Jacky Marrone unterhält ein Büro in der Beckerstraße 85. Das ist so gut getarnt, dass er keine Aufträge erhält. Hinter graubraunen Rollläden und einer Tür ohne Namensschild wartet er auf Kunden. Marrone hat sich auf das Geheime und Verborgene spezialisiert und ist als geheimer Privatdetektiv tätig. Weiterlesen
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Jacky Marrone
LTB 539: Zurück am Tatort Entenhausen
Zurück am Tatort Entenhausen
“Zurück am Tatort” sind alle berühmt-berüchtigten Verbrecher Entenhausens: Sie haben sich zusammengeschlossen, um Entenhausen endgültig unter Kontrolle zu bringen. Deswegen fährt Donald im Eiltempo mit dem “Taxi nach Entenhausen”, um nicht nur die Polizei zu retten, sondern auch das Versteck der Verbrecher preiszugeben.
“Das Imperium des Konditors” gründet sich auf krummen Machenschaften eines berüchtigten Verbrechers. Auf die kommt Malvo Mausalbano allerdings nur zufällig, weil er dem Sohn seiner Haushälterin aus der Patsche helfen will.
Wer ist in “Phantomias – der Film” als Hauptdarsteller besser geeignet als Phantomias selbst? Das zumindest denkt sich Donald, der für die Rolle vorspricht. Aber dann kommt alles anders: Ausgerechnet Dussel soll den Helden spielen. Aber nicht nur Dussels wegen gerät alles außer Kontrolle – auch ein Verbrecher spielt kräftig mit.
“Unruhe in der Unterwelt” verursacht ein fremdes Verbrecher-Duo, das im Territorium der Panzerknacker räubert. Das lassen die sich natürlich nicht bieten und mobilisieren ihre Mitkollegen, um die unliebsame Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen.
“Ein Fantastilliardär auf Abwegen” ist Onkel Dagobert, als er gezwungenermaßen den Bus nimmt, um zum Milliardärsklub zu kommen. Das beschert ihm gleichermaßen ungewohnte und ungewollte Abenteuer.
“Die Farben der Zukunft” malt Minnies Ahnin Minnie Conquete, als sie eine Meuterei auf einem Forschungsschiff verhindern will. Aber Kater Karlito setzt alles daran, ihren engagierten Einsatz zu vereiteln.
“Der Mentalist” fasziniert Dussel so, dass er diesen Beruf erlernen will.
“Die Sprache der Musik” muss Donald notgedrungen lernen, als er versehentlich Daisys wertvolle Vase zerstört. Denn der einzige, der eine dieser seltenen Vasen hat, komuniziert nur über die Musik.
“O.M.A – Die Rückkehr des Gestaltwandlers” Gilor Borax versetzt Donald in Angst und Schrecken. Trotzdem muss er sich dem außerirdischen Bösewicht stellen, um Dussel zu befreien.
“Die wippschwänzige Wirrschopfschnepfe” bringt Onkel Dagobert fast den Ruin. Aber Onkel Dagobert wäre nicht Onkel Dagobert, wenn er nicht auch diese Situation zu seinem Vorteil nutzen könnte.
50 Jahre Tatort
Global Creative Director von Egmont Publishing und LTB-Tatort-Entenhausen-Erfinder Peter Höpfner formuliert die Gratulation zum 50-jährigen Tatort-Jubiläum so: “Der erste Tatort ‘Taxi nach Leipzig’ lief 1970 und begründete eine deutsche Fernsehtradition. Das mussten wir natürlich aufgreifen und freuen uns über eine enge und engagierte Kooperation mit den echten Tatort-Profis. Ähnlichkeiten mit den Kommissaren aus Entenhausen und den beliebten TV-Figuren sind somit nicht wirklich zufällig.” Auch Tatort-Schauspieler Claus Dieter Clausnitzer, bekannt in seiner Rolle als “Vaddern” im Tatort aus Münster, ist in Entenhausen als Taxifahrer unterwegs. Natürlich spielt auch das Cover und eine der ersten Seiten sichtbar auf den Tatort an.
Die Idee ist also gut. Leider bleibt es bei einer Tatort-Geschichte im gesamten LTB. Aber zumindest haben viele der anderen Geschichten noch mit Verbrechensaufklärung zu tun, sodass zumindest der thematische Bezug gewahrt bleibt. Für die, die mit diesem Thema nichts anfangen können, gibt es aber auch weitere Geschichten, die keinen Bezug zu Verbrechen haben.
Drei der Geschichten ranken sich rund im Sprache. Die Sprache der Musik ist entweder universell oder im Falle Donalds eine Art Geheimsprache zur Informationsvermittlung. “Der Mentalist” kommt völlig ohne Text aus und kommuniziert nur über die Bilder. Bilder benutzt auch Daisy, um den Matrosen ihr Anliegen zu verdeutlichen. Da kommt eine typisch amerikanische Eigenheit zum Zuge: Nicht nur im Militär werden Bilder, oder besser gesagt Comics, verwendet, um auch weniger Gebildeten Informationen zugänglich zu machen. Bilder (wie auch Musik) werden univerversell verstanden. Im Europa des Mittelalters dienten Bilder aller Art der Bevölkerung, die nicht lesen und schreiben konnte, ebenfalls als Informationsquelle.
Der Band ist insgesamt geeignet für kleine und große Leser/innen. Die kleinen verstehen die Geschichten auch ohne die Anspielungen, die großen können sich über ebensolche freuen.
Fazit
Actionreicher Lesespaß für Groß und Klein. Mehr Tatort hätte dem LTB aber sicher nicht geschadet.
Der Welten-Express: Erster Teil der großen Trilogie
Magisch, gefährlich, heimelig – der Welten-Express
“Nacht für Nacht sitzt Flinn Nachtigall an einem stillgelegten Bahnhof: dem Ort, wo zwei Jahre zuvor ihr Bruder verschwand. Bis eines Abends ein Zug einfährt, gezogen von einer gewaltigen, rauchspukenden Lokomotive. Und Flinn…
…stürzt als blinde Passagierin in das Abenteuer ihres Lebens! Denn der Zug ist der Welten-Express, ein fahrendes Internat voller außergewöhnlicher Jugendlicher, angetrieben mit magischer Technologie. Ein Ort, an dem Flinn Freunde findet – und Feinde. Ein Ort voller Geheimnisse. Doch das größte Geheimnis verbirgt Flinn in sich selbst…” (Verlagstext der Inhaltsangabe)
Das Cover
… bildet eigentlich schon alles Wesentliche des Buches ab, ohne von der Geschichte zu viel zu verraten – gerade genug, um die potentiellen LeserInnen neugierig zu machen: Die meisten der Hauptfiguren, die relevanten magischen Tiere, den Welten-Express selbst, ein paar der vorherrschenden magischen Utensilien und den Sternenhimmel. Schön gestaltet in zentralen Farben und glänzendem Reliefdruck lädt das Hardcoverbuch zum Reinschmökern ein.
Der Prolog
… klärt, worum es dem Gründer des Welten-Expresses geht: armen Kindern und Jugendlichen die Chance geben, ihr Potential zu entfalten, um in der Welt eine außergewöhnliche Rolle zu spielen. Die rollende Schule mit eigenen, von den Schulen der Welt unabhängigen Regeln soll nicht nur Bildung vermitteln, sondern auch eine sichere Heimat werden für die sozial benachteiligten, vernachlässigten und/oder verwaisten Kinder. Diese schon im Prolog herausgestellte wichtige soziale Komponente der Ausbildung könnte durchaus eine kritische Anspielung auf das deutsche Schulsystem sein, in dem sozial schwächer gestellte Familien oft bildungsfern und deren Kinder in der Schule nicht die gleichen Chancen haben wie in sozial besser gestellten Familien.
