Freaks

Fünf extreme Typen leben für ein paar Wochen den Traum einer Band, die Jung und Alt von den Stühlen reißt und sich nach der Eigenart benennt, die sie eint: sie sind »The Freaks«. Joey Goebel, der 1980 geborene Leadsänger der Punkrockband »The Mullets«, erzählt in seinem collageartigen Kurzroman die amüsante Geschichte ihrer Begegnung und schildert ihren ersten und letzten furiosen Auftritt.

Opal heißt die von ihren Angehörigen in ein Altenheim abgeschobene achtzigjährige Oma, die es noch einmal richtig krachen lässