Thomas Bernhard: Autobiographie als Graphic Novel

Seit 2018 erscheint die Autobiographie Thomas Bernhards als Graphic Novel in Einzelbänden beim Salzburger Residenz Verlag. Dieses Jahr erstmals sind die ersten fünf Bände der Graphic Novel im Schuber als ideales Geschenk für alle Thomas-Bernhard-Fans erschienen.

Eine Kindheit zwischen NS und Katholizismus

Lukas Kummer, der die Bände illustrierte, arbeitet seit 2009 als Illustrator, Autor, Storyboard Artist und Gestalter. Seine erste Thomas Bernhard-Graphic Novel „Die Ursache“ kam auf die Comic-Bestenliste. Gelobt wurden u.a. seine eindrücklichen Bilder und die kongeniale grafische Verbindung seiner Zeichnungen mit den Stilmitteln des Autors Thomas Bernhard. Denn dieser arbeitete gerne mit Wiederholungen und Übertreibungen, um seinen Aussagen mehr Gewicht zu verleihen. In seinen fünf Bänden zwischen Dichtung und Wahrheit, die im Residenz Verlag auch schon als normale Bücher erschienen sind, zeigt er etwa die Monotonie des Internatsalltags oder die Ähnlichkeit der nationalsozialistischen mit den späteren katholischen Erziehern so lebensnah, dass sie zum Greifen echt werden. Wenn der junge Bernhard sich etwa in der Schuhkammer des Internats zurückzieht, um an der Geige zu üben, werden die Schuhe zu einer erdrückenden Pyramide gestapelt vor deren Wiederholung die Selbstmordgedanken des Zöglings allzu nachvollziehbar werden.

Selbstmord oder Resilienz

Diese eindrückliche Szenerie wiederholt sich auch im Schlafsaal, wo das Schicksal und die Bedürfnisse des Einzelnen der Masse untergeordnet werden und nur durch die tägliche Gute Morgen Ohrfeige des Aufsehers Grünkranz unterbrochen wird. Thomas Bernhard spricht von einer Gemütsverdüsterung und Gemütsverfinsterung die zu seiner Gemütszerstörung geführt habe, in eben diesem Internat in Salzburg, dem Joanneum. Als “die Farbe der Mächtigen wieder von braun auf schwarz wechselt“, wie Bernhard süffisant schreibt, ändert sich vorerst nichts: Der Geistliche hatte “das Erbe nationalsozialistischen Grünkranz angetreten, er war genauso gefürchtet und gehaßt wie Grünkranz und er war wahrscheinlich ein ebensolcher uns alle abstoßender Charakter“. “Der NS hatte die gleiche verheerende Wirkung auf alle diese jungen Menschen gehabt, wie jetzt der Katholizismus.” Beides sind für Bernhard ansteckenden Krankheiten, Geisteskrankheiten, sonst nichts.

Das “Straflager Leben”: Internat, Schule, Gymnasium

Damit nicht genug, litt der junge Bernhard zudem noch an einer Lungenkrankheit, die ihn beinahe schon in jungen Jahren dahingerafft hätte. Als dann seine wichtigste Bezugsperson, sein Großvater, stirbt und ein halbes Jahr später seine Mutter, gibt es für Thomas Bernhard nur mehr einen Weg zu überleben: er muss der Schriftsteller werden, der sein Großvater immer werden wollte. Das schaffte er nur durch die Überwindung der Scham, denn “nur der Schamlose schreibt. Nur der Schamloseste ist authentisch.” Das Schreiben nennt er auch “das sich preisgeben vor sich selbst“. Von seinem Vater, er seien Mutter im stich ließ findet er nur die eine Spur: er hatte sein Elternhaus mit einer solchen Präzison abgebrannt, dass es gerade aufloderte als er mit dem Zug daran vorbeifuhr.

Heimat im Schreiben

Mit diesem Blick auf das brennende Elternhaus hatten er nicht nur die Heimat, sondern überhaupt den Heimatbegriff (für sich) ausgelöscht.” Vor der “Finsternis des Vergessens” wollte er seine Erinnerungen retten und fing wohl auch deswegen an zu schreiben. Aber vorerst musste er noch die Jahre in der Lungenheilanstalt und die medizinischen Prozeduren hinter sich bringen. Sie werden von Lukas Kummer realistisch gezeichnet und in ihrer ganzen Dimension spürbar. Etwa wenn das Sputum in Flaschen produziert werden muss oder das Pneumoperitoneum eingesetzt wird. Der “Strafvollzug Leben” wie Bernhard es nannte, wird augenscheinlich. In “Atem” beschreibt er, dass nur die Nähe seiner Lieben – sein Großvater war im selben KH Patient – ihm das Überleben sicherte. In “Der Keller” erzählt er von seiner Kehrtwendung, denn er wollte in die “entgegengesetzte Richtung“, nicht ins Gymnasium, sondern in den Handel, die Lehre.

Fluchtpunkt Scherzhausersiedlung: die entgegengesetzte Richtung

In der Scherzhausersiedlung, dem schlechtesten Viertel Salzburgs, wollte er das Leben lernen wie es ist, mit einfach Leuten, die vom Schicksal nicht gerade begünstigt waren. “Hier konnte ich sein wie ich war. Und alle anderen konnten sein wie sie waren.” Im (wohl nur vorläufig) letzten Band vorliegender Sammlung, “Das Kind“, lobt Bernhard wieder den Großvater und stellt ihn seiner prügelnden Mutter gegenüber. Sie schlug ihn mit dem Ochsenziemer, weil sie seinen Vater, der sie verlassen hatte, in ihm sah. “Wir haben von Aufrichtigkeit und von Klarheit geträumt, aber es ist beim Träumen geblieben. Aber es ist alles egal. Manchmal erheben wir alle unseren Kopf und glauben die Wahrheit oder die scheinbar Wahrheit sagen zu müssen und ziehen ihn wieder ein. Das ist alles.“, heißt es in “Der Keller” aber wir alle wissen, das dies noch lange nicht alles ist.

Lukas Kummer verschafft dem Sprachduktus Bernhards klare Linien, er zeichnet scharfe Konturen und eindringliche Winkel, in die sich die Gedanken flüchten, wo sie aber auch gestellt werden und die Worte eine klarere Nachhaltigkeit bekommen. Im Residenzverlag sind neben den Originaltexten zu vorliegenden Graphic Novels auch andere Bücher von Thomas Bernhard erschienen.

Thomas Bernhard
Lukas Kummer (Illustrationen)
DIE AUTOBIOGRAPHIE ALS GRAPHIC NOVEL
5 Bände im Schuber
2024, Hardcover, 560 Seiten, 170 x 240cm
ISBN: 9783701717965
Residenz Verlag
€ 99,00


Genre: Autobiographie, Comic, Gegenwartsliteratur, Graphic Novel
Illustrated by Residenz

Die besten Weltuntergänge Was wird aus uns? Zwölf aufregende Zukunftsbilder

Das Cover spricht die Oma in mir an: im oberen Teil ein Wimmelbild in sanften Farben, mit fröhlichen Menschen, die sich, Generationen übergreifend, der sommerlichen Natur erfreuen. Die untere Hälfte dagegen surrealistisch und geheimnisvoll, das macht neugierig. Im Buch, mit Seiten, die größer als Din A 4 sind, nimmt der Text je ein Viertel ein, in den restlichen Flächen sind die wunderschön gemalten Bilder.

Weiterlesen


Genre: Dystopie, Graphic Novel, Kinderbuch, Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Klett Kinderverlag

Simone de Beauvoir. Ich möchte vom Leben alles

Simone de Beauvoir. Ich möchte vom Leben alles. Julia Korbik ließ schon 2017 mit “Oh, Simone!” aufhorchen, eine Biografie der ganz anderen Art, die viele Leserinnen und Leser neu für die Autorin, Denkerin und Philosophin begeisterte. Die Wiederentdeckung der Autorin von “Das andere Geschlecht“, dem feministischen Grundlagenwerk par excellence, hat sie nun mit der Illustratorin Julia Bernhard einen neuen Touch gegeben.

Simone de Beauvoir: Der Pakt mit Jean-Paul

Die Geschichte ihres Lebens wird anhand eines fiktiven Interviews aufgerollt. Eine Journalistin besucht Simone in ihrer Wohnung, wo nicht nur eine Installation von “Sartre’s Händen” auf sie wartet, sondern auch einige andere Überraschungen. Simone wuchs mit ihrer Schwester in einem gutbürgerlichen Elternhaus in Paris auf, wo sie sogar ein Dienstmädchen hatten. An einer katholischen Privatschule sollten sie lernen bis ein Mann sie heiraten würde. Doch dann verlor der Vater aufgrund der russischen Revolution 1917 den Großteil seines Vermögens und hatte kein Geld mehr für eine Mitgift. Jetzt hieß es vor allem Arbeit finden, wie die Erzählerin halb ironisch, halb ernst kommentiert. Aber von Armut im eigentlichen Sinne war natürlich nicht zu reden, denn die Familie hatte immer noch ihren Landsitz in Meyrignac-L’Eglise. Als sie schon in jungen Jahren entdeckt, dass Gott tot ist, macht sie sich Gedanken über ihre Zukunft als Mensch und als Frau: Werden wir was wir sind? Oder sind wir? Mit diesen Fragen schließt sie an Blondem an, der die Handlung als Substanz des Menschen bezeichnete. Der Mensch ist, was er aus sich selbst macht. Diese Gedanken wurden zur selben Zeit auch von einem gewissen Jean-Paul Sartre popularisiert. Mit dem Gründer der Existenzphilosophie verband sie ab 1926 ein “Pakt”, der auch in dem Briefwechsel zwischen den beiden, der ebenfalls im Rowohlt Verlag erschienen ist, dokumentiert wird.

Absolute Freiheit, absolute Wahrheit

“Meine Jugend war durch Mythen gespeist, die von Männern erfunden wurden.” Sartre nannte sie Castor, von Beauvoir=Beaver, aber gemeint war mit dieser liebevollen Anrede wohl ihre Unermüdlichkeit, der Fleiß eines Bibers. Mit Sartre entschied sie sich gegen ein konventionelles, bürgerliches Leben und für die Freiheit. “Der Pakt würde auf Nähe und Distanz basieren, auf Freiheit“, so Sartre mit Pfeife im Mund in der vorliegenden Graphic Novel, die ganz in Gelb und S/W gehalten ist und neben vielen Porträts des Pariser Umfelds der beiden auch einige lustige Tiere und Landschaften abbildet. “Absolute Freiheit, absolute Wahrheit. D’accord.” Diese Freiheit und dieser Pakt waren natürlich auch mit Schmerzen verbunden, denn als sie sich in den amerikanischen Schriftsteller Nelson Algren verliebte und dieser sie nach drei Jahren heiraten wollte, stand sie dennoch zu ihrem Pakt mit Sartre. Andere wichtige Stationen ihres Lebens (der Tod von Zaza) werden ebenso beleuchtet wie ihre Leidenschaft für’s Wandern und ihre Philosophie: “Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.” Die Frau werde nicht als solche, sondern im Vergleich zu sich, dem Mann, definiert. Nicht als autonomes Wesen, sondern an der Seite des Mannes, werde ihr Platz definiert. Zeit ihres Lebens wollte sie die Mystifikationen beseitigen und die Wahrheit sagen. Dummheit war für sie eine gewisse Art, das Leben und seine Freuden unter Vorurteilen, Gewohnheiten, Täuschungen und sinnlosen Vorschriften zu ersticken.

 

Julia Korbik, Julia Bernhard
Simone de Beauvoir. Ich möchte vom Leben alles
Graphic Novel
2023, Hardcover, 224 Seiten, ab 14 Jahre
ISBN: 978-3-498-00360-9
Rowohlt Buchverlag


Genre: Biografien, Graphic Novel
Illustrated by Rowohlt

Fünf Viertelstunden bis zum Meer

Kurzes Buch, kurze Rezension. Wer sich eine Kurz-Version von „Liebe in Zeiten der Cholera“ für ganz Eilige vorstellt, liegt richtig und hat den Inhalt der etwa 95 Seiten schon weitgehend erfasst. Ein über achtzigjähriger Italiener kehrt zu seiner gleichaltrigen Geliebten aus Jugendzeiten nach Apulien zurück. Er hat ein stoisch langweiliges Leben als Apfelpflücker und Melker in Südtirol verbracht. Sie vergnügte sich lange Zeit mit anderen Bekanntschaften, bis sie nach sechs Jahrzehnten merkt, dass sie ihn wohl irgendwie vermisst. Schliesslich erreicht ihn ein Brief von ihr, er kehrt zu ihr zurück. Am Bahnhof von Lecce steht man sich nach mehr als 60 Jahren wieder gegenüber.

Titel und Inhaltsangabe des Mare-Verlages verheißen ein kurzweiliges Urlaubsbuch. Leider ist jedoch ein romatisch-sentimentaler Roman herausgekommen, teilweise mit depressiven Tendenzen. Wenn man sein Bild im Abspann des Buches sieht, kann man sich beim Lesen sehr gut vorstellen, wie der indisch-niederländische Autor van der Kwast mit großen, tränennassen Basset-Augen vor seiner Tastatur sitzt und schluchzend mit seinen eigenen Protagonisten dahin schmachtet. Dabei kann man ihm ein gewisses Maß an Wortgewandtheit gar nicht absprechen, allerdings driften kurze literarische Highlights zu oft wieder ab in eine schwülstige Schwere. Pluspunkte sammelt van der Kwast ein wenig dadurch, dass er doch nicht in alle Klischee-Fallen tappt und Giovanna, die weibliche Hauptdarstellerin, ein für die frühen fünfziger Jahre fast schon emanzipiertes und feministisches Leben führen lässt. Man muss sich ansonsten beim Lesen stetig zügeln, um nicht die Logik und Sinnhaftigkeit der Handlung und des Verhaltens zu hinterfragen. Aber gut, es mag Menschen geben, die sechzig Jahre ihres Leben ungenutzt verstreichen lassen, einfach verschenken. Stellt man sich das in der Realität vor, wird ungläubiges Kopfschütteln über das Buch möglicherweise in einen Frust über das menschliche Dasein umgelenkt.

In Summe hat sich van der Kwast bemüht, hat sicher auch ein gewisses Talent für tragisch-blumige Literatur, aber letztendlich reichte es nur zu einem Liebesroman auf leicht höherem Niveau. In etwa fünf Viertelstunden ist man durch.


Genre: Graphic Novel, Kurzgeschichten und Erzählungen, Roman
Illustrated by marebuch-verlag Hamburg

Corto Maltese – Nacht in Berlin

Corto Maltese – Nacht in Berlin

Corto Maltese, der Sohn eines britischen Seemannes und einer Zigeunerin aus Sevilla (nein, nicht Carmén!), wurde von Hugo Pratt in das Comicuniversum eingeführt. Die Serie wird in vorliegendem Band des Schreiber & Leser Verlages wieder von Ruben Pellejero (Zeichnungen) und Juan Diaz Canales (Szenario) fortgeführt. Sie gestalteten insgesamt schon vier Bände, zuletzt “Tarowean“, ebenfalls bei Schreiber & Leser. Band 16, Nacht in Berlin, führt nun an einen gänzlich neuen Schauplatz. Berlin und Prag, zwei Städte Mitteleuropas in der besorgniserregenden Zwischenkriegszeit, bilden den Hintergrund dieses außergewöhnlichen Abenteuers.