Eine sichere Heimat
… ist allerdings ein angestrebtes Ideal, wie Flinn schon eine erste Ahnung nächtens im Zug überkommt und die sich im Laufe der Zeit zur Gewissheit verdichtet: Die Magietechnologie entpuppt sich als gefährlich. Die Verbindung von (Dampf-)Technologie und Magie spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle und erinnert an Steampunk Fantasy. Auch Kasims Frisur und Pegs’ außergewöhnlicher Kleidungsstil passt zu diesem Fantasy-Genre, ebenso der “Kohlenjunge” Fedor und die Schutzbrille von Mme Florett.
Ein Hauch von Harry Potter
… umweht die LeserInnen permanent beim Lesen. Nicht nur die Benutzung von Schuluniformen und ein Zug, der ein wenig an den Hogwarts-Express erinnert, sondern auch die Konstruktion einer eigenen, magischen und gefährlichen (Schul-)Welt, die neben der realen existiert, sowie der vordergründig bösen Lehrperson und deren jungendlichen Gehilfen lässt einen vermuten, dass die Autorin “Harry Potter” zumindest gekannt, daraus Anregungen geschöpft und mit eigenen Ideen vermischt hat. Diese Kombination ist definitiv gelungen, denn der Welten-Express liest sich spannend.
Weiblich und männlich
… eine Frage des Rollenklischees. Die Autorin lehnt sich an Gender-Theorien an, indem sie ihrer Hauptperson Flinn absichtlich nicht nur einen geschlechtsunabhängigen Namen gibt, sondern auch immer mal wieder einfließen lässt, dass sich Flinn so kleidet und benimmt, dass man sie auch für einen Jungen halten könnte bzw. sich ihres Geschlechts nicht sicher sein kann. Biologisch ist die 13-jährige Flinn noch nicht so weit, dass man ihr den weiblichen Aspekt ansieht. Flinn hat sich automatisch von Rollenklischees befreit, weil sie ihr ureigenes Wesen lebt. Und das hängt bei ihr nicht von einer gesellschaftlichen Rolle ab. Somit ist sie ein Vorbild, das zeigt, wie man sich von diskriminierenden Rollenklischees befreien könnte – einfach, indem man nichts auf sie gibt. Das gilt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.
Trotzdem bestreitet auch sie eine Queste, zu der immer die Charakterentwicklung gehört. Das passt zur Pubertät, in der die Kinder zu Erwachsenen heranreifen und sich selbst finden lernen. Flinn, die sich ihres Wertes nicht bewusst ist, soll lernen, diesen zu finden und zu schätzen. Deswegen ist sie anfangs ein sogenannter Pfog, der sich zum Pfau entwickelt und wie dieser in all ihren Facetten schillern darf.
Schillernd
… ist auch die Sprache, die im Buch verwendet wird. Die Autorin arbeitet gern z.B. mit Personifikationen, Vergleichen, schmückenden Adjektiven und abwechslungsreichen Verben, die schon in der Sprachgestaltung die magische Welt widerspiegeln, die sie Stück für Stück der Leserschaft preisgibt.
Fazit
Ein durch und durch gelungenes Buch, das Lust macht auf die Fortsetzungen.
Der Akazienkavalier: Von Menschen und Gärten
Mit dem Geschenk Der Akazienkavalier: Von Menschen und Gärten von Ulla Lachauer konnte ich zuerst nicht viel anfangen— wo gibt es noch Kavaliere und dann mit Akazien? Aber ich las doch los, und gleich die kurze Geschichte vom Akazienkavalier, hatte sie doch dem Buch den Namen gegeben, obwohl sie im Buch die elfte (von fast zwanzig) war.
Und wurde mitgenommen nach Odessa, in die Zeit kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion. Schnell kommen Erinnerungen an andere Orte in Mitteleuropa. Eine Zeit, in der sich Alles änderte, Alles möglich wurde, aber auch Verlustängste geschürt wurden. Wir lernen viel über die besondere Geschichte Odessas, warum dort Akazien, die eigentlich Robinien sind, die Alleen säumen. Wie wurde Odessa in der Literatur beschrieben, was macht den Odessiten aus?
Wir sind in einem Belle Epoque Hotel untergebracht, wo es nach Katzendreck riecht, was „gemäß odessitischer Erfahrung“ angenehmer sei, als eine Mäuseplage, so die Angestellten, die sich nach den guten alten Zeiten zurücksehnen.
Wir entfliehen dem Gestank im Hotel und machen einen Morgenspaziergang zur Brücke, auf der der Panzerkreuzer Potemkin gedreht wurde, fühlen uns befreit von allem Schweren, und das trotz des drückenden Dufts der blühenden Akazien. Die Begegnung mit dem Akazienkavalier passt in diese surreale Gegenwart und bringt uns, wie schon die Autorin, zum Lachen.
Im ersten Absatz heißt es schon: “Wenn es denn stimmt, dass kurz vor dem Tod das Leben, Bedeutsames, Skurriles, Schrecken und Glück, noch einmal im Zeitraffer vorbeizieht, dann könnte mein Kavalier aus Odessa dabei sein und mich zum Lachen bringen. Jedenfalls wünsche ich mir es, und dazu, wenn das nicht zu unbescheiden ist, Akazienduft!“
Diese Geschichte steht für viele andere, die von den europäischen Migrationsbewegungen des letzten Jahrhunderts erzählen, wobei es immer die zwischenmenschlichen Begegnungen sind, die den Reiz ausmachen. Und wir werden immer in die Gegenwart (der Nullerjahre, in denen das Buch erschien) zurückgeholt.
Auf Reisen bewundern wir Ostpreußische Wolkengärten, lernen über Bernsteinschmuggel und wie man echten von falschem Bernstein unterscheiden kann. Und es geht um Menschen, von denen manche schon nach den Weltkriegen, oder nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu uns gekommen sind: Da ist ein „Gartenmann,“ Akademiker aus Kasachstan, der, bevor er sein Arztexamen nachholt, sein Geld in fremder Leute Gärten verdienen muss, oder der Aussiedler vom Balkan. Oder ein Engländer, der in Andalusien überwintert, aber eigentlich, weil er Jude ist, aus Litauen fliehen musste.
Manches passiert auch in Deutschland: Eine raumfressende Zimmerpflanze wird gemordet, aber erst nach langen Rechtfertigungen, warum Pflanzen eigentlich nach draußen gehören und Gedanken darüber, wie wir Menschen im Laufe der Zeit gelernt haben, mit Pflanzen zu leben. Wir lernen mit einer blinden Gärtnerin, wie Gärten erspürt werden können. Oder warum der Tante zur Gladiolenzeit immer welche gebracht werden müssen, auch wenn man als Kind noch so klein ist, dass die Ärmchen ganz hochgehalten werden müssen, wenn die Gladiolen nicht auf der Erde schleifen sollen.
Meine Lieblingsgeschichten spielen in Frankreich, wohl, weil ich ein Kind der Deutsch-Französischen Freundschaft bin. Auch hier geht es um Versöhnung nach Feindschaft und Kriegen. Außerdem weiß ich jetzt, dass Colette die erste und bisher einzige Frau ist, die ein Staatsbegräbnis erhalten hat.
