Made in Washington

Made in Washington. “Keine andere Nation ist seit 1945 derart rabiat aufgetreten“, schreibt der Mitarbeiter des Berliner Kollegs Kalter Krieg in seinem Vorwort und die Bilanz der Außenpolitik der Supermacht USA der letzten 100 Jahre fällt in der Tat ernüchternd aus. Keine andere Nation hat mehr Militärstützpunkte als die USA und gibt mehr Geld für Rüstung aus.

Außenpolitik der USA: “ein Hauch von Casino”

In neun Kapiteln beschreibt Greiner die “Obsession in prekärer Nähe zu Hysterie und Paranoia“, die die Außenpolitik der Atommacht Nummer 1 seit ihrem Sieg im Zweiten Weltkrieg kennzeichnet. Mit dem Erstschlag gegen Japan machte sich die USA nämlich zur hegemonialen Weltmacht. Dabei hätte der Krieg auch ohne Atombombe beendet werden können, aber die USA legte schon damals wert auf das Prinzip der Abschreckung. Dafür mussten hunderttausende Japaner ihr Leben lassen. Nur die Sowjetunion konnte ihr noch die Stirn bieten und verhinderte eine monopolare, unilaterale Welt. Die “Redeemer Nation” oder auch “Chosen Country” baute in ihrer Sicherheitspolitik stets auf die eigene Sicherheit und weniger auf eine gemeinsame, wie Greiner ausführt. Darin enthalten waren durchaus auch Erstschläge gegen die Sowjetunion, “Operation Eggnog” war der Codename für einen imaginären gegen die UdSSR. Dabei spielte aber auch eine gute Portion theatralischer Gebärden und Bluffs eine Rolle. Gerade bei Nixon und Kissinger, der betonte: “Wann immer wir Gewalt einsetzen, müssen wir es auf eine leicht hysterische Weise tun“. Auch Psycho-Spiele (Psycho-Operationen, “psyops”) und Störmanöver wurden von den USA angewandt, um den scheinbar allgegenwärtigen Gegner zu verunsichern. “Von lupenreinen Glücksspiel zu sprechen, wäre übertrieben“, kommentiert Greiner, “Aber zumindest ein Hauch von Casino hängt beim Umgang mit Atomwaffen in der Luft.

Eine Sache im Stile der Nazis

Als erste Beispiele der folgenschweren Interventionen nennt Greiner im dritten Kapitel Guatemala und Iran, deren einziges “Verbrechen” darin lag, nationale Interessen zu verfolgen und eine eigene, unabhängige Wirtschaft aufzubauen, um das Vermächtnis des Kolonialismus endlich zu zerschlagen. “More bang for the buck” forderte Präsident Eisenhower von seinem Geheimdienst, der mit Hilfe von covert actions (verdeckten Aktionen), bald auch im Rest der Welt gewählte Regierungen aus den Angeln hob. Aber wie sagte es einer der letzten Präsidenten einmal: “Die USA sind die kriegerischste Nation in der Geschichte der Welt, weil wir andere Länder dazu zwingen wollen, unsere amerikanischen Prinzipien zu übernehmen”, so Jimmy Carter im Frühjahr 2019 vier der Bapistentgemeinde seiner Heimatstadt Plains in Georgia.

Made in Washington

Aufgrund des Glaubens, die USA seien unter allen Nationen der Welt die beste, leiten sich das Missionsbewusstsein und der amerikanische Imperialismus ab. Aber kann dies als Entschuldigung dafür gelten, dass die USA zwischen Mai 1964 und April 1973 2,1 Millionen Tonen Bomben über Laos abwarfen, dieselbe Menge, die man während des Zweiten Weltkriegs gegen sämtliche Zielgebiete in Europa und Asien eingesetzt hatte? Diese Menge an Bomben war ein Drittel der Zerstörungslast die im Laufe des Vietnamkrieges verbraucht wurde (6,7 Millionen Tonnen). Unvorstellbar was diesen Nationen angetan wurde und welche Konsequenzen das für die dortige Bevölkerung hatte. “Es war eine Sache im Stile der Nazis“, äußerte sich ein Vietnamasoldat im Interview mit dem Journalisten Seymour M. Hersh, der die Massaker in My Lai aufgedeckt hatte.

USA und Welt: eine Konfliktbeziehung

Bernd Greiner hat ein spannendes Buch geschrieben und es gut recherchiert. Markige Zitate der Ex-Präsidentn und anderer Beteiligter kommen ebenso zur Sprache wie Zahlen, Daten und Fakten. Dabei bleibt das Buch aber lesenswert und spannend wie ein Roman, der eben leider von der Realität übertroffen wird. Denn “was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben“, das passt tatsächlich auf keine Kuhhaut mehr. Das Sündenregister einer Großmacht, die mit ihrer “show of force” selbstherrlich und größenwahnsinnig einen ganzen Planeten zugrunderichtet. Im Namen der Freiheit.

Greiner, Bernd
Made in Washington
Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben
2021, Klappenbroschur, 288 S., mit 9 Abbildungen
ISBN: 978-3-406-77744-8
Bibliografische Reihen
C.H.Beck Paperback
16,95 €


Genre: Außenpolitik, Geschichte, Kubakrise, USA, Vietnam, Zeitgeschichte
Illustrated by C.H. Beck München