A Picnic For Perverts

Der in Berlin lebende Brite Adam Fletcher schwelgt in Worten und Begriffen. Bereits beim Titel seines Buches „A Picnic For Perverts“ fragt sich der Rezensent, ob damit wohl ein gemeinsames Mahl von Perversen beschrieben wird oder der Autor den Begriff der Pervertierung verwendet und damit im übertragenen Sinne ein Picknick von Entstellten, Missbrauchten, Verdrehten, Verhunzten, Verstümmelten und Verkorksten meint. Um sicher zu gehen, befragt er den Verfasser. Der antwortet, sein Titel habe keinen Bezug zum Buch und wäre lediglich ein Hinweis auf sein ungewöhnliches Verständnis von Humor.

Dabei greift schon der erste der Texte in dem Band den Begriff „Picnic For Perverts“ auf. Es ist ein Brief an Tom Six, den Regisseur des niederländischen Horrorfilms „Der Menschliche Tausendfüßler“. In diesem unter Horrorfans heiß diskutierten Streifen näht ein verrückter deutscher Chirurg zwei Amerikanerinnen und einen Japaner, die er gefangen hält, zusammen, indem jeweils die Nase des einen in das Arschloch des anderen gesteckt wird.

Nachdem er sich während der Vorführung in eine Tüte seines Lieblings-Popcorns mit Käsegeschmack, das er bei der Gelegenheit wärmstens empfiehlt, übergeben hat, fragt Fletcher in seiner in den Brief eines begeisterten Studenten gekleideten Rezension, warum jemand ein derartig ekelhaftes und unnützes Werk in eine Welt setzt, die bestenfalls „A Picnic For Perverts“ sei. Und er ergründet den Sinn des Films, dem er unterstellt, er müsse einfach einen tieferen Sinn haben. Schließlich entdeckt er ihn in der Erkenntnis, dass wir doch alle irgendwie in die Münder unserer Mitmenschen scheißen. Wie die Charaktere des Films unlösbar aneinander geschmiedet sind, so sei die gesamte Menschheit in ihrem Schicksal miteinander verwoben.

In „Quadrup“, der umfangreichsten Geschichte des Bandes, wird der Leser auf einen weit entfernten Planeten gleichen Namens entführt. Er begegnet dem Propagandisten eines Managementprogramms gegen die Bevölkerungsexplosion, denn die Quadruper vermehren sich rasend und sollen deshalb überredet werden, auf den Planeten Erde umzusiedeln, auf dem es vergleichsweise ausreichend Raum gibt.

Nun stellt sich diese Werbeaktion für Umsiedlungswillige äußerst schwierig da, denn auf der Erde ist alles anders als auf Quadrup – und es ist vor allem aus der Sicht der lebenslustigen Planetenbewohner wesentlich schlechter. Man lebt auf der Erde eingepfercht in ein System, das sowohl die Arbeit – als auch die Freizeit reglementiert. Es ist verboten, abgesehen von den Hochburgen einiger Spezialreligionen, mehr als eine Frau zu haben. Kurz, es gibt keinen vernünftigen Grund, Quadrup zu verlassen.

So liest sich der Dialog zwischen dem Umsiedlungswerber und seinem „Opfer“ wie eine karnevalistische Büttenrede über die Unzulänglichkeit des Daseins auf dem Planeten Erde. Doch schließlich wandert wie von Zauberhand ein irdischer Schokoladenriegel in den Mund des umworbenen Bewohners von Quadrup. Und siehe da: Der Mann wechselt für den zu erwartenden Genuss der Süßigkeit in Permanenz vom Paradies in die Hölle und unterschreibt. (Hat der Autor beim Verfassen dieser Geschichte gar das Beispiel mancher DDRler vor Augen, die ihre Seele für ein Bündel Bananen verkauften?)

Auf diese Parodie folgt eine Parabel, die im dreiaktigen Bauprinzip der aristotelischen Dramatik verfasst wurde: Das Schaf Trudy, wer möchte es im verwehren, macht sich nach zehn Jahren gedankenlosem Grasen Sorgen um seine Zukunft. Es macht sich auf den Weg zu Periwinkels Farm, um sich einem Vorstellungsgespräch zu stellen. In modernen Zeiten einen Job als Schaf in einer Schafherde zu finden, ist schwer, und Trudy zittert vor dem Bewerbungsausschuss, dem sie sich stellen muss. Zusätzlich verunsichert wird sie durch Jimmy, einen Gorilla, der ebenfalls den Job haben möchte, weil Gorillas aus der Mode gekommen sind und ihr Habitat weitgehend vernichtet wurde.

Vor dem unerbittlichen Prüfungsausschuss hinterlässt Trudy keinen besonders günstigen Eindruck. Sie kann zwar enorm viel Gras fressen und Wolle produzieren und entspricht damit den formalen Anforderungen der Stelle. Leider weiß sie jedoch weder etwas über die Geschichte und Bedeutung der Farm noch hat sie als Herdentier je zuvor spezielle Führungseigenschaften bewiesen. Auch als Teammitglied hat sie nie ein anderes Ziel verfolgt, als mit den anderen gemeinsam Gras zu vertilgen.

Sammy, der Gorilla, hat sich hingegen zuvor im Internet über die Farm informiert und kann einen ausführlichen Vortrag halten, der in einem verlogenen Lobgesang auf die dort produzierten Eier mündet. Er kann ein wichtiges Zertifikat in Schafkunde vorweisen, wenngleich er eingestehen muss, dass er keine Wolle auf seinen Körper wachsen lassen kann, obwohl er über das Thema des Wachstums von Schafwolle auf Körpern promoviert hat. Zusätzlich kann er hervorragende Führungseigenschaften vorweisen und beantwortet die Frage der Kommission nach seinen Schwächen mit „Übereifer“ und „Arbeitswut“.