Im Nachwort wird eine Erfahrung angesprochen, die auch meine ist und mir erst beim Lesen bewusst gemacht wurde: „Viele der Interviews für meine Bücher habe ich in Gärten geführt. Es ergab sich so, ohne besondere Absicht. Mir ist inzwischen klar geworden: Im Garten, unter freiem Himmel und doch geschützt vor der Außenwelt, ist leichter reden. Im Haus verlaufen Gespräche meist ganz anders.”
Ich mache gerne Empfehlungen, wem man ein Buch schenken könnte, etwa wenn Weihnachten naht: Allen Menschen, die vor 1955 geboren wurden, vor allem, wenn sie selbst Fluchterfahrungen haben. Am meisten Freude bereitet es denen, die selbst gerne mit anderen Menschen über Gärten reden.
Hurdy Gurdy Girl
Femininer Western
Schon der Titel des Romans «Hurdy Gurdy Girl» von Irene Stratenwerth macht neugierig, der Untertitel ‹Eine weite Reise durch die Nacht› verheißt nichts Gutes, das Coverfoto einer jungen Frau schließlich deutet auf das Neunzehnte Jahrhundert hin. Hurdy Gurdy bedeutet Drehleier, ein Saiteninstrument also, mit dem hier im Roman ein Musiker mit einem Trupp von Tanzmädchen für Stimmung sorgt in Saloons und zweifelhaften Kaschemmen im amerikanischen Westen. Die Mädchen im Roman stammen aus der Wetterau, wo Mitte des Jahrhunderts, wie überall im Großherzogtum Hessen, bitterste Armut herrschte. Viele erhofften sich damals eine bessere Zukunft in Amerika und machten sich auf den weiten Weg, um dort ihr Glück zu suchen, – der Großvater von US-Präsident Trump gehörte übrigens auch dazu.
Die bettelarmen Eltern der siebzehnjährigen Luise schließen vor dem Bürgermeister ihres Dorfes einen Kontrakt mit einem Landgänger, mit dem sie ihm ihre Tochter für drei Jahre als Tanzmädchen in Dienst geben, also langfristig verdingen, mit Kost und Logis als Gegenleistung. Er wird sie in den Goldgräber-Siedlungen von Britisch Kolumbien als Hurdy Gurdy Girl für sich arbeiten lassen. Dort im Lager, wo es wegen den unwirtlichen Bedingungen fast keine Frauen gibt, kann er den Goldsuchern viel Geld abknöpfen für ein bisschen Abwechslung von ihrer harten Arbeit. Bei den Eltern andererseits gibt es dann nicht nur einen Esser weniger am Tisch, sie bekommen auch vorab die für ihre Verhältnisse riesige Summe von 500 Gulden, und das Gleiche noch einmal am Ende der Vertragszeit, wenn Luise zurückkommt. Zusammen mit zwei andern Mädchen landet sie, nach einer langen, äußerst beschwerlichen Reise unter erbärmlichsten Umständen, als Zwischendeck-Passagier zunächst in San Francisco.
Die in der Fremde weitgehend hilflosen Mädchen, die kein Wort Englisch sprechen, werden in der aufstrebenden kalifornischen Stadt brutal ausgebeutet und sehen sich schließlich zur Prostitution genötigt, um wenigstens ein bisschen Geld für sich selbst zu haben. Auf dem Postamt lernt Luise schließlich Benjamin kennen, der junge Mann bietet ihr spontan seine Hilfe an. Seinen Heiratsantrag lehnt sie zwar ab, ist dann aber doch froh, dass er sie trotzdem im Frühjahr begleitet auf dem beschwerlichen Weg zu den Goldgräbern in Kanada. In einem zweiten Handlungsstrang werden kurze Szenen aus der Heimat eingestreut, wo unter preußischer Führung der Deutsche Bund entstanden war und auf Betreiben Bismarcks streng gegen das Tanzmädchen-Unwesen vorgegangen wurde. Ein zur Untersuchung eigens angereister, höherer Beamter stellt in Luises Dorf dem Bürgermeister und dem Schullehrer ziemlich peinliche Fragen dazu. Der Roman schließt mit einem Epilog, der berichtet, wie es mit Luise, dem ‹gefallenen› Mädchen, weiterging nach der Rückkehr in der Heimat.
Irene Stratenwerth hat in einem Interview erklärt, Anlass für ihren Roman sei ihr Interesse an noch nicht erzählten Geschichten. Über die Geschichte Amerikas werde ja fast immer nur aus der Perspektive weißer Männer erzählt, Frauen spielten dabei allenfalls eine dekorative Nebenrolle. Sie verfolge aber keinerlei moralische Absicht mit ihrem historischen Roman. Die Quellenlage sei leider äußerst dürftig und stütze sich vor allem auf Passagierlisten und einige wenige Dokumente, das meiste sei frei erfunden. Ihre interessante Geschichte wird in einer klaren, einfachen Sprache erzählt, die zwar zum Milieu passt, die aber journalistisch distanziert kaum emotionale Nähe zu den Charakteren aufkommen lässt. Die Protagonistin Luise ist stimmig dargestellt in ihrer naiven Gläubigkeit, eher zwiespältig dagegen erscheint die Figur des Benjamin, dessen Motive wenig plausibel sind. In Anbetracht des unsäglichen Elends erscheint es zudem fast als Wunder, das die einfältige Luise der geschilderten Hölle aus permanenter Unterernährung, allerlei Krankheiten und ständigen Gefahren heil entkommen ist in diesem unromantischen, femininen Western.
Fazit: lesenswert
Meine Website: http://ortaia.de
Die Wölkchenbäckerei: Abnehmen mit Brot und Kuchen
Backen wie auf Wölkchen? Wölkchengleiche, luftige Teige?
Das in der mittlerweile 11. Auflage erschienene Back-Buch wirbt mit dem Slogan “Schnelle, einfache Rezepte mit Nährwertangaben”. Tatsächlich verspricht dieser Slogan nicht zuviel: Die Rezepte sehen nicht nur einfach und unkompliziert aus, sie sind es auch. Ich habe schon mehrere Rezepte ausprobiert und bin inklusive Backzeit nach ca. einer Stunde mit allem fertig. Tatsächlich sind sie so einfach (auch in der Anleitung) gestaltet, dass mein 8-jähriger Sohn (mit nur wenig Hilfe von mir) selbst backen kann, worauf er sehr stolz ist. Das Backbuch eignet sich also auch für das Backen mit Kindern, sogar mit etwas kleineren, denn es geht schnell und das ein oder andere Rezept benötigt keine Eier, sodass diese Teige bedenkenlos geschleckt werden können. Des Weiteren komme ich bisher prima ohne Rührgerät aus; Schneebesen, Löffel, Hände, manchmal auch eine Gabel tun es genauso. Das alles hat mich und meinen Sohn motiviert, öfter als bisher zu backen.
Hilfreich ist die Einführung am Anfang, denn da gibt die Autorin den poteniellen Bäcker/innen eine Anleitung an die Hand, wie die von ihr entworfenen Rezepte am besten umgesetzt werden können. Wenn man diese beherzigt, steht einem superschnellen Backen, das quasi im Vorbeigehen stattfinden kann, nichts mehr im Weg.
Wenn man sich die Rezepte so betrachtet, gibt es ein paar Grundzutaten, die die Autorin immer wieder verwendet, sodass man diese höchstens einmal in der Woche kaufen muss und dann im Bestand haben kann. Auch das erleichtert ein schnelles Backen. Diese Zutaten sind: Magerquark, fettarmer Joghurt, (Hafer-)Kleie, Dinkelmehl, Eier, (Weinstein-)Backpulver. Süße (egal, welche man bevorzugt) nach Belieben. Diesen Zutaten sieht man schon an, dass sie systematisch darauf aus sind, Kalorien zu sparen. Vollkorn und Kleie machen lange satt, Fett wird nur extrem wenig verwendet, Süße könnte man bei dem ein oder anderen Rezept auch weglassen, weil mit Früchten gearbeitet wird. Und das Überraschende: Die Rezepte funktionieren trotz wenig Fett! Meines Sohnes und mein aboluter Liebling ist das Baguette-Rezept, das trotz weniger Zutaten schön fluffig wird.
Da wird schon ein weiterer Vorteil sichtbar: Wer es nicht so mit Hefe und den langen Gehzeiten hat, der kann Brot und Brötchen komplett ohne backen. Backpulver reicht und es gelingt trotzdem. Da ich selbst möglichst glutenfrei essen soll, war ich mutig und habe die Rezepte mit meinem glutenfreien Supermarktmehl gebacken. Die glutenfreien Rezepte, die ich bisher gesehen habe, waren mir (u.a. auch wegen der Zutatenbeschaffung) zu kompliziert, um sie nachzubacken. U.a. die vielen Mehle, die man dazu braucht, bekommt man nicht nebenbei im Supermarkt. Hier dagegen reicht das glutenfreie Supermarktmehl (selbst ohne Glutenersatz wie Guarkernmehl) aus, um schöne Ergebnisse zu erzielen, die nicht zerkrümeln.
Vom Käsekuchen allerdings war ich etwas enttäuscht. Dieser enthält schon vom Rezept her im Grundteig keine Süße, die meiner Meinung aber auch da reingehört, weil das Ergebnis sonst recht gewöhnungsbedürftig schmeckt. Aber gut, das kann man nachholen. Der Baguette-Teig lässt sich nicht ohne den Einsatz der Hände kneten, klebt aber sehr stark. Ich muss meinem Sohn nach dem Kneten den Löwenanteil des Teiges von den Händen kratzen. Ist das aber geschafft, erhält man leckere Baguettes. Allerdings frage ich mich, wie man diesen Teig alleine bewältigen soll, denn selbst mit Wasser an den Händen ist er schwer zu händeln.
Ob man mit den Rezepten tatsächlich abnimmt, kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Das würde nur ein Langzeittest zeigen. Allerdings bin ich, weil schlank, wohl die falsche Referenz. Zumindest habe ich bisher nicht zugenommen, was bei der bisher gebackenen Menge nach kurzer Zeit bei “normalen” Rezepten bestimmt der Fall gewesen wäre. Gesünder als die herkömmlichen Teige sind die Wölkchenrezepte allemal.
Fazit
Die Autorin hat sich sicht- und merkbar viele Gedanken um ihre Rezepte gemacht und ein gutes Ergebnis abgeliefert. Die ein oder andere Kleinigkeit mag zwar noch verbesserungswürdig sein, manches ist auch Geschmackssache, aber die Schnelligkeit, mit der die Rezepte nachgebacken werden können, und die meist gut essbaren Ergebnisse sind definitiv unschlagbar, v.a. wenn man sich mit weniger Süße bei den Kuchen arrangieren kann. Fettarme und ballaststoffreiche Zutaten erleichtern das Schlemmen ohne Gewissensbisse. Das war das Ziel der Autorin, und das hat sie meiner Meinung nach auch erreicht.
Der parfümierte Mann
Der parfümierte Mann. „(…) Man hat keine Zeit und keine Kraft mehr für die Zeremonien, für die Verbindlichkeit mit Umwegen, für allen Esprit der Unterhaltung und überhaupt für alles Otium“ bemängelt Friedrich Nietzsche in seiner „Fröhlichen Wissenschaft“. Vielleicht sollte man sich gerade in Zeiten wie diesen wieder dieses Otiums bewusst werden und bewusster das Odor wahrnehmen, das einen umgibt. Denn auch wenn der Geruchsinn (lat.: odoratus) zu den „nachgereihten Sinnen“ des Menschen gehört, wie Divjak nun – 138 Jahre nach Nietzsche – bemängelt, seien Düfte doch wie Tagebücher. Erinnerungen, die bleiben. Für immer.
Die „Colognisierung“ der Welt schreitet voran
Die Erinnerung, die durch einen Duft ausgelöst wird, ist nämlich alles andere als vergänglich, sondern vielmehr nachhaltig. Wer hatte noch nie ein solches Erlebnis, das durch einen zarten Duft in der Nase die Kindheit (oder noch weiter Zurückliegendes) im Herzen wieder wachgerufen wird? In den Oasen der Sprachlosigkeit führe der Duft ein anarchisch-poetisches Eigenleben, schreibt Divjak in seiner Einleitung, denn als promovierter Philosoph und gelernter Parfümeur weiß er, dass Düfte und Duftkreationen molekulare Kunstwerke sind. „Das Medium des Parfums ist die Zeit“, zitiert er gleich eingangs Madalina Diaconu, die an einem WWTF geförderten Forschungsprojekt zum Thema „Tast- und Duftdesign. Ressourcen für die Wiener Kreativwirtschaft“ arbeitete. Aber auch Barthes, Proust oder eben Nietzsche werden für seine „olfaktorischen Briefe an die Liebsten“, wie er Düfte poetisch benennt, bemüht. Die Werbefigur des parfümierten Mannes ist zwar relativ jung, jedoch schreitet die Colognisierung der Welt stetig voran, wie er süffisant anmerkt. Ein Exkurs also in eine verborgene Welt, die zwar nicht visuell erfahrbar ist, dafür aber durch die Nase gezogen wird. Vielleicht hilft es auch ganz einfach einmal die Augen zu schließen und tief einzuatmen: ein neuer Kontinent wartet da. Ein Duft-Universum.
Ein Plädoyer für mehr Odor und Otium
Das Lateinische per fumum bedeutet nichts anderes als „durch Rauch, durch Dunst“ und sicherlich ist Divjak nicht der erste, der sich damit beschäftigt. Seit der Antike wird mit Düften gearbeitet, um durch das Odor jenes Otium wiederherzustellen, dessen Verlust in der Moderne Nietzsche so bedauerlich bemängelte. Nach einem Kapitel mit Literaturhinweisen past and present schreibt Divjak über seine eigenen ersten prägenden Dufterfahrungen und weiß: „We smell with our mind. Your mood affects the way you smell“ (Bernhard Chant). Die Erinnerungen, die ein Duft auslöst, sind wie ein Parfum für die Seele und scheinen uns in eine andere Welt zu tragen, die uns dann doch sehr vertraut erscheint. Im Anhang befindet sich eine exklusive Parfum-Chronologie ausgewählter Herrendüfte, die selbst Connaisseure erblassen lässt, so ausführlich ist sie geraten. Freudian Wood, Mandarino di Amalfi, Pomelo Paradis oder Cuirs Nomades heißen nur vier der hier rezensierten Parfüms, die Divjak in seinem außergewöhnlichen Buch beschreibt. Ein interessantes Statement in einer Zeit in der wir uns gerade das abtrainieren, was uns so prägte: Erinnerungen, ausgelöst durch Düfte. Mund- und Nasenschutz bitte nicht vergessen!
Paul Divjak
Der parfümierte Mann
2020, Hardcover, 152 Seiten
ISBN: 978-3-903005-40-0
Wie Proust Ihr Leben verändern kann
Eine Entmystifizierung
Alain de Botton versucht in seinem Buch «Wie Proust Ihr Leben verändern kann», das den deskriptiven Untertitel ‹Eine Anleitung› trägt, bei seinen Lesern eine Art literarische Bewusstseins-Erweiterung zu bewirken. Nicht zuletzt dürfte er damit aber auch den Zweck verfolgen, das siebenbändige, monumentale Werk des französischen Jahrhundert-Schriftstellers, den Romanzyklus «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit», zu entmystifizieren. Und natürlich auch einem größeren Leserkreis die Angst vor der schieren Textmasse zu nehmen. Der erste Band von «À la recherche du temps perdu» erschien 1913, der letzte dann 1927.
In neun Kapiteln, deren Überschriften alle mit ‹Wie› anfangen, destilliert Alain de Botton all die Erkenntnisse, die man aus der Lektüre der ‹Recherche› ziehen kann. Dabei geht es um das Unglücklichsein ebenso wie um richtiges Lesen und um das Problem, genügend Zeit für die Lektüre zu erübrigen. Das vierte Kapitel widmet er den tatsächlichen oder vermeintlichen Leiden des ewigen Hypochonders, der seine Zeit am liebsten im Bett verbracht hat und an allem litt, was von außen in sein hermetisch abgeschlossenes Zimmer eingedrungen ist, Licht, Lärm und Gerüche. Proust hasste auch jedwede sprachliche Gedankenlosigkeit, seien es gestelzte Modeworte oder gedankenlose Phrasen und Plattitüden. Es folgt ein Kapitel über die Art, Freundschaften zu pflegen, in dem man erfährt, wie rücksichtsvoll Proust sich stets verhalten hat, selbst wenn ihm sein Gegenüber eher unsympathisch war. Bezeichnend dafür ist ein Festbankett, wo er nach der Uraufführung von Strawinskys Ballett ‹Reinecke Fuchs› auf James Joyce traf. Die beiden berühmten Schriftsteller hatten sich rein gar nichts zu sagen! Egal wie sich Proust auch bemüht hat, mit ihm ins Gespräch zu kommen, Joyce hat ihn immer nur stumm angestarrt.
Unterschiedlicher als ‹Ulysses› und ‹Recherche› können Romane ja auch kaum sein, wen wundert es da, dass ihre Autoren sich fremd blieben. Dem extrem fragmentarischen, äußerst vielschichtigen und assoziationsreichen Bewusstseinsstrom von Leopold Bloom bei seinem Streifzug durch Dublin steht bei Proust eine ausufernd detaillierte, alle denkbaren Aspekte eines Gegenstandes oder Ereignisses akribisch ausleuchtende Beschreibungskunst gegenüber, die man negativ auch als Beschreibungswut bezeichnen könnte. Alain de Botton verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise, dass es wohl keinen Schriftsteller gibt, der genauer hinsieht als Proust. Der es ja fertigbrachte, das Kirchenfenster einer Kathedrale auf dutzenden von Seiten bis zum letzten Farbschimmer zu beschreiben. Vor dieser Sprachvirtuosität hat dann sogar Virginia Woolf kapituliert, wie wir im Buch erfahren. Denn als sie sich nach Jahren erstmals an die Lektüre der ‹Recherche› herangewagt hat, hätte das zunächst mal eine veritable Schreibblockade bei ihr ausgelöst. Wenig überzeugend ist Proust als Berater in Sachen Liebe, wie wir im achten Kapitel erfahren, seine eher asexuelle Vita wie auch sein ebenso asexuelles Opus magnum prädestiniert ihn jedenfalls nicht als Experten, auf dessen Rat man in diesen Dingen hören sollte. Als Ratgeber ergiebiger ist da das letzte Kapitel, in dem die Vorzüge des Lesens beschrieben und die Grenzen einer Lektüre aufgezeigt werden.
Bleibt die Frage, was man als Leser aus diesem Buch mitnehmen kann für künftige Leseabenteuer. Die lockere, amüsante Art, mit der Alain de Botton sich dem verwöhnten Muttersöhnchen nähert, garantiert einige vergnügte Lesestunden. Außerdem erfährt man en passant nicht nur manche Details aus dessen Leben, sondern auch über Zeitgenossen, die zum Teil als Vorlage für seine Figuren dienten. Erhellt werden zudem einige reale Hintergründe für die ‹Recherche›, angefangen bei der berühmten, einen Erinnerungsschub auslösenden ‹Madeleine› als Teegebäck bis hin nach Combray, einem der Handlungsorte. Zu dem pilgern heute die Proust-Jünger, um Tante Leonies Haus zu besuchen und im Ort die ‹originalen› Madeleines zu kaufen.
Fazit: lesenswert
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Arc de Triomphe
Die Erstausgabe des Romans «Arc de Triomphe» von Erich Maria Remarque erschien 1945 zuerst in den USA und war dort ein großer Erfolg. Die ein Jahr später in der Schweiz erschienene deutsche Ausgabe war aus verlagsinternen Gründen zunächst ein Flop, ehe dann nach einigen Verlagswechseln das Werk auch hier große Beachtung fand. Inzwischen gehört dieser zweite Welterfolg des Autors zu den Klassikern, es gibt Übersetzungen in mehr als 40 Sprachen und vier Verfilmungen des Stoffs.
Der in den Jahren 1938/39 angesiedelte Plot beschreibt das Untergrund-Leben eines vor politischer Verfolgung durch die Nazis geflüchteten Chirurgen mit dem Tarnnamen Ravic. Der lebt nun, ohne Pass und Papiere ständig von Abschiebung bedroht, illegal in Paris, in der Nähe des «Arc de Triomphe». Er operiert besonders schwierige Fälle in einer Privatklinik, deren geldgieriger Chefarzt altersbedingt dazu nicht mehr in der Lage ist. Da Ravic als Arzt in Frankreich nicht zugelassen ist, muss er sich ausbeuten lassen, sich also mit einer lächerlich geringen Bezahlung für seine Operationen zufrieden geben. Das primitive Emigranten-Hotel, in dem er wohnt, nimmt es mit den Anmelde-Formalitäten nicht so genau, es ist voll belegt mit Illegalen. Die zittern alle ständig davor, dass die politischen Spannungen mit Deutschland zu einem neuen Krieg eskalieren. Plötzlich trifft Ravic seinen Gestapo-Folterer aus Deutschland wieder, der ihn viehisch misshandelt und seine damalige Freundin in den Suizid getrieben hat, ohne dass er ihr helfen konnte. Er sieht nun endlich eine Chance, sich zu rächen und damit sein quälendes Trauma zu überwinden.
Gleich zu Beginn des Romans begegnet Ravic einer hilflos durch die Nacht irrenden, suizidgefährdeten Frau, um die er sich zunächst nur widerwillig kümmert. Die sich daraus entwickelnde Liebesbeziehung mit Joan ist bis zum Schluss eng mit der im Vordergrund stehenden Exilanten-Geschichte verwoben. Ravic ist nach seiner KZ-Flucht und dem Tod seiner ersten Liebe in tiefe Apathie gefallen, er raucht wie ein Schlot und trinkt Unmengen von Alkohol, am liebsten Calvados. Völlig aus der Bahn geworfen kann er sich ein sesshaftes, bürgerliches Leben nicht mehr vorstellen. Und auch die Liebe sieht er als Illusion, als allenfalls kurzlebige Zwischenphase einer ansonsten trostlosen Existenz. Er will und kann Joan als im Untergrund Lebender keine Zukunft bieten, aber obwohl sie schon bald einen anderen, bürgerlicheren Liebhaber hat, bleibt sie ihm geradezu schicksalhaft verbunden. Sie kann ohne ihn nicht sein und kehrt immer wieder zu ihm zurück, Ravic aber löst sich allmählich aus seiner Liebe zu ihr und weist Joan brüsk zurück.
Als Roman überzeugt «Arc de Triomphe» besonders durch seinen klug konstruierten Plot mit einem durchgängig aufrecht erhaltenen Spannungsbogen. Und obwohl einige Klischees bedient werden bei den sympathischen Figuren, sind doch deren lakonische Dialoge von einer bewundernswerten Prägnanz, die an beste amerikanische Erzähltraditionen á la Hemingway erinnert. Auch Paris mit seinem besonderen Flair und die Mentalität der Großstädter werden atmosphärisch dicht aus immer neuen Blickwinkeln geschildert, man meint dabei zu sein als Leser. Zum überzeugenden Lokalkolorit gehören neben den unzähligen Bars, Cafés, Restaurants, Hotels und zweifelhaften Etablissements nicht zuletzt auch die vielen, liebevoll beschriebenen Nebenfiguren. Zu denen zählen von der Krankenschwester und den Ärzten bis hin zur Bordell-Besitzerin und Nutte oder den diversen Portiers und Taxifahrern auch die bunte Schar gestrandeter Flüchtlinge im schäbigen Hotel von Ravic. Thematisch raffiniert stellt Remarque dem nach seiner Rache aus tiefster Resignation erwachten Arzt, der nun auch seine Liebesunfähigkeit überwunden glaubt, seine Geliebte gegenüber mit ihrer naiven Vorstellung vom bürgerlichen Liebesglück mit wechselnden Männern, die sie zuletzt zwar aufzugeben bereit ist, an der sie schließlich aber tragisch scheitert.
Fazit: erfreulich
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Unsere Welt neu denken: Eine Einladung
Dies ist ein kleines Büchlein (200 Seiten), aber es hat es in sich: Die Klimakrise wird nicht erst beschrieben, es geht darum, welches Wirtschaftssystem nötig wäre, um sie aufzuhalten. Wir sind eingeladen, mitzudenken. Am Ende jeden Kapitels stehen weitergehende Gedanken zum Gesagten, wie ein Abspann.
Unsere Utopien haben sich in Dystopien verwandelt, Ursache ist die derzeitige Produktionsweise. Diese wird von ihren Kollegen Wirtschaftswissenschaftlern als gottgegeben gelehrt. Maja Göpel, die promovierte Volkswirtin und Professorin, nimmt uns mit in eine Vorlesung, als sie junge Studentin war: Es ging darum, wie sich Menschen entscheiden, um ein Auskommen zu haben. Gelehrt wurde, dass Arbeiter immer den höchsten Lohn anstreben, auch wenn es bedeutete, dass sie ins Ausland müssten. Als sie fragte, ob berechnet worden war, „ab wieviel Armut vor Ort und Lohnunterschied Menschen denn ihre Familie verlassen würden und (warum) für einen solchen Aufwand aufseiten der Arbeiter*innen keinerlei Kosten in dem Modell auflaufen würden, wurde es plötzlich still im Hörsaal.“
Dem verblüfften Prof fiel nur ein: “Seht her, da spricht ja ein warmes Herz.“ Sie nahm das als Anstoß, sich mit den volkswirtschaftlichen Theorien zu befassen, und dies später in ihrer Promotion zu vertiefen.
Wir erhalten grundlegendes Wissen zu den immer wieder zitierten Größen des Fachs. Wir lernen, dass der „homo oeconomicus“ unersättlich ist. Dazu aus dem Abspann des Kapitels Mensch und Verhalten: „Die Mehrheit der Ökonomen denkt den Menschen immer noch als eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden…“
Während sich in der Natur über Milliarden von Jahren stabile Kreisläufe herausgebildet haben, auch durch Korrekturen immer wieder ausgeglichen wurden, ist unsere industrielle Produktionsweise nur auf ihre Endprodukte ausgerichtet, wie ein Fließband, das immer weiterläuft. Wenn Produkte nicht mehr gebraucht werden, werden sie nicht wieder in den Kreislauf eingespeist, sie werden Müll, der zunehmend die Umwelt belastet. Weiteres Wachstum ist angestrebt, auch wenn wir inzwischen wissen, dass mehr Produktion auch mehr Planetenzerstörung bedeutet. Dazu heißt es im Abspann des Kapitels Technologischer Fortschritt, dass das, was Fortschritt ist, neu gedacht werden muss.
Seit wann gibt es diese Bedenken? 1983 setzten die Vereinten Nationen eine Kommission ein, die „sich Gedanken machen sollte, wie sich unser Wirtschaften mit den Grenzen des Planeten vereinbaren lässt.“ Geleitet wurde sie von Gro Harlum Brundlandt. Die Definition, die als Grundlage für weitere Umweltabkommen gefunden wurde, lautet: „Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Im selben Jahrzehnt erhält der US-Ökonom Solow den Nobelpreis für sein Konzept von Wachstum, welches die Rolle von Erfindungen in den Vordergrund setzt, auch diejenigen, die Naturkapital ersetzen können (Substituierbarkeit). Maja Göpel erläutert, wie dies die Definition der Brundlandt Kommission verwässert, und dafür bekommt er den Nobelpreis? Auf diesem Hintergrund verstehen wir, wie etwa die US-amerikanische Firma Walmart dazu kommt, im Jahr 2018 ein Patent für eine Blütenbefruchterdrohne anzumelden: Wenn Bienen aussterben, dann können sie doch durch eine Drohne substituiert werden!
In den reichen Ländern sind Verhaltensänderungen notwendig, dazu ein Leitsatz: „Konsumiere so, wie Du Dir wünschen würdest, dass alle es tun!“ Wir haben gelernt, das Ich im Mittelpunkt zu sehen, es gelte, nun das Wir mehr zu bedenken.
Die Stärke dieses Buches ist die von der (jungen) Wissenschaftlerin gelebte Erfahrung, wie sich die Welt im letzten Vierteljahrhundert entwickelte: Sie ist in den neunziger Jahren als Freiwillige vom BUND bei einer Demonstration in Cancun dabei, als Protest gegen eine Tagung der WTO (Welthandelsorganisation). Diese war 1994 gegründet worden, als nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Vorteile einer globalisierten Weltwirtschaft formuliert worden waren.
Sie ist Geschäftsführerin des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung, und auch Mitbegründerin der Scientists for Future, die wissenschaftliche Belege für die Jugendlichenbewegung Fridays for Future liefern. Sie hat die Bildung der Oligopolisten (Marktführer mit wenig Konkurrenz) beobachtet und wissenschaftlich begleitet, die Finanzkrise, bei der Großbanken mit Steuergeldern gerettet wurden, und, und, und …
Es ist dies das erste wirtschaftswissenschaftliche Buch, das ich gerne, und bis zum Schluss, gelesen habe. Und ich habe endlich verstanden, was mich so störte, als ich vor Jahren meinen Master in Management machte: Nicht alle, nur wenige Menschen ticken so, wie sie es nach dem Menschenbild der Ökonomen tun. Im Gegenteil: Warme Herzen können einen scharfen Geist befördern!
