Schiffbruch mit Tiger

Literarischer Schiffbruch

Der kanadische Schriftsteller Yann Martel hat mit seinem Roman «Schiffbruch mit Tiger» 2002 den Durchbruch geschafft, das Buch wurde  mit dem Booker Prize ausgezeichnet. In einer selbst-ironischen, klammerartigen Vorgeschichte erklärt er zunächst, wie er durch den Tipp eines alten Mannes zu seinem Stoff gekommen sei und den «Helden der Geschichte» dann auch leibhaftig getroffen habe. «Ich fand es nahe liegend, dass Mr Patel sie in der Ichform erzählt». Das deutsche Feuilleton war allerdings wenig begeistert und bemängelte verärgert «Spielzeugton» und «plumpe Komik», sprach gar von «literarischem Schiffbruch»! Ja wie denn nun?

Piscine Molitor Patel, genannt Pi, Sohn eines indischen Zoodirektors, überlebt als einziger den Schiffbruch des Frachters, mit dem der väterliche Zoo nach Kanada umgesiedelt werden soll. Außer ihm befinden sich ein Tiger, eine Tüpfelhyäne, ein Orang-Utan und ein Zebra auf dem einzigen Rettungsboot, das zu Wasser gelassen werden konnte. Durch einen Irrtum des Zollbeamten wurde der im Ausland gekaufte, bengalische Tiger auf den Namen ‹Richard Parker› getauft, der sechzehnjährige Pi kennt ihn schon lange. In dem sofort ausbrechenden Überlebenskampf ist das Zebra das erste Opfer, es wird von der Hyäne gefressen, anschließend wird der Orang-Utan ihre Beute. Als der unter die Persenning des Bootes gekrochene, seekranke Tiger schließlich hervorkommt, frisst er die Hyäne. Als Nächster wäre Pi an der Reihe, aber in seiner Not kommt er auf die rettende Idee, aus den vorhandenen Rettungswesten und Rudern ein Floß für sich zu bauen. Das schwimmt nun, an einem langen Tau befestigt, dem Boot hinterher und dient dabei auch noch als Schwimmanker, was bei hohem Wellengang ein Kentern des Rettungsbootes verhindern hilft, indem es dessen Bug in die Wellen dreht. Durch seine Erfahrung mit Tieren gelingt es ihm sogar, sich ‹Richard Parker› vom Leibe zu halten, indem er dessen Seekrankheit ausnutzend das Boot heftig ins Schlingern bringt und gleichzeitig in eine schrille Signalpfeife bläst. Beides verbindet sich für das Raubtier zu einer äußerst unangenehmen Erfahrung, und schon bald reagiert der Tiger nur noch auf das Pfeifen und zieht sich unter seine Persenning zurück. Durch das Markieren mit seinem Urin als eigene Reviergrenze und regelmäßiges Füttern mit selbstgefangenen Fischen gelingt es Pi, den Tiger auf Abstand zu halten.

Die immer abenteuerlicher werdende Geschichte beginnt allmählich märchenhafte Züge anzunehmen. Deren Höhepunkt bildet nach vielen Monaten auf See eine von Erdmännchen besiedelte, schwimmende Algeninsel mit fleischfressenden Bäumen, die da plötzlich auftaucht. Auf ihr bringen Süßwasserseen wundersamerweise tote Fische hervor, die den Erdmännchen als Nahrung dienen, und sie selbst wiederum sind für ‹Richard Parker› ein gefundenes Fressen. Im letzten Kapitel der dreiteiligen Geschichte schildert der Autor einen Besuch japanischer Ermittlungs-Beamter, die den nach seiner Rettung in einem mexikanischen Krankenhaus liegenden Piscine Molitor Patel über die unglaubwürdigen Umstände seiner robinson-artigen, 227tägigen Odyssee befragen. Vor allem aber interessieren sie sich für Details beim ominösen Untergang des Frachters.

Im ersten Teil des Romans wird die Vorgeschichte mit der Jugend von Pi erzählt, die neben vielen interessanten Fakten über Tiere im Allgemeinen und Zootiere im Besonderen sich intensiv der Religion widmet. Wobei Pi, eine originelle Idee von Yann Martel, neben seinem Hinduismus sich auch für den Islam begeistert, um sich dann sogar noch taufen zu lassen. Aus diesem gerade heutzutage vorbildhaften, friedlichen Nebeneinander dreier Weltreligionen leitet er verblüffende Erkenntnisse ab, denen er, leider völlig unreflektiert, die moralfreien Instinkte wilder Tiere gegenüberstellt. Verglichen beispielsweise mit «Herr der Fliegen» ist dieser Roman mit seiner plumpen Botschaft eher ein Abenteuerbuch, keinesfalls jedoch prämierwürdige Hochliteratur.

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Fischer Verlag

Erfüllendes Mutterglück oder kinderlose Freiheit – Mein Weg zur Entscheidung

Soviel vorneweg – auch wenn im Titel von „Mutterglück“ die Rede ist, so ist das Buch der deutschen Autorin Ellen Kuhn nicht nur an Frauen adressiert, sondern unbedingt auch etwas für Männer. Denn wie oft schlittern wir Männer in eine Familien- respektive Vater-Situation hinein, nur weil es Konvention und Tradition so vorgeben und/oder weil es für uns mal wieder einfach bequemer so ist. Dazu gehört sicher auch, dass viele Männer gerade die Kinderentscheidung nicht wirklich überdenken und sich der Tragweite für ihr eigenes Leben nicht bewusst sind. Das Scheitern ist statistisch fast schon vorprogrammiert. Selbst moderne Männer gründen heutzutage bei Misslingen des Ehe- und Kinderprojekts keine „I regret“-Gruppen, sondern wählen auch da den ganz traditionellen Weg, also Flucht, Trennung, Geliebte. Nur erfährt dieses männliche Verhalten im Gegensatz zu den Müttern bis heute keine auch nur ansatzweise ähnlich ausgeprägte Ächtung in unserer Gesellschaft.

Also tut so viel Information wie möglich im Vorfeld Not, nein, sollte sogar unabdingbare Pflicht sein. Für Frauen und (!!) Männer. Weiterlesen


Genre: Politik und Gesellschaft, Sachbuch
Illustrated by tredition

Jesus von Texas

Bissige Medien-Satire

Der unter dem Pseudonym DBC Pierre veröffentlichende, australische Schriftsteller Peter Warren Finlay hat mit seinem Roman-Erstling «Jesus von Texas» 2003 den britischen Booker Prize gewonnen. Also die begehrteste Auszeichnung im englisch-sprachigen Raum, die dort im Ansehen zuweilen sogar noch vor dem weniger publikums-wirksamen Nobelpreis steht. Der ehrt ja bekanntlich den Autor selbst, nicht das einzelne Buch, – die Buddenbrooks waren eine berühmte Ausnahme. Aber davon trennen diesen Roman wirklich Welten! Das Pseudonym steht für «Dirty But Clean Peter» und soll den Lebenswandel des Autors andeuten. Der hat es nämlich, folgt man dem Klappentext, fertig gebracht, «von seinem Nachbarn in Mexico Stadt angeschossen zu werden, Schulden in Höhe von mehreren hunderttausend Dollar anzuhäufen, drogen- und spielsüchtig zu werden und eine Reihe von Frauen zu hintergehen».