Mitteleuropa im Würgegriff der Bestie

Seine hervorrstechendste Eigenschaft und gleichzeitig sein grösster Fehler ist zweifellos seine Wissbegier und genau die begleitet uns in dieses Abenteuer im alten Mitteleuropa, das von einer menschlichen Bestie heimgesucht wird: dem Nazismus. Ob diese neue politische Gruppe auch hinter dem Mord an Cortos altem Freund steckt? Prof. Jeremiah Steiner, Cortos alter Freund, wird nämlich in Berlin tot aufgefunden und natürlich will Corto herausfinden, wer die Urheber dieser Schandtat waren. Eine Geheimorganisation, die in die höchsten Kreise führt und sich “Consul” nennt, könnte dahinterstecken. Diese Org Consul ist auch in das Verschwinden der Rathenau-Papiere verwickelt, die ihre Machenschaften aufgedeckt hätten. Bei seinen “Ermittlungen” hilft ihm kein Geringerer als der österreichischen Schriftsteller Joseph Roth, der auch das Vorwort zu vorliegender Ausgabe geschrieben hat.

Comic und Geschichte

Natürlich nicht wirklich, denn Roth ist schon seit 1939 tot, aber Juan Diaz Canales hat sich ihn eben als Begleiter und Assistenten für Corto in diesem Abenteuer ausgedacht. Tatsächlich lebte Roth aber in den Jahren 1920-23 in Berlin und arbeitete als Journalist für diverse Zeitungen. Auch die sehr positiv dargestellte Rolle von Friedrich Ebert, mag so manchen Leser:in überraschen. Aber schließlich ist ein Comic ein Comic und kein Geschichtsbuch. Ersteres ist den beiden jedenfalls gelungen: sie haben einen lesenswerten Comic über eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte verfasst und zudem noch den Prager Golem zur Mitwirkung eingeladen.

Champagner-Melancholie in der Weimarer Republik

Dass Corto Maltese im Berliner Untergrund der Weimarer Republik in einem berüchtigten Nachtclub die “Champagner-Melancholie” bekannt ist nur eine von vielen Überraschungen mit denen die beiden Autoren aufwarten. Auch eine Badeszene mit Liese im Berliner Nikolassee bestreitet Corto als alter Seewolf ohne Badehose, aber natürlich ist die Szene dennoch jugendfrei. Viel skandalöser als sein nackter Popo ist schließlich das Heraufdäuen der nazistischen Bestie, genau in der Zeit als in Babelsberg, dem Berliner Hollywood, ein genialer Regisseur einen düsteren, prophetischen Film mit dem Titel “Bestia Triumphans” dreht Aber auch Corto Maltese arbeitet kurz beim Film und springt als Teufel für eine Szene des vermissten Adolf Kraft ein. Dieser Adolf steht ideologisch allerdings auf der entgegengesetzten Seite wie der andere, leider berühmtere Adolf, der sein Unwesen in jenen Tagen in Mitteleuropa dreht. “Traurig, dass Glück nur um den Preis der Unwissenheit zu haben ist“, prophezeit Corto ein alter, es gutmeinender Freund. Was nicht bedeutet, dass nicht auch intelligente Menschen glücklich sein könnten…

Juan Diaz Canales/Ruben Pellejero
Corto Maltese
Nacht in Berlin. Band 16 der Reihe
2022, gebunden, Farbe, 88 Seiten
ISBN: 978-3-96582-088-3
€ 24,80
Schreiber & Leser Verlag


Genre: Comic, Graphic Novel
Illustrated by Schreiber & Leser

Milch ohne Honig

Ursachen und Folgen des Insektensterbens – aber auch Lösungen

Was passiert, wenn dem Land von Milch und Honig der Honig ausgeht? Oder andersherum gefragt: Was passiert mit den Lebewesen der Erde, wenn Bienen und andere Insekten unsere Pflanzen nicht mehr bestäuben? Diesen Fragen geht Hanna Harms in ihrem mit dem Ginco Award in der Kategorie „Best Non Fiction“ ausgezeichneten Graphic-Novel-Debüt nach. Mit einfachen, aber punktgenauen Sätzen und ebenso einfachen, aber pointierten Zeichnungen, die bestens miteinander harmonieren, beschreibt sie zunächst die Biene und ihre Lebensweise, bevor sie auf andere Insekten eingeht und dann analysiert, wieso es zum Insektensterben gekommen ist.

Da rückt v.a. die konventionelle Landwirtschaft in ein unrühmliches Licht: Monokulturen auf ausgedehnten Flächen, die den Tieren und damit den Insekten viel zu viel Lebensraum wegnehmen, sind ebenso zu nennen wie die Gifte, die bis in die Pflanzen eindringen und bei Bienen unwiderrufliche Schäden anrichten. Monokulturen bedrohen auch die Vielfalt der Pflanzen und damit der Insekten, da einige Pflanzen und Insekten aufeinander spezialisiert sind. Hinzu kommen Viren und Bakterien, vom Menschen eingeschleppt, die Bienenvölker bedrohen. Es gibt hierzulande kaum noch freilebende Honigbienen. Und die hier leben, werden wenig artgerecht gehalten (im Comic nur angedeutet, aber in einer Doku, die ich vor ein paar Jahren gesehen habe, weiter ausgeführt) und leiden z.T. unter Überzüchtung. Der Honig, den sie sammeln, ist pestizidverseucht.

Auch Lichtverschmutzung, Versiegelung durch Städte und Klimawandel machen den Insekten und damit den Honigbienen zu schaffen. Durch den rasanten Schwund der Insekten ist die Ernährung der Welt bedroht – ohne Pflanzen keine Tiere und Menschen. Dies alles stellt Harms umfassend dar: Der Mensch stört und zerstört lebenswichtige Netzwerke der Natur. Weiter ausgeführt und eingeordnet werden die Informationen der Graphic Novel durch Experte Jürgen Tautz, zudem gibt es am Ende des Werkes eine Liste mit weiterführender Literatur.

Aber Harms rückt nicht nur die äußerst negativen Folgen des Insektensterbens in den Fokus. Sie deutet auch Lösungswege an: Allen voran die nachhaltige, ökologische Landwirtschaft. Aber auch Einzelne können etwas für Insekten tun, indem sie naturnahe Gärten pflegen oder insektenfreundliche Blühpflanzen auf dem heimischen Balkon, der Terrasse oder auf den Fenstersimsen pflanzen. Da möchte ich noch hinzufügen, dass es mittlerweile auch (oft durch Frauen angestoßen) naturfreundliche Städteplanungen gibt, um mehr Grün, und damit mehr Lebensqualität für Mensch und Tier in die Stadt zu holen. Vom kühlenden Effekt der städtischen Bäume und Parks ganz zu schweigen. Auf Dächern z.B. gibt es schon heute Imker*innen, die für Bienen eine Wiese angelegt haben. Die Politik kann solche Lösungen fördern, anstatt sie zu verschleppen, und der konventionellen Landwirtschaft sowie den umweltverschmutzenden Ölkonzernen endlich einmal den Geldhahn zudrehen!

 

Fazit

Sehr gelungene Graphic Novel über das Insektensterben, dessen Ursachen und Lösungen. Auch für die Schule als Lehr- und Lernmaterial geeignet.

Edit

Weitere Infos z.B. hier:

https://www.spektrum.de/news/5-jahre-krefeld-studie-was-hat-sich-beim-insektensterben-getan/2070240?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE


Genre: Graphic Novel, Insektensterben
Illustrated by Carlsen Hamburg

Banksy – Die illustrierte Geschichte

Banksy – Die illustrierte Geschichte. Banksy ist kein Unbekannter. Und dennoch ist er immer noch unbekannt. Unerkannt? Die vorliegende illustrierte Geschichte macht sich auf die Suche nach einer Antworten auf das größte Rätsel der Street Art. Im Stile eines Edutainment-Comics (also education und entertainment) wird im Stile eines Lehrerin-Schüler Gesprächs die Geschichte von Banksy aufgerollt. Aber natürlich nicht ohne Pointe am Ende.