John Constantine – Hellblazer 1
John Constantine – Hellblazer 1: „Ich bin eine Trauma-durchmangelte schizotypische Persönlichkeit. Ein aggressiv psychotisches Individuum, das an total überzeugenden Wahnvorstellungen leidet. Ich bin, kurz gesagt, etwas irre.“, so der britische Okkultist John Constantine über sich selbst. Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung, aber Constantine legt nach: „Irrsinn ist die einzige Konstante“.
Hellblazer: Am Rande des Irrsins
In Neil Gaiman’s erster Storyline zu dem Kultklassiker SANDMAN 1989 involvierte er s John Constantine, den eigentlich Alan Moore, Stephen R. Bissette, Rick Veitch und John Totleben schon 1985 für die Saga vom Swamp Thing erschaffen hatten. Simon Spurrier, der Autor vorliegender John Constantine Hellblazer Geschichte hat schon das SANDMAN Universum mit THE DREAMING wiederbelebt und erzählt nun auch die Geschichte von John Constantine, dem Okkultisten zu neuem Leben erweckt. Nach 300 Episoden seiner Soloserie zwischen 1988 und 2013 erlebte er diverse Reinkarnationen auch im Superhelden-Universum von DC. Simon Spurrier lässt ihn ins SANDMAN Universum zurückkehren und bietet einen perfekten Einstiegspunkt für Neueinsteiger und Fans. Der Dialog mit seinem Taxi-Fahrer Chas bei dem Constantine natürlich das letzte Wort behält ist jedenfalls eine gute Eröffnung für ein Abenteuer voller Überraschungen: „Du bist das Schlimmste, was mir je passiert ist, John Constantine!“
John Constantine: Saubere Tricks u.ä.
Der kettenrauchende Antiheld und Zyniker kämpft auch in vorliegendem Abenteuer erneut gegen Dämonen, Engel und alles dazwischen –¦und trifft dabei auf den jungen Zauberer Timothy Hunter. „In diesem grünen schönen Land“ präsentiert nicht nur den Haruspex, sondern auch düstere Szenen in Abbruchhäusern der Slums der ältesten Demokratie der Welt oder William Blake als Vorbild einer Comicgeneration die die düsteren Abgründe der Welt bevorzugt. „Ich gehe durch gekaufte Strassen, nah der gekauften Thems’ ich geh. Und seh in jedem Gesichte Schwäche und nur und Weh.“ Zwei weitere Geschichten in diesem Band widmen sich auch den „Sauberen Tricks“. Schönes Artwork voller abenteuerlicher Überraschungen also.
Simon Spurrier
(Original Storys: Books of Magic (2018) 14, John Constantine – Hellblazer (2020) 1-6, Sandman Universe: John Constantine – Hellblazer 1)
Zeichner: Aaron Campbell, Matías Bergara
Mit John Constantine, Timothy Hunter
2020, Softcover, Horror, 220 Seiten
ISBN: 9783741620195
23,00 €
Walden oder Leben in den Wäldern
“Das eine wenigstens lernte ich bei meinem Experimente: Wenn jemand vertrauensvoll in der Richtung seiner Träume vorwärts schreitet und danach strebt, das Leben, das er sich einbildete, zu leben, so wird er Erfolge haben, von denen er sich in gewöhnlichen Stunden nichts träumen ließ.”
Henry David Thoreau (1817 – 1862), der Havard-Absolvent und Kurzzeit-Lehrer, lernte 24-jährig den Philosophen und Dichter Ralph Waldo Emerson kennen und lebte zeitweise in dessen Haus bei Boston. Unter Emersons Einfluss entwickelte er seine reformerischen Ideen des zivilen Ungehorsams. Am Unabhängigkeitstag 1845 zog er in eine selbstgebaute Blockhütte auf Emersons Grundstück am Walden-See. Hier lebte er die nächsten zwei Jahre sein einfaches Leben in der Natur. Weiterlesen
The WHITE ALBUM. The Beatles
The WHITE ALBUM The Beatles „Whatever else it is or isn’t, it is the best album they have ever released, and only The Beatles are capable of making a better one. You are either hip or you ain’t. In short it ist he new Beatles record and it fulfils all our expectations of it“. So launisch kommentierte der Rolling Stone das Unikum „White Album“. Es war der 22. November 1968. Das einzige Doppelalbum der Beatles erscheint. Es ist ihr erstes und letztes. Und voller versteckter Botschaften.
Post-psychodelischer Minimalismus
In den ersten beiden Jahren ihrer Existenz spielten sie 279 gigs in vier verschiedenen Clubs allein in Deutschland. Das letzte offizielle Konzert fand in San Francisco’s Candlestick Park im Jahre 1966 statt. Es war die ca. 1400ste Show ihrer Karriere. Sgt. Pepper erschien im im Mai 1967 und zementierte ihren Ruf. Erst am 3. Februar 1968 kehrten die Fab Four in ihr Abbey Road Studio zurück und begannen mit den Aufnahmen für das White Album. Mit dabei war ein ungebetener Gast: Yoko Ono. Tatsächlich soll sie während der ganzen Aufnahmen dabei gewesen sein und natürlich ein gewisses Unbehagen bei den Restbeatles ausgelöst haben. „The Beatles were ‚flabbergasted’“, schreibt Brian Southall. Die unbehagliche Atmosphäre während der Sessions widerspiegle sich auch auf dem Album. „The unsettling nature of its creation resonate through almost every track“, meinte zumindest American Womack. Die meisten Songs (30-40) wurden während ihres Aufenthalts in Indien geschrieben. Aber nicht nur der Inhalt war revolutionär („Revolution Nr. 9“), sondern auch die Covergestaltung, war es doch quasi die Antithese zu dessen Vorgänger Sgt. Pepper’s Lonely Heartclub Band.
The WHITE ALBUM: 4 in 1 oder 5-4=-1
Post-psychodelischer Minimalismus hin oder her, wer ein Originalalbum mit limitierter Nummerierung in seinem Besitz hat, würde heute zwischen 790.000 (Seriennummern unter 100) und 19.000 Pfund (Seriennummer darüber) dafür bekommen. Der Designer erhielt für seinen Job übrigens läppische 200 Pfund. Andere die an der Produktion beteiligt waren Exemplare mit Seriennummern weit über 450.000. Das Stilkonglomerat (Balladen, Heavy Metal, Reggae, Avantgarde) und die unbefriedigende Komposition des Konzeptes veranlassten böse Stimmen dazu, das Album als drei Soloalben zu bezeichnen, die unter der Schirmbezeichnung The Beatles den weiteren Karriereweg der Protagonisten vorwegnahm. Nichtsdestotrotz ist das White Album immer noch das viertbeste bei den Verkäufen und das obwohl es dabei mit anderen Alben und nicht Doppelalben verglichen wird.
Der ehemalige Sportreporter Brian Southall hat nicht nur das Album “The WHITE ALBUM. The Beatles” und seine Songs in vorliegender Publikation recherchiert, sondern auch das Jahr 1968 in dem es erschien. Nach einer Vorstellung der Protagonisten und Lieder zeigt Brian Southall die Ereignisse des Jahres von Jänner bis Dezember und bettet das Album in den Kontext ein in dem es entstanden ist. Viele farbige und s/w Fotos zeigen nicht nur die beiden Athleten Tommie Smith und John Carlos im Kampf für eine bessere Welt, sondern auch andere Bands, den ersten Zombie Film oder den Star Trek in dem Cpt. Kirk erstmals eine Schwarze im Kino/TV küsst. Mit einem Vorwort von Chris Thomas.