Sein Roman ist denn auch eine bissige Satire auf die Sensationsgier der amerikanischen Medien-Gesellschaft, deren Auswüchse hier genüsslich auf die Spitze getrieben werden. Ort der Handlung ist eine fiktive Kleinstadt, die den Ruf der Barbecue-Saucen-Hauptstadt von Texas hat. Der fünfzehnjährige Schüler Vernon wird der Mittäterschaft an einem Massaker in seiner Schule verdächtigt. Diesen Amoklauf hat sein bester Freund Jesus während des Physik-Unterrichts begangen, sechzehn Mitschüler sind ihm zum Opfer gefallen, der Täter hat sich anschließend selbst erschossen. Nachdem Vernon ungeschickt ein Gewehr zu verstecken sucht und ihm die Polizei auch rein gar nichts glaubt, flüchtet er nach Mexico, wird dort aber verhaftet und ausgeliefert. Durch unprofessionelle Verteidigung, widrige Umstände und die unheilvolle Mitwirkung eines Klatschreporters bereits massiv von der Bevölkerung vorverurteilt, wird Vernon in einem absurden, schauprozess-artigen Verfahren unschuldig zum Tode verurteilt. Im Todestrakt veranstaltet ein Medien-Konzern die wöchentliche Wahl des jeweils nächsten Delinquenten in Form einer live übertragenen, publikums-wirksamen Reality-Show. Als schließlich Vernon gewählt wird, gelingt es ihm scheinbar durch einige Telefonate, sich doch noch aus der Schlinge zu ziehen.

«Irgendjemand hat mal gesagt, es sei heute unmöglich, Amerika satirisch darzustellen, die Wahrheit wäre immer viel lächerlicher als alles, was man sich ausdenken könnte. Ich glaube, dass stimmt weitgehend», hat sich der Autor geäußert. Und als Beispiel nennt er den letzten Wunsch eines Todeskandidaten in Texas, der vor der Hinrichtung noch eine Zigarette rauchen wollte, was ihm «mit dem Hinweis, dass Rauchen schlecht für seine Gesundheit sei», aber verweigert wurde. In diesem Lichte besehen erscheinen die satirischen Überspitzungen des Romans literarisch ebenso angemessen wie der vulgäre, auf Dauer abstoßende Jugend-Slang, in dem der pubertierende Romanheld erzählt. In der Übersetzung ist es weitgehend gelungen, die vielen Wortspiele in ihrem Aberwitz zu erhalten, was nicht wenig beiträgt zum Amüsement des Lesers, wenn er denn eine Antenne dafür hat. Oft versteckt sich in dem unflätigen Primitiv-Jargon des jugendlichen Ich-Erzählers aber auch eine tiefe Ratlosigkeit: «Ich hab wirklich versucht, das Leben zu kapieren, manchmal kam es mir sogar großartig vor. Doch damit hat sich’s jetzt erstmal, nach allem was passiert ist. Ich meine, was soll das denn für ein Scheißleben sein?»

Grenzenlose Medienmacht, ausufernder Konsumterror und schreiende Ungerechtigkeit sind die Reiz-Themen, die der Autor in seiner temporeich erzählten Geschichte vehement anprangert, ein offensichtlich in die Irre führender American Way of Life. Und Satire ist sicherlich auch die wirksamste Form, sich mit seiner flammenden Anklage einer breiteren Leserschaft verständlich zu machen, Vernunft im Sinne von Kant ist dafür nun mal nicht geeignet. Auch wenn hier auf amüsante Weise der Finger in die Wunde gelegt wird, ist dieser Roman eine von der Sprache her verstörende, auf Dauer nervige Lektüre.

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Aufbau Berlin

Love and Fortune 1

Liebe mit Altersunterschied

Die 31-jährige Wako macht sich keine Illusionen mehr vom Leben. Sie hat sich in einer Zone der ständigen Kompromisse eingerichtet und alle Träume abgetötet. Sie lebt mit einem Mann zusammen, den sie nicht liebt und der sie nicht zu schätzen weiß. “Weil man es so macht”, redet sie sich ein, diesen Mann bald heiraten und Kinder in die Welt setzen zu müssen. Überhaupt macht sie vieles nur noch, weil es von ihr erwartet wird. Einzig ihr Job macht ihr Spaß: Sie arbeitet in einem Kino, weil sie Filme liebt. Aber auch den will ihr Freund ihr nehmen, weil er  mehr Geld von ihr erwartet. Eines Tages kommt ein 15-jähriger Schüler in das Kino. Wako fällt er gleich ins Auge, weil sie sich genau so ihren Traumprinzen vorgestellt hat. Glück für Wako: Yumeaki verliert seinen Schülerausweis. Mit dessen Hilfe und ein paar anderen unauffälligen, aber mutigen Aktionen nähert sich Wako ihrem Traumprinzen an. Dieser ist auf schüchterne Art ebenfalls von ihr begeistert. So beginnen Wako und Yumeaki eine Affäre. Allerdings lassen die Schwierigkeiten nicht lange auf sich warten.

Ältere Frau – jüngerer Mann

Der erste Band erzählt die Annäherung zwischen zwei Menschen mit großem Altersunterschied. Dabei baut er im genau richtigen Tempo sowohl die Beziehung als auch die Spannung auf. Erstaunt ist man als Leser*in darüber, dass die unauffällige, ruhige Wako auf einmal Initiative zeigt und schrittweise versucht, ihren Traummann für sich zu gewinnen. Dabei ist sie schließlich gar nicht mehr so schüchtern, sondern nimmt im wahrsten Sinne des Wortes die Dinge selbst in die Hand. Allerdings – und das ist auffällig – macht sie sich wenig Gedanken um die Konsequenzen ihres Handelns, v.a. um die rechtlichen, denn Yumeaki ist minderjährig.

Ansonsten spricht dieser Manga aber ein Thema an, das normalerweise zu den Tabu-Themen gehört: Eine deutlich ältere Frau datet einen deutlich jüngeren Mann. Das wird in der Gesellschaft viel schärfer verurteilt und ins Lächerliche gezogen als der umgekehrte Fall des deutlich älteren Mannes, der eine junge Frau als Freundin hat. Die Frau muss sich Vorwürfe gefallen lassen, dass sie Nestraub betreibt, dass der Mann vom Alter her ihr Sohn sein könnte, dass sie kein Recht dazu hat, dass das unnatürlich ist usw. Der jüngere Mann muss sich Bezeichnungen wie “Mutterkomplex” oder “Toyboy” gefallen lassen. Dabei hat man herausgefunden, dass die Paarung ältere Frau und jüngerer Mann zumindest sexuell gut zusammenpasst: Die Libido wächst bei der Frau mit den Jahren, beim Mann dagegen lässt sie nach. Eigentlich beobachtet man auch hier, was allenthalben zu beobachtne ist: Die Frau darf aufgrund der immer noch präsenten einschränkenden Rollenklischees weniger als der Mann. Deshalb wird eine Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann schärfer verurteilt als die umgekehrte Paarung. Dass der Manga die Beziehungskonstellation anspricht, ist also ein weiterer wichtiger Schritt zum Umdenken und mehr Gleichberechtigung in der Geselllschaft.

Der Manga ist wegen der – wenn auch nicht unbedingt sehr explizit dargestellten – sexuellen Szenen (da gibt es gerade in erotischen Mangas deutlich voyeuristischere!) erst ab 16 Jahren erhältlich.