Banksy, Synoym einer Bewegung

Weltbekannt und dennoch anonym hat der aus Bristol stammende Banksy die Kunstwelt aufgerollt und deren Mechanismen ad absurdum geführt. Wohl am bekanntesten ist die Selbstshredderaktion bei einer Auktion in London. 25,4 Millionen erzielte das “Gemälde”. Aber von dem Geld hat Banksy selbst wohl nie etwas gesehen. Am meisten verdienen nämlich Galerien und Kunsthändler an seinen Streetart Werken. Denn eigentlich begann Banksy klein: auf der Straße. Denn wie für alle Graffiti oder Streetart Künstler ist dort sein Zuhause, die Straße ist die größte Kunstgalerie zur Welt und für jede/n frei zugänglich. Eine seiner ersten Arbeiten war die Reproduktion des Gesichts von Andre, the Giant mit dem Schriftzug “obey” auf der Stirn. “Gehorchen” (engl.: obey) war genau das, gegen das sich Banksy richtete. Ein anderes Banksy-Motiv aus den frühen Jahren stellte einen Teddybär dar, der einen Molotowcocktail auf Polizisten warf.

Banksy – Die illustrierte Geschichte

Damals, 1999, waren Kapitalismuskritik, Antikriegsbewegung, Antiglobalisierung State of the Art einer neuen Generation von politisch organisierten Jugendlichen, die an die Sechziger erinnerte. Banksy muss auch als Teil dieser Bewegung verstanden werden, meint zumindest die sympathische Lehrerin im Comic. Kennst du zum Beispiel Kim Phúc? Sie war das Mädchen auf dem Bild aus den Sechzigern, deren Körper von Napalm verbrannt war. Jahrzehnte später verwendet Banksy das Foto von ihr und gibt ihr Micky Mouse und Ronald McDonald an die Hand. Für manche mag das Bild “niedlich” erscheinen, aber was Banksy meinte ist wohl klar: diese (amerikanischen) Konzerne haben Blut an ihren Fingern.

Banksy: Das Milleniums-Kunstphänomen

Die Macht der Konzerne zu brechen ist wohl Die Herausforderung des Milleniums. Vom ethischen Standpunkt werden die größten Verbrechen gegen die Menschheit nämlich genau von Konzernen begangen, die nur auf Profit schauen und Arbeiter:innen und Umwelt ohne Rücksicht ausbeuten. Sie sprechen von Nachhaltigkeit und entziehen der Mehrheit der Bevölkerung die Menschenwürde. Banksy war wohl einer der ersten (Ende der 90er Jahre) der mit viel Drama und Ironie genau diese Millenium-Herausforderung artikulierte. “Ich mag das…Dinge zu verdrehen, um tiefere Bedeutungen zu finden…Die Logik verschwinden zu lassen, um den Betrachter aus den gewohnten Denkmustern herauszulösen”, meint schließlich der Schüler im Comic und zeigt, dass schon so mancher Schüler seine Lehrer überflügeln kann. Denn letztlich ist es völlig egal, wer Banksy ist, weil jeder von uns es sein könnte, ebenso wie jeder von uns Lehrer und Schüler in einer Person ist. “Banksy – Die illustrierte Geschichte” von Francesco Matteuzzi und Marco Maraggi zeigen in sauber gearbeiteten Illustrationen nicht nur den Werdegang eines der grandiosesten Kunstphänomene des Milleniums, sondern auch deren eigentliche Agenda. Früher nannte man das Agitprop: Agitation und Propaganda. In diesem Falle ein klarer Denk-Mal!

Francesco Matteuzzi
Banksy – Die illustrierte Geschichte
Mit Illustrationen von Marco Maraggi
Banksy – Die illustrierte Geschichte
2022, Hardcover, 128 Seiten, 17,0 x 24,0 cm
ISBN: 978-3-7913-8882-3

Panini Comics
€ 18,00 [D] inkl. MwSt.
€ 18,50 [A] | CHF 25,90 * (* empf. VK-Preis)


Genre: Comic, Graphic Novel

Catwoman – Lonely City 1

Catwoman – Loneyl City 1 von Cliff Chiang

Catwoman – Lonely City 1. Das DC Black Label ermöglicht neue Perspektiven auf Geschichten, die einem bekannt erscheinen. Aber das sind sie nicht. Denn das Black Label improvisiert und überrascht immer wieder mit unvorhergesehen Situationen. So wird in vorliegendem Comic, geschrieben und gezeichnet von Cliff Chiang, auf die “Nacht der Narren” verwiesen, die alles im Batman-Comic-Universum veränderte: Batman starb in Catwomans Armen.

Batman tot, Catwoman im Knast

Danach war nichts mehr dasselbe. Catwoman musste für zehn Jahre in den Bau, weil man sie als erstes verdächtigte, an Batmans Tod schuld zu sein. Dabei waren sie Geliebte! Aber auch für die Bewohner:innen von Gotham änderte sich nach Batmans Tod einiges: Bürgermeister Harvey Dent (alias: Doppelgesicht) regiert die dystopische Stadt mit Hightech-Überwachung und Polizeipräsenz. Aber trotz zehn Jahren Gefängnis will Selina Kyle es noch einmal wissen. Denn die Erzählung des Comics legt genau nach ihrer Entlassung los. Als erstes braucht sie allerdings ein Dach über dem Kopf, Knie und Rücken sind schließlich auch nicht mehr das was sie mal waren.

Catwoman – Lonely City 1

Ihr altes Haus steht noch, die Mieter ausgebombt, das Penthouse unversehrt. Ihre Sicherheitscodes funktionieren auch nach zehn Jahren noch, wenigstens ein Vorteil der ansonsten deprimierenden Umgebung: niemand kam nachsehen. Selina Kyle ist inzwischen übrigens schon 55 Jahre alt, grauhaarig und vielleicht genauso sexy wie damals, nur etwas weniger beweglich. Kenner der Materie werden sich an Batmans Comeback in hohem Alter in “Die Rückkehr des Dunklen Ritters” erinnern. Frank Miller hatte eine dystopische Welt geschaffen, in der es auch Batman nochmals wissen will und ganz nebenbei eine Verschwörung aufdeckt.

Doppelgesicht wieder da!

Man verkleidet sich, um gesehen zu werden.” Die Zeichnungen von Cliff Chiang erinnern etwas an die frühen Batman-Abenteuer aus den Anfangstagen des Genres. Sie sind knallbunt und unkompliziert, reihen Panel an Panel in geradliniger Struktur. Die Story entwickelt sich gut und so kann man schon mit Spannung erwarten, was der zweite Band – übrigens im Großformat – wohl bringen wird. Denn Catwoman verbündet sich mit einigen ehemaligen Kriminellen, darunter auch Poison Ivy und es ist nicht sicher, ob sie die Geister die sie rief, unbeschadet wieder los wird. Der Aufritt von Doppelgesicht wurde jedenfalls schon sehnsüchtig erwartet und keinem ist eigentlich klar, warum dieser aus der Batman-Saga so schnell wieder verschwunden ist und Joker das Feld räumen musste. Erst die Batman-Verfilmungen von Christopher Nolan holten den ambivalenten Schurken/Helden wieder aus der Versenkung. Und jetzt endlich bekommt er von Cliff Chiang wieder ein Chance. Chiang schuf u.a. auch einige WONDER WOMAN-Serien der Moderne, den Comic GREENDALE von Musiker Neil Young sowie die Science-Fiction-Serie Paper Girls, die der nächste TV-Hit auf Augenhöhe von Stranger Things werden soll. Chiang ist auch Eisner Award-Gewinner, eine der höchsten Auszeichnungen in der Comic-Welt.

Cliff Chiang
Catwoman – Lonely City 1
Original Storys: Catwoman: Lonely City 1–2
2022, Hardcover, 108 Seiten
ISBN: 9783741627606
Panini
20,00 €


Genre: Comic, Graphic Novel
Illustrated by Panini Comics

Moon Knight: Mitternachtssonne

Moon Knight Collection von Charlie Huston

Moon Knight: Mitternachtssonne. Die komplette Serie in einem Band trägt auch den irreführenden Titel “Moon Knight Collection von Charlie Huston”. Tatsächlich handelt es sich aber um eine knallharte Saga des Roman- und TV-Autors Charlie Huston (WOLVERINE, Joe Pitt, Powers) und Zeichner-Superstar David Finch (AVENGERS: HELDENFALL, BATMAN) in einem Band.

Khonsu, Gott der Rache

Die vorliegende Geschichte entstand parallel zum Marvel-Event Civil War. Damals standen sich als Wortführer Iron Man und Captain America gegenüber und spalteten die Superheldengemeinde in Registrierungs(un)willige. Das Debüt hatte der düstere Moon Knight schon 1975 im Comic “Werewolf by Night 32” von Doug Moench und Don Perlin. Moon Knight bekam bald eine eigene Serie und stritt an der Seite der kalifornischen West Coast Avengers mit Hawkeye für das Gute in der Welt. Dabei ist Marc Spector nicht wirklich ein “guter” Superheld, denn er leidet unter Persönlichkeitsspaltung und Wahnsinn. Das mag damit zusammenhängen, dass der Söldner Marc vor einer altägyptischen Statue des Mondgottes Khonshu starb und als dessen Avatar wiederkehrte. Einmal war Marc der wohlhabende Steven Grant, ein andermal ein Taxifahrer namens Jake Lockley und lieferte sich Fights mit seinen einstigen Kameraden vom Komitee, Midnight und Bushmaster. Aber Moon Knight hat auch Freunde, z.B. Jean-Paul “Frenchie” Duchamp, seine große Liebe Marlene Alraune, sein obdachloser Informant Bertrand Crawley, sein Butler Samuels und der Diner-Besitzer Gena Landers.

Über 30: die Hölle!

Oh es tut so weh. Jedes Jahr über Dreißig ist die Hölle.” In den ersten Kapiteln der vorliegenden Mega-Saga (356 Seiten!) sieht Marc Spector noch seinem Kumpel Bertrand Crawley, dem Obdachlosen, ähnlich. Denn er ist nicht nur unrasiert, langhaarig und im Rollstuhl, sondern auch gebrochen und von seinem Gott und seinen Freunden verlassen. Moon Knight am Ende? Mitnichten. Denn das Artwork von Superstar David Finch alleine ist schon alleine so beeindruckend, dass sich spätestens bei der in Pink getauchten Kussszene mit Marlene das Herz auftut. Die Anspielung auf permanenten Sex (“Ich tu es immer wieder“) zeigt elegant, dass auch Superhelden Gefühle haben. Aber leider möchte der “lunare Legionär” unbedingt ein Held sein und das gestaltet sich mitunter schwierig. “Er ist kein Söldner und Mörder. ER ist ein reicher Menschenfreund. Arbeiter. Mann des Volkes. Held.”, meint zumindest sein alter ego. Und zudem Sohn eines Rabbis, der ägyptische Gottheit verkörpert. Khunshu.

Moon Knight: Mitternachtssonne

Nichts bleibt geheim. Alles ist sichtbar. Was wir sein können. Was wir sind. Es ist alles da. Wenn man die Zeichen lesen kann.” Ein prächtiges Abenteuer mit beeindruckenden, düsteren Zeichnungen, die selbst einen Batman blaß aussehen lassen würden. Gastauftritte von Spiderman und Punisher inklusive.

Charlie Huston/David Finch
Moon Knight: Mitternachtssonne
Original Storys: Moon Knight (2006) 1-13
2022, Hardcover, 356 Seiten
ISBN: 9783741626296
Panini
42,00 €


Genre: Comics, Graphic Novel, Marvel
Illustrated by Panini Comics

Bring mich noch zur Ecke

Bring mich noch zur Ecke – Anneli Furmark

Bring mich noch zur Ecke. “Menschen trauern auf unterschiedliche Art“, meint der Psychotherapeut der 56-jährigen Elise und will damit ihr Verständnis für Henrik, ihren Mann, verbessern. 25 Jahre waren sie verheiratet, aber dann hat sich Elise in Dagmar verliebt. Und Dagmar in sie. Auch sie hat eine andere Partnerin und Familie.

Familiar Feeling

Ein plötzlicher Anflug von Sehnsucht durchfuhr sie, die Erinnerung an das Gefühl von etwas im Fernsehen völlig gefesselt zu sein.” Das Leben kann ganz schön kompliziert sein. Henrik und Elise haben sich etwas aufgebaut und sie lieben sich noch immer, nach einem Vierteljahrhundert Ehe. Doch Elise zieht es zu Dagmar. Als auch Henrik eine andere Partnerin findet, wird aus der Vermutung Gewissheit: Scheidung. Die Kinder sind schon alt genug es zu verdauen. Aber wird Elise es schaffen? Sie macht sich Vorwürfe. Erst recht, als Dagmar einen Rückzieher macht. Liebgewonnene Gewohnheiten abzulegen, die Vertrautheit eines Ehepaares, der Duft seines Pullovers. In seiner Abwesenheit schnuppert sie daran, sehnt sich nach dem alten Gefühl und vielleicht auch etwas nach ihrer eigenen Vergangenheit und Jugend. Elise hört gerne Musik und lebt in den Texten etwa von Joni Mitchell “A case of you” oder “Both Sides Now“, Leonhard Cohen u.a. Dagmar mag das. Aber wird sie es lieben?

Ein neue Erzählung

Elise ist zum ersten Mal in ihrem Leben wieder auf sich allein gestellt. Zumindest das erste Mal seit langem. Sie will nicht Teil der Erzählung von Dagmars Ehekrise werden. Sie will wieder zurück und doch wieder voran. Beim Packen eines Kartons liegt sie am Boden und nur ihre Katze kommt, sie zu trösten. Eine Entwicklung geht oft in kleinen Schritten und nicht in großen Sprüngen. Anneli Furmark, die sowohl Text als auch Zeichnungen verfasst hat, weiß um die Traurigkeit und Melancholie des Endes einer Beziehung und zeichnet einfühlsam den Weg Elises zu ihrer neuen Selbständigkeit nach. Gelungen ist auch die Anspielung auf “Die Absinthtrinkerin” (Edgar Degas), als Elise vor ihrem Weinglas sitzt und zunehmend verfällt. Ihre Freundinnen freuen sich aber für sie, für die “vielen Gefühle”, das muss doch schön sein, meinen sie. Aber es ist nicht nur schön. Es erfordert auch ganz schön viel Mut, alle bisherigen Sicherheiten aufzugeben und ein neues Leben zu beginnen. Mit oder ohne neuen Partner. Und bald fasst Elise wieder neue Pläne.

Anneli Furmark
Bring mich noch zur Ecke
Text und Zeichnung: Anneli Furmark
Übersetzung aus dem Schwedischen von Katharina Erben
2022, 232 Seiten, Klappenbroschur, Format 16 x 21,5 cm, vierfarbig
ISBN: 978-3-96445-066-1
avant-verlag
25,00 €


Genre: Comics, Erzählung, Frauenliteratur, Graphic Novel, Liebesroman
Illustrated by Avant Verlag

Noir Burlesque

Enrico Marini: Burlesque Noir

Noir Burlesque. Zuletzt mit Eagles du Rome” (“Adler Roms”) bei Carlsen aufgefallen, zeichnet der Italiener Enrico Marini inzwischen auch schon mal einen Batman, aber auch Vampire, Raubtiere oder den Edel-Western “L’Etoile du Désert” (“Der Stern der Wüste”) und die zwölfbändige Serie “Der Skorpion”. Seine Vielseitigkeit zeigt sich auch in vorliegendem Werk, das sich an den Film Noirs der Vierziger und Fünfziger orientiert. Auch etwas von Sin City ist mit dabei in diesem knallharten Gangsterepos um den Ex-Boxer, Spieler und Kriegsveteranen Terry Slick und seinen Gegenspieler den Nachtclubbesitzer Rex McKinty.

Die Farbe Rot: Noir Burlesque

Ganz in Schwarz/weiß zeigt Marini die Häuserschluchten und Schlupfwinkel der “großen Stadt”, bei der es sich eigentlich nur eine handeln kann. Die Stadt. New York. New York in den Fünfzigern um genauer zu sein. Ein Haifischbecken in dem es für kleine Gangster wie Slick schwerer zu überleben ist, als für die Großen. Aber es gibt einen guten Grund überleben zu wollen. Und dieser Grund hat einen Namen: die Femme fatale Caprice ist die einzige, die Farbe trägt in diesem Comic Noir aus den dunkelsten Winkeln des Big Apples. Ihre Haare sind so rot wie ihr Auto oder ihre Schuhe. Aber das Rot ihrer Lippen, das wird Slick nie mehr vergessen können. Denn das war so nahe an seinen Wangen, dass er es fast gewagt hätte danach zu schnappen. Nach dem Rot. Nicht nach den Lippen. Caprice hat eine Burlesque-Show in einem Nachtclub, dem Rex Night Club. Auch die Mädchen dort tragen rote Kleider und Mützchen. Aber nur die, die bedienen. Die auf der Bühne tragen nicht einmal das. Caprice hat von Lily St-Cyr die Kunst des Striptease gelernt. Dieser Beruf hat nichts mit Prostitution zu tun. Nur Kretins glauben das. Aber Slick will Caprice nur provozieren, als er ihren Beruf so abwertet, denn er ist eifersüchtig das sie bald ganz dem Boss, Rex McKinty, gehören wird. Rex war früher auch sein Auftraggeber, bevor er ins Kittchen musste, weil ein Mitarbeiter von ihm ihn im Stich ließ. Das trägt er Rex nach. Aber Rex braucht ihn. Außerdem hat Slick noch Schulden bei ihm. Resp. sein Bruder.

Ménage à Trois im Gangstermilieu

Während sich Caprice ihre Strümpfe runterrollt, um sich in einer Badewanne mit Champagner auf einer Bühne des Rex damit ansaugen zu lassen, stellt Rex Slick ein Ultimatum: 24h, um die fehlenden 5000 Dollar aufzutreiben. Stattdessen tröstet sich Slick aber lieber mit ein paar Drinks, Zigarren und einer netten Brünetten. Zumindest bis es an die Tür klopft und Caprice davor steht. Auch sie will ihren Anteil von Slick. Sie holt ihn sich in Naturalien. Na wenn das einmal gut ausgehen wird! Eine Menage a Trois im Gangstermilieu. Die Zeichnungen von Marini, der auch den Text verfasst hat, sind im klassischen Noir Stil, Sonnenblenden, Halbschatten, Metallbetten und typisch amerikanische Diners, in denen der Kaffee besser schmeckt als in der Wirklichkeit. Gelungen ist auch Slicks Rettung vor Rex’ Häschern durch eine streunende Katze, die gerade rechtzeitig auf seiner Feuerleiter steht und an sein Fenster klopft. Ein Filmplakat “The Big Shoot-Out” mit Amber Moon und Phil Xavier auf einer Straßenkreuzung zeigt den Plot en miniature, dazu Jazz in einem Tanzlokal und heiße Küsse auf dem Parkett. Ein Comic Noir der nichts zu wünschen übrig lässt. Außer dass die Fortsetzung hoffentlich bald erscheint!

Enrico Marini
Noir Burlesque 1/2
2022, Hardcover, 104 Seiten, Format: 223 mm x 300 mm
ISBN: 978-3-551-76390-7
Carlsen Verlag
24,00 €


Genre: Graphic Novel, Krimi
Illustrated by Carlsen Comics

Good Talk -Erinnerungen in Gesprächen

Demokratie? Echt? Und wenn ja: Für wen?

Weiße, jüdische Schwiegereltern, die Donald Trump gewählt haben und trotz dunkelhäutiger Schwiegertochter, dunkelhäutigem Enkelsohn und jüdischem Hintergrund weiterhin Schilder für Trump hochhalten. Eine indische Ursprungsfamilie, die dunkelhäutige Inder*innen wie die Autorin als Menschen zweiter Klasse ansieht. Ein jüdischer, weißer Ehemann, der unsensibel auf die Fragen seines sechsjährigen Sohnes reagiert und die Autorin mit der Erziehung eines ebenfalls dunkelhäutigen Kindes in einer rassistischen Welt ziemlich allein lässt. Weiße, männliche Radiomoderatoren, die das Buch der Autorin über Diversität nach männlich-weißen Denkmustern überarbeiten wollen. Weiße, weibliche Reiche, die vor Vorurteilen gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe strotzen, das aber nicht wahrhaben wollen. Menschen verschiedener Hautfarben und mixed-race-Familien, die Wunden durch den ständig präsenten alltäglichen Rassismus davontragen und allmählich den Glauben an das Gute im Menschen verlieren. Rassismus und Sexismus haben viele hässliche Gesichter und stecken subtil oder sichtbar, bewusst oder unbewusst in jeder Ecke des Alltages. Sie sind in einem schlechten Sinne so divers wie die Menschen selbst, was dieser hervorragende Comic anschaulich beschreibt.

Sexismus, Rassismus, Mehrfachdiskriminierung nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Der als Graphic Novel verarbeitete Erfahrungsbericht zeigt anhand alltäglicher Situationen, wie tief Rassismus und Sexismus in jede erdenkliche Ecke der Gesellschaft hineinreichen und wie schwer es Menschen haben, die nicht weiß und nicht männlich sind – also der Löwenanteil der Gesellschaft. Wenn man es genauer betrachtet, hält sich also nur ein kleiner Teil der Menschen für privilegiert: die weißen Männer. Und sie wollen bewusst oder unbewusst bestimmen, was für die Mehrheit der Gesellschaft zu gelten hat bzw. machen sich wenig bis keine Gedanken über andere und wie es ihnen mit all den Diskriminierungen geht.

Was die Graphic Novel aber auch zeigt – und das allein anhand der bloßen Darstellung der vielfältigen Alltagssituationen – Diskriminierung aller Art ist nicht nur ein ernstes Problem der weißen, christlichen Männer. Sie kommt überall vor, sogar dort, wo man es nicht vermutet. Die Autorin zeigt z.B. ihre indische Ursprungsfamilie, die streng zwischen hell- und dunkelhäutigen Inder*innen unterscheidet. Die dunkelhäutigen Inder*innen gelten als Menschen zweiter Klasse. So auch die Autorin, die im Gegensatz ihrer hellhäutigen, indischen Familie dunkelhäutig geboren wird. Das überträgt sich auch auf ihren Sohn: Ihre Großmutter hofft, dass das Kind der Autorin hellhäutig sein wird, betont aber trotzdem, dass es als Mischling in der Hölle schmoren wird. Und Mira Jacob kommt immer wieder in Erklärungsnöte, wenn ihr sechsjähriger Sohn nachhakt, weil er verstehen will, wie diese Welt funktioniert. Dass sie rassistisch funktioniert, will die Autorin ihm weitgehend ersparen, was sie in Erklärungsschwierigkeiten bringt.

Zitate aus dem Buch, dass dies u.a. veranschaulicht: „Jemand – ich glaub Kiese Laymon – hat gesagt, dass weiße Menschen schlafwandeln, wenn es um Rassismus in Amerika geht. Sie sehen es nicht, also glauben sie, es existiert nicht mehr. Sie dazu zu zwingen zu sehen, dass es passiert, hier und jetzt, ist wie einen Schlafwandler aufzuwecken. Sie werden orientierungslos, wütend auf dich, anstatt auf den Rassismus selbst.“

„ ‘Gott, bin ich froh, dass ich gerade kein Kind hab. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.‘ ‚Aber was kann man sonst sagen? Z fragt nach, weil diese Dinge passieren! Leute, die so aussehen wie er, werden verprügelt, Leute feuern das an, Leute sitzen daneben und gucken zu, Leute sagen: ‚Zeig mir das nicht, ich will es nicht sehen.‘ – Das alles formt in ihm eine große Frage. Wie könnte es auch nicht?‘ “

„ ‚Ich bin nicht der Feind.‘ ‚Ich bin kein weißer Mann.‘ ‚Du redest mit mir, als wäre ich irgendein Typ aus den 50ern, der darüber noch nie nachgedacht hat.‘ ‚Ich rede mit dir wie mit jemandem, der darüber nicht nachdenkt, weil er es nicht musste. Wie jemand, der gerade gesagt hat, ich muss einfach selbstbewusst sein.‘ “ Dieses Mann-Frau-Gespräch macht deutlich, wo der Hund begraben liegt: Der Mann ist sich der Diskriminierung nicht bewusst, will es vielleicht auch gar nicht sein und gibt der Frau auch noch die Schuld, wenn sie versucht sich zu behaupten: Sie soll einfach selbstbewusst sein. Wenn sie es nicht ist, selbst schuld. Aber wie soll frau selbstbewusst sein, vor allem einfach, wenn das Patriarchat tunlichst jegliches frauliche Selbstbewusstsein auslöscht, weil es für die männlichen Machtansprüche gefährlich ist?

„Als ich auf der Highschool war, wusste ich, dass man eigentlich verliebt sein musste, um miteinander rumzumachen, damit man keine Schlampe war, aber sich zu verlieben war schwer.“ Auch hier schwingt zwischen den Zeilen mit, dass freie Sexualität der Frau nicht zugestanden wird. Es gibt noch nicht einmal einen männlichen Gegenbegriff für „Schlampe“. Im Gegenteil: Der Mann ist der „tolle Hecht“, wenn er viele Frauen hat, die Frau dagegen eine „Schlampe“. Das Patriarchat fürchtet die freie Sexualität der Frau, wie die Autoren des Buches „Die Wahrheit über Eva“ herausgearbeitet haben, denn diese lässt den Mann bezüglich seiner Kinder und seiner Beziehung zur Frau und seinen Besitzansprüchen im Unklaren.

„Sogar wenn man verliebt war, konnte es seltsam werden. ‚Denkst du, du schmeckst anders als andere Mädchen?‘ ‚Ich glaube nicht. Warte, ich schmecke anders als andere Mädchen?‘ ‚Schwer zu sagen.‘ “

Tja, da bleiben einem die Worte weg. Und die Graphic Novel ist voll von diesen Erfahrungen einer einzigen Person, die sich über jeden Lebensbereich erstrecken. Sie zeigt auch, dass Sexismus und Rassismus eng miteinander verwoben sind. Frauen sind sowieso Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt, was dieses Buch ebenfalls sehr deutlich bis ins kleinste Detail zeigt.

Der Titel „Good Talk“ ist mehrdeutig. Er deutet zum einen an, wie wichtig es ist, miteinander zu kommunizieren: „Denn wenn du zu einem Menschen heranwächst, der sich fragt, wer er ist, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und was wir tun können, um sie besser zu machen, hast du immer noch Hoffnung für diese Welt. Und wenn du noch Hoffnung hast, mein Liebling, habe ich sie auch.“ Damit beendet die Autorin ihr Buch mit unausgesprochenen Gedanken für ihren Sohn, die sie ihm wohl mitteilen wird, wenn er alt genug ist, sie zu verstehen. Denn auch da liegt ein Großteil der Schwierigkeit: Das kindliche Hirn ist noch nicht entwickelt genug, um Dinge umfassend verstehen zu können, auch wenn Kinder vieles mitbekommen. Das macht es für Eltern, v.a. für Mütter, an denen die meiste Erziehungsarbeit immer noch hängt, so schwierig, komplexe Dinge einfach zu erklären. Das geht im Grunde gar nicht.

Zum anderen ist es wichtig, Diskriminierungen und alles andere, was schiefläuft, immer und immer wieder anzusprechen, möglichst laut und deutlich, damit sich etwas zum Besseren ändert. Denn Schweigen und Ducken spielt nur Despoten, diskriminierenden Systemen, Regimes und Religionen in die Hände!

Fazit

Äußerst gelungene Graphic Novel zum Thema Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Sie zeigt auf, wie tief Diskriminierungen aller Art immer wieder an jeder Ecke täglich aufs Neue in Gesellschaften lauern und verankert sind – und dass Frauen immer wieder täglich aufs Neue mehrfach diskriminiert werden. Selbst dort, wo man es eher nicht vermuten würde, lauern mannigfaltige Diskriminierungen. Die Graphic Novel sensibilisiert dafür, indem sie Alltagserfahrungen für sich sprechen lässt.


Genre: Diskriminierung, Graphic Novel, Rassismus, Sexismus
Illustrated by Carlsen graphic novel

Batman – Krieg dem Verbrechen

Batman – Krieg dem Verbrechen. Nicht nur die XL-Maße (26 x 36 cm) dieses Xtra-vaganten Batman-Abenteuers haben es in sich. Autor Paul Dini und Zeichner Alex Ross haben eine preisgekrönte Interpretation des Dark Knight Mythos geschaffen, das sich gegen andere wie die Sixtinische Kapelle ausnimmt. Einblicke in die Straßenschlachten Gotham Citys und die Schöpfungsgeschichte des wohl umstrittensten Verbrechensbekämpfers des 20. Jahrhunderts. Eine Hommage.

Batman – Krieg dem Verbrechen mit der Aura der Angst

Bruce Wayne ist seit der Ermordung seiner Eltern dazu verdammt, zwei Leben zu führen. Einerseits das des reichsten und einflussreichsten Mannes von Gotham City und andererseits das von Batman, des dunklen Schergen, der eine Maske trägt, wie seine größten Widersacher. “Ein Wesen, das in den Schatten lebt und offenbar unmenschliche Kräfte besitzt. Fantasie und Aberglaube machten ihn zu einem Geschöpf, das man meidet.“, schreibt Paul Dini. Die “Aura der Angst” die ihn umgibt, ist auch sein Schutz, denn allzu freundlich darf er auch nicht zu jenen sein, die er eigentlich beschützt. Genauso als Bruce Wayne: auch diese seine andere Identität ist dazu verdammt, auf allzu enge soziale Beziehungen zu verzichten. Bruce Wayne benutzt öffentliche Events als Informationsquelle: “eine Arena, um Kontakte herzustellen, die mir helfen, andere Schlachten zu gewinnen“. Wenn er wirklich zu dem geworden wäre, als was andere ihn sehen? Er sich von Verführungen hätte verlocken lassen? Natürlich sehnt auch er sich nach Stabilität, Sicherheit, Familie, allein, es ihm ein anderes Schicksal beschieden.

Arena der traumatischen Identitäten

Im ehemaligen Bayside Industriegebiet von Gotham City sollen neue Wohnhäuser und Geschäfte entstehen, um die Gegend aufzuwerten. Der soziale Brennpunkt soll damit der Vergangenheit angehören und einige Multimillionäre noch reicher machen. Einer der Investoren heißt Randall Winters und wird sowohl für Bruce Wayne als auch Batman zum Gegenspieler in einem großformatigen, im frühen Zeichenstil der Batman-Geschichten gehaltenen Abenteuer. Der kleine Marcus, der Batman mit einer Waffe bedroht ist gerade in dem Alter, in dem Bruce Wayne seine Eltern verlor. Aber er hat kein Familienimperium hinter sich. Seine Welt ist die der Gangs und Verbrechen. Denn sie bieten ihm Arbeit und Schutz. Genauso wenig wie Bruce kann auch Marcus irgendjemand seine Eltern zurückbringen. Aber er kann sich entscheiden zu dem zu werden, das ihre Familien getötet hat oder zu dem, was sie schützt. “Wenn ich ein Kind zurückgewinnen kann, gibt es auch Hoffnung für andere“, resümiert Batman, denn er weiß, gegen das Verbrechen ist auch er machtlos. Aber jeder Tag ist eine neue Herausforderung und auch kleine Siege führen zum Ende des Krieges. Vorläufig.

