöhe von Stranger Things werden soll. Chiang ist auch Eisner Award-Gewinner, eine der höchsten Auszeichnungen in der Comic-Welt.

Cliff Chiang
Catwoman – Lonely City 1
Original Storys: Catwoman: Lonely City 1–2
2022, Hardcover, 108 Seiten
ISBN: 9783741627606
Panini
20,00 €


Genre: Comic, Graphic Novel
Illustrated by Panini Comics

Gebrauchsanweisung für Thailand

Mit der Reihe der „Gebrauchsanweisungen“ ist dem Piper-Verlag eine echte Erfolgsgeschichte gelungen. Nach der ersten „Gebrauchsanweisung für Amerika“ von Paul Watzlawick, die bereits 1978 auf den Markt kam, sind mittlerweile etwa 120 weitere Bände erschienen und jedes Jahr kommen sechs bis acht neue hinzu, in denen namhafte Autoren ihre Eindrücke und ortskundige Geschichten aufschreiben und sich mit persönlichem Blick den Ländern, Regionen oder Städten auf ungewöhnliche und literarische Weise annähern. 

Martin Schacht hat in genau dieser Tradition seine „Gebrauchsanweisung für Thailand“ umgesetzt. Man kann vorwegnehmen, dass ihm nicht nur gelungen ist, die Philosophie dieser Buchreihe perfekt zu verinnerlichen, nein, es ist auch ein echter Schacht geworden.

Das Faktische kommt nicht zu kurz – es ist ja schliesslich eine Gebrauchsanweisung -, aber niemals geht es darum, welchen Nippel man durch welche Lasche zieht, oder im Reiseführer-Slang, welchen Tempel oder Turm man an welcher Stelle am besten fotografieren kann oder welcher menschenleere Strand auch noch zehn Jahre nach Erscheinen eines der üblichen Reiseführer immer noch ein Geheimtipp ist, an dem jährlich Millionen Menschen Ruhe und Einsamkeit finden.

Der Autor hat selbst viele Jahre lang, bevorzugt in den deutschen Wintermonaten, in Thailand gelebt und weiß, wovon er spricht. Viele Geschichten sind deshalb einfach nur unterhaltsam, ganz unabhängig, ob man nun nach Thailand reisen möchte oder nicht. Hinzu kommt, dass Schacht über zwei herausragende Talente verfügt. Er besitzt eine exzellente Beobachtungsgabe und die Gabe, all diese Wahrnehmungen auch noch mit feinsinniger Stilistik zu verbalisieren.

Er beschreibt das Naturell und die Kultur der Thailänder treffsicher und gerne mit einem Schuss Humor, immer aber mit gebührendem Respekt. Aber er macht auch vor dem typischen, so viele Klischees bestätigenden Verhalten der Touristen und Expats nicht halt. Ein Beispiel: „Bambus-Tische, Bambus-Stühle und Muschellampe, die leise im Wind klimpern – so etwas finden Thailand-Besucher ursprünglich und naturverbunden, vermutlich auch ökologisch sinnvoll wegen der nachwachsenden Rohstoffe. Der Thai hingegen findet das so prickelnd wie der durchschnittliche deutsche Großstadtbewohner Kuckucksuhren oder Wohnungseinrichtungen im Gelsenkirchener Barock, die heutzutage höchstens in Pseudohippen Cafès als ironisches Zitat existieren“. Oder: „Viele Expats sind Zyniker, die Thais für ein notwendiges Übel halten.“ Aber, so fügt er an anderer Stelle hinzu, „…das bringt viele Expats dazu, sich zu isolieren.“

Schacht scheut sich nicht, in jede Vorurteilswunde gegenüber Thailand zu fassen. Natürlich wird das non-stop laufende Sexbusiness in Bangkok oder in den strandnahen Metropolen des käuflichen Gewerbes wie zum Beispiel in Pattaya thematisiert, wobei der Hinweis auf die Ursprünge dieser speziellen Form des Tourismus in Zeiten des Vietnam-Krieges mit den über Thailand und die thailändischen Frauen herfallenden GI’s auf Urlaub nicht fehlen darf. Die vielen selbst erlebten Geschichten relativieren das ein oder andere und fokussieren vor allem auf all das, was für den Autor Thailand ausmacht und in die er seine Leser ganz spielerisch und mit spannendem Handlungsstrang gerne mitnimmt. Und dieser sich gerne mitnehmen lässt, da es so leicht ist, den farbenreichen Beschreibungen in tropischer Umgebung zu folgen und ins Träumen zu geraten.

Ohne dass er es expressis verbis formuliert, wird durch den hochwertigen und wertschätzenden Inhalt dieser Gebrauchsanweisung jedem Leser klar, dass menschengemachte Auswüchse nicht Thailand sind, sondern dass es sich zu neunundneunzig Prozent um ein wunderschönes Land mit liebenswerten Menschen handelt.


Genre: Dokumentation, Erzählung, Reiseführer, Sachbuch
Illustrated by Piper München, Zürich