Fazit

Der Manga spricht das Thema des großen Altersunterschiedes einer Beziehung an, und zwar das der immer noch scharf verurteilten Beziehung zwischen einer älteren Frau und eines jüngeren Mannes. Das Sichtbarmachen eines solchen Themas auch in diesem Genre hilft, Vorurteile abzubauen und mehr Gleichberechtigung zuzulassen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Lob der schlechten Laune

Lob der schlechten Laune. Strudlbrug, Griesgram, Brummbär,  Stinkstiefel, Grumpy Old Men, Grantscherm, Nieselprim, Schnoferlzieher, Meckerer, Misanthrop, Gewitter-Ritter, Motzkuh, Trotzkopf, Murrkopf, Malediktologe, Isegrim, … wer sich von diesen Ausdrücken angesprochen fühlt, sollte weiterlesen. Aber es geht in Gerks Sachbuch nicht um Sigmar Polkes großes Schimpftuch, das im MoMA in New York hängt, sondern um eine weit verbreitete, besonders im deutschsprachigen Süden anzutreffende Gemütshaltung, die euphemistisch auch als Parrhesia bezeichnet wird, besser bekannt als schlechte Laune, Mieselsucht, Misophonie, Melancholie, Nostalgie, Ärger, Wut, Unmut, Groll, Verdruss, Mißmut, Lebensüberdruss, Dysthymie, Acedia, Schwermut, Geseiere… Oder auch als Verben: herummosern, motschgern, nörgeln, fuxen, sudern, raunzen, meckern, mürrisch, mieselsüchtig, … . Kennen Sie das?

„Grant-Country Österreich“

Mut zur schlechten Laune könnte man diesen amüsanten Diskussionsbeitrag von der Sachbuchautorin Andrea Gerk auch nennen, denn wer sich gegen Zwangsoptimierung und Jugendwahn, die „Diktatur der Positivität“ nicht mehr zu wehren weiß, findet hier, in vorliegendem Kompendium, Trost und Zuspruch. Tatsächlich liegt in der sog. „schlechten Laune“ nämlich sehr viel kreatives Potential und das ist inzwischen sogar wissenschaftlich erwiesen, wie uns die Autorin an glaubwürdig darlegt. Ganz abgesehen vom Unterhaltungswert der Mieselsucht natürlich. Nehmen wir etwa den Wiener Grant, den der Autor Thomas Grasberger in seinem gleichnamigen Buch als Blues des Südens adelte. Gerk belegt durch zahlreiche Zitate österreichischer Autoren, dass der Grant besonders hier in seiner besten Manier ausgelegt wird. Wer über diese Art von Humor – zu unterscheiden vom Wiener Charme – nicht herzhaft lachen kann, der hat eigentlich nicht wirklich gute Laune, sondern ist auch nur ein Modelächler und Kostverächter. Aber natürlich lässt Gerk auch deutsche Kolleginnen und Kollegen wie etwa Ludwig van Beethoven (der hat allerdings auch in Wien gelebt!) zu Wort kommen und nicht zuletzt auch internationale wie etwa den Obergrantler Lou Rabinowitz aka Reed oder Dagobert Duck. Wer sich selbst ebenfalls dazu zählt, befindet sich also in bester Gesellschaft.

Launisch wie Luna: Lob und Tadel

Auch für die Gesellschaft erfüllen die hier angesprochenen Herrschaften (Grantler sind hauptsächlich Männer) eine wichtige, kathartische Funktion wie einst der Hofnarr. Im Vergleich mit den brummigen Figuren aus Literatur, Film oder Theater schneidet man selbst ja zumeist besser ab und bekommt dafür eine narzisstische Belohnung, der Glaube, besser zu sein. Die Grantler in Film und Fernsehen haben also eine Sündenbockfunktion und das führt mitunter zu kathartischen Effekten bei den Betrachtern. Nach dem Motto: „So sind wir nicht.“ Autor Wolf Haas, der seinen Ermittler Simon Brenner so manche Wuchtl schieben lässt, bezeichnet Österreich etwa eindeutig als Bewältigungskultur, wenn es um die Lebenshaltung an sich geht: „Es gibt zwei. Die eine versucht, das, was man schlecht findet, zu verändern; die andere versucht (es) zu bewältigen“. Dabei liegen launisch und launig sprachlich gar nicht so weit auseinander: sie stammen beide vom lateinischen Wort für Mond, luna, ab und haben doch eine ganz unterschiedliche Bedeutung.

Wissenschaftlich erwiesen: schlechte Laune ist gesund

Einige Wissenschaftler drücken die schlechte Laune auch als „mood repair“ aus. Wir brauchen diese negative Emotion, um „auf Nummer sicher zu gehen“. Denn wer sich so gegen die Herausforderungen der Zeit wappnet, ist allemal besser vorbereitet. Sollte einmal etwas schief gehen… Wissenschaftliche Experimente, die Gerk zitiert, haben ergeben, dass negative Gefühle die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, das Erinnerungsvermögen und die Aufmerksamkeit für Herausforderungen verbessern. Da wo Wut und Ärger offen geäußert werden dürften, könnten Kreativteams besser zusammenarbeiten. Diese Emotionen zeigen schnell und unaufwendig, dass etwas nicht stimmt, erhöhen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, fördern die Tendenz, den Dingen auf den Grund zu gehen, formuliert die Autorin treffend. Und vielleicht ist Kommissar Maigret und andere seiner Kolleg:innen deswegen immer so miesepetrig? „Der geistreiche Grantler ist in der Regel eher kein Machtmensch, sondern ein ‚Partisan des Alltags’“, schreibt Gerk und führt viele weitere Beispiele prominenter Grantler an, darunter Franz Liszt, ein Vorläufer Pete Townshends und Gustav Metzgers A.D.A beim Instrumente oder Kunstwerke zertrümmern, Christine Rösinger (Lassie Singers, Britta), Georg Kreisler, u.v.a.m.

Nicht zuletzt sollte man noch vielleicht noch erwähnen, dass wer seinen Ärger unterdrückt, mit einer erhöhten Herzfrequenz resp. Blutdruck zu rechnen hat. Denn vorgetäuschtes Lächeln ist nicht nur anstrengend, sondern kann auf Dauer richtig krank machen. Sich also ab und zu zu erleichtern, kann durchaus das Leben verlängern. Auch Lächeln ist in Wirklichkeit nämlich eine sehr ernst Angelegenheit.

Kurzum: Pessimisten haben mehr vom Leben! Auch wenn dieses Buch ihr schlechte Laune merklich bessern wird…

 

Andrea Gerk

Lob der schlechten Laune
Sachbuch
2021, Hardcover, Format: 12,5 x 2,1 cm , 304 Seiten
ISBN: 978-3-0369-5770-8

Kein und Aber Verlag
24,70 EUR


Genre: Gesellschaft, Literatur, Ratgeber, Sachbuch
Illustrated by Kein & Aber Zürich

Stoner

„Ein großartiger Roman über das Durchschnittsleben eines Mannes“ resümiert Schauspieler Elyas M’Barek nach der Lektüre von John Williams Roman „Stoner“. Nicht dass M’Barek als der grösste Kenner und kompetenteste Literaturkritiker der Szene gilt, aber dieses Zitat bringt das Werk erstaunlich treffend auf den Punkt. Dieser Bewertung kann man sich – so viel vorweg – getrost anschliessen. Aber eine wichtige Frage bleibt unbeantwortet. Doch dazu gleich. Weiterlesen


Genre: Belletristik, Gesellschaftsroman
Illustrated by dtv München

Die linke Hand der Dunkelheit

Androgynität

Der Terraner Genly Ai hat eine besondere Aufgabe: Er soll neue bewohnte Planeten für die Ökumene, ein Weltenkollektiv, erkunden und bestenfalls für eine Erschließung vorbereiten. Um die Bewohner nicht in Alarmzustand zu versetzen, schickt das Team immer nur einen Menschen zur Erforschung auf den Planeten. Die anderen Teammitglieder verbringen die Zeit in einem künstlichen Schlaf, bis Leute wie Genly für sie Entwarnung geben. Seine Arbeit ist gefährlich, denn nicht alle Regierungen sind offen dafür, einem neuen und viel größeren System angegliedert zu werden.