Keine Frage. Der Job als Schaf geht an Jimmy, den Gorilla. Trudy, das Schaf, sucht sich darauf einen Job in einem Wolfsrudel, dem sie als Lockvogel dient. Als das Rudel erfährt, dass auf Periwinkels Farm ein besonders riesiges Schaf weidet, wird der Bauernhof überfallen und Trudy trifft ihren einstigen Mitbewerber wieder, der in einem übergroßen weißen Wollmantel versucht, einen guten Job als Schaf zu machen. Als Trudy ihm von ihrer Mission erzählt, weist Jimmy sie fassungslos darauf hin, dass er ein Gorilla sei, den Wölfe nicht mögen. Sie verspricht ihm, sein Geheimnis zu wahren und gibt ihr Bestes, in ein Geheul einzustimmen, das die Meute zum Festmahl ruft …

Mal absurd, mal philosophisch geht es auf diese Weise weiter in Fletchers kruder Zusammenstellung. Er liefert Hochgenuss für den, der schwarzen Humor liebt und Freude am akrobatischen Spiel mit Worten hat. Mir hat die Lektüre enorm viel Spaß geschenkt, es ist eines der abwechslungsreichsten Bücher, die mir in jüngerer Zeit vor die Füße gefallen sind, wenn auch mein Englisch dem Sprachwitz des Autors nicht immer standgehalten hat.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Humor und Satire
Illustrated by nicht-soooooooooo-schlecht–verlag Berlin

Handbuch für Autorinnen und Autoren

Zugegeben, ich bin ein klein wenig befangen, da ich selbst einen Artikel zu dem Handbuch beigesteuert habe. Doch davon einmal abgesehen, habe ich erst im Ergebnis gesehen, was Sandra Uschtrin Wertvolles zusammengetragen hat: Entstanden ist ein Handbuch von hohem Nutzwert für jeden, der schreibt und auf der Suche nach einem Verlag oder einer Verwertungsmöglichkeit ist.

Bei der nächsten Auflage, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt, wird wohl das Self-Publishing im E-Book-Bereich eine große Rolle spielen dürfen. Dieses Thema wird in der vorliegenden 7. Auflage allenfalls gestreift. Vollkommen vernachlässigt werden Autoren-Plattformen, Literaturzeitschriften und Rezensionsportale im Web, die gerade für Anfänger eine wichtige Rolle spielen.

Unter dem zuletzt genannten Aspekt ist mir der Wälzer allzu einseitig papierorientiert. Schon deshalb hoffe ich auf die nächste Ausgabe.


Genre: Lexika und Nachschlagewerke
Illustrated by Uschtrin München

Meine Preise

Wer Thomas Bernhard von seiner witzigen Seite kennenlernen möchte, der ist mit dieser Persiflage auf Verleihungen diverser Literaturpreise an den schreibenden Genius aus Gmunden bestens bedient.

25 Jahre seines Lebens stiefelte Bernhard in denselben Klamotten durch die Gegend. Er trug sie daheim, unterwegs und auch bei gesellschaftlichen Ereignissen: Dies waren ein knallroter Schafswollpullover, den ihm ein gut gelaunter Amerikaner nach dem Krieg geschenkt und der schon fast alle Städte der Welt gesehen hatte sowie eine graue Hose aus Wolle. Doch am Tag, an dem ihm in der Akademie der Wissenschaften der Grillparzer-Preis verliehen werden soll, entschließt sich der Meister wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung, seine Lieblingsboutique „Sir Anthony“ aufzusuchen und einen Reinwollanzug in anthrazit anzuschaffen. Er wählt dazu passende Socken, ein graublau gestreiftes Hemd und eine Krawatte und behält die Neuerwerbungen gleich an. Die dienstbaren Geister der Kleiderstube packen seine alten Klamotten in eine Tüte mit Werbeaufdruck und Bernhard zieht fein ausgestattet von dannen.

Im Foyer der Akademie, in der ihm der Preis verliehen werden soll, hält er Ausschau nach einer Persönlichkeit, die ihn begrüßt – doch niemand beachtet ihn. Er geht in Begleitung seiner Tante in den Festsaal, in dem die Musiker bereits ihre Instrumente stimmen. Niemand kommt, ihn in Empfang zu nehmen und zu seinem Platz zu begleiten. Schließlich quetscht er sich in eine hintere Sitzreihe und beobachtet amüsiert die wachsende Unruhe, die Festkomitee und Veranstalter befallen. Alle scheinen jemand zu suchen. Bernhard weiß auch, wer das ist.

Endlich wird man auf ihn aufmerksam, stürzt herbei und bittet ihn in die erste Reihe. Bernhard besteht nun darauf, vom Festpräsidenten persönlich gebeten zu werden. Der platziert ihn neben die Kultusministerin, die ob der folgenden Elogen auf Grillparzer bald einschläft und „das bekannte Ministerschnarchen“ anstimmt. Bernhard nimmt die Auszeichnung entgegen, sagt aber einfach nur „Danke“ statt große Reden zu schwingen und verlässt die Veranstaltung, ohne dass es jemand bemerkt. Selbstbewusst geht der frisch gekürte Preisträger zu „Sir Anthony“ zurück und gibt den Anzug, der ihm plötzlich viel zu klein zu sein scheint, wieder zurück.

Andere Preisverleihungen an Thomas Bernhard gingen weniger glimpflich ab und motivierten ihn zu Schmähreden über die österreichische Ministerialbürokratie, unfähige Kulturbeamte und großkopferte Literaturfunktionäre. Er schaffte es mit seiner unvergleichlich trockenen Art, Preise und Auszeichnungen abzuräumen und gleichzeitig mit seinen Reden die offiziellen Gäste zum fluchtartigen Verlassen der Feststätten zu bewegen. In seiner Prosa liest sich das alles wie eine große Posse, wie Realsatire, die einem phantasiebegabten Hirn entspringt. Doch weit gefehlt: Bernhard erzählt nur unbekümmert, wie es zu dem ein oder anderen Eklat kam und stellt gerade damit sein unvergleichliches Talent unter Beweis. Spannend ist es schließlich, zu den Prosatexten die zugehörigen Festreden zu lesen, die dem Bändchen beigefügt sind.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Suhrkamp Frankfurt am Main

Durch ein Jahrhundert geweht

Elf Gedichte hat Elsa Rieger versammelt, die sie zum Familienbuch anordnet. Beginnend anno 1909 mit ihrer Großmutter, einer Gutsverwaltertochter aus dem Lande Rübezahls, ordnet sie anhand von markanten Jahreszahlen lyrische Blitzlichter.

Die Autorin erzählt von der wilden Zwanziger Jahren, in denen ihre Mutter aufwuchs, die dann 1939 dem zweiten Weltkrieg ins Auge blicken musste. Der endete für sie mit dem Einzug der russischen Befreier in Wien und der großen Lüge, auch nur einer habe für den Gröfaz aus Österreich den Arm ausgestreckt.

Zwischen „Heil“ und „Shalom“ erblickte die Autorin 1950 selbst das Licht der Welt, halb jüdisch, halb arisch. Mit 16 sieht sie in Gestalt von Jimi Hendrix die vermeintlich große Freiheit, um dann in den Iden des März 1974 ein Kind des Rock´n´Roll zur Welt zu bringen.

1985 stirbt der Papa – nur seine Brille erinnert noch an ihn. Fünf Jahre später hat sich der gewaltsam geteilte Himmel wieder geschlossen. Berlin tanzt auf den Resten der Mauer, und es beginnt eine vermeintlich bessere Zeit.

1999 zieht die Autorin ein Resümee ihrer Betrachtung von Großmutter, Mutter und Tochter: Drei Frauen haben sich behauptet. Mit einem Lächeln schaut die Dichterin zurück.

Elsa Rieger ist mit ihrem kleinen, nachdenklich stimmenden Gedichtband Großes angegangen. Wo andere Autoren ein dreibändiges Prosawerk schreiben, um Familiengeschichte generationenübergreifend schildern zu können, greift sie auf die gebundene, rhythmische Sprache zurück und belichtet Momentaufnahmen. – Ein interessantes Experiment!


Genre: Lyrik
Illustrated by Kindle Edition

Elisabeth II. Keine Komödie

Die Queen kommt nach Wien. Gegen Mittag wird die britische Königin Elisabeth II. in der Wiener Innenstadt erwartet. Vom Balkon des 87jährigen greisen Großindustriellen Herrenstein möchten sich auf Einladung seines Neffen Victors rund 40 Gäste das Ereignis ansehen.

Rudolph Herrenstein, durch einen Autounfall an den Rollstuhl gefesselt, ist ein Grantler und Menschenfeind. Der Waffenhändler lebt mit seinen Diener Richard und seiner Hausangestellten in einer riesigen Wohnung, in deren Musikzimmer auch ein Bösendorfer steht und ist jedem Besuch abgeneigt. In einer gewaltigen, sich ständig steigernden Schimpfkanonade zieht er über seine Gäste, über Wien, Österreich, Musik, Literatur und Kunst her.

Als endlich die Königin mit Verspätung naht, stürzen die inzwischen 90 Gäste auf den Balkon und winken mit dem Union Jack. Unter ihrer Last kracht der gesamte Balkon drei Stockwerke tief zu Boden und verschwindet in einer Staubwolke. Lediglich der Alte und sein Diener überleben.

Thomas Bernhard hat dieses tragikomische Stück zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlicht und seine Aufführung nicht mehr erlebt. Monologartig kotzt die zentrale Figur Herrenstein seinen gesamten Abscheu über Gott und die Welt aus sich heraus. Der Protagonist nimmt unter anderem auch Bezug auf verschiedene Komponisten und erklärt, Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ sei die einzig genießbare Musik, während er bei der Aufführung von Johannes Brahms traditionell die „schwarze Fahne“ hisst. Goethe und Kleist zählen zu den wenigen Literaten, die ihm etwas gelten. Schopenhauer und Nietzsche seien Philosophen, mit denen er „in Urlaub“ fahren könne.

„Elisabeth II.“ ist ein großes Stück Bernhardscher Rhetorik, eine prächtige Suada, welche die Wortgewalt des Gmundener Dichters belegt.


Genre: Theater
Illustrated by Suhrkamp Frankfurt am Main

Mit der E-Zigarette zum Nichtraucher

Dank reiner Willenskraft bin ich vor Jahrzehnten vom Rauchen losgekommen und habe mich im Laufe der Jahre zu einem passionierten Nichtraucher entwickelt. Ich freue mich heute, nicht mehr in stinkigen Restaurants sitzen und meine Klamotten nach einem Lokalbesuch von kaltem Rauch befreien zu müssen. Meine Finger sind nicht mehr gelb, meine Kondition hat sich wesentlich verbessert, das Rasseln in den Atemwegen ist verschwunden. Dennoch gestehe ich, das Thema E-Zigarette anziehend zu finden!

Die E-Zigarette ist ja eigentlich keine Zigarette im klassischen Sinne. Sie ist ein Lifestyle-Spielzeug und wird mittlerweile auf jeder besseren Party vorgeführt. Deshalb war ich neugierig auf das Buch von Boris Maggioni zum Thema und habe es in einem Schluck »verdampft«.

Der Autor versteht es auf unterhaltsame Art, seinem Leser das Thema näher zu bringen. Gleich zu Beginn seines Sachbuches weist er auf die eigentlichen Gefahren der neumodischen Dampfmaschine hin: Das sind die kleinen Fläschchen mit der konzentrierten Flüssigkeit, mit denen die Geräte befüllt werden. Das Zeug ist, wird es pur genossen, aufgrund der extrem hohen Nikotinkonzentration absolut tödlich, und ich sehe schon die Kriminalliteraten der nahen Zukunft, die Morde durch »Liquids« (so der Fachbegriff) ausführen lassen.

Boris beschreibt ausgehend von der Warnung vor dem puren Genuss dieser Tinktur sehr genau alles, was man beim Umstieg in das E-Rauchen beachten muss: die unterschiedlichen Gerätschaften von der Einwegzigarette bis zum komplizierten Verbrennungskolben mit Ansaugautomatik und Bedienknöpfchen. Er listet ausführlich Vorteile, Nachteile und Risiken der verschiedenen Techniken auf und kommt dann wieder zum eigentlichen Problem der E-Zigarette. Das sind die Tinkturen, von denen keiner genau weiß, auf welchen chinesischen Giftmülldeponien sie von geldgierigen Pfuschern zusammen gepantscht werden.

Insofern ist dieses Buch eine sachlich-kritische Einführung in das Thema. Es sollte von jedem gelesen werden, der sich vom Raucher zum »Dampfmann« umschulen will.


