Die Stunde der Komödianten

Wohl kaum nobelpreisfähig

Mit «Die Stunde der Komödianten» hat der britische Schriftsteller Graham Greene einen der für ihn typischen Romane vorgelegt, in dem menschliche Eigenschaften wie Glaube, Schuld und Verrat in abenteuerlichen Geschichten thematisiert werden. Seine Romane sind zumeist im Stil von spannenden Kriminal- oder Spionagegeschichten erzählt, enthalten aber auch einige Thriller-Elemente in Stories, die politische Inhalte haben als Grundlage des Erzählstoffs. Der vorliegende Roman erweist sich als Kritik am Kolonialismus und dessen unrühmlichen Folgen. hier explizit am Terrorregime des Diktators François Duvalier, genannt ‹Papa Doc›, der die Macht auf Haiti vor allem durch die paramilitärische Miliz der Tonton Macoute an sich reißen konnte. Trotz der düsteren Atmosphäre, in der auch dieser Roman angesiedelt ist, fehlt es im Erzählten nicht an einer Prise des typischen schwarzen, britischen Humors, worauf ja auch der Buchtitel hinweist.

Und in der Tat, es sind skurrile Figuren, die 1963 auf einem kleinen Schiff von New York nach Haiti reisen. Protagonist des Romans und Ich-Erzähler ist der etwa 50jährige, in Monte Carlo geborene Mr. Brown, der nach drei Monaten in New York wieder nach Haiti zurückkehrt. In Rückblenden erzählt er von seinem Leben, er hatte in Europa einen lukrativen Handel mit gefälschten und falsch signierten Gemälden aufgezogen, die er jeweils einem jungen Maler in Auftrag gab. Mit den Fälschungen in einem Wohnwagen zog er als ambulante Galerie von Ort zu Ort und machte gute Geschäfte mit unwissenden Kunden, bis er irgendwann aufflog! Er floh nach Haiti, wo seine Mutter in Porte aux Prince ein respektables Hotel besaß, das er nach ihrem Tod geerbt hat. Voller Elan stürzte er sich ins Geschäft und brachte das Trianon erfolgreich zu neuem Glanz. Im Spielcasino lernte er Martha, die deutsche Frau eines Botschafters kennen, sie wurde seine Geliebte. Durch das Terrorregime aber kam der Tourismus auf Haiti fast vollständig zum erliegen, niemand wollte sein Hotel kaufen, weil die Touristen schlagartig weggeblieben sind.

Auf der sechstägigen Überfahrt von New York lernte Brown den britischen Major Jones kennen, der mit seinen Kriegs-Abenteuern prahlt, ein äußerst charismatischer, jovialer Mann, den er aber nicht recht durchschauen kann, mit dem er dann auch nach der Ankunft regen Umgang pflegt. Und er trifft auf das etwas seltsame, aber grundanständige Ehepaar Smith aus den USA, wo der Ehemann 1948 Präsidentschafts-Kandidat war für die winzige Partei der Vegetarier. Mr. Smith will ‹Papa Doc›, den haitischen Präsidenten, für den Bau eines Vegetarier-Zentrums in Porte aux Prince gewinnen. Ein, wie sich herausstellt, sinnloses Unterfangen angesichts der wild wuchernden Korruption in diesem maroden Staat. Dass Paar reist ernüchtert ab! Im dritten Teil des Romans gerät Major Jones ins Visier der Tonton Macoute, wird verhaftet, kommt wieder frei, bekommt dann durch den Ich-Erzähler Brown Asyl in der Botschaft von Marthas Ehemann. Ein Eigentor für Brown, denn jetzt ist Jones ständig mit Martha, seiner Geliebten, zusammen, Brown wird eifersüchtig. Jones flüchtet bei Nacht und Nebel aus der Botschaft und schließt sich einer Rebellentruppe an, die den Diktator vom benachbarten Santo Domingo aus stürzen will.

Alles Schall und Rauch, wie sich am Ende herausstellt, die Figuren des Romans sind allesamt Traumtänzer, fast alles ist gelogen. Jones war nie im Krieg, und Browns wilde Pläne enden damit, dass er einen Job als Beerdigungs-Unternehmer antritt. Als Thriller mag dieser in einer klaren, zielgerichteten Sprache erzählte Roman seine Leser gut unterhalten, die politische Absicht, die Verdammung von staatlichem Terror, bleibt dagegen seltsam kraftlos schon im Ansatz stecken. Gauner und Spione interessieren wohl nicht nur im Kino, sondern auch in der Literatur ein breites Publikum. Um nobelpreisfähig zu sein mangelt es hier narrativ aber so ziemlich an allem, sogar an Spannung!