So geschieht es auch mit Winter, einem Planeten, dessen Name Programm ist: Die eisigen Temperaturen auf dieser Welt erschweren Leben. Aber die Menschen dort haben sich angepasst. Eine dickere Fettschicht und eine kleinere Statur bieten weniger Angriffsfläche für Kälte. Das ist aber nicht das einzig Besondere an diesem Menschenschlag. Das, was die Menschen von Winter von allen anderen unterscheidet, ist ihr Geschlecht – sie sind Neutren. Nur einmal im Monat, in der sogenannten Kemmer, bilden sie ein Geschlecht aus. Das ist je nach Situation entweder männlich oder weiblich. Den Rest des Monats haben sie keinelrei Geschlechtsmerkmale und empfinden keine sexuellen Gefühle. Menschen, die dauerhaft ein Geschlecht ausgebildet haben, sind eher selten und gelten als pervers. Damit und mit seiner außerirdischen Herkunft hat Genly den Status eines Sonderlings, und die Herrscher*innen wissen nicht so recht, wie sie mit ihm verfahren sollen. Estraven, Berater*in der König*in des Köngreichs Karhide, will dem Außsenseiter helfen, weckt aber durch undurchsichtiges Verhalten Genlys Misstrauen. Schließlich wird Estraven verbannt und Genly muss ebenfalls um sein Leben fürchten. Er flieht aus Karhide und landet im technisch hoch entwickelten Nachbarland Orgoreyn, das extrem bürokratisch organisiert und als Überwachungsstaat aufgebaut ist. Trotz anfänglicher Sympathie wird Genly schließlich in ein Arbeitslager gesteckt, in dem er sterben soll. Man befürchtet, dass das System durch Genlys Existenz ausgehebelt werden könnte. Ausgerechnet Estraven rettet ihn und beide wagen eine lebensgefährliche Wanderung über das ewige Eis. Sie wollen eine Funkstation erreichen, von der aus Genly sein Raumschiff kontaktieren kann.

Wie benennt man Neutren? Gendergerechte Sprache

Der o.g. Roman erschien erstmals 1969 und gehört zum Hainish-Zyklus der Autorin. Die Hainish waren die ursprünglichen Menschen, die z.T. genetische Experimente auf verschiedenen Welten betrieben haben. Im Roman vermutet Genly Ai, dass auch an den Menschen von Winter Experimente betrieben worden sind. Der Roman ist einer der ersten feministischen SF-Romane und wohl der bekannteste, der das Thema Androgynität behandelt. Er entfaltet sich für die Leser*innen sehr langsam. Vieles wird vorausgesetzt oder erst recht spät erklärt, sodass man erst einmal im Trüben fischt, v.a. wenn man die anderen Romane des Zyklus nicht kennt. Trotzdem schafft es die Autorin die Leser*innen bei der Stange zu halten, weil man die Fragen, die sich auftun, beantwortet haben will und sie schließlich auch beantwortet bekommt. Außerdem will man wissen, wie es mit Genly und Estraven weitergeht und ob die Welt doch noch der Ökumene beitritt.

Die Autorin entfaltet konsequent eine Welt der Neutren, die für permanent geschlechtliche Wesen nur schwer nachzuvollziehen ist. Das fängt schon mit der Benennung an: Genly Ai bleibt durchgehend bei der vermeintlich neutralen männlichen Form, weil es eine adäquate für ein Neutrum nicht gibt. Er gibt aber auch zu, dass diese männliche Benennung unzutreffend und verfälscht ist, denn durch die Benennung sieht man die Neutren irgendwann tatsächlich eher männlich. Damit ist Ursula K. Le Guin hochaktuell, denn die Diskussion, ob das vermeintlich neutrale männliche grammatische Geschlecht die Frauen, die Hermaphroditen usw. mit einschließt, besteht bis heute. Im Roman wird die Antwort gegeben: Die männliche Form ist männlich und beileibe nicht neutral (s. 132). Das empfinde ich ebenso

Mit der angeblich neutralen männlichen Form werden die Männer und Jungen herausgehoben und alle anderen unsichtbar gemacht. Ich fühle mich definitiv in der männlichen Form nicht miteingeschlossen und bin aufgelebt, als Theologe Lothar Beck in seinen Büchern durchgehend die weibliche Form als Hauptform verwendet hat. Oder wie geht es Ihnen, wenn Sie folgendes lesen: Mehrere Ärzte bemühen sich um das Leben eines Patienten, der lebensgefährlich erkrankt ist. Einer der Ärzte ist im siebten Monat schwanger, ein anderer hat gerade seine Periode. Der Patient leidet an Brustkrebs. Im Roman heißt es: “Der König war schwanger.” (s. 139) Das finden die Gethenianer aus anderen Gründen komisch als der männliche Genly Ai. Anderes Beispiel mit den Schwierigkeiten einer korrekten Benennung im Roman: “Meine Zimmerwirtin, ein überaus wortreicher Mann” (S. 71).

Um die gendergerechte Schreibweise, die vielen als umständlich und unnötig gilt, noch weiter zu untermauern: Manche Hermaphroditen sind froh für das Sternchen zwischen der männlichen und weiblichen Form, weil dieses Sternchen sie endlich sichtbar macht! Und noch ein Argument: Am Anfang stehen die Gedanken. Und aus Gedanken folgen oft Taten, sowohl positive als auch negative. Ändert man das Denken, besteht eine große Chance, Taten zu ändern. In der Schrift und im Gesprochenen werden Gedanken sichtbar gemacht. Natürlich liegt noch vieles im Argen, was die Emanzipation nicht nur der Frauen anbelangt und sollte angepackt werden. Dabei aber die Wichtigkeit des Geschriebenen und Gesprochenen zu bagatellisieren, halte ich für falsch. Der Roman konfrontiert die Leser*innen somit konsequent mit der nicht akuraten männlich gehaltenen Schriftsprache, die permanent das Gefühl einer Schieflage vermittelt, zumal die Neutren oft anders handeln als das Personen mit permanentem (und männlichem) Geschlecht gewohnt sind.

Herrschaftssysteme

Der Roman stellt unter der Voraussetzung der menschlichen Neutren zwei Herrschaftssysteme vor, die beide nicht funktionieren: Monarchie und Überwachungsstaat. Die Monarchie krankt unter der Unfähigkeit von Herrscher*innen und einer starren Tradition. Der Überwachungsstaat erinnert an frühere und heutige Diktaturen und deren Systeme. Orgoreyn überwacht seine Bevölkerung bis in die kleinsten Einheiten. Der Staat ist über alles und jede*n informiert. Dieser Überwachung entkommt niemand, denn sie ist bis ins Detail ausgetüftelt und organisiert. Passt man sich dem Staat und seinen Gepflogenheiten an, hat man keine Probleme. Tut man das nicht, gibt es die Arbeitslager, die missliebige Personen zur Zwangsarbeit heranziehen und dabei sterben lassen. Genly landet in einem dieser Lager. Die Kinder werden den Eltern schon früh weggenommen und wachsen unter staatlicher Kontrolle und Beeinflussung auf.

In Karhide regiert ein*e unzurechungsfähige*r König*in. Diese*r wird als verrückt betitelt. In den Startlöchern steht ein*e Nachfolger*in, die nur die eigenen Interessen im Kopf hat. Die starre Tradition mit ihrem komplizierten Ehrenkodex verhindert Entfaltung, Verbesserung und Individualität. Estraven hofft, mit der Eingliederung von Winter in die Ökumene eine Verbesserung der Lebensverhältnisse auf dem Planeten zu erreichen. Krieg gibt es auf Winter zwar nicht – das ist nach Genly Ai eher eine männliche Verhaltensweise – aber es gibt Folter, Blutrache, Mord, Fehden und andere unschöne Dinge.

Roman in Form von Berichten

Der Roman wird in der Ich-Form erzählt und wechselt zwischen den Berichten Genly Ais und Estravens Tagebucheintragungen ab. Bei Genlys Berichten sieht man nach und nach, dass die distanzierte Sichtweise schwindet und einer Sichtweise Platz macht, in der er sich mehr und mehr als Teil dieser Welt sieht. Das gipfelt darin, dass ihm seine eigenen Landsleute, die permanent weiblich oder männlich sind, fremd und unnatürlich vorkommen, als er sie wiedersieht. Das impliziert folgenden Gedanken: Der Mensch gewöhnt sich an alles – im Guten wie im Schlechten. Im Guten bedeutet das, dass Verbesserungen, die noch nicht als solche gesehen und bekämpft werden, irgendwann zur Gewohnheit und damit angenommen werden könnten.

Fazit

Tiefsinniger “Was wäre, wenn?”-SF-Roman von der Autorin von “Erdsee”, der sich der Frage widmet, wie eine Welt mit androgynen Menschen aussehen würde.


Genre: SciFi
Illustrated by Heyne München

Traumpfade

Wenn man sich mit den Klassikern der Reiseliteratur beschäftigt, landet man zwangsläufig früher oder später bei Bruce Chatwin, dem Autor der beiden Weltbestseller „Traumpfade“ und „Patagonien“.

Manche Leser weigern sich aus Prinzip, sich mit den Hintergründen eines Autors zu beschäftigen, um sich vom Werk selbst nicht ablenken zu lassen. Aber das Leben Chatwins ist durchaus bemerkenswert und schlägt sich zudem in seinen Büchern mit stark autobiografischer Note immer wieder nieder.

1940 in England geboren, hören sich die weiteren Meilensteine des Bruce Chatwin an, wie die Biografie eines Ernest Hemingway für Arme: permanente Ortswechsel während des Krieges, abgebrochene Studien in Architektur und Archäologie, Botenjunge bei Sotheby’s, dort aber nach vier Jahren Direktor der Abteilung für impressionistische Kunst, Anstellung bei der Sunday Times, zuerst als Kunstberater, dann als Reisejournalist (eine Position zu der er sich selbst ernannte, indem vor einer Sudan-Reise einfach ein Telegramm zur Info an die Redaktion schickte).

1983 und 1984 unternahm Chatwin zwei Reisen in das Innere Australiens, die als Grundlage des Romans „Traumpfade“ dienten, der in weiten Teilen faktisch eine modifizierte Reportage in Ich-Form ist.

Über etwa zwei Drittel des Buches schildert Chatwin das Leben und die Situation der Aborigines in der Zeit seiner Reise. Dieser Teil macht sicherlich den Ruhm des Bruce Chatwin aus, da er ein ganz hervorragendes Stimmungsbild erschafft – wer schon einmal in Australien und vor allem im Outback war, wird dies umgehend bestätigen. Der Leser sieht sofort die Kulisse mit der roten Erde, der ausgetrockneten Landschaft und den träge vor ihren Hütten und blechernen Wohnmobilen im dürftigen Schatten vor sich hindösenden Ureinwohnern. Dazu verwendet er keine farbintensiven Adjektive oder blumige Attribute, sondern er ist eher der Graphiker, der mit wenigen Kohle-Strichen treffsichere Skizzen erstellt.

In dieses Bühnenbild baut Chatwin das zentrale Thema ein – die Gründungs- und Abstammungsmythen der Aborigines, die er aus der Urbevölkerung trotz deren Verschlossenheit und Wortkargheit herauslocken und erfahren konnte, nicht zuletzt durch seine eigene Ruhe, Introvertiertheit und durch Verzicht auf bedrängende Invasivität. Einfach durch Geduld, Abwarten, Einfühlen und anscheinend unendlich viel Zeit.

Die Schöpfungsgeschichte der australischen Aborigines ist eine totemistische. In ihrer Genesis erschufen sich die Ahnen selbst aus Lehm und begannen durch das Land zu wandern. Ihren Weg erschufen sie sich durch Töne. Indem sie sangen und dadurch Schritt für Schritt und Ton bei Ton Dinge am Weg benannten, entstand ihre Welt und gleichzeitig eine Landkarte, die für jeden Clan über Jahrtausende spezifisch war und ihre eigene Identifikation erschuf. Dabei waren sie immer Teil der gesamten Natur um sie herum und diese wiederum Teil ihrer Familie, ihres Clans. Ein „Ding“ diente aber immer als Leitmarker, als Spezifikum. Das konnte ein Stein, eine Pflanze oder ein Tier sein, wie zum Beispiel das Wallaby beim Wallaby-Clan.

Diese Traumpfade oder besser „Songlines“ sind auch heute noch fester Bestandteil der Aborigines-Kultur. Und zudem Gegenstand anhaltender Dispute zwischen der australischen Regierung und der Urbevölkerung, da die Administration sich die längste Zeit weigerte, bei ihren Bau- und Umsiedelungsplänen auf die Songlines in irgendeiner Form (wie auch auf so vieles andere) Rücksicht zu nehmen. Sehr gut sind auch die Passagen in diesen ersten beiden Teilen des Buches, in den Chatwin die Parallelen zur Genesis anderer, auch westlicher Kulturen aufzeigt.

Das letzte Drittel des Romans besteht fast ausschließlich aus kurzen Notizen, Zitaten und Beobachtungen, was das Lesen eher schwierig, manchmal sogar fast unverständlich macht, da die Botschaften mitunter eher kryptisch sind. Durchgehend erkennbar ist einzig das Bekenntnis Charwins zum Nomadentum, das er als seine einzig akzeptable Lebensform definiert und bei sich auch fast schon genetisch verankert sieht, da mindestens die Hälfte der Männer in seiner Familie „horizontsüchtige Wanderer“ waren, „deren Gebeine in allen Winkeln der Welt verstreut“ liegen. Diese „Unruhe der Seele“ trieb ihn sein restliches Leben an, welches sicher extrem intensiv, aber durch den Tod an AIDS mit 49 Jahren genauso sicher viel zu kurz war.

Gerne werden Bücher über die Kulturen von Ureinwohnern zu flammenden Plädoyers für deren Interessen hochstilisiert. Manche versuchen dies auch bei Chatwins Buch Traumpfade. Wenn man jedoch seine Biographie vor Augen hat und den Tenor des Buches auf sich wirken lässt, spürt man, dass dies Mitte der 80er Jahre nur ein partielles Anliegen des Autors war. Ganz in Hemingway´scher Tradition schimmert da eher ganz oft der Reisereporter und Abenteurer durch, der in seiner ganz eigenen Gelassenheit und Wahrnehmung vor allem einem frönt – dem Entdecken neuer Kulturen durch ein bekennendes Nomaden-Leben. Aber das muss ja auch nicht schlecht sein.


Genre: Gegenwartsliteratur, Reisen
Illustrated by Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main

Belle und das Biest im verlorenen Paradies 1

Was ist schön, was ist hässlich?