Genre: Gesundheit
Illustrated by Kindle Edition

Divina commedia

Ein mächtiges Maß legt Autor Norman Nekro an, wenn er mit den drei in diesem Buch versammelten Episoden um Tod und Wiedergeburt direkt auf Dantes “Göttliche Komödie” und damit eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur Bezug nimmt.

Wie bei Dantes “Divina Commedia” macht der Leser auch bei Nekro eine Reise durch drei Reiche der jenseitigen Welt. Er führt ihn durch die Hölle, in der die Sünder in ewiger Verdammnis büßen, durch das reinigende Fegefeuer bis zum Paradies.

Schrieb Dante seine Erzählung in symbolisch arrangierten, gereimten Elfsilblern, die bei der abstoßenden Beschreibung der Hölle beginnt und bei den Freuden des Paradieses endet, so bedient sich Nekro der Prosa.

Der Autor beginnt mit der rabenschwarzen Betrachtung eines Unfallopfers, in dessen Eingeweide sich soeben das Blech einer herrlich metallic-orangefarbenen Motorhaube gefressen hat.

Er schildert einen Heiligabend auf der Intensivstation, wo ein zwölfjähriger Junge, den ein Gewirr von Schläuchen, Kanülen und Kabeln ans Bett fesselt, in andere Sphären gleitet.

Den poetischen Höhenflug aber liefert Nekros Beschreibung des Tanzes eines Pfauenauges zur Sonne. Er beschwört Himmel und Erde ebenso wie die glühende Farbenpracht des nahen Waldes oder das archaische Rot der reifen Äpfel. Die ganze Welt besteht für den Falter nur noch aus reiner Seligkeit, er erlebt seinen irdischen Garten Eden. Ermattet und glanzlos sinkt er schließlich zu Boden, stumpf, grau und leblos ähnelt er dem verwelkten Blatt, das der kräftig auffrischende Wind gerade vorbeiweht. Mit einem Seufzer schließt der Schmetterling die Augen und dämmert hinüber in die Unendlichkeit des himmlischen Paradieses.

Allein für diese letzte Geschichte lohnt sich der Erwerb des Buches.


Genre: Kurzprosa
Illustrated by Kindle Edition

Der Todestagsverkäufer

Einer der angesehensten Bürger einer Stadt findet sich plötzlich im Hinterzimmer einer Kneipe wieder, um sich von einem zwielichtigen Quacksalber die Stunde seines Todes vorhersagen zu lassen. Magus Mortemer eröffnet seinem Kunden gegen einen prall gefüllten Beutel mit fünfzig süddeutschen Gulden, dass er bereits zwei Tage später das Zeitliche segnen wird. Und tatsächlich: Gevatter Tod schlägt auf die Minute genau zu.

Nachdem auch ein weiterer Städter mit seiner exakten Sterbestunde konfrontiert wird, zieht dieser Professor Froebius zu Rate, der auf vorsätzliche Giftmorde tippt. Doch die Sache ist weitaus vertrackter, es scheinen teuflische Mächte im Spiel zu sein, mit denen der geheimnisvolle Wahrsager verbündet ist.

Froebius schleicht sich in das Hotelzimmer des seltsamen Sehers und entwendet ein mysteriöses Buch, auf den ihn eine Erscheinung aus anderen Sphären hinweist. Damit versucht er, dem Todesboten auf die Schliche zu kommen. Doch der durchschaut den Arzt und schlägt ihn in seinen Bann …

Norman Nekro legt mit diesem Buch den dritten Teil seiner Reihe um den Medicus Froebius vor. Es ist das mit Abstand stärkste Abenteuer, das der ehemalige Militärarzt, der anno 1818 in einer hessischen Kleinstadt praktiziert, bestehen muss. Der Autor ist mit seinem Helden gewachsen, seine Geschichte ist brillant geschrieben, dramaturgisch erstklassig gebaut und historisch stimmig. Ein spannendes Lesevergnügen zur Geisterstunde!


Genre: Historischer Roman
Illustrated by Kindle Edition

Leiden Sie an Nomophobie?

Nomophobie? Schon wieder ein neuer Begriff, eine seltene Krankheit, eine ausgefallene Mode?

Kirsten Wendt hilft weiter: Nomophobie ist ein Kunstwort aus dem englischsprachigen Raum und eine vom UK Post Office geprägte Abkürzung für “‘No Mobile Phone – Phobia'”, wörtlich “Kein-Handy-Angst”‘. Als Nomophobie bezeichnet man die Angst, mobil unerreichbar für soziale und geschäftliche Kontakte zu sein. Es geht also um jene brandaktuelle Erkrankung des Zeitgeistes, der uns an allen Ecken und Kanten mit dem Handy am Ohr begegnet.

Die Autorin verrät dem Leser ihres Buches zum Thema zwar nicht, ob sie selbst zu den Handysüchtigen zählt. Vielleicht besitzt sie nicht einmal einen sprechenden Knochen, wie Catweazle, der aus dem Mittelalter in die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts katapultierte Zauberer in der gleichnamigen TV-Serie der BBC das schnurlose Telefon nannte. Jedenfalls hat sie sich mit dem Thema ausführlich beschäftigt. Was dabei herausgekommen ist, lässt sich in ihrem Elektrobuch nachlesen.

Dabei erweist sich Kirsten Wendt als geübte Erzählerin, die locker und launig selbst schwierige Themen in den Griff bekommt, und so bleibt sie auch nicht beim Thema Handysucht stehen. Vielmehr schlägt sie einen Bogen über Winkefleisch, Jugendsprache und Migräne bis hin zur Sexsucht. Wie sie es schließlich sogar schafft, Nomophobie und Nymphomanie zu verknüpfen, das soll hier nicht verraten werden. Dazu muss man/frau schon selbst dieses kleine Büchlein lesen.


