Der Zauberer

Im Kampf gegen den Drachen Grengarm ist Sir Able of The High Heart gefallen und wird in den Götterhimmel Skai aufgenommen, wo er lange Zeit verbringt. Doch er sehnt sich nach seiner geliebten Prinzessin Disiri, deren Ritter er ist. Auf seine Bitten entlässt ihn der Walvater noch einmal nach Mythgarthr. Ihm wird allerdings das Gelübde abgenommen, von den zauberischen Fähigkeiten, die er inzwischen erlangt hat, keinen Gebrauch zu machen.

Sir Able trifft auf eine Welt, die in Auflösung begriffen ist. Die Frostriesen greifen an, und ein Drache aus Muspel will das Land unter seine Kontrolle bringen. Der inzwischen zum Mann gereifte Junge tritt wieder als einfacher Kämpfer den Gefahren entgegen, allerdings hat er jetzt eine Erfahrung und einen Hintergrund, der ihm zum Vorteil gereicht. Außerdem hat er Freunde und Getreue, deren Schicksalsfäden bereits im ersten Band gesponnen und nun wieder aufgenommen werden.

Der zweite und letzte Band der Geschichte aus Mythgarthr ist ebenfalls als Brief des Helden an seinen Bruder Ben verfasst. Er knüpft nahtlos an die Geschehnisse des ersten Buches an und rundet die Geschichte zu einem Fantasy-Werk der besonderen Art.


Genre: Fantasy
Illustrated by Klett-Cotta Stuttgart

Der Ritter

In einem Brief an seinen Bruder berichtet ein Junge, den es in die Welt von Mythgarthr verschlug, über seinen Werdegang zum Ritter. Sir Able of The High Heart nennt sich der junge Held, der langsam erwachsen wird und viele Abenteuer in unterschiedlichen Sphären wie Alfarin und Muspel erlebt. Sein Ziel ist, das magische Schwert Eterne zu finden, um damit ein richtiger Ritter zu werden. Mit einem riesenhaften Wolfshund und einer magischen Katze sowie weiteren geheimnisvollen Gefährten besteht er Abenteuer, die ihn schließlich in das Reich der Frostriesen führen. Dort führt er gegen den Drachen Grengarm einen Kampf auf Leben und Tod …

In seltsam subtilem Stil erzählt der in seinem Sprachraum hoch gelobte Autor die Geschichte seines jungen Helden. Der Leser zieht an Sir Ables Seite durch die Ereignisse, um immer wieder festzustellen, dass viel geschieht, ohne dass es explizit beschrieben wird. Mit der lapidaren Art, mit der Schlachten und Kämpfe als selbstverständlich angesehen, aber eben nicht geschildert werden, soll der Leser angeregt werden, sein Phantasie zu benutzen. Das unterscheidet den Autor klar von den gängigen Fantasy-Schreibern, denen das Blut literweise aus der Feder tropft. Die ersten zweihundert Seiten des Bandes wirken leider wenig zusammenhängend, erst allmählich kristallisieren sich Handlungsstränge heraus, denen es zu folgen lohnt. Natürlich gibt es jede Menge Ungeheuer, Zauberschwerter, Drachen, Riesen, Questen, es geht auch um Liebe, Ehre und Edelmut — all die vertrauten Elemente des Genres werden berücksichtigt und eingewoben

Der Briefroman ist leserfreundlich in viele kleine Kapitel geteilt. Ausgesprochen billig wirkt allerdings, dass lediglich vier Vignetten geschaffen wurden, die sich endlos wiederholen … wobei diese Unsitte zu allem Überfluss auch noch im zweiten Band der Geschichte fortgesetzt wird …


Genre: Fantasy
Illustrated by Klett-Cotta Stuttgart

Der mystische Masseur

In seinem ersten Roman erzählt der mittlerweile auch im deutschen Sprachraum bekannte westindische Autor die witzig-melancholische Geschichte von Ganesh, dem großen Heiler von Trinidad, und liefert das satirische Porträt eines Dorfes, das den ungewöhnlichen und überraschenden Aufstieg eines gescheiterten Lehrers staunend begleitet. Der Protagonist versucht sich als Masseur, und er schreibt ein Büchlein über den Hinduismus. Leider ist er weder als Therapeut noch als Buchverkäufer erfolgreich. Doch Ganesh hat Phantasie, und die setzt er bei der Behandlung eines von einem bösen Dämon besessenen Kindes ein. Er wird zum »mystischen Masseur« und Erfolgsautor und landet schließlich sogar in der großen Politik.