Belles Äußeres ist ungewöhnlich: Sie hat blasslila Haare, die sie weder von ihrem Vater noch von ihrer Mutter geerbt hat. Deshalb muss sie um die Liebe ihres Vaters kämpfen, der sie nicht akzeptieren will. Einzig ihrer Mutter ist das Mädchen wichtig. Aber diese wird ihr von einer Bestie genommen, als sie Belle davon abhalten will, in den verbotenen Wald zu gehen. Der Vater verzeiht ihr den Verlust der Mutter nicht und sperrt sie ein. Aber Belle beschließt eines Tages, ihre Mutter zu suchen und geht erneut in den verbotenen Wald. Dort begegnet sie nicht nur einer sondern zwei Bestien. Nachdem die eine Bestie sie vor der anderen gerettet hat, nimmt sie Belle mit auf ihr Schloss. Auch dort lauern Gefahren auf Belle, aber sie merkt, dass die Bestie, obwohl arrogant und vorlaut, ihr bisher immer geholfen hat. Außerdem ist das Biest die einzige Spur zu ihrer Mutter. Belle beschließt, dort zu bleiben, um mehr über ihre Mutter herauszufinden.

Der erste Band lässt sich den Genres Horror, Fantasy und Märchen zuordnen. Letzteres wegen Anklängen an “Die Schöne und das Biest”, “Rotkäppchen” und “Blaubart”. Die Geschichte ist sehr gewaltlastig und hebt auch den psychischen Schmerz hervor, den diese Gewalt verursacht. Aber sie geht auch auf den Schmerz ein, der entsteht, wenn Menschen nicht so geachtet werden, wie sie sind. Belle wird von ihrem Vater ständig als “hässlich” bezeichnet, und er scheut auch nicht davor zurück, sie ermorden zu wollen. Das Biest dagegen sieht sie als schöne Frau. Belle erkennt, dass das Äußere des Biestes nicht unbedingt das Innere widerspiegelt. Genauso verhält es sich mit süßen Wesen, die sich als mordlustig entpuppen. Auch der Vater, der als ganz normal gilt, verhält sich entgegen seines Äußeren hässlich. Einzig bei der Mutter spiegelt die äußere Schönheit die innere wider. Die Autorin spielt also mit den Bedeutungen von schön und hässlich und regt damit zum Nachdenken an.

Außerdem ergibt sich Belle nicht dauerhaft in das Schicksal, eine passive Frau zu sein, Erwartungen zu erfüllen und die Anfeindungen ihrer Umgebung zu ertragen. Dazu wird sie auch von dem Biest, wenn auch in wenig freundlicher Weise, ermuntert. Sie beweist Charakterstärke und eigenen Willen, obwohl (oder vielleicht gerade deswegen) sie auch mit Ängsten und Zweifeln kämpft.

Das Motiv des gefährlichen Waldes kommt in Märchen öfter vor. In diesem Manga wird es verbunden mit dem (blut-)roten Mantel von Rotkäppchen und dem bösen Biest (Tier). Das Ermorden der Frauen und die weibliche Neugier sind Motive aus “Blaubart”.

Das Psycholgische der Figuren herauszuarbeiten ist typisch für Shojo-Manga (Manga für Mädchen). Aber Karoi Yuki begnügt sich nicht damit, sie verbindet verschiedene Thematiken mit dieser und interpretiert sie neu. Dabei nimmt sie gern auch problemarische Themen wie z.B. Inzest in “Angel Sanctuary”. Die Verbindung mit Elementen des Horrors, der Fantasy und Mythen und Märchen sind ihre ebenfalls ureigenen Themen, z.B. in den o.g. Manga und in “Alice in Murderland”.

Fazit

Manga mit Horror-, Märchen- und Fantasyelementen, der mit den Begriffen “schön” und “hässlich” spielt und damit zum Nachdenken anregt.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Das Familientreffen

Wasserzeichen des Versagens

Mit ihrem Roman «Das Familientreffen» hat die irische Schriftstellerin Anne Enright den Booker Prize 2007 gewonnen. Er sei ein «starkes, unbequemes und zuweilen sogar wütendes Buch», hat die Jury ihre Wahl begründet. Die auch als ‹Poet laureate› vom irischen Staat geehrte Autorin hat sich damit außerdem den Ruf erarbeitet, es im Aufspüren psychischer Familien-Abgründe zu wahrer Meisterschaft gebracht zu haben. Vor allem aber hat sie als Tabu-Brecherin den katholisch geprägten Mythos von der Familie als unantastbarer Institution gehörig ins Wanken gebracht.

«Ich möchte niederschreiben, was im Haus meiner Großmutter geschah in dem Sommer, als ich acht oder neun war. Aber ob es wirklich geschehen ist?», beginnt diese brutal desillusionierende Familiensaga. Liam, der Lieblingsbruder von Veronica, hat sich überraschend das Leben genommen, und die zutiefst verstörte, glücklich verheiratete Frau und Mutter zweier Kinder kümmert sich nun, drei Jahrzehnte später, als eines seiner acht noch lebenden Geschwister um die Beerdigung. In die Trauer der hart getroffenen 39Jährigen mischt sich auch der Zorn, und besonders die Frage nach dem Warum wird zum alles beherrschenden Thema für sie. Emotional aufgewühlt beginnt sie eine Aufarbeitung seines Lebens und eine Spurensuche nach den äußeren Vorbedingungen, die zum Suizid geführt haben könnten. Damit wird dann natürlich auch die gesamte Familie mit einbezogen in ihre ebenso rastlose wie penible Ursachen-Forschung, und ihr eigenes Selbstverständnis gerät nun ebenfalls gehörig ins Wanken. Ein solcher Stoff birgt natürlich immer die Gefahr in sich, ins Sentimentale, Rührselige abzugleiten. Dem steht hier allerdings der Furor wirkungsvoll entgegen, mit dem die genervte Heldin ihre verzweifelte Suche betreibt. Die reicht bis in die Jugend der Mutter zurück, die als Neunzehnjährige nicht nur der Liebe ihres Lebens begegnet ist, sondern gleichzeitig auch dessen bestem Freund, ihrem künftigen Ehemann und Vater ihrer zwölf Kinder. Deren Namen hat sie später tatsächlich öfter mal durcheinander gebracht.

Mit Veronica hat die Autorin ihrer Heldin beziehungsreich den Namen jener Heiligen gegeben, die Jesus am Kalvarienberg hilfreich ihr Tuch gereicht hat, die sie hier nun ähnlich unerschrocken und selbstlos auftreten lässt. Als Liam aufgefunden wurde, waren seine Hosentaschen mit Steinen beschwert, er hatte eine fluoreszierende Jacke an und trug keine Unterhose. Das wird im Roman dahingehend gedeutet, dass er zwar unbedingt sterben, aber dann auch gefunden werden wollte, und zwar körperlich rein. Der endlose Bewusstseinsstrom der Heldin und Ich-Erzählerin streift emotional gesteuert in fragmentarischen Szenen durch ein ereignisreiches Familienleben, dabei jeden Stein umdrehend, der am Wegesrand liegt und die gesuchten Aufschlüsse geben könnte. Dieser thematische Detailreichtum und die authentisch wirkenden Reflexionen Veronicas bewirken, dass man die Geschichte emotional gut nachvollziehen kann.

Es dauert dann mehr als die Hälfte des Buches, ehe die Heldin in ihren bruchstückhaften, vagen Erinnerungen die Ursache gefunden zu haben glaubt, warum Liam den Freitod gesucht hat. Lange vorher schon hat man den Eindruck, dass es darum eigentlich gar nicht mehr geht in diesem Roman. Erzählt wird lakonisch, in einer derben Diktion und aus wechselnden Perspektiven, wobei mit der Zeit der illusionslos, rein körperlich dargestellte Sex denn doch recht nervig wird, weil er so penetrant, aber wohl leider auch verkaufsfördernd, das ansonsten breitgefächerte Tableau der Themen beherrscht. Andererseits finden sich gelungene Metaphern, so wenn zum Beispiel Veronicas Mann geschildert wird, «wie er dem Wasserzeichen des Versagens nachspürt, das sich durch sein Lebensbuch hindurch zieht». Es ist dieser gnadenlose Hass, diese Wut, die den gesamten Roman dominiert und ihn in seiner resignativen Haltung zu einer bedrückenden Lektüre macht, in der niemals Hoffung aufschimmert.

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by btb München

Festbankett Asterix – Das offizielle Kochbuch

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Die Welt des Asterix geht durch den Magen

Das vorliegende, übersichtlich gestaltete Kochbuch greift laut Autor die in den Asterix-Bänden angesprochenen Gerichte auf und verarbeitet diese als Rezepte zum Nachkochen. Dabei teilt der Autor die Rezepte in verschiedene Regionen ein: Die gallischen Gerichte, Die Speisen der Nachbarvölker, Rezepte aus Rom, Spezialitäten aus fernen Ländern. Unterfüttert wird das Ganze mit einem verständlichen, über das Buch verteilten Küchenglossar und einem Kräuterlexikon des Miraculix, das einem Herbarium ähnelt. Die Bebilderung der Rezepte ist großzügig, mit z.T. doppelseitigen Fotos der appetitlich aussehenden Gerichte. Das Register hilft beim Auffinden des jeweiligen Rezepts.

Allerdings sind die meisten Rezepte eher nichts für die schlanke Linie und sehr fleischlastig (auch einige Fischgerichte sind dabei), also nur in Teilen etwas für Vegetarier*innen. Das Augenmerk liegt auf Hauptgerichten und Süßspeisen. Die Gerichte sind in 3 Schwierigkeitsgrade unterteilt, wobei es viele einfach zuzubereitende Speisen gibt, die sich tatsächlich bzgl. der Zutatenliste und des Zeitaufwandes in Grenzen halten.

Aber die Zutatenliste hat einen Pferdefuß: Viele Zutaten sind speziell. Ich habe z.B. keine Toulouser Bratwurst zuhause oder Brocciu, Rindernierenfett, Kastanienhonig, Verbene, Austern, ein ganzes Spanferkel. Ad hoc im Supermarkt zu finden und günstig sind sie auch nicht. Ich bin als Kompromiss dazu übergegangen, die Gerichte als Anregung zu betrachten und das holen, was ich mir leisten kann und was ohne viel Zeitaufwand aufzufinden und zuzubereiten ist.

Außerdem speisten die Legionäre entschieden nicht so feudal wie die entsprechenden Rezepte vermuten lassen: Ein Meeresfrüchtesoufflé wie auf S. 88 wird es wohl schwerlich gegeben haben. Im Gegenteil: Im Band “Asterix als Legionär” beschweren sie sich bitterlich über das schlechte Essen. Das Kochbuch versucht diesen Zwiespalt etwas abzudämpfen, indem es meint, dass Rezepte solcherart bestimmt die Legionäre motiviert hätten. Überhaupt fallen die Rezepte oft durch Exklusivität auf, was mit den sehr einfachen Gerichten in den Comics wenig zu tun hat. Der Autor wollte wohl sicherstellen, dass die heutigen Leser*innen genussvoll speisen.

Schön sind die kleinen Einleitungen zu den Rezepten, die Erklärungen zum Gericht in Verbindung zu den Comics enthalten. Infos, was man braucht und wie lange man braucht, gibt es ebenfalls.

Fazit

Hübsches, übersichtliches und informatives Kochbuch, das sehr fleischlastig und herzhaft ist, aber viele Zutaten enthält, die nicht so einfach zu beschaffen sind. Allerdings gibt es auch viele einfach zuzubereitende Gerichte mit gängigen Zutaten. Schmackhaft sind sie auch. Also: Haut rein!


Genre: Kochbuch
Illustrated by Egmont Comic Collection

Die See

Der Weg ist das Ziel

Der größte Erfolg für den irischen Schriftsteller John Banville war 2005 die Verleihung des britischen ‹Booker Prize› für den Roman «Die See». Er sei, so die Begründung der Jury, «eine meisterliche Studie der Trauer, der Erinnerung und der Liebe». Damit ist er typisch für die Kunst des Autors, Geschichten über elementare Lebens-Erfahrungen zu erzählen, denen er dann im Stil des unzuverlässigen Erzählers immer wieder den Boden der Realität entzieht. So auch hier, wobei dieser Roman im Feuilleton seinerzeit durchaus kontrovers besprochen wurde. In einer Reihe mit den Großen der irischen Literatur wird John Banville schon lange in Fachkreisen als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt.

Ich-Erzähler ist der Kunsthistoriker Max, dessen Frau Anna an Krebs gestorben ist. Um endlich seine Trauer zu verarbeiten, reist er ein Jahr später an den Badeort, wo er als Schüler regelmäßig die Sommerferien verbracht hat. Dort wird er von vielen Erinnerungen überwältigt, über die er nun als in die Jahre gekommener, desillusionierter Mann berichtet, zu deren positivster insbesondere auch seine damals erwachende sexuelle Neugier gehört. Dabei verleiht die raue irische See als erzählerischer Hintergrund dem Geschehen eine düstere, schwermütige Grundierung. Der zehnjährige Max freundet sich mit einem etwa gleichaltrigen Zwillingspaar aus der Nachbarschaft an, mit der quirligen Cloe und dem rätselhaften Myles, die geradezu symbiotisch aneinander hängen. Die zunächst von deren Mutter ausgelösten, erotischen Phantasien wenden sich bald schon Cloe zu, die ihn mit dem ersten Kuss beglückt. Als beide später bei weiteren Intimitäten überrascht werden, kommt es zu einer tragischen Reaktion. In einer zweiten Handlungsebene berichtet Max von seiner glücklichen Ehe mit Anna. Deren reicher Vater hat ihr eine üppige Erbschaft hinterlassen, die ihm ein sorgenfreies Leben als Privatgelehrter ermöglicht. Die Art und Weise, wie der Autor von dem einjährigen Sterbeprozess Annas erzählt, mit dem sein Protagonist sehr brutal konfrontiert ist, zeugt von seinem tiefgehenden psychologischen Einfühlungs-Vermögen.

In diesem monologartig angelegten Roman geht John Banville den großen Fragen der Menschheit nach, zu denen vor allem ja der Tod gehört, der für ihn «immer überflüssig und unmotiviert» bleibt. Und ergänzend heißt es dazu: «Die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode oder einer Gottheit, welche die Fähigkeit besitzt, ein solches zu gewähren, ziehe ich nicht in Betracht». In vielerlei Erinnerungen und Reflexionen verliert sein Held zunehmend den Kontakt zur Realität. Immer neue Phantasien vermischen sich dabei, sind als Traum und Wirklichkeit für Max kaum mehr unterscheidbar, bis schließlich nur noch der Alkohol als letzte Zuflucht bleibt. Es ist die Vergänglichkeit, die der Autor hier, stilistisch weitgehend in Form des Bewusstseins-Stroms, an Hand von Verlust-Erfahrungen thematisiert. Im Interview hat er dazu erklärt: «Jeder, der über die Vergangenheit nachdenkt, merkt sehr schnell, dass diese auf einer traum-gleichen Ebene viel mehr Gewicht besitzt als die Gegenwart». Wobei für ihn die Erinnerung, trotz aller gedanklichen Schärfe, immer unzuverlässig bleibe, wie er ernüchtert festgestellt hat.

