WAS EIN MANN IST

Ich bin ein Mann. Zumindest ziemlich sicher. Finde ich mich im Buch von David Szalay, dem aufsteigenden Stern am Literaturhimmel, wieder? Ein klares Jein.

Vieles von dem, was der britische Autor mit internationalen Wurzeln über den Teil der Menschheit mit den zwei X-Chromosomen schreibt, ist feinsinnig beobachtet und trifft ohne Zweifel zu. Aber wäre ich ein Mann nach szalayschem Zuschnitt, würde ich diese Zeilen wohl eher nicht schreiben. Doch der Reihe nach.

Im Werk „Was ein Mann ist“, mit dem es der Autor immerhin auf die Shortlist des Man-Booker-Preises geschafft hat, ist das maskuline Geschlecht in unterschiedlichsten Lebensphasen repräsentiert. Chronologisch lässt uns Szalay an einem Männerleben teilhaben, allerdings nicht am Leben eines einzelnen Mannes, sondern in neun getrennten Abschnitten des Buches am Leben von neun unterschiedlichen Protagonisten. Zwischen den Episoden und deren Handlung gibt es allenfalls marginale Überlappungen. Die Titel der einzelnen Roman-Abschnitte sind einzig und allein Monatsnamen, angefangen vom Monat April bis hin zum Monat Dezember. Diese Analogie zum Lebensalter ist kreativ, aber nicht ganz neu, schon Caspar David Friedrich spielte in seinen Landschaftsgemälden, die vordergründig Tages- und Jahreszeiten darstellten, auf den menschlichen Lebenszyklus an.

Die Neugeborenen- und Kleinkindphase des Mannes überspringt Szalay geflissentlich und steigt im Monat April zur Zeit der Adoleszenz ein. Fließend und mit viel literarischem Geschick webt der Autor die pubertäre Unsicherheit und die Selbstwert-Volatilität dieses Alters in eine kurzweilige Geschichte ein. Identisch prägnant und dennoch unterhaltsam geht es in den folgenden Monaten, sprich Lebensphasen weiter. Während anfangs der sexuelle Trieb dominiert, nehmen später Macht- und Karrierestreben immer größeren Raum ein. Oder – falls „Mann“ versagt – ein Leben in trostlosem Umfeld im kroatischen Hinterland. Man/Mann/Frau ahnt es schon: Im Dezember schlägt sich der Protagonist mit dem physischen und psychischen Verfall und dem nahenden Tod herum. Und hadert mit dem Gefühl, dass er trotz – nach den üblichen Kriterien – vermeintlichem Karriereerfolg an seinem eigentlichen Ich vorbei und mit einer Selbstverleugnung gelebt hat.

Alle von Szalay unterhaltsam und spannend geschilderten „Mannsbilder“ sind irgendwo zutreffend, aber leider so zutreffend, dass sie schon wieder allzu stereotyp sind. So sehr, dass es fast schon weh tut. Da ist nur Simon im April, der etwas mehr Feinfühligkeit zu haben scheint. Die anderen Männer entspringen einem altersspezifischen Schubladendenken. Szalay malt maskuline Schablonen aus. Oder beschreibt er wirklich das, was der Männermarkt in all diesen Altersstufen hergibt? Emotionale Intelligenz? Fehlanzeige. Reflektiertes Metaebenen-Denken? Offensichtlich ein Paradoxon. Lebensbejahende Initiative bis ins hohe Alter? Kein Raum bei so viel depressiver Dystopie.

Was lernen Frauen in „Was ein Mann ist“ über Männer? Nichts. Sie bekommen nur bestätigt, was sie immer schon gewusst und befürchtet haben, haben sich aber im Buch zumindest gut unterhalten.

Was lernen Männer? Auch nichts. Zumindest nicht der Männertyp, den Szalay beschreibt, da dieser das Buch schließt und denkt: „So isses!“

Oder besteht irgendwo dort draußen am Ende vielleicht doch noch Hoffnung…?


Genre: Belletristik, Erzählung, Gesellschaftsroman, Roman
Illustrated by Hanser Verlag München

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