Naipaul schafft mit seinem satirisch reflektierenden Roman ein wundervolles Werk auch über die Rolle des Autors, den Stellenwert des Buches, die Bedeutung von Titelblatt, Aufmachung, Umfang und Widmung sowie über den Sinn, den eingeschlagenen Kurs festzuhalten und an sich selbst zu glauben. Diese Auffassung hat zumindest dem Autor, der 2001 den Literatur-Nobelpreis bekam, geholfen und ihn weit gebracht.


Genre: Romane
Illustrated by List München

Manufactum

»Das ist doch voll die 68er-Verarsche«, tönt meine nichtsnutzige Nichte und tanzt um mich herum. Derweil blättere ich im neuesten Manufactum-Katalog und schreibe mit leuchtenden Augen eine lange Wunschliste. »Das ist echte Markenqualität«, gebe ich beleidigt zurück und versenke mich in die Lektüre. Tatsächlich scheiden sich am Angebot des Edelversenders die Geister und dokumentieren zugleich die sich wandelnde gesellschaftliche Einstellung zu Gebrauchs- und Verbrauchsgütern.

»Es gibt sie noch, die guten Dinge«, behauptet der Waltroper Versandhändler Manufactum, der seinen umfangreichen Katalog regelmäßig hunderttausenden Haushalten zuschickt und erfolgreich sieben Warenhäuser betreibt. Das Unternehmen bietet rund 4500 verschiedene, solide gefertigte Waren an, die aus Handwerksbetrieben, Klöstern und Traditionsbetrieben stammen.

Viele der Katalogbilder erinnern an Gegenstände, die unsere Großeltern gern gebrauchten und inzwischen auf Flohmärkten gelandet sind. Es handelt sich um klassische Küchengeräte, Werkzeuge, Büroartikel, Möbel, Lampen, Heimtextilien, Bekleidung, Schuhe, Taschen, Lederwaren, Pflegemittel, Gartenartikel und Spielsachen. Alles ist materialgerecht, langlebig, reparabel und weitgehend umweltverträglich. Das Unternehmen bemüht sich, alte Apfel- und Kartoffelsorten zu rekultivieren, und es verschafft Betrieben mit ausgefallenen Produkten eine Vertriebschance. Im Fluss der Zeit vergessene Materialien wie Bakelit, Gusseisen, Filz und Pappe werden ebenso exhumiert wie untergegangene Naturprodukte, Stoffe, Lebensmittel und Gewürze.

Der neueste Katalog ist ein knapp 400 Seiten starkes Nachschlagewerk versunkener Schätze: von »Abflusssieben« bis zu »Zylinderknopfnadeln« gibt es beinahe alles. Schon allein durch seinen Umfang wird der Warenatlas zum reich bebilderten Geschichtswerk und bietet eine Reise durch die jüngere Vergangenheit unseres Kulturkreises. Ältere Ausgaben des elegant aufgemachten Prospektes werden inzwischen selbst als Kultobjekte gehandelt. Das Katalogbuch ist Gegenstand wissenschaftlicher Analysen, die »Süddeutsche Zeitung« setzte ihn auf Platz zwei der wichtigen zeitlosen Ratgeber.

Die Welt von Manufactum fasziniert, denn es gibt für jeden Bereich nützliche und weniger nützliche Produkte. Lediglich die teilweise extrem hohen Preise bremsen mich bislang, bei der feinen Adresse in Kaufrausch zu fallen, wenn es gilt, die Wohnwelt aufzupeppen. Meine erste Anschaffung aus dem Waltroper Handelshaus war entsprechend preiswert, und ich halte sie heute noch in Ehren: der seit 1947 in der Schweiz produzierte Kartoffelschäler »Rex« aus Edelstahl ist das beste Produkt seiner Art und kostet nur 1,70. Es ist der Geräteveteran meiner Küche, und ich habe mich wirklich erst ein paar Mal daran geschnitten!