Der als Autor erkennbare, sich zuweilen an den Leser wendende John Banville bezieht in verschiedenen Anspielungen sehr intensiv Beispiele aus der Malerei in seine gedanklichen Exkurse und philosophischen Deutungen mit ein. Eine zielführende Methode, die man auch aus anderen seiner Romane kennt und die hier durch Rückgriffe auf die Mythologie noch ergänzt wird. Zu Recht wird er als großer Stilist gefeiert, dieser anspruchsvolle, geradezu elitäre Roman aber sei, wie der Guardian schrieb, «kaum für den Normalleser geeignet». Damit teilt er das Schicksal anderer, handlungsarmer Romane, die nicht von einem einprägsamen Plot leben, sondern von ihrer stilistischen Brillanz, immer frei nach der berühmten Erkenntnis von Konfuzius: «Der Weg ist das Ziel»!

Fazit: erstklassig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Blue Giant 1

Blue Giant Band 1 (Deutsche Ausgabe) Carlsen MangaVon den Schwierigkeiten, ein Künstler zu sein

Schüler Dai Miyamoto spielt mit Begeisterung Basketball, gehört in dieser Sportart aber nicht zu den Besten. Eines Tages nimmt ihn ein Freund zu einem Jazz-Konzert mit. Dai kommt dieses Konzert vor wie eine Offenbarung. Seitdem hängt er sein Herz an sein Saxophon und seine täglichen Jazz-Sessions am Flussufer. Auch dort spielt er mit der für ihn typischen Leidenschaft, aber sein Spiel ist gewöhnungsbedürftig. Trotzdem bekommt er seine Chance, als er als Vertretung in einer Band Saxophon spielen soll. Dieses kleine Konzert aber endet in einer Katastrophe, denn sein Spiel kommt weder beim Publikum noch bei der Band gut an. Trotzdem gibt er nicht auf, denn er will der beste Jazz-Musiker der Welt werden.

… und dabei nicht aufzugeben

Der erste Band deutet die Schwierigkeiten an, denen Künstler*innen begegnen können, wenn sie ihren Weg gehen wollen. Dabei ist die Bilanz bei der Hauptfigur Dai durchwachsen: Innerhalb der Familie bekommt er v.a. von seinem Vater die volle Unterstützung (was oft bei anderen Künstler*innen fehlt und damit viel wert ist), außerhalb der Familie stößt er sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung. Was aber ganz wichtig ist und was das Ende des Bandes mit einer Art “zukünftigen Rückschau” zeigt: Man darf sich durch Ablehnung nicht unterkriegen lassen und muss hartnäckig dabei bleiben. Das hört man im “Real Life” z.B. auch oft von Sänger*innen, kürzlich erst wieder bei “Voice of Germany”. Dai lässt sich nicht unterkriegen, obwohl ihn die Ablehnung schmerzt. Damit hat er eine Vorbildfunktion nach dem Motto “Wenn ihr etwas macht, in dem euer Herz voll dabei ist, dann ist es das wert, weiter verfolgt zu werden”.

Der Manga ist ausdrucksstark und an den passenden Stellen dynamisch in seiner Darstellung. Die Figuren sind nicht magatypisch nach Kindchenschema angefertigt, sondern vergleichsweise realistisch gezeichnet. Das macht einen entsprechenden realitätsnahen Eindruck und lässt die Leser*innen tiefer in die Geschichte eintauchen.

Empfohlen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Asterix und der Greif 

Asterix und der Greif. Das inzwischen fünfte gemeinsame Asterix-Album der Goscinny/Uderzo Nachfolger. Dieses mal verschlägt es die Gallier nach Barbaricum, weit im wilden Osten, eine fiktiv barbarische Landschaft in Osteuropa, deren BewohnerInnen ebenso stolz und eigensinnig sind, wie unsere Helden aus Armoricum, die einem gallischen Dorf leben, das von den vier Römerlagern Aquarium, Babaorum, Laudanum und Kleinbonum belagert wird.

Im Land der Sarmaten

Zu Beginn des neuen Abenteuers kommt Julius Cäsar selbst zu Wort, der in seinem “De Bello Gallico” von Einhörnern in Germanien geschrieben hatte. Auch damals war sein Berater, Sarmatin, der einem bekannten zeitgenössischen französischen Schriftsteller übrigens ziemlich ähnlich sieht. Dieser Sarmatin soll nun eine Expedition anführen, die Cäsar den Greifen bringt. Das einzige Zeugnis der Existenz dieses Wesens befindet sich auf einem bemalten Tonkrug, den Sarmatin vorsichtshalber auf der ganzen Expedition mit sich führt, sicher ist sicher. An der Spitze der Expedition steht Zenturio Bruderkuss, der Geograf Globulus und der berühmte Venator Ausdimaus (sic), ein auf Tierkämpfe spezialisierter Gladiator mit einem etwas beschränkten Horizont. Mit sich führen sie die gutaussehende blonde Hündin Kalaschnikowa, ihre Gefangene, die sie durch die Landschaft zu ihrer Sippe führen soll. Natürlich hat sie das nicht vor. Gleichzeitig sind aber auch unsere beliebten Gallier, Asterix, Obelix, Miraculix und Idefix auf der Reise nach Barbaricum um die Aufständischen dort mit ihrem Zaubertrank gegen die Römer zu unterstützen.

Ein winterliches Abenteuer in der Taiga

Dummerweise ist es auf der Reise in das ferne Barbaricum allerdings so kalt, dass der Zaubertrank friert und dadurch komplett unbrauchbar wird. Bevor also Miraculix einen neuen brauen kann, sind die drei anderen Gallier auf sich gestellt. Das heißt eigentlich auf sich alleine. Denn Idefix freundet sich mit einem wilden Rudel Wölfe an und ward nicht mehr gesehen. So versuchen nun Asterix und Obelix im Alleingang die Römer zurückzudrängen, was angesichts der Tatsache, dass es keine Wildschweine gibt vor allem Obelix schwer fällt. Aber dafür gibt es vergorenen Milchkäse und einen ganzen Trupp berittener weiblicher Amazonen, die sie tatkräftig unterstützen. Dass ausgerechnete die wilden osteuropäischen Stämme im Matriarchat leben mag zwar überraschen, aber ansonsten spielt sich auch dieses Asterix-Abenteuer in gewohnter Manier ab. Die Pointen sind gut gelungen, ebenso die eisige Winterlandschaft, die teilweise von einer bekannten Serie inspiriert worden sein dürfte. Aber das macht gar nix, denn Asterix ist und bleibt der beliebteste Comic-Held (aus Gallien) und immer wieder eine Reise wert. Das 40. Abenteuer erwarten wir alle schon sehnsuchtsvoll, hoffentlich noch bevor das Eis schmilzt!

 

Jean-Yves Ferri/Didier Conrad

Asterix und der Greif

2021, Softcover, 48 Seiten, Format 294mm (Höhe) x 221mm (Breite)

ISBN: 978-3-7704-2439-9

Egmont Comic Collection


Genre: Abenteuer, Asterix, Comics
Illustrated by Egmont Ehapa