Kurzes Buch, kurze Rezension. Wer sich eine Kurz-Version von „Liebe in Zeiten der Cholera“ für ganz Eilige vorstellt, liegt richtig und hat den Inhalt der etwa 95 Seiten schon weitgehend erfasst. Ein über achtzigjähriger Italiener kehrt zu seiner gleichaltrigen Geliebten aus Jugendzeiten nach Apulien zurück. Er hat ein stoisch langweiliges Leben als Apfelpflücker und Melker in Südtirol verbracht. Sie vergnügte sich lange Zeit mit anderen Bekanntschaften, bis sie nach sechs Jahrzehnten merkt, dass sie ihn wohl irgendwie vermisst. Schliesslich erreicht ihn ein Brief von ihr, er kehrt zu ihr zurück. Am Bahnhof von Lecce steht man sich nach mehr als 60 Jahren wieder gegenüber.
Titel und Inhaltsangabe des Mare-Verlages verheißen ein kurzweiliges Urlaubsbuch. Leider ist jedoch ein romatisch-sentimentaler Roman herausgekommen, teilweise mit depressiven Tendenzen. Wenn man sein Bild im Abspann des Buches sieht, kann man sich beim Lesen sehr gut vorstellen, wie der indisch-niederländische Autor van der Kwast mit großen, tränennassen Basset-Augen vor seiner Tastatur sitzt und schluchzend mit seinen eigenen Protagonisten dahin schmachtet. Dabei kann man ihm ein gewisses Maß an Wortgewandtheit gar nicht absprechen, allerdings driften kurze literarische Highlights zu oft wieder ab in eine schwülstige Schwere. Pluspunkte sammelt van der Kwast ein wenig dadurch, dass er doch nicht in alle Klischee-Fallen tappt und Giovanna, die weibliche Hauptdarstellerin, ein für die frühen fünfziger Jahre fast schon emanzipiertes und feministisches Leben führen lässt. Man muss sich ansonsten beim Lesen stetig zügeln, um nicht die Logik und Sinnhaftigkeit der Handlung und des Verhaltens zu hinterfragen. Aber gut, es mag Menschen geben, die sechzig Jahre ihres Leben ungenutzt verstreichen lassen, einfach verschenken. Stellt man sich das in der Realität vor, wird ungläubiges Kopfschütteln über das Buch möglicherweise in einen Frust über das menschliche Dasein umgelenkt.
In Summe hat sich van der Kwast bemüht, hat sicher auch ein gewisses Talent für tragisch-blumige Literatur, aber letztendlich reichte es nur zu einem Liebesroman auf leicht höherem Niveau. In etwa fünf Viertelstunden ist man durch.