Brian Southall
The WHITE ALBUM
Revolution, Politics & Recording: The Beatles and the World in 1968
Englische Originalausgabe/Original English Edition
Foreword by Chris Thomas
192 Seiten mit über 150 meist farbigen Fotos.
Fester Einband im Format 25 × 25 cm.
ISBN-13: 978-3-283-01287-8
€ (D): 25,– / € (A): 25,– / sFr.: 32.50
Adler und Engel
Im Drogensumpf
Das seinerzeit vielbeachtete Romandebüt «Adler und Engel» der Schriftstellerin Juli Zeh hat 2001 weithin Anerkennung gefunden. Inzwischen sind sieben weitere Romane von ihr erschienen, von allen erweist sich ziemlich eindeutig «Unterleuten» als ihr bisher bester, der Hype um den Erstling ist heute kaum mehr nachvollziehbar. Die journalistisch tätige und politisch engagierte Volljuristin ist durch Fernsehauftritte auch außerhalb des Lesepublikums bekannt, seit 2019 ist sie ehrenamtlich Richterin am Verfassungsgericht in Brandenburg. Ihre juristische Expertise nutzend ist der Protagonist ihrer melancholischen Geschichte denn auch prompt ein Karriere-Jurist.
Ich-Erzähler Max, der picklige, 33jährige Leiter der Leipziger Dependance einer Wiener Anwaltskanzlei, seit zwei Jahren mit seiner fünf Jahre jüngeren Jugendliebe Jessi zusammenlebend, erleidet ein fürchterliches Trauma. Während eines Telefonats mit der psychisch kranken Kindfrau droht sie damit, sich zu erschießen. Und tut es tatsächlich auch gleich, sie schießt sich, den Hörer in der Hand, mit einer Pistole in den Kopf. Völlig aus der Bahn geworfen, weil es ihm nicht gelungen ist, sie aus ihren ständigen Angstzuständen zu befreien, wirft er seinen gutdotierten Job hin. Er schnupft Kokain in selbstzerstörerischen Mengen und ruft schließlich verzweifelt bei einer mitternächtlichen Radiosendung an, wo live Gespräche mit aus der Bahn Geworfenen wie ihm geführt werden. Die toughe Moderatorin Clara ist sehr an seiner Geschichte interessiert, sie würde gern ihre Diplomarbeit darüber schreiben. Es gelingt ihr, ihn zu einer Reise nach Wien zu überreden, wo sie in der Nähe ein unbewohntes Bauernhaus besitzt, in dem er, vom Außenleben abgeschirmt, seine abenteuerliche Geschichte auf Band sprechen soll.
Zweisträngig wird in wilden Zeit- und Ortsprüngen abwechselnd die turbulente Vorgeschichte mit Jessi erzählt sowie die von Max und Clara bei ihrem Versuch, das Vergangene zu rekonstruieren. Jessi war die Tochter eines Drogenbosses, der den Schmuggel auf der Balkanroute und dann weiter mit Schnellbooten über die Adria organisiert hat. Dieser thrillerartige Plot verblüfft durch seine einfallsreichen Wendungen, die den Leser sehr häufig in seinen Erwartungen ziemlich überraschen. Juli Zeh erzählt ihre Geschichte in einer unterkühlten, sachlichen Sprache. Der in zwei mit Leipzig und Wien betitelte Abschnitte unterteilte Roman ist akkurat in 32 Kapitel aufgeteilt, was die Orientierung ein wenig erleichtert. Denn geradezu irrwitzig faselt Max in der Erzählung auch noch häufig im Kokain-Delirium, man ist nie ganz sicher, was davon real ist und was phantasiert.
Die Autorin hätte besser daran getan, ihren verzwickten Plot mit seiner unterschwelligen Kapitalismus-Kritik deutlich zu straffen, insbesondere die zu nichts hinführenden Nebenstränge der Handlung zu Gunsten einer stringenten Schilderung der eigentlichen Story einfach wegzulassen. Denn gerade diese überflüssigen Umwege und erzählerischen Sackgassen bewirken eine zunehmende Ermüdung beim Lesen, weil wenig passiert und man sich bald schon sehr langweilt. Die Figuren sind als Charaktere allesamt wenig glaubwürdig und tragen absolut nichts dazu bei, als Sympathieträger Aufmerksamkeit oder gar Interesse zu erwecken. Besonders störend ist, dass die drei Protagonisten Max, Jessi und Clara als menschliche Wracks dargestellt sind. Wobei Clara erst im Verlauf der Geschichte dazu wird, – warum, das bleibt völlig offen. Sie sind gleichermaßen von ständigen Schmerzen geplagt und dauerhaft bekifft, essen kaum etwas, kotzen häufig und vegetieren in einer ekelerregenden Umgebung dahin. Durch permanentes Chaos wird ein Unbehagen erzeugt, welches das Lesen zunehmend unliebsam, teils schon fast lästig werden lässt. Und allzu vieles in der Erzählung bleibt unplausibel oder völlig sinnfrei. Man könnte fast auf die Idee kommen, dass dieser eiskalte Drogenthriller in einem halluzinatorischen Rausch geschrieben wurde, wirr und irreal.
Fazit: miserabel
Meine Website: http://ortaia.de
Die drei ??? Kids: 24 Tage Chaos im Zoo
Sabotage im Wildpark
Justus, Peter und Bob, die drei ???, sind erneut in einen mysteriösen Fall verwickelt. Der schon etwas veraltete und unattraktive California Wildpark wurde vom neuen Besitzer gründlich renoviert und wiedereröffnet. Die drei ??? haben Freikarten erhalten und freuen sich auf den Besuch. Aber kaum sind sie im Wildpark, schon häufen sich die mysteriösen Vorfälle. Jemand hat absichtlich das Krokodilgehege und die Notfallschleuse des Staudamms geöffnet, sowie weitere Sabotageakte durchgeführt. Die drei ??? wittern einen neuen Fall und machen sich auf die Suche nach dem Täter.
Das Adventskalenderkonzept ist verbesserungsbedürftig
Die in sich abgeschlossene Weihnachtsdetektivgeschichte der drei ??? laden Kinder ab 8 Jahren zum Mitraten ein. Das Buch ist so aufgebaut, dass die Rätsel, Bilder, Witze, Quitzspiele, Sticker usw. sichtbar sind, während der Text mit einem Brieföffner oder einem Lineal an einer gestrichelteten Linie geöffnet werden muss. Das stärkt nebenbei feinmotorische Kompetenzen. Neben der Geschichte an sich ist also auch durch die Extras zusätzlicher Spaß garantiert.
Mein 8-jähriger Sohn hat die Extras schon fleißig gerätselt, ist dabei aber auch auf eine Schwachstelle des Buches gestoßen: Die Bilder verraten, wer der/die Täter ist/sind. Auch der Text selbst deutet schon frühzeitig an, wer hinter der Sabotage steckt. Trotzdem möchte er, dass ich ihm die Geschichte weiter vorlese, denn er will die Einzelheiten wissen. Damit sind wir schon bei der zweiten Schwachstelle: Der Text, der auf jeweils 2 Seiten komprimiert werden muss, damit er im Buch versteckt werden kann, ist für Kinder im Grundschulalter zu klein und zu eng gedruckt. Damit verliert er an Übersichtlichkeit und verspielt leider die kostbare Einladung an die potentiellen kleinen LeserInnen, die Story selbst zu entdecken.
Fazit
Für Fans der drei Fragezeichen eine nette neue Geschichte, aber leider durch ein fehlerhaftes Adventskalenderkonzept auch für Kinder durchschaubar.