
Enrico Marini: Burlesque Noir
Noir Burlesque. Zuletzt mit Eagles du Rome” (“Adler Roms”) bei Carlsen aufgefallen, zeichnet der Italiener Enrico Marini inzwischen auch schon mal einen Batman, aber auch Vampire, Raubtiere oder den Edel-Western “L’Etoile du Désert” (“Der Stern der Wüste”) und die zwölfbändige Serie “Der Skorpion”. Seine Vielseitigkeit zeigt sich auch in vorliegendem Werk, das sich an den Film Noirs der Vierziger und Fünfziger orientiert. Auch etwas von Sin City ist mit dabei in diesem knallharten Gangsterepos um den Ex-Boxer, Spieler und Kriegsveteranen Terry Slick und seinen Gegenspieler den Nachtclubbesitzer Rex McKinty.
Die Farbe Rot: Noir Burlesque
Ganz in Schwarz/weiß zeigt Marini die Häuserschluchten und Schlupfwinkel der “großen Stadt”, bei der es sich eigentlich nur eine handeln kann. Die Stadt. New York. New York in den Fünfzigern um genauer zu sein. Ein Haifischbecken in dem es für kleine Gangster wie Slick schwerer zu überleben ist, als für die Großen. Aber es gibt einen guten Grund überleben zu wollen. Und dieser Grund hat einen Namen: die Femme fatale Caprice ist die einzige, die Farbe trägt in diesem Comic Noir aus den dunkelsten Winkeln des Big Apples. Ihre Haare sind so rot wie ihr Auto oder ihre Schuhe. Aber das Rot ihrer Lippen, das wird Slick nie mehr vergessen können. Denn das war so nahe an seinen Wangen, dass er es fast gewagt hätte danach zu schnappen. Nach dem Rot. Nicht nach den Lippen. Caprice hat eine Burlesque-Show in einem Nachtclub, dem Rex Night Club. Auch die Mädchen dort tragen rote Kleider und Mützchen. Aber nur die, die bedienen. Die auf der Bühne tragen nicht einmal das. Caprice hat von Lily St-Cyr die Kunst des Striptease gelernt. Dieser Beruf hat nichts mit Prostitution zu tun. Nur Kretins glauben das. Aber Slick will Caprice nur provozieren, als er ihren Beruf so abwertet, denn er ist eifersüchtig das sie bald ganz dem Boss, Rex McKinty, gehören wird. Rex war früher auch sein Auftraggeber, bevor er ins Kittchen musste, weil ein Mitarbeiter von ihm ihn im Stich ließ. Das trägt er Rex nach. Aber Rex braucht ihn. Außerdem hat Slick noch Schulden bei ihm. Resp. sein Bruder.
Ménage à Trois im Gangstermilieu
Während sich Caprice ihre Strümpfe runterrollt, um sich in einer Badewanne mit Champagner auf einer Bühne des Rex damit ansaugen zu lassen, stellt Rex Slick ein Ultimatum: 24h, um die fehlenden 5000 Dollar aufzutreiben. Stattdessen tröstet sich Slick aber lieber mit ein paar Drinks, Zigarren und einer netten Brünetten. Zumindest bis es an die Tür klopft und Caprice davor steht. Auch sie will ihren Anteil von Slick. Sie holt ihn sich in Naturalien. Na wenn das einmal gut ausgehen wird! Eine Menage a Trois im Gangstermilieu. Die Zeichnungen von Marini, der auch den Text verfasst hat, sind im klassischen Noir Stil, Sonnenblenden, Halbschatten, Metallbetten und typisch amerikanische Diners, in denen der Kaffee besser schmeckt als in der Wirklichkeit. Gelungen ist auch Slicks Rettung vor Rex’ Häschern durch eine streunende Katze, die gerade rechtzeitig auf seiner Feuerleiter steht und an sein Fenster klopft. Ein Filmplakat “The Big Shoot-Out” mit Amber Moon und Phil Xavier auf einer Straßenkreuzung zeigt den Plot en miniature, dazu Jazz in einem Tanzlokal und heiße Küsse auf dem Parkett. Ein Comic Noir der nichts zu wünschen übrig lässt. Außer dass die Fortsetzung hoffentlich bald erscheint!
Enrico Marini
Noir Burlesque 1/2
2022, Hardcover, 104 Seiten, Format: 223 mm x 300 mm
ISBN: 978-3-551-76390-7
Carlsen Verlag
24,00 €


Die Adler Roms, Buch 2-3: Wirklich eindrucksvolle und einprägsame Bilder bietet die fünfteilige Serie von Enrico Marini, die beim Carlsen Verlag in Hardcover und als Epublikation erschienen sind. Die Geschichte von Hermann dem Cherusker wird als Geschichte einer Freundschaft erzählt. Denn „Arminius“ – so der lateinische Name – wuchs in einer römischen Familie mit dem gleichaltrigen Titus Valerius Falco auf. Doch das Schicksal machte die beiden Freunde zu Feinden.
Aber nicht nur die Zirkusspiele und Schlachten werden authentisch gezeichnet und geschildert, sondern auch die Liebesszene zwischen Priscilla und Falco am Rande des Tiber. Man fühlt sich geradezu in eine Märchenwelt entführt. Sprachlicher Witz („die vier letzten Buchstaben deines Namens, Seianus“) und üppige dekadente Sexszenen machen „Die Adler Roms“ zu einem Lesevergnügen der ganz besonderen Art. Denn diese Bilder wird man so schnell nicht mehr aus dem Kopf kriegen, so einprägsam und eindrucksvoll sind sie gezeichnet. Etwa wenn nach einem Dialog zwischen Arminius und Falco zwei Gefangene so nebenbei abgekragelt werden und die beiden Freunde im Hintergrund entschwinden. Enrico Marini zeigt aber auch die Kultur der Germanen, ihren Thing und die Bedrohung, die ihnen durch die Römer erwächst. Zudem wird auch die Vielfalt der germanischen Kultur durch die unterschiedlichen Gebräuche der einzelnen Stämme dargestellt. Besonders gruselig und authentisch wirken die Bilder im Wald, der alsbald die römischen Legionen verschlingt.
Die Adler Roms Buch 1-5: „Fortan werden eure Feinde auch die Feinde Roms sein.“ Pax Romana nannte man diese Formel, die Besiegte zu Verbündeten gegen neue Feinde machte. Es war eine Art Siedlungspolitik, die wesentlich zur Ausbreitung der römischen Kultur beitrug. Es bedeutet auch die Zeit der größten Ausdehnung des römischen Reiches unter Augustus.