Das jacken- und hosentaschentaugliche Notizbuch »Kompagnon« diente schon Bruce Chatwin und anderen Literaten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Aufzeichnung von Beobachtungen und Notizen. Solche Tradition verspricht dem Erwerber Erfolg! 192 fadengebundene Seiten aus tintenfestem Papier, Lesebändchen, Gummizug zum Verschließen, eine Einstecktasche im Deckel, ein vinylbeschichteter Einband und — wirklich wichtig — eine Stiftlasche zum Einstecken eines Schreibgerätes ist für nur 8,50 ein nützliches Geschenk für jeden, der schreibt.

Widerstanden habe ich bislang der Anschaffung von Omas Kolbenfüller zum Preis von 660,00. Mein betagter »Pelikan« von 1965 kleckst heute noch so gut wie vor vierzig Jahren und wird folglich ungern benutzt. Auch zur mechanischen Schreibmaschine »Olympia« habe ich trotz des Schnäppchenpreises von 540,00 ein gespaltenes Verhältnis. Ich erinnere mich gut der grauen Zeiten, in denen jeder Brief und jede Manuskriptseite einzeln getippt und mit Hilfe von schmierigem, nachtblauem Kohlepapier durchgeschrieben werden musste. Zudem fehlt ein Teil der beschworenen Nostalgie: Manufactum bietet kein Durchschlagpapier an. Sicherheitsabstand halte ich schließlich auch zur Bücherwand »Shannon«, nachdem ich überschlug, dass die entsprechende Umquartierung meiner Bibliothek mehr als zwanzigtausend Taler plus endlos viele Arbeitsstunden kosten würde. — Da investiere ich lieber in Inhalte als in Optik.

»Form follows function«, lautet einer der Grundlehren der Gestaltungskunst. Dinge, die lediglich als schöne Schauobjekte dienen, haben meist geringen Gebrauchswert. Fakt ist aber, dass wir überschüttet werden mit Hochtechnologie, die teilweise nur nach der Lektüre voluminöser Bedienungshefte benutzt werden kann. Entsprechend schwierig ist der Umgang mit Geräten des täglichen Bedarfs geworden. »Plug and Play« steht längst als Werbewitz. Glücklich, wer einen Freund bitten kann, das neue WLAN-Netz, den günstig erworbenen DVD-Rekorder, das ultramoderne MMS-Handy oder die Digitalkamera in Gang zu setzen und zu programmieren.

Konsequent entwickelt sich eine neue Zielgruppe, die elektronisch abrüsten möchte. Man mag sie als »Manufactum-Klientel« beschreiben — Menschen, die Gebrauchsgegenstände ohne überflüssigen Zusatz wollen. Es sind Verbraucher, die lieber einen von den in Pennsylvania siedelnden Amish-People produzierten mechanischen Handquirl nutzen als eine blitzmoderne Kitchen-Aid-Maschine. Gerade für eine alternde Gesellschaft ist es wichtig, dass die Geräte auf das Nötigste reduziert sind und keine sinnlosen Funktionen haben. Damit öffnet sich ein neuer Markt für diejenigen, denen die sprunghafte technische Entwicklung ein Gräuel ist, und die ihre technikfeindliche Haltung auch gern ideologisch abfedern. Der Händler im Retro-Look bedient folglich vorwiegend Kunden mit gehobenem Einkommen ab 45+. »Best Ager« werden sie im Kastendenken der Werbewirte in jüngster Zeit genannt.

Meiner Nichte ist es schnuppe, ob Olivenöl von grauhaarigen Mönchen in unzugänglichen Einsiedeleien mit nackten Füßen ausgepresst wird oder aus einer voll automatisierten spanischen Fabrik stammt; Preis und Vorhandensein im Regalsystem der Discounter bestimmen ihr Kaufverhalten. Insofern ist mir ihre Meinung nachvollziehbar, das Interesse an teuren Qualitätsprodukten sei ein Hobby alter Säcke mit zu viel Zeit und Geld. Deshalb sei der Katalog auch eine geniale Möglichkeit, die Generation der sonst so kritisch eingestellten Alt-68er in Bann zu schlagen.