Genre: Gesundheit
Illustrated by Kindle Edition

Öffentlichkeitsarbeit für Autorinnen und Autoren

Im ersten Abschnitt seiner dem Thema Öffentlichkeitsarbeit für Autorinnen und Autoren gewidmeten mehrteiligen Arbeit befasst sich Autor Roland Zingerle mit den Grundschemata der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Zingerle bestimmt dazu den Begriff des “Mediums” als Mittler zwischen Sender und Empfänger und mit diesem Dreiermodell die Keimzelle dessen, was gemeinhin als ‘Kommunikation’ bezeichnet wird. Er differenziert Kommunikationsmedien und Massenmedien und erläutert, dass es darum gehe, mit Hilfe der Massenmedien auf die jeweiligen Kommunikationsmedien aufmerksam zu machen.
Um nun ein Medienunternehmen davon zu überzeugen, über eine Buch oder eine Veranstaltung zu berichten, muss ein Autor die Vorteile aufzeigen, die sich daraus für das Massenmedium ergeben. Schließlich möchte er keine Anzeigen bezahlen, sondern die Berichterstattung kostenlos haben. Dazu sind zwei entscheidende Fragen vorab zu klären, die letztlich Gegenstand der Öffentlichkeitsarbeit sein müssen: Welches Ziel verfolge ich mit meiner Öffentlichkeitsarbeit? und Wer sind meine Zielgruppen? Dazu stellt Zingerle praktische Fragen, die helfen, diese zentralen Aspekte positiv zu beantworten.

Im zweiten Abschnitt befasst sich der Autor mit Aufbau und Arbeitsweise von Medienunternehmen.
Zingerle unterscheidet zwischen der Aufbauorganisation, also der hierarchischen Struktur, sowie der Ablauforganisation eines Medienunternehmens, das sind jene Prozesse, die in der Alltagsroutine ablaufen müssen, um ein reibungsloses Erreichen des Tagesziels zu gewährleisten. Er geht von einem klassisch durch Anzeigen finanzierten Printmedium aus, wenn er die drei tragenden Säulen Redaktion, Anzeigenverkauf und Administration definiert.


Im dritten Abschnitt behandelt Roland Zingerle die Planung klassischer Öffentlichkeitsarbeit.
Danach sollte sich ein Autor erst einmal klar machen, welche Aktivitäten er in welchem Zeitraum umsetzen will. Möchte er nur sein Buch präsentieren oder auch eine Lese-Tournee abhalten? Dazu zählt weiter eine Vorstellung, in welchem Zeitraum bestimmte Ziele umgesetzt werden sollen und welche finanziellen Mittel hierfür aufgewendet werden können.
Zingerle gibt dann konkrete Hilfestellung bei der Kontaktaufnahme mit Medienunternehmen. Er nennt Kritierien für die Auswahl der Ansprechpartner und gibt Ratschläge für das richtige strategische Vorgehen bei der Kontaktaufnahme.

Im vierten Abschnitt befasst sich Zingerle mit Stilfragen klassischer Öffentlichkeitsarbeit.
Dazu skizziert er im Schweinsgalopp das Einmaleins der Journalismus, zu dem unter anderem die berühmten “W-Fragen” zählen. Er erwähnt, was in keine Pressemeldung gehört wie Negativ-Botschaften, persönliche Meinungen und Schmähungen. Schließlich beschreibt er den Aufbau eines redakionellen Artikels.
Ausführlich beschäftigt er sich anhand zahlreicher Bildbeispiele mit Grundregeln der Pressefotografie, da eine anspruchsvolle Öffentlichkeitsarbeit ohne Foto-Material undenkbar sei.

Im fünften Abschnitt behandelt Roland Zingerle die Schule des Sprechens.
Der Verfasser geht dabei davon aus, dass Autoren Öffentlichkeitsarbeit in erster Linie betreiben, um ihre Lesungstätigkeit bekannt zu machen. Dazu möchte er dem Leser Einblick in das Handwerk des Sprechers gewähren.
Über Grundsätzliches zur Lautbildung kommt Zingerle zu konkreten Schnellsprechübungen, um die Zungenfertigkeit des Leser auf die Probe zu stellen. Er empfiehlt Übungen zum Gefühlsausdruck und gibt schließlich Verhaltensregeln zum Sprechen in der Öffentlichkeit. Abschließend nennt er sieben Punkte, die einen guten Rezitator ausmachen.

Schließlich befasst sich der Autor mit der organisatorischen Durchführung einer Lesung.
Sinn und Zweck einer Autorenlesung ist, ein Buch zu präsentieren und möglichst oft zu verkaufen. Das gelingt nur, wenn die Zuhörer durch den Vortrag positiv beeindruckt und neugierig gemacht werden. Zingerle nennt dazu verschiedene Maßnahmen, die helfen können, den gewünschten Zweck zu unterstützen und einen möglichst durchschlagenden Erfolg zu erreichen.
Der Band gibt auch Informationen über die Pflichten des Veranstalters, über Terminfragen, Audiotechnik und Beleuchtung bis hin zur konkreten Ablaufplanung.


Genre: Ratgeber
Illustrated by Kindle Edition

Wie der Mensch zum Schluckauf kam

Dieses Büchlein ist unterhaltsam und kann als Partyspaß oder für einen Mini-Wissenstest eingesetzt werden. Ob damit nützliches Wissen vermittelt wird, muss jeder Leser für sich beanworten.

Systematisch wird jedenfalls nichts aufgearbeitet, es gibt weder Rubriken noch eine erkennbare Ordnung in dem Buch. Dass zudem beim E-Book auch noch ein Inhaltsverzeichnis fehlt, führt für mich zu einem klaren Abzug von einem Punkt. Derartiges ist bei einem Elektro-Sachbuch nun wirklich ein Muss.

Einen weiteren Punkt ziehe ich für den unverhältnismäßig hohen Preis ab. Die Antworten auf die bisweilen durchaus amüsanten Fragen (\”Welche Oper entstand mit Hilfe einer Badewanne?\”) sind stets auf zwei bis drei kurze Sätze reduziert und können insofern nur vages Wissen vermitteln. Von Brockhaus erwarte ich sehr viel mehr Tiefgang!

Bezogen auf den Verlag und die damit verbundenen Erwartungen an seine Bücher fällt mir ein chinesisches Sprichwort ein: \”Begibt sich der Drache in seichtes Wasser, wird er schnell zum Gesprött der Krabben.\” Will sagen: Brockhaus sollte sich besser nicht im Trivialen bewegen, sondern dort bleiben, wo das Unternehmen daheim ist: im Meer des Wissens.


Genre: Lexika und Nachschlagewerke
Illustrated by Brockhaus Leipzig und Mannheim

Traumziel Buch und wie Sie es erreichen

Setzen sich drei bekannte Namen der Verlagsszene zusammen, um den gefühlt 300. Ratgeber für Autoren zu schreiben, die auf der Suche nach einem Verlag sind, dann darf der interessierte Leser Großes erwarten. Wolfgang Ehrhardt Heinold zählt zum Urgestein des deutschen Verlagswesen und ist als Fachautor durch seine Werke “Bücher und Büchermacher” sowie “Bücher und Buchhändler” einschlägig bekannt. Martin Julius Bock wirkt als Unternehmensberater für Verlage und hat zahlreiche Verlagsverkäufe initiiert und begleitet. Prof. Dr. Peter Lutz ist Verfasser des Standardwerks “Grundriss des Urheberrechts” und als Jurist kompetent in allen Fragen rund um den Verlagsvertrag.

Die drei Autoren verstehen ihr Gemeinschaftswerk “Traumziel Buch und wie Sie es erreichen können” als Workout, das den Autor fit machen will für den Weg vom Manuskript zum eigenen Buch. Ihr Fitnesse-Studio untergliedern sie in 24 Trainingsstunden.

Interessanterweise startet der Parcours nicht mit einer Bestandsaufnahme der Autorenszene in Deutschland oder des Verhältnisses von eingesandten zu veröffentlichten Manuskripten, also dem Vergleich von Traum und Wirklichkeit. Die Autoren unterstellen vielmehr, dass für viele Menschen das Buch ein Traumziel ist, das es zu erreichen gilt. Sie untermauern dies mit einem Abriß der Kinderbuchautorin Heidemarie Brosche, die ihren Traum vom Büchermachen schildert. Sofort danach geht das Trio in die Vollen, damit sich die Türen für den Buchmarkt für diejenigen Leser öffnen, die ein abgeschlossenes Manuskript in Händen halten.

Nach einem Chrashkurs Urheberrecht werden grundlegende Kenntnisse über die unterschiedichen Verlagstypen unter dem Aspekt vermittelt, was ein Autor von ihnen jeweils erwarten kann. Es werden die Unterschiede zwischen Push- und Pull-Marketing und die Werkzeuge des Buchvertriebs dargestellt sowie die Funktionsweise des Buchhandels erläutert. Gewicht wird den vier verlegerischen Hauptgeboten beigemessen: eindeutige Identifizierbarkeit von Unternehmen und Produkt, fehlerlose bibliografische Erfassung, zweifelsfreie Titelkennzeichnung und Teilnahme am buchhändlerischen Verkehr.

Zum Krafttraining bitten die Trainer den Leser, wenn es ums Geld geht. Ausführlich werden die verschiedenen Honorararten von Vorschüssen der Verlage über Druckkostenzuschüsse bis hin zum Selbstverlag dargestellt. Bei letzterem verwenden sie Zahlen aus Werbeprospekten der Libri-Tochter Book on demand, die Autoren u.a. 380 Euro Einnahmen aus Ausschüttungen der VG Wort versprechen. Hier hätte ein wenig Recherche schnell zu anderen Ergebnissen geführt.

Das gilt auch für die Bezugsgröße des Autorenhonorars in Höhe von zehn Prozent auf den um die gesetzliche Mehrwertsteuer bereinigten Ladenpreis eines Buches: Die überwiegende Mehrheit der deutschen Autoren muss sich mit einem Honorar von sechs bis acht Prozent auf den Netto-Verlagsabgabepreis bescheiden – und der beträgt rund die Hälfte des Ladenpreises. Anspruch und Wirklichkeit sind unterschiedliche Seiten einer Medaille. Doch gerade an seiner Verankerung in der täglichen Realität misst sich letztlich der Wert eines Autoren-Ratgebers für denjenigen, der konkret damit arbeiten will.

Ob sich mit dem in dem Werk vermittelten Wissen tatsächlich die Pforten der Verlage für suchende Autoren öffnen, mag dahingestellt bleiben. Denn im Training wird nicht verraten, in welcher Präsentationsform der Verfasser sein Werk anbieten soll. Es werden weder Exposé, Klappentext noch Leseprobe trainiert, die doch die eigentlichen Türöffner sein sollten, bevor später im Erfolgsfall über Verträge verhandelt wird. Es gibt auch keine Hilfestellung gegeben, wie beispielsweise die richtigen Ansprechpartnern in Verlagen ermittelt werden können.

Konkret zielt die Veröffentlichung damit auf diejenigen, die bereits einen Verlag gefunden haben und mit diesem in konkreten Verhandlungen stehen. Für exakt diese Zielgruppe ist “Traumziel Buch und wie Sie es erreichen”ein hervorragendes Fachbuch, das fundierten Einblick in die Betriebswirtschaft von Verlagen gibt und kundig hilft, Verlags- und Agenturverträge en detail zu verstehen. Man könnte es auch als flüssig geschriebenes Lehrbuch für den angehenden Verlagskaufmann sehen, der dieses Wissen beherrschen sollte.

Aber: Es ist ein Anachronismus, dass dieses Trainingsbuch ein Jahr nach Einführung des Kindle in Deutschland erscheint, ohne die Beeinflussung der Szene durch die epochalen Entwicklungen der letzten Jahre auch nur im Ansatz zu spiegeln. Das Werk reduziert das Thema auf klassische Holzbücher und streift das Elektrobuch lediglich am Rande. Dabei ist absehbar, dass Digital Print nicht nur einholt, sondern sehr bald überholen wird. Schon die spannende Ausgangsfrage, was denn in der Nach-Gutenberg-Ära eigentlich ein Buch ist, wird ignoriert. Auch das vollkommen veränderte Leseverhalten durch die Einführung von iPad und E-Book-Lesegeräten bleibt ausgeblendet, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen.

Wir erleben derzeit den beginnenden Umbruch des Marktes, der weitreichende Folgen für alle Beteiligten im Verlagswesen haben wird. In 2011 haben sich immerhin mehr als 10.000 deutschsprachige Autoren entschlossen, ihre Werke direkt und ohne verlegerische Hilfe als Elekrobücher mittels Kindle Desktop Publishing (KDP) heraus zu geben. Autoren wie Jonas Winner haben aus dem Stand heraus Bestseller wie “Berlin Gothic” vorgelegt, von denen ohne einen Cent Werbeeinsatz 58.000 Exemplare verkauft wurden. Winner wurde übrigens inzwischen von Amazon weltweit unter Vertrag genommen, seine Bücher werden künftig auch in gedruckter Form über Amazons hauseigene Verlage erhältlich sein.

Begriffe wie Social Media, Social Communities, Blogs, Facebook, Twitter, LovelyBooks & Co bestimmen heute die Diskussion zwischen Autoren. Heinold, Bock und Lutz erwähnen dies nicht einmal. Damit hinken sie ähnlich wie die meisten deutschen Verlage der Entwicklung hinterher statt sich auf die Seite der Early Adoptors zu schlagen. Dabei findet derzeit ein Paradigmenwechsel ohnegleichen statt, denn das neue Medium ist sehr viel demokatischer und hebt die Gatekeeper-Rolle der Verleger, die ja in erster Linie pekunär und dann erst geschmacklich bestimmt ist, auf. Schließlich wird das Traumziel Buch damit auch sehr viel leichter erreichbar als es in der Gutenberg-Ära möglich war, auf die sich der Ratgeber reduziert.

Schon im Jahre Eins der Kindle-Zeitrechnung zeigte sich, dass die Welt der Bücher durch E-Books umbrochen und neu sortiert wird. Bedrucktes Papier wird zunehmend abgelöst von elektronischen Medien, die über das Internet empfangen werden. E-Paper und E-Books befreien das bislang auf Papier gefangene und in eine Linearität gepresste Wissen. Technik ermöglicht eine dynamische Wissensvermittlung, die zwar nicht völlig kostenlos, jedoch wesentlich preiswerter und vor allem sehr viel ökologischer erfolgt als bisher. Medienwissenschaftler sprechen bereits vom Untergang der durch den Erfinder des Buchdrucks im 15. Jahrhundert begründeten “Gutenberg-Galaxis”.
Wir erleben derzeit die Ära des selbstbestimmten Publizierens. Erstmals in der Geschichte des geschriebenen Wortes gewinnen Autoren: Sie können im Ergebnis der digitalen Revolution zensurfrei am Markt teilnehmen. Aus Bittstellern, die bislang an den Toren der etablierten Verlage kratzen und sich im Erfolgsfall deren geschmacklichen und ökonomischen Vorgaben anpassen mussten, sind über Nacht selbstbewusste Publizisten geworden. Autoren werden zu Herren ihres eigenen Schicksals und erlösen Tantiemen, die ihnen kein klassischer Buchverlag in dieser prozentualen Höhe bietet. Träume werden tatsächlich wahr.

E-Booker benötigen keine Agenten, Lektoren und Verleger. Sie kommen ohne die klassischen Torwächter eines vermeintlichen Zeitgeistes aus. Sie machen ihr eigenes Ding, über dessen späteren Erfolg die Leserschaft entscheidet. Die Stunde der verlagsunabhängigen Indie-Autoren (von independent = unabhängig) hat auch in deutschen Landen geschlagen. Autoren übernehmen von Verlagen einen Teil der Schlüsselgewalt. Einige Kommentatoren prophezeien sogar eine baldige Götterdämmerung der herkömmlichen Verlagswelt.

Was auch immer geschieht: Times are changing … und das sollte sich unbedingt auch in einem Autoren-Ratgeber aus dem Jahre 2012 spiegeln. In dieser Hinsicht hätten sich die Autoren vor der Veröffentlichung besser erst einmal selbst coachen lassen sollen.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Ratgeber
Illustrated by Uschtrin München

Berlin Gothic

Im Prolog seines Berlin-Thrillers setzt Jonas Winner mit drei Blitzlichtaufnahmen auf Horror, Gewalt und Sex: Till Anschütz erwacht in einer Folterkammer und erfährt, umoperiert worden zu sein; Kommissar Konstantin Butz inspiziert den Torso einer Frau, die mit einem Akkubohrer verstümmelt wurde aber noch letzte Lebenszeichen gibt; Fotografin Claire Bentheim lichtet einen blutigen Boxkampf ab und lässt sich danach mit dem Sieger ein.

Während der Autor offen lässt, welchen Torturen Till ausgesetzt ist, inspiziert Kommissar Butz den Fundort der verstümmelten Frau. Er entdeckt einen verborgenen Tunnel in eine unterirdische Welt und wird dabei fast verschüttet. Seine Lebensgefährtin Claire wird derweil von dem liebestollen Boxchampion Frederik bis in ihre Wohnung verfolgt.

Winners eigentliche Geschichte beginnt zwölf Jahre früher: Till flieht aus dem Kinderheim Brakenfelde. Nie wieder will der elternlose Junge dorthin zurück, nachdem sich sein Bruder Armin erhängt hat. Auf seiner Flucht wird er von einem Auto erfasst und begegnet auf diese Weise der Familie Julia und Xaver Bentheim. Deren Kinder Max, Lisa und Claire freunden sich mit dem Flüchtling an und wollen ihm helfen. Sie verstecken ihn im Schuppen des Anwesens ihrer Eltern.

Besonders der strenge Vater, der in einem Gartenhaus Bücher schreibt, reizt die Neugierde Tills. Die Kinder glauben, dass Xaver Bentheim Geschichten schreibt, die nicht nur ausgedacht sind, sondern tatsächlich stattgefunden haben oder sogar immer noch stattfinden. Till belauscht den Schriftsteller nachts bei einer Art Selbstgespräch, in dem dieser einen seltsam-rauschartigen Zustand beschreibt. Doch Bentheim erwischt den heimlichen Zuhörer …

Jonas Winner konstruiert seinen Thriller um Till, Max und Lisa, Xaver und Julia, Butz und Claire in steter Folge von Zeitsprüngen und Rückblenden. Mosaikartig entsteht vor dem geistigen Auge des Lesers das engmaschige Netz einer spannenden Geschichte, zu der ihm Winner scheinbar unabhängig voneinander baumelnde lose Fäden in die Hand gibt. Diverse Cliffhanger und bisweilen bewusst nebulöse Andeutungen dessen, was die Protagonisten erwartet, geben der Geschichte zusätzliche Würze.

„Berlin Gothic“ ist ein düsterer Krimi mit Lokalkolorit, der den Leser rasch in seinen Bann schlägt. Autor Jonas Winner fand für sein Werk, das er für 99 Cent als E-Book in Amazons Kindle-Shop anbietet, in wenigen Monaten zehntausende Leser. Der stürmische Zugriff der Leser katapultierte ihn auf Spitzenplätze in den Amazon-Bestsellercharts. Das Genre des untergegangen geglaubten Groschenromans feierte neue Triumphe.

Seinen Spitzenplatz wird Winner wohl noch eine ganze Weile halten, denn die Sache hat einen raffinierten Haken: Im spannendesten Augenblick bricht „Berlin Gothic“ ab, und es wird der Erwerb eines weiteren Bandes fällig. Der Autor hat seinen Krimi auf sieben Teile geplant, und das Suchtpotential der Serie ist erheblich. Er schreibt die Fortsetzung, während die Leser schon die ersten Teile lesen können und mit seinen Helden fiebern.

Wie in den guten alten Zeiten der Fortsetzungsromane liefert Winner seinen Thriller häppchenweise. Dabei ist bereits der erste Band derart effektvoll geschrieben, dass man unbedingt wissen will, wie es weiter geht und der Reihe atemlos treu bleibt. Den Leser von „Berlin Gothic“ erwartet indes keine ambitionierte Hochliteratur, es geht um spannende Unterhaltung mit kräftigen Knallern. Diese wird sprachlich durch einen aktiven Stakkato-Stil betont, der das Verständnis von „Gestern“ und „Heute“durch den Wechsel zwischen Präteritum und Präsenz unterstreicht.

Der Autor versteht es, das Kopfkino seiner Leser in Gang anzukurbeln und starke Bilder zu erzeugen. Sicherlich wird es deshalb auch dazu kommen, dass „Berlin Gothic“ verfilmt wird. Denn der Autor schrieb bereits Drehbücher für ARD, ZDF, Sat.1 und RTL und verfügt damit über Erfahrungen, die er in seine Schreibe einfließen ließ.

Zuvor jedoch wurde Jonas Winner von einer ganz anderen Seite unerwartete Anerkennung beschieden: Amazon-Chef Jeff Bezos schickte ihm einen Vertrag für die Übernahme der siebenteiligen Reihe ins Englische. Sein Konzern will den Thriller sowohl weltweit als Elektrobuch wie auch als Papierbuch vermarkten. Damit ist Winner der erste sich selbst verlegende deutschsprachige Autor, der über die E-Book-Schiene so bekannt wurde, dass selbst Amis auf ihn aufmerksam wurden. Bislang war der umgekehrte Weg üblich: US-Autoren werden – so sie sich gut verkauften – ins Deutsche übersetzt und den hiesigen Leservasallen vorgesetzt. Deutsche Autoren galten mehrheitlich als nicht weltmarktgängig …

Wer mehr über Jonas Winner erfahren möchte und seine Erfolgsrezeptur kennen lernen will, der liest mein E-Book „Wie man erfolgreich E-Books verkauft. Exklusivinterviews mit Top-Autoren“.


Genre: Thriller
Illustrated by Kindle Edition

Das Geheimnis erfolgreicher Pressearbeit

Dieses Handbuch eines Praktikers spricht Unternehmen, Vereine und Persönlichkeiten an, die Positives über sich in der Zeitung lesen wollen. Der Verfasser, Redakteur mit einem Vierteljahrhundert Berufserfahrung, geht davon aus, dass sowohl der jeweilige Journalist oder Blattmacher wie der Porträtierte etwas voneinander wollen, nämlich eine gute Geschichte.

Gute Absichten bringen im Bemühungen um Veröffentlichungen wenig, es gilt die Regel „Contents counts“. Nur Inhalte zählen, lautet die Philosophie jeder erfolgreichen Veröffentlichung und der Autor erläutert in seinem E-Book, wie das funktionieren kann.

Klaus Krüger setzt in seinen Empfehlungen auf eine Mischform von klassischer Public Relations (PR) und journalistischer Arbeit. Er sieht darin das Geheimnis erfolgreicher Pressearbeit und schlägt vor, den Ansprechpartnern in den jeweiligen Redaktionen tolle Geschichten anzubieten. Diese könnten entweder als Thema vorgeschlagen oder gleich selbst geschrieben werden.

Um den Zauberweg in die Zeitung zu entdecken, schildert der Autor die Interessenlage der Höllenhunde, die vor den Pforten der Zeitungen wachten: Das sind Redakteur und Redakteurin. An ihnen führt kein Weg vorbei, doch es sei durchaus möglich, mit ihnen klarzukommen, wenn man weiß, wie sie ticken.

Klaus Krüger schildert, wie man den gewünschten „Höllenhund“ richtig anspricht, ohne ihn mit zusätzlicher Arbeit zu belasten. Er nennt die wesentlichen Schritte beim Aufbau eines Presseverteilers für die zielgerechte Pressearbeit und die richtige Form der Ansprache. Dabei lässt er auch das Thema kleiner Geschenke nicht aus und verrät, dass eine professionelle Zuarbeit die beste Form erfolgreicher „Bestechung“ ist.

Bei den zu vermittelnden Inhalten gehe es dann darum, Geschichten um Menschen zu servieren. Optimal geeignet seien dazu regional bekannte Menschen, denn diese sind das Salz in der Suppe des guten Lokaljournalismus. Aber auch anrührende Tiergeschichten gehen ans Herz und wühlen die Leser auf.

In seinem Buch geht der Autor schließlich ausführlich auf journalistische Stilformen ein und verrät allerlei Tricks und Techniken des täglichen journalistischen Handwerks. Im Ergebnis hat der Leser einen Schnellbesohlungs-Lehrgang im praktischen Journalismus absolviert, der ihm helfen kann, seine Öffentlichkeitsarbeit effektiver und zielgerichteter zu leisten.


Genre: Ratgeber
Illustrated by Testudo Schutterwald