Fazit:   mäßig

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Genre: Roman
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Das Ende einer Affäre

Der dritte Mann

Auf der im Dezember 2015 von der BBC veröffentlichten Liste der hundert bedeutendsten britischen Romane ist Graham Greene dreimal vertreten, wobei sein Roman «Das Ende einer Affäre» von den 82 nicht-britischen Juroren als sein bester auf Platz 31 gewählt wurde. Das 1951 erschienene Buch des mehrfach erfolglos für den Nobelpreis nominierten Autors wurde zweimal verfilmt, es gibt auch eine Adaption als Oper. Beherrschende Themen seiner Werke ist das Menschsein insbesondere in Hinblick auf Schuld, Verrat und Glaube, er wird wegen seiner religiösen Bindung zu der in Frankreich entstandenen literarischen Bewegung Renouveau catholique, der Religiösen Erneuerung gerechnet. Seine frühen Romane sind von einer düsteren, traurigen Atmosphäre gekennzeichnet, für die im englischen Sprachraum der Begriff «Greeneland» geprägt wurde. Auch der vorliegende Roman zählt dazu, er gehört thematisch zu den «catholic novels» dieses Autors. Es finden sich darin diverse autobiografische Bezüge, auch der Ich-Erzähler des Romans ist Schriftsteller, hat eine Affäre mit einer verheirateten Frau, und eine Konversion zum katholischen Glauben, wie sie der Autor auch selbst vollzogen hat, ist letztendlich das Schlüsselelement dieser moralinsauren Geschichte.

Maurice Bendrix, lediger und wenig erfolgreicher Schriftsteller, hat während des Zweiten Weltkriegs eine leidenschaftliche Affäre mit Sarah, der Frau des hohen Beamten Henry Miles in London, deren kinderlos gebliebene Ehe in liebloser Alltagsroutine erstarrt ist. Als bei einem Rendezvous ganz in der Nähe eine deutsche V1-Rakete einschlägt und Sarah Maurice im Hausflur tot unter Trümmern liegen sieht, gelobt sie Gott, – an den sie nicht glaubt -, im Gebet verzweifelt, die Liaison sofort zu beenden, wenn Maurice wieder lebendig würde. Der aber war tatsächlich nur ohnmächtig und konnte sich fast unverletzt aus den Trümmern befreien. Sarah fühlt sich nun an ihr Gelöbnis gebunden und wendet sich von ihrem Geliebten ab, ohne ihm den Grund zu sagen. Nach mehr als einem Jahr, in dem sie sich nicht sehen, trifft der eifersüchtige Maurice, der an einen neuen Liebhaber glaubt, 1946 zufällig Sarahs Mann. Der erzählt ihm bei einem Drink von seiner Befürchtung, dass Sarah ihn betrügt, er zögere aber, des Skandals wegen, einen Detektiv zu engagieren. Maurice, immer noch rasend eifersüchtig, greift Henrys Idee auf und engagiert seinerseits einen Detektiv. Es findet sich aber kein neuer Liebhaber, nur ein charismatischer Atheist und Straßenredner, den Sarah regelmäßig aufsucht, damit er sie von der Nichtexistenz Gottes überzeuge. Was sie letztendlich dann von ihrem Gelübde entbinden würde, denn sie liebt Maurice nach wie vor inniglich.

Die in fünf «Bücher» untergliederte Geschichte wird, abgesehen von einer längeren Tagebuch-Passage, von Maurice in Ich-Form erzählt. In dem Tagebuch, das sich direkt an Gott wendet, lesen wir von Sarahs verzweifelten Versuchen, gottgläubig zu werden, ihre Schuld zu sühnen, ihren Seelenfrieden wieder zu finden. Liebe und Glaube stehen sich hier also als moralische Instanzen entgegen und zerstören Sarah seelisch durch ihre tragische Unvereinbarkeit. Die ja, das lehrt diese Geschichte, nicht Gott anzulasten ist, sondern dem katholischen Klerus mit seinen ebenso willkürlichen wie unversöhnlichen Dogmen. In Maurice aber, der inzwischen selbst an die Existenz Gottes glaubt, ist nur tiefer Hass ihm gegenüber.

Der Plot wirkt arg konstruiert, er ist ganz in Hinblick auf das moralische Dilemma seiner weiblichen Protagonistin angelegt, das der Autor hier wenig glaubwürdig vor uns ausbreitet. Das uralte Thema der Frau zwischen Ehemann und Liebhaber erfährt hier eine Ausweitung ins Metaphysische, Gott selbst ist der dritte Mann in diesem Rührstück, dessen Kernthema einer Konversion zum Katholizismus banal und langatmig abgehandelt wird von einem missionarisch bemühten Graham Greene. Schade, dass er sein literarisches Können hier so naiv zweckgebunden eingesetzt hat!