Mich ficht die Meinung des Backfischs wenig an, denn auch in diesem Fall verhält sich die Wahrheit wie der Mond: manchmal verschwindet sie hinter den Wolken. Der Mythos der guten, alten Dinge jedenfalls bleibt bestehen. So stöbere ich weiter mit kindlicher Freude in dem Werk und träume von goldenen Zeiten.


Genre: Kataloge
Illustrated by Manufactum Waltrop

Shadowmarch 1 • Die Grenze

Garstige Lindwürmer überqueren die Grenze, grimmige Vögel mit Eisenschnäbeln schlagen Schafe, und graue Reiter legen im Auftrag des blinden Qar-Königs Ynnir ein geheimnisvolles Findelkind in der Südmark ab, über die König Olin Eddon dynastisch herrscht. Das ausgesetzte Kind wird von Chert und Opalia aufgenommen, einem Ehepaar vom Zwergenvolk der Funderlinge, das im Feld unter der Burg lebt. Sie nennen das geheimnisvolle Findelkind Flint. Weiterlesen


Genre: Fantasy
Illustrated by Klett-Cotta Stuttgart

Die totale Erinnerung

Nordkorea, das Land, in dem die rote Sonne Kim Jong Ils ohne Unterlass scheint, ist eine der wenigen unerforschten Flecken unserer Erde. Sagenumwoben wird einer der letzten Bastionen des Personenkults alles Mögliche unterstellt und angedichtet: vom Kannibalismus seiner ausgehungerten Landsleute bis zum Größenwahn des geliebten Führers, der mit Drogen handeln, wüste Partys feiern und diversen Lastern frönen soll. Der amerikanische Präsident wittert inzwischen sogar den Achselschweiß des Bösen von Pjöngjang bis ins Oval Office und möchte gern sein tödliches Deo versprühen. Da kommt der erste Bildband mit Fotos aus dem Inneren des kommunistischen Landes gerade recht, um sich zumindest einen optischen Eindruck zu verschaffen. Weiterlesen


Genre: Fotografie
Illustrated by Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins Berlin

Das Gottesspiel

Über Kleinanzeigen sucht und findet ein namenloser Schriftsteller Menschen, die lebensüberdrüssig sind. Er hört sich gegen gutes Honorar ihre Geschichte an, er spricht mit ihnen und gibt ihnen Empfehlungen für ihren Freitod, den er persönlich begleitet. Als Clou verspricht er den Kandidaten, sie als Romangestalt wieder auferstehen zu lassen, wenn sie ihn denn faszinieren. Dies ist Gegenstand des in Südkorea als Skandal gefeierten Romans »Das Gottesspiel«, der jetzt in deutscher Sprache vorgelegt wurde.

Der im Original »Der Sterbehelfer« betitelte Roman wurde in der deutschen Übersetzung in „Das Gottesspiel“ umgetauft, weil sich der schriftstellernde Geburtshelfer des Todes selbst als eine Art Gottheit fühlt, der sich als Herr über Leben und Tod aufschwingt, zumal er seine Gestalten literarisch wieder erweckt. Er identifiziert sich mit dem von Eugène Delacroix 1827 gemalten »Tod des Sardanapal«, einem blutrünstigen Bild, auf dem der König von Babylon vor der Kapitulation die Königin, seine Konkubinen und sein Lieblingspferd grausam abschlachten lässt, während er dem Festschmaus des Todes auf seinem Diwan liegend zuschaut.

»Das Gottesspiel« spiegelt das Empfinden einer Generation, die satt und orientierungslos auf der Suche nach sich selbst ist und dabei auch bereit ist, die Grenze zwischen Leben und Tod zu übertreten. Dazu gehört Judith, die an der Welt und dem Leben kein Interesse mehr hat und deshalb den Tod als Abwechslung in ihrem als dumpf empfundenen Dasein erlebt.

Kim Young-ha gilt als Vertreter der neuen Generation von südkoreanischen Schriftstellern, die den dynamischen, coolen Stil der jüngeren Bewohner der Zehn-Millionen-Stadt Seoul spiegeln. Ging es in der düster und schwermütigen Literatur des diktatorisch regierten Landes bisher vorrangig um die Teilung des Landes, um den Korea-Krieg, um Schmerz und Leiden der Menschen, gibt es inzwischen auch Literatur, die mehr Leichtigkeit besitzt und globale Themen aufgreift. Denn ob junge Leute in Berlin, New York, Paris oder auch in Seoul leben, sie sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert: das Individuum ist isoliert, und die Kommunikation zwischen den Menschen funktioniert nur noch oberflächlich. So verschwimmen Grenzen, und der Kitzel im Umgang mit dem eigenen Leben beginnt bereits dort, wo Bleifüße im Rausch von Geschwindigkeit und brüllender Musik mit aufgemotzten Blechschüsseln ziellos durch die Nacht rasen.


Genre: Romane
Illustrated by Heyne München

Vergessene Stimmen

Geradlinig und schnörkellos berichtet der Autor, wie der Held seiner erfolgreichen Thriller, Detective Harry Bosch vom Los Angeles Police Department, durch einen neuen Polizeichef aus dem selbst gewählten Ruhestand zurück geholt und mit der Aufarbeitung eines seit siebzehn Jahren ungelösten Mordfalls betraut wird. Dabei kommt ihm und seiner Partnerin Kiz Rider die Entwicklung der Technik zugute: es gibt eine DNA-Spur an einer Tatwaffe, mit der das Verfahren neu aufgerollt wird. Damit scheint es endlich möglich, den Mord an einer 16jährigen Schülerin aufzuklären.

Mit spürbarer Detailkenntnis über interne Strukturen des LAPD schildert der ehemalige Polizeireporter, wie die Ermittler das Puzzle Stück für Stück zusammensetzen. Der rätselhafte Fall entwickelt sich zu einem »High Jingo«, einer Ermittlung, in die auch Polizisten verstrickt sein könnten. Verbissen graben sich Bosch und Rider durch die Fakten und ermitteln Tag und Nacht, um relativ rasch durch Intuition, Erfahrung und eine gute Portion Glück zu einer unerwarteten Lösung des Mordfalles zu kommen.

Der Autor erweist sich als sorgfältiger Handwerker und reiht die Ereignisse sachlich und minutiös auf. Durch das Tempo der Handlung lässt er eine subtile Spannung entstehen, die eine durchaus fesselnde Lektüre beschert.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Heyne München

Der weiße Neger Wumbaba

In dem kurzen Text »Der weiße Neger Wumbaba« geht es um das »Verhören« bei Gedicht- und Liedzeilen.

Axel Hacke widmete sich in mehreren Kolumnen in der »Süddeutschen Zeitung« dieser vergnüglichen Thematik und erhielt daraufhin zahlreiche Zuschriften mit Beispielen aus allen Bereichen. So fußt der schmale Band, der von dem Berliner Maler und Zeichner Michael Sowa herrlich illustriert wurde, wesentlich auf den Beiträgen, die aus dem Leserkreis des Kolumnisten beigesteuert wurden.

Der Buchtitel fußt auf dem Hörfehler eines Musikenthusiasten. Der verwandelte die vertonten Gedichtzeilen »und aus den Wiesen steiget / der weiße Nebel wunderbar« aus »Der Mond ist aufgegangen« von Matthias Claudius folgendermaßen: »und aus den Wiesen steiget / der weiße Neger Wumbaba«. Es entstand damit eine poetische Traumgestalt.

Hacke hält das für den besten Beweis seiner im Buch aufgestellten These, »dass die besseren Liedtexte in den Köpfen der Hörer entstehen«.

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Genre: Humor und Satire
Illustrated by Kunstmann München

Otherland 2 • Fluss aus blauem Feuer

Im zweiten Band der vierteiligen Cyberspace-Saga entdecken die Gefährten, die in das virtuelle System von »Otherland« eingedrungen sind, die verbindende Bedeutung des Flusses. Dieser Fluss aus blauem Feuer ist die einzige stabile Nahtstelle zwischen den verschiedenen Welten der virtuellen Realität, die sie durchqueren. Weiterlesen