Alex Ross/Paul Dini
Batman – Krieg dem Verbrechen
(Original Storys: Batman: War On Crime)
2021, Hardcover, 76 Seiten, Maße ca. 26 x 36 cm.
ISBN: 9783741623394
27,00 €
Panini


Genre: Batman, Biographie, Comics, Graphic Novel
Illustrated by Panini Comics

Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964

Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964. In einer nummerierten Erstauflage von 5.000 und einer Collector’s Edition von 1.000 nummerierten Exemplaren erscheint in der Reihe Marvel Comics Library dieses Mammutwerk über Spiderman, den menschlichsten aller Superhelden. Stan Lee und Steve Ditko erschufen den Netzschwinger, dem nun im Hulk-Format mit seinen ersten 21 Spider-Man-Geschichten aus den Jahren 1962–64 gehuldigt wird.

Spider-Man: Seine Freunde, seine Feinde, seine Liebe

Spiderman unterscheidet sich von den anderen Superhelden nicht nur durch sein Alter: er ist Teenager. Als Markensymbol verwendet er eine Spinne, eine Gattung, die eigentlich von allen gehasst wird. Zudem ist er in seiner Identität als Peter Parker eher unsicher und hat Pech in der Liebe. Sein Chef J. Jonah Jameson, Herausgeber des Daily Bugle, schreit ihn immer wieder an. Seine Gegner sind da auch nicht viel anders: Geier, Doctor Octopus, Sandmann, Echse, Electro, Kraven der Jäger, Mysterio und der Grüne Kobold. Wirklich sorgen tut sich Peter Parker aber nur um seine Tante May, die, ebenso wie er, im uncoolen Queens wohnt. Aber als Stan Lee 1962 zum ersten Mal Spider-Man in der Reihe Amazing Fantasy, die eigentlich eingestellt werden sollte, vorstellte, ging die spektakuläre No. 15 – mit Spider-Man auf dem Cover – durch die Decke. Das todgeweihte Heft katapultierte sich durch den Teenagerhelden an die Spitze der Marvel-Bestsellerliste des Jahres und verjüngte das Heldenarsenal des Marvelverlages um eine ganze Generation. Batman und Superman waren ja bekanntlich schon drei Dekaden früher entstanden.

Sammlertraum im XXL-Format und in Farbe

Miterfinder und Zeichner Steve Ditko trug einen großen Teil zum Erfolg des Jünglings bei. Er hatte einen guten Einblick in das Leben von Teenagern und ihren Problemen und ließ Spider-Man leichtfüßig durch die Straßenschluchten von New York schwingen, ein Gefühl das damals wohl viele Jugendliche und junge Erwachsene suchten. Der vorliegende Sammlertraum im XXL-Format zeigt aber nicht nur die ersten 21 Geschichten im Großformat, sondern enthält auch ein ausführliches Essay von Marvel-Redakteur Ralph Macchio, Originalkunstwerke, seltene Fotografien und vielen anderen Kostbarkeiten und Kleinodien. In enger Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company wurden die am besten erhaltenen Comics aufgeschlagen und für die Reproduktion abfotografiert und mit modernen Retuschetechniken digital überarbeitet. MARVEL COMICS LIBRARY ist übrigens eine exklusive, langfristige Zusammenarbeit zwischen TASCHEN und Marvel, die schon die seltensten Comic-Klassiker, darunter Spider-Man, Avengers und Captain America, in ihrer ursprünglichen Schönheit in extra-großem Format akribisch reproduziert hat. Jeder Band enthält ein Essay eines Comic-Historikers sowie Hunderte von Fotos und Fundstücken, sowie seltene Original-Comiczeichnungen.

 

David Mandel, Ralph Macchio
Marvel Comics Library.
Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964
2021, Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,83 kg, 698 Seiten
Ausgabe: Englisch
ISBN 978-3-8365-8233-9
TASCHEN Verlag
€ 150


Genre: Comics, Erstausgaben, Graphic Novel, Sammlereditionen, Spiderman
Illustrated by Panini Comics

Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years. Band 1

Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years

Starman. Die Überraschung die am Ende dieses Comics auf die LeserInnen wartet, darf verraten werden: Es wird einen 2. Band mit dem Titel “LOW – David Bowie’s Berlin Years” geben. Also quasi eine Fortsetzung der Lebensgeschichte des am 10. Jänner 2016 verstorbenen Popmusikers und Schauspielers.

Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust

Reinhard Kleist, der schon ähnliche Bios zu Johnny Cash und Nick Cave verfasst und gezeichnet hat, zeigt uns den Aufstieg von David Robert Jones aus Brixton. Als David schulreif war, zogen die Jones in den Londoner Mittelklasse-Vorort Bromley, was für ihre beiden Söhne Terry und David tödliche Langeweile bedeutete. Aber die beiden Jungs fanden bald Interesse an Musik und begannen, von Amerika zu träumen. Mit gerade einmal 25 Jahren hatte David Bowie seinen Rock’n’Roll-Messias Ziggy Stardust erschaffen und tourte mit den Spiders of Mars durch die USA. Aber schon ein Jahr später, am 3. Juli 1973 ließ er Ziggy Stardust beim letzten Konzert seiner Welttournee im Londoner Hammersmith Odeon sterben. Genau diese Zeit lässt Reinhard Kleist in seiner Erzählung neu auferstehen, erklärt aber auch in Rückblenden wie es dazu kam, was Bowie zuvor machte und geht auch auf die triste, soziale Situation im England der Siebziger Jahre ein.

Major Tom, verloren im Weltraum

Außerdem erfährt der aufmerksame Leser auch, wie David Bowie zu seinen beiden unterschiedlichen Augenfarben kam und wer dafür verantwortlich zeichnete. Aber nicht nur seine Musik und sein Aussehen spielten beim Aufstieg von “Ziggy Stardust” eine wichtige Rolle, sondern auch seine Outfits, die von dem japanischen Designer Kansai Yamamoto stammten. Besonders in Erinnerung bleibt auch die Szene, in der Kleist seinen “Starman” im Weltraumkostüm zu Text von Space Oddity in den Weltraum entschweben lässt. Die autobiographischen Anteile des Textes werden durch die persönliche Situation in die Kleist seinen Protagonisten gezeichnet hat, augenscheinlich. Auch der positive Einfluss den Angie Bowie auf die Karriere ihres Ehemanns hatte wird gewürdigt. Während der Einfluss den Bowie auf Iggy Pop wiederum weniger positiv bewertet wird. Denn bald wird klar: Die Maske zeigt sein wahres Gesicht.

Vom Gender Folk zum Glam Rock

Starman – die Luxusausgabe

Bowie Kalender 2022 im Kleist Design mit 12 Postkarten

Wohl auch aus diesem Grund ließ David Bowie seinen Ziggy sterben und legte sich ein neues Image zu. Aladdin Sane: A lad insane. Gut getroffen sind auch die Zwiegespräche die David mit seinem Spiegelbild hält oder als er in einer typisch englischen Telefonzelle (die auch auf dem Cover des Albums zu sehen ist) mit seinem Bruder Terry telefoniert, der längst in eine Irrenanstalt eingeliefert wurde. Vom Gender Folk zum Glam Rock eines Lou Reed, Marc Bolan oder Gary Glitter war nur eine Etappe der Karriere des Popchamäleons, das noch viele Metamorphosen durchmachte. Die Farbgebung stammt von Thomas Gilke. Einziger Wermutstropfen: das Format ist etwas zu klein. Aber dafür gibt es noch eine Luxusausgabe. Die ist vom Format zwar gleich, ist dafür aber auf besonders hochwertigem Papier gedruckt und mit einem handsignierten Druck ausgestattet und wird in limitierter Auflage angeboten. Zudem ist 2022 noch ein Bowie Kalender erschienen, der auch 12 Postkarten zum Verschicken enthält.

Reinhard Kleist
Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years. Band 1
2021, Hardcover, 176 Seitenzahl, Größe 198 mm x 265 mm, ab 14 Jahren
ISBN 978-3-551-79362-1
Carlsen Verlag


Genre: Biographie, Comic, Glam Rock, Graphic Novel, Musik, Rockmusik, Siebziger
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg