Nachtfrauen

Nachtfrauen. Die beiden Geschwister Mira und Stanko stehen vor einer herausfordernden Aufgabe. Ihre Mutter ist alt und soll auf den Auszug aus ihrem Haus im kärntnerischen Jaundorf vorbereitet werden. Da weder Mira noch Stanko sich um sie kümmern können, wird es für die alte Dame zu gefährlich alleine zu leben.

Nachtfrauen: Verzeihen und Vergeben

Du wirst dich um Mutter kümmern müssen“, sagt ihr Bruder zu ihr. Aber Mira ist längst aus der Enge des Dorfes in die Weite der Großstadt Wien gezogen, wo sie einen Mann und eine Arbeit hat. Sie kann also gar nicht zurückkommen und sie will es auch nicht. Zwischen ihrer Mutter Anni und ihr bestehen immer noch Differenzen, die nun endlich durch einen neuen Besuch beseitigt werden könnten. So packt sie also ihre Koffer und reist zurück ins “Innere ihrer Kindheit“, wie sie sagt: “Sie konnte nicht einmal behaupten, in die Fremde zu reisen, wenn sie nach Hause fuhr, das würde ihr niemand glauben“.

Heimat und Sprache

Wenn sie ihr Dorf besucht, erwarten sie die üblichen Vorwürfe, die jeden “Abtrünnigen” treffen, der sich aufmachte, um ein anderes Leben in der Fremde zu finden. Weggehen kann schließlich jeder, das Schwierige ist doch zu bleiben. Sobald sie sich der Jauntalebene näherte, veränderte sich auch ihre Sprache und ihre Haltung, denn der slowenische Dialekt, den sie in Wien nie benutzt, bestimmt nun auch ihr Denken und Handeln. Die Sprache ihrer Kindheit ist auch die Sprache ihrer Verluste, “über die Mira sich selbst nicht recht im Klaren war“. Eine davon ist ihre Jugendliebe Jurij, dem sie prompt in Jaundorf begegnet.

Schweigen (Klage), Geheimnis (Tat)

Einen interessanten Zugang findet Mira auch zur Wahrheit: “(…) dass es vielleicht besser ist angelogen zu werden, nicht die Wahrheit zu wissen. Wir wollen den anderen immer nackt vor uns sehen, nackt und durchschaubar, das ist doch demütigend, es geht doch darum, miteinander auszukommen oder nicht?”, stellt sie Jurij die Frage der Fragen. Auch er, der bewusst Slowene ist, hat darauf eine Antwort. Denn lange galt die Zweisprachigkeit der Region als Makel, auch darüber schreibt Maja Haderlap im ersten Teil ihres Romans Nachtfrauen, der von drei Generationen Frauen erzählt. Der erste ist ganz Mira gewidmet, der zweite, kürzere Agnes und Anni, also Großmutter und Mutter. Der erste Teil ist eine Erzählung und ein Dilemma, wie es nicht besser formuliert werden könnte. Denn das Zerwürfnis mit ihrer Mutter beruht auf einem Unfall bei dem ihr Vater zu Tode kam.

Bedrängte (Nacht-)Frauen

Dieses Unglück schwelte lange zwischen ihrer Mutter und ihr und vergiftete die Beziehung, dabei war sie damals noch ein Kind und konnte gar nichts dafür, was geschah. Schuldgefühle waren es vielleicht auch, die Mira nach Wien vertrieben, aber immerhin war sie auch die erste Frau, die ihr Dorf verließ. Das tat sie auch für die anderen Frauen, die, die zurückblieben. Denn die alleinstehenden Frauen in Jaundorf litten am meisten unter den zudringlichen Händen der Männer. Aber damals galt die Schweigsamkeit einer Frau noch als noble Eigenschaft und so beschloss auch sie, lieber zu schweigen. Ein Schweigen, das vielleicht mit diesem Roman durchbrochen wird. Stellvertretend für all die Schweigenden.

Ein Roman über Zugehörigkeit, Erinnerungen, Verlust und Entscheidungen, die das Leben beeinflussen. Aber auch ein Roman, der Mut macht, darüber zu sprechen, was unaussprechlich ist.

Maja Haderlap wurde in Bad Eisenkappel / Železna Kapla (Kärnten) geboren. Sie veröffentlichte Lyrik in slowenischer Sprache, ehe sie für einen Auszug aus ihrem Romandebüt Engel des Vergessens 2011 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. Weitere renommierte Preise folgten, wie der Max Frisch-Preis 2018 oder der Christine Lavant Preis 2021. Nachtfrauen ist ihr erstes Buch im Suhrkamp Verlag und stand auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis 2023.

Maja Haderlap
Nachtfrauen. Roman
2023, fester Einband mit Schutzumschlag, 294 Seiten
ISBN: 978-3-518-43133-7
Suhrkamp Verlag
24,00 €


Genre: Biographie, Frauen, Frauengeschichte, Roman, Slowenen, Zweiter Weltkrieg
Illustrated by Suhrkamp Frankfurt am Main

Aromatherapie für Frauen – Das Selbsthilfebuch für bewusst lebende Frauen

Aromatherapie für Frauen

Ganzheitliche Infos rund um körperliche und seelische Belange der Frau und Hilfe in allen weiblichen Lebensabschnitten

Das vorliegende Buch ist sehr anschaulich und ansprechend, denn die pastellfarbenen Hintergründe und hübschen Fotos verbreiten stets eine Wohlfühlatmosphäre, in die man sich als am Thema interessierte Leserin hineinfallenlassen kann. Das Auge liest in diesem Fall mit und der Körper entspannt sich allein schon bei der Auswahl der Farben und Fotos.

 

Hinzu kommen strukturierte und gut verständliche Infos und Anleitungen zu Deos, Kompressen, Auflagen, Badesalzen, Körperölen, Duschgelen, Rasierbalsamen und vielem mehr – die Autorinnen bieten eine reichhaltige Auswahl an Dingen, die man mit Aromatherapie alles machen kann. Dazu gibt es jede Menge Infos zu Krankheiten, Forschungsergebnisse bzgl. Aromaölen, Rezepten für DIY-Mischungen und eine genauso breite Anwendungspalette für jede Lebenssituation der Frau, psychisch wie physisch: Pubertät, Schwangerschaft und Stillzeit mit all ihren Beschwerden, Wechseljahre, Zyklus. Dabei werden auch nicht schwere Beschwerden ausgespart wie Krebs und Endometriose. Die Autorinnen erklären den Zusammenhang von Beschwerden mit dem übermäßigen Stress, dem gerade Frauen ausgesetzt sind, und den zunehmenden Umweltbelastungen, die sehr negativ auf den Körper wirken. Dementsprechend hoch ist der Anteil an psychischen Problemen, über die das Buch informiert, und wie Aromatherapie zumindest Linderung verschaffen kann. Körperliche und psychische Beschwerden gehen aber oft Hand in Hand, was ebenfalls erklärt wird.

 

Das Buch ist also auf ganzer Linie ganzheitlich ausgelegt, betont den Umweltaspekt und geht einfühlsam auf die zahlreichen Situationen der Frauen ein, die sie ständig fordern und oft auch überlasten. Die Frau wird in jeder Zeile wertgeschätzt und ermutigt, was ebenfalls sehr wohltuend für Leserinnen ist. Die Aromatherapien unterstützen und ergänzen gängige Therapien, können aber auch in leichteren Fällen die Schulmedizin ersetzen. Dabei betonen die Autorinnen aber auch, dass jede Frau verschieden ist und ausprobieren sollte, was ihr persönlich guttut.

 

Vorab beginnt das Buch aber mit verständlichen Grundlageninfos über Aromatherapie und -öle, wobei ein guter Teil der Infos den Köperteilen zukommt, die das Aroma aufnehmen, z.B. die Nase. Die Funktion und der Aufbau der Nase werden erklärt und der Bezug der Düfte über die Nase z.B. zur Psyche hergestellt. Tipps zur Dosierung, zur Qualität, zum Einkauf, der sicheren Handhabung usw. ergänzen die Basisinfos. Wohlfühltipps zur Körper- und Zahnpflege bis hin zu Erkrankungen der Haut, zum Sport, zur Sexualität und zum gesunden Schlaf decken verschiedene Lebensbereiche ab. Ich habe mich nach der Lektüre sehr gut informiert gefühlt und die Rezepte zum Selbermachen sind nicht kompliziert. Insgesamt ein rundum gelungenes Buch!

 

Fazit

Ein vielseitiges, schön bebildertes, anschauliches, verständliches und informatives Buch rund um die Lebenssituationen der Frau, deren körperliche und psychische Belastungen und Krankheiten und wie frau sich mit Aromatherapie in verschiedenen Lebenslagen selbst helfen oder zumindest schulmedizinische Therapien unterstützen kann.


Genre: Aromatherapie, Frauen, Sachbuch
Illustrated by Joy Verlag

Das Recht auf Sex: Feminismus im 21. Jahrhundert

Das Buch Das Recht auf Sex: Feminismus im 21. Jahrhundert besteht aus sechs Essays, die unabhängig und zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben wurden. Die Autorin wurde in den USA und den UK zur Philosophin ausgebildet und lehrt soziale und politische Theorie am Chichele Institut für Völkerrecht in Oxford, als erste nicht-weiße Professorin.

Das Buch basiert auf breitem Wissen gerade der feministischen Philosophinnen; die kleingedruckten „Anmerkungen“ umfassen über 50 Seiten und sind teils so lesenswert, wie die Essays selbst. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem anglo-sächsischen Schriftgut zu Sexualität, Feminismus und Gender.

Was sind Rechte, was sind Normen, und wie verändern sie sich in den letzten sechzig Jahren, seit Debatten über Feminismus und zur sexuellen Revolution öffentlich geführt wurden? In der Einleitung heißt es: “Was wäre zu tun, damit Sex frei ist? Wir wissen es noch nicht, aber versuchen, es herauszufinden.“

Im letzten Kapitel wird es utopisch, aber erst einmal viel Dystopisches: Im ersten Kapitel werden die ersten, teil hilflosen, Versuche beschrieben, mit Rechtsmitteln übergriffige Männer zu zügeln, und wie Männer darauf reagieren. In „Gespräche mit Studierenden über Pornografie“ wird das Schriftgut gerade der Feministinnen darüber dargestellt, es gibt „Porn Wars“, „Pro Porno Feministinnen“. „Für die Studentinnen und Studenten ist Sex das, was die Pornoindustrie als Sex definiert.“

Alles geht von Männern aus, Frauen sind untergeordnet, die Darstellerinnen entweder pubertierende oder milfs (mother I’d like to fuck), und zum Abschluss braucht es einen Ejakulationsschwall.

In allen Kapiteln werden Unterschiede nicht nur der Geschlechter, auch von Rasse und Klasse beschrieben, immer wird der in westlichen Ländern propagierte Feminismus der weißen Akademikerinnen mit den Formen und Aktionen der Frauen in armen Ländern kontrastiert. Wenn es in der Entwicklungshilfe Trend ist, Frauen kleine Kredite zu gewähren, weist sie darauf hin, dass es Aufgabe der Staaten ist, Wasser, Land und Nahrung sicherzustellen.

Im letzten Kapitel Sex, Karzeralismus, Kapitalismus wird Karzeralismus beschrieben als Rechtssystem, in dem Menschen eingesperrt werden, die nicht im Mainstream stehen, und das betrifft in den USA zunehmend auch Frauen: „In den USA, wo 30 % der weltweit inhaftierten Frauen leben (zum Vergleich: In China sind es 15 %, in Russland 7,5 %) ist die Inhaftierungsrate von Frauen doppelt so schnell gestiegen, wie die von Männern.“ Ausführlich geht es um die für Frauen meist die Situation verschlechternden Maßnahmen gegen die Prostitution, oft gefordert vom „karzeralen Feminismus.“ Nur in Neuseeland und in einer australischen Region, wo Zwangsmaßnahmen aufgehoben wurden, hat sich die Lage der Frauen verbessert. Das erfahren wir, übrigens, in einer Fußnote.

Dann knüpft die Autorin am Marxismus an, fragt: „Kann sich die Arbeiterbewegung leisten, nicht antirassistisch zu sein?“ und wünscht sich post-kapitalistische Lösungen auch der Frauenfrage.

Am spannendsten fand ich den fünften, und eher kurzen, Essay: „Warum wir nicht mit unseren Studierenden schlafen sollten“ und möchte ihn beispielhaft vorstellen:

Eine erste Fassung hatte sie geschrieben, nachdem 2010 „ihre“ Universität Yale ein generelles Verbot von „Beziehungen zwischen Fakultätsmitgliedern und nicht Graduierten“ beschlossen hatte. Andere Uni folgten und das University College London 2020 als 3. britische Uni.

Die Frage wird breit diskutiert, wie sich sexuelle Beziehungen entwickeln können, wenn zwischen den Partnern ein Machtgefälle existiert, und verschiedene Sichtweisen beschrieben, auch die von Feministinnen. Srinivasan zitiert mit Jane Gallop eine Autorin, die Freuds Konzept der Übertragung bei Beziehungen zwischen Patient und Therapeut für die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden, also für den pädagogischen Bereich übernimmt.

Ja, es lernt und lehrt sich besser, wenn die Beziehung stimmt. Aber die Lehrenden müssen wissen, dass sich ein entstehendes Begehren der Lernenden nicht auf sie als Person richtet, sondern auf das, was sie repräsentieren. Die Projektion muss auf: „Wissen, Wahrheit, Verstehen“ gelenkt werden.

Es gibt eine Fülle von genauen Beschreibungen, wie mit diesen Konflikten umgegangen wurde, bei den Beispielen der Autorin sind es eher Frauen, die als Dozentinnen „bestraft“ wurden, als Männer. Es wird gefordert, Lehrende auf die Bedeutung ihrer und der Körperlichkeit der Studierenden beim Vermitteln der Lehre hinzuweisen, manche fordern gar Vorbereitungskurse, um deren Wirksamkeit besser wahrzunehmen und, dessen bewusst, sich besser zu steuern.

Mir gefiel bei der Lektüre, wie die Autorin neben Zitaten von Philosoph:innen auch Ich-Botschaften einfügt, auch hier in diesem Kapitel. So möchte ich mit einer solchen enden:

Als berentete Professorin bin ich einerseits froh, dass Deutschland nicht vorangegangen war mit Versuchen, Beziehungen zu verrechtlichen, die sind doch oft gescheitert. Die Vorstellung, allerdings, in meiner Universitätszeit in den Nullerjahren, wären wir Profs zu solchen, natürlich koedukativen, Kursen geladen worden, bringt mich zu einem verschmitzten Schmunzeln …

Das Buch bringt viele Denkanstöße, auch in unerwartete Richtungen.


Genre: Frauen, Gender, Soziologie
Illustrated by Klett-Cotta Stuttgart

In der Männer-Republik: Wie Frauen die Politik eroberten

In der Männer-Republik: Wie Frauen die Politik erobertenProminente Männer wurden von Torsten Körner schon oft beschrieben, von Heinz Rühmann über Beckenbauer zu Willy Brandt gibt es Biografien. Dabei ist als Beifang so viel Material über in der bundesdeutschen Politik aktive Frauen zusammengekommen, dass es nun ein eigenes Buch brauchte. Es erschien 2020, inzwischen gibt es auch den Film Die Unbeugsamen, der im Mai 2021 herauskam.

Um die Sicht der Frauen zu erfassen, las Körner verfügbare Aufsätze und Biografien, wenn möglich, interviewte er Protagonistinnen, manche waren über neunzig Jahre alt. Die Literaturliste umfasst sieben Seiten. Als Bildmaterialien dienen ihm für die Zeit der Gründung der Bundesrepublik die Wochenschauen. Diese waren, wie zur Nazizeit, staatliche Medien und Adenauer, mit dem es begann, wusste sie zu nutzen.

Frauen brauchte er nicht zum Regieren. Als ein Sitzstreik der weiblichen CDU/CSU Abgeordneten ihn zwang, 1961 als Alibi die Ministerin Dr. Elisabeth Schwarzkopf im Kabinett zuzulassen, redete er sein Kabinett weiterhin als „seine Herren“ an.

Die Darstellung geht chronologisch vor, in 18 Kapiteln werden die Frauen vorgestellt, mit einer Fülle von Zitaten, wie mit und über sie gesprochen wurde. In den Anfangsjahren geht es um die Familienpolitik von Wuermeling, die Körner als: „Familie als Vätergenesungswerk, als Vorschein des Paradieses für Männer auf Erden“ beschreibt. Wie Frau Schwarzkopf die Sicht der Herren, in einer Ehe müsse der Mann das Sagen haben, präzise hinterfragt, ist nur ein Beispiel dafür, wie Frauen das Niveau der Debatten erhöht hatten.

Manchen Kapiteln werden Merksätze vorgestellt, etwa „Was Du erbst von deinen Müttern, das musst du bewahren. Du musst weitermachen, damit es fest ist.“ von Ursula Männle (CSU), deren Biografie in Buch und auch im Film Raum erhält.

Sie war eine Sarghüpferin: wie damals oft, wurden Frauen in der Liste weiter hinten geführt und rutschten ins Parlament, wenn der Platzhalter gestorben war. Ihre Haltung war parteienübergreifend frauenfreundlich, früh begann sie, sich mit anderen Frauen zu treffen, mit Renate Schmidt (SPD) und Waltraut Schoppe (Grüne), erst im Büro, später öffentlich in der Kantine. Da dies argwöhnisch von den Männern beäugt wurde, hat irgendwann Renate Schmidt Frau Männle angeboten: „Soll ich Dich mal wieder beschimpfen, damit deine Männer dir wieder vertrauen?“

Als die Grünen Frauen das Feminat gründen, gratuliert sie brieflich und wird dafür von ihrer Partei gerügt. Die SPD-Frauen fremdeln eher. Und Joschka Fischer schrieb: „Wie kann man nur so verdiente und profilierte Leute wie Petra Kelly und Otto Schily abwählen und—doppelt verrückt—an deren Stellen sechs Frauen wählen?“ Er war, übrigens, auch einer der abgewählten Verdienten und Profilierten.

Andere Kapitel zeigen Zeitgeschichte: Erinnern sie sich noch an den Internationalen Frühschoppen? Oder den Mut einer Abgeordneten, im Hosenanzug zu erscheinen? Ausführlich werden die Abwahl Schmidts und die neue Koalition behandelt, in deren Folge mehrere der FDP-Frauen, ihre Partei verließen.

In „Auf dem Standesamt“ kämpft Ingrid Matthäus-Maier 1974 um ihren Doppelnamen. Der nicht informierte Standesbeamte verabschiedete sie als Frau Maier, und glaubte der Juristin nicht, dass nun Doppelnamen möglich wären. Sie weigert sich, das Standesamt zu verlassen, was der Hochzeitsgesellschaft peinlich ist. Oder es wird dokumentiert, wie Rita Süßmuth die Verhüllung des Reichstags gegen geballte Männerformationen durchsetzt.

„Sie auch …“ ist der Titel des Kapitels, in dem bearbeitet wird, wie Sexismus auch von den Frauen verschwiegen wurde, da sie wussten, man hätte sie selbst als Ursache für Anzüglichkeiten oder Angriffe ausgemacht. Als eine Abgeordnete in einem Länderparlament sich als lesbisch bezeichnete, wurde ihr auf dem Flur zugeraunt, sie könne Mann ja noch nicht einmal vergewaltigen.

Und wie anregend dagegen die Rede von Waltraut Schoppe über Ehebettroutinen inklusive Penetration, und vorzuschlagen, gemeinsam mit Kanzler Kohl andere sinnlichkeitsstiftende Formen der Erotik zu entwickeln. Dies wird als ein Wendepunkt beschrieben, der mit bewirkte, dass dann 15 Jahre später die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wurde. Als hätte er dies Ergebnis schon geahnt, schwänzte Helmut Kohl diese Sitzung.

Mehr als den Anspruch, Fakten zu dokumentieren, gibt es weitergehende Gedanken, so wie immer wieder über Macht und Charisma: Wie anderes war das Charisma einer Petra Kelly als das von Willy Brandts?

Die Schicksale von Hannelore Kohl und Petra Kelly, die im Film zusammen als Opfer auf dem Altar der Männerrepublik behandelt wurden, sind hier einfühlsam beschrieben.

Im Vorwort schreibt Körner: „Wer als Mann die Chance hat, die Grenzen des eigenen Geschlechts und Denkens im Dialog mit anderen zu begreifen, auch zu verstehen, worin die Zumutungspotenziale des eigenen Sprechens und Schreibens liegen mögen, welche Gewalt von Männern bewusst oder unbewusst ausgeht, sollte die Möglichkeit nutzen.“ Er versteht es, sie zu nutzen und macht das Lesen zu einem wachsenden Vergnügen. Fast poetisch wird er, wenn er männliche Selbstdarstellung parodiert. Das hätte keine Frau besser gekonnt. Ich werde das Buch oft verschenken.


Genre: Frauen, Politik
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Verführungen. Fotobuch.

Fotobuch der Stuttgarter Fotografin und Sängerin

Verführungen. Der erste Bildband der bekannten Fotografin Tina Trumpp zeigt die hohe Kunst der Aktfotografie aus weiblicher Sicht. Eine Ode an die Sinnlichkeit und zugleich eine Hommage an eine Ära: Burlesque, Glamour, Vaudeville.

Verführungen: Hommage an die Jazz Ära und eine Lebensstil

Auch wenn der Großteil der Fotografien der Fotografin Tina Trumpp zwischen 2017 und 2021 entstanden sind, zeigen sie doch eine längst vergangene Zeit. Beim Betrachten der Bilder denkt man Brokatvorhänge, Marmordekor, Federboas und Ledersofas. Ein Touch von SM durchweht die Bilder, aber auch ein Hauch von der Sinnlichkeit einer vergangenen Ära. Tina Trumpps Femmes Fatales präsentieren sich in opulenten Barock-Gärten mit Marmorstatuen oder sittsam gestylten Schlafzimmern. Stets ist das Licht etwas verhüllend, verdunkelnd, ganz so, als würde ein Geheimnis hinter dem direkten Blick in die Kamera stecken. Selbst wenn die Augen manchmal leicht geschlossen sind, ist dieser Blick zu spüren, ein Blick der mehr als tausend Worte sagt und doch nicht schweigt. Die Titel, die Tina Trumpp ihren verführerischen Fotografien gegeben hat, wirken wie ein Versprechen auf den Betrachter: The Muse of Brahms, You’re My Thrill, Sentimental Journey, J’attendrai Ton Retour, The Apple, Fairy Tail, Wild is the Wind. Viele der Bilder sind in Stuttgart entstanden, einige auch in Paris, aber der Ort spielt eigentlich keine Rolle, denn die Intimität, die durch die Fotos hergestellt wird, würde selbst den Mars zu einem bewohnbaren Planeten machen.

Aktfotografie mit Frau hinter und vor Objektiv

Tina Trumpp ist wohl mehr als eine Fotografin. Viel eher eine Fotokünstlerin, denn sie kreiert mit natürlichem Licht und weichen Zeichnungen eine eigene erotisches Weiblichkeit. Vielleicht am ehesten als auf sinnliche Weise inszenierte Tableaux Vivants, also wie Malerei einer vergangenen Epoche zu beschreiben. Eine ganz eigene Welt zu erschaffen, die mit nichts zu vergleichen ist und dennoch an so manche exotische Tagträume eines vergangenen Paradieses erinnert. Mit einer Einzelausstellung mit dem Titel „Shades of Sensuality“ machte die Stuttgarter Fotografin erstmals 2016 auf sich aufmerksam. Seitdem gehört sie in dem leider doch nur von Männern dominierten Genre zu den besten ihres Berufsstandes. Vor dem letzten Lockdown war in der Leica Galerie Stuttgart zudem ihre Ausstellung „Verführungen“ zu sehen. Einige dieser Bilder werden nun im vorliegenden Fotoband im Großformat 27,5 x 34 cm erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Außerdem wurde sie mit dem 14th Annual Black & White Spider Award 2019 (Serie ‘Room With A View’) in der Kategorie Nude ausgezeichnet und erhielt den Silver Award in The Moscow International Foto Awards 2019 mit ‚Love Me Like A River Does‘, Kategorie Fine Art Nudes. Ihre Bilder wurden in internationalen Galerien unter anderem in München, Zürich, Salzburg und Paris ausgestellt. Übrigens: Tina Trumpp (Jahrgang 1974) singt auch, passend zu ihren Bildern: Jazz.

Tina Trumpp
Verführungen. Fotobuch.
2021, Hardcover, 208 Seiten, 111 Farb- und Schwarz-Weiss-Fotografien
ISBN: 978-3-96171-353-0
teNeues Verlag
€ 50,00


Genre: Foto, Fotografie, Frauen, Jazz
Illustrated by teNeues