Genre: Cyberspace-Saga, Fantasy, Science-fiction
Illustrated by Heyne München

Freaks

Fünf extreme Typen leben für ein paar Wochen den Traum einer Band, die Jung und Alt von den Stühlen reißt und sich nach der Eigenart benennt, die sie eint: sie sind »The Freaks«. Joey Goebel, der 1980 geborene Leadsänger der Punkrockband »The Mullets«, erzählt in seinem collageartigen Kurzroman die amüsante Geschichte ihrer Begegnung und schildert ihren ersten und letzten furiosen Auftritt.
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Genre: Romane
Illustrated by Diogenes Zürich

Die Frühreifen

Gibt es ein Geheimnis um den Tod von Lisa Trendel, die bei einem gemeinsamen Bootsausflug mit ihrem Bruder Evy ins Wasser fiel und ertrank? Warum verfolgt und bedrängt Lisas beste Freundin Anais den frühreifen Vierzehnjährigen? Wie finanziert Gaby, die für Evy eine unberührbare Göttin ist, ihren enormen Drogenkonsum, und warum brennt sie schließlich mit seinem Vater durch?

Temporeich und mit pornographischem Einschlag beschreibt der französische Autor Generations- und Selbstfindungskonflikte der sich selbst als »happy few« verstehenden amerikanischen Oberschicht, in der es hinter den prächtigen Kulissen alles andere als vorbildlich abgeht. Zermartert von der Sucht nach Anerkennung versucht sich Evys Vater, ein langjähriger Junkie, an der Wiederbelebung seiner Schriftstellerkarriere, während seine dem Alkohol zugetane Mutter ein Comeback als Filmstar betreibt. Der Junge ist früh allein gelassen und lebt mit seinen Kumpels in einer eigenen Welt aus Drogen, Sex und Streichen. Das Gespräch zwischen den Generationen scheint ausgeschlossen, auftretende Probleme werden mit Einfluss und Geld kaschiert.

Djians 1985 erschienener Erfolgsroman »Betty Blue. 37,2 ° am Morgen« war eines der Bücher, das man in den 80er Jahren gelesen haben musste. Geschult an amerikanischen Vorbildern wie Henry Miller, Hemingway oder Kerouac erzählte der Autor darin die Geschichte von einer Wahnsinnsfrau und einem Klempner, Pizzakellner und Klavierverkäufer, getränkt mit viel Sex und Alkohol.

»Die Frühreifen« portraitiert die in die Jahre gekommene Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll-Generation und deren Kinder, die eigene Ideale leben wollen und dabei doch häufig wieder in Klischees zurückfallen. Djian spiegelt in dem Roman die Sprachlosigkeit der Generationen und die Erfolglosigkeit, mit der eine Elterngeneration versucht, Werte zu vermitteln.


Genre: Romane
Illustrated by Diogenes Zürich

Wacht auf! Wir sind gleich da

Chandler Brossard (1922-1993) zählt stilistisch zur Beat-Generation, ohne bislang über den Rand des amerikanischen Sprachraums bekannt zu sein. In seinem, jetzt erstmals in deutscher Sprache vorliegenden 764 Seiten starken Monolog mäandert der Autor wortgewaltig durch den sozialen Untergrund. Das exquisite Werk liest sich wie ein Trip einer multiplen Persönlichkeit der 60er Jahre auf Droge, der immer wieder der Erzählfaden zu reißen scheint und die ihn dann doch geschickt wieder aufgreift. Es ist eine farbenprächtige Assoziationskette, die Brossard aufzieht, und die ihn immer wieder selbst begeistert: da war doch noch dies, und das, und dort…

Der Protagonist erzählt vom unerträglichen Leben mit seiner Frau: Sie fressen einander auf — und zwar pausenlos. Täglich haben sie den Geschmack von Blut im Mund, fügen sich Schmerzen zu wie Stromschläge, reißen sich das Fleisch vom Leib, denn erst das gibt ihrer Existenz Form und Substanz. Dann wechselt er jäh die Identität und schlüpft in die Haut eines Negers, ins Kostüm eines Homosexuellen, in Frauenkleider. Bald ist er im Vietnamkrieg, dann raubt er eine Bank aus, und immer wieder gestaltet er atemberaubende Orgien mit. In seiner dichterischen Phantasie spielt zügelloser Genuss eine bestimmende Rolle, und so enthält das Buch viele Stellen, die von ordentlichen Müttern unter Wachschutz gestellt sind. Zugleich wird im Rollenwechsel das unvergleichliche Talent des Autors deutlich: sich in bizarre Identitäten hineinzufühlen und diese prall und lebensnah zu beschreiben.

Brossard ist ein Autor, der sich zum sprachlichen Milieu des gesellschaftlichen Auswurfs hingezogen fühlt und der alles hasst, was gesellschaftlichen Konventionen und Verpflichtungen entspricht. Damit bereichert der Sprachschamane die Beat-Generation um eine Note, die dem deutschen Sprachraum bislang verschlossen blieb.


Genre: Romane
Illustrated by Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins Berlin

Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt

Einhundert persönliche, minutenkurze Texte, Tagebuchbemerkungen und Kolumnen geben Einblick in das Denken des zwischen Brasilien und Frankreich pendelnden Erfolgsautors. Dabei spricht aus nahezu jeder Zeile eine missionarisch anmutende Religiösität, die Coelho selbst Spiritualität nennt.

Paulo Coelho wurde in einer Jesuitenschule streng katholisch erzogen, bis er sich als Jugendlicher verweigerte und zum Hippie mit lendenlangem Haar wurde. Seine verzweifelten Eltern wiesen ihn dreimal in eine Nervenheilanstalt ein, wo er mit Elektroschocks traktiert wurde, die Jahrzehnte später die gewünschte Wirkung zeigten: da glaubte der Autor, eine Vision gehabt zu haben und trat in einen erzkatholischen Orden ein. Seitdem predigt er Gottes Wort in Schriftform.

Die in dem Band versammelten Kurztexte lassen Coelho in jeder Blume das Werk des Allmächtigen beschreiben. Auf den weniger esoterisch angehauchten Leser wirken die literarisch anspruchslosen Texte mitunter hausbacken, doch es lässt sich unter persönlichen Aspekten durchaus der eine oder andere Gewinn ziehen. Coelho selbst fasst die Zielstellung seiner literarischen Motivationsarbeit so zusammen: »Es gilt, alles zu unterlassen, was uns zu lebenden Toten macht, und alles auf die Dinge zu setzen, von denen wir immer träumten, und alles für sie zu riskieren. Denn, ob wir wollen oder nicht, der Todesengel erwartet uns schon«.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Diogenes Zürich

Tiefer Schmerz

Tiefsten Schmerz müssen verschiedene Opfer empfinden, die auf die jeweils gleiche bestialische Weise hingerichtet werden: an den Füssen aufgehängt, damit das Blut in den Kopf strömt und den Schädel mit einem eigenartigen Drahtinstrument durchbohrt. Der eine Tote ist ein brutaler Zuhälter, der andere ein betagter jüdischer Gehirnforscher, und bald stellen sich rund um den Globus weitere ähnliche Morde dar, die jedoch keinen erkennbaren Zusammenhang haben.

Grund genug für die Sonderermittlungsgruppe der schwedischen Reichspolizei um Kerstin Holm und Paul Hjelm, europaweit auszuschwärmen und zu ermitteln. Mit Hilfe von viel Gespür, unglaublichen Zufällen und einem funktionierenden Europolsystem finden sie nach langen Mühen den gemeinsamen Nenner, der die brutalen Morde eint. Dazu müssen sie weit in die Vergangenheit zurückgreifen.

Dahls Talent liegt in der lebensnahen Zeichnung von Personen, die er differenziert und kantig schildert. Die blutige Story selbst ist in hohem Masse konstruiert, doch die intensive Dramatik des Romangeschehens zwingt zum Weiterlesen. Schleppend wirkt, wenn der Autor immer wieder seine bisherigen drei Bücher, also die anderen Fälle der Ermittlungsgruppe, zitiert und damit Zeilen schindet. Die detailgetreue Beschreibung von zerfetzten Leichen ist dem Leser skandinavischer Krimiliteratur inzwischen vertraut, davor muss in diesem Fall also kaum gewarnt werden. »Tiefer Schmerz« bietet spannende Lektüre und Arne Dahl präsentiert sich als Autor, von dem bestimmt noch weitere Krimis zu erwarten sind.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Piper Malik Kabel München