Fazit: mäßig

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Genre: Roman
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Der dritte Mann

green-graham-1Roman vs. Spielfilm

Der britische Schriftsteller Graham Greene gilt als der Autor mit den meisten Nominierungen für den Nobelpreis, erhalten hat er ihn nie. Manchen galt er als nicht idealistisch genug oder als nicht hinreichend moralisch, Anderen als kommunismusverdächtig oder zu wenig liberal, nach seiner Konversion den Katholiken als zu ketzerisch, den Atheisten als zu katholisch, ein Individualist also, der schwer einzuordnen war. Literarisch thematisiert er, häufig in Form von Abenteuer-, Spionage- oder Kriminalgeschichten, die Problematik von Schuld, Treue und Verrat, kein Wunder, gab es in seiner bewegten Vita immerhin auch eine kurze Phase geheimdienstlicher Tätigkeit. Fast alle seine Werke sind verfilmt worden, so auch der Roman «Der dritte Mann», mit Orson Welles in der Hauptrolle einer der unsterblichen Klassiker des Spielfilms. Wobei der Zitherspieler Anton Karas mit seinem Harry-Lime-Theme eine kongeniale Filmmusik geschaffen hat, die ihrerseits lange Zeit ein Gassenhauer war, Synonym geradezu für diesen berühmten Thriller.

Im Vorwort seines Romans schreibt Greene: «Der dritte Mann wurde nicht geschrieben, um gelesen, sondern um gesehen zu werden». Für das geplante Filmprojekt mit Carol Reed als Regisseur sollte er das Drehbuch schreiben, mehr als ein paar Zeilen, eine Idee, lagen aber noch nicht vor. «Es ist für mich nahezu unmöglich, ein Drehbuch zu schreiben, ohne den Stoff zunächst als Erzählung zu behandeln», lässt er uns wissen. Diesem Unvermögen also verdanken wir einen spannenden Roman, die zeitlich im Wien der Nachkriegszeit angesiedelt ist, als die Stadt sich unter dem Vier-Mächte-Status in einer politisch seltsam anmutenden Konstellation befand. Die dafür symptomatischen Polizeistreifen mit ihren vier aus den jeweiligen Siegernationen stammenden Militärpolizisten, immer zusammen in einem Jeep, jeder in der Uniform seines Landes, dürften für jüngere Leser, vermute ich mal, kaum noch vorstellbar sein. Der Schwarzmarkt blühte damals, es gab viele Schieberbanden, die illegal mit allem Möglichen handelten und die Polizei in Atem hielten. In diesem Milieu ist die ziemlich mysteriöse Geschichte von Harry Lime angesiedelt, die von einem englischen Polizisten, Oberst Calloway erzählt wird.

Rollo Martins, unter dem Pseudonym Buck Dexter wenig erfolgreicher Autor billiger Wildwestromane, bekommt durch Vermittlung seines Freundes Harry den lukrativen Auftrag, in Wien einen bestimmten Zeitungsartikel zu schreiben. Als er dort eintrifft, erfährt er, dass Harry bei einem Verkehrsunfall getötet wurde. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des Ich-Erzählers Calloway, abwechselnd wird immer wieder protokollartig das Geschehen neutral geschildert, die Polizeiakten zitierend, die über Lime angelegt sind. Denn der war, zum Entsetzen seines gutgläubigen Freundes, in kriminelle Schwarzmarktgeschäfte verwickelt. Nach und nach gelingt es Martins zusammen mit dem Oberst, die Hintergründe des rätselhaften Todes vom Lime aufzuklären, hier mehr zu erzählen verbietet sich aber. Einerseits, um die Spannung nicht zu verderben, andererseits ist der Fortgang der Geschichte vielen Kinobesuchern längst hinreichend bekannt.

«Tatsächlich ist der Film besser als die Erzählung», schreibt Greene im Vorwort. Dem kann ich nicht zustimmen, denn der Film, der in meinem Kopf entstand, als ich das Buch jetzt gelesen habe, war ebenso spannend, ebenso unterhaltend, er war darüber hinaus aber auch amüsant. Der schwarze englische Humor schimmert häufiger durch, und besonders köstlich ist für Buchleser der literarische Abend im British Council, den Martins alias Dexter zu bestreiten hat, unter diesem Synonym wurde er nämlich mit einem namensgleichen berühmten Autor verwechselt. Als er dort gefragt wird, wie er denn James Joyce literarisch einordnen würde, antwortet er zum Erstaunen des Auditoriums: «Ich habe noch nie von ihm gehört». Es lohnt also doch, zu lesen!

Fazit: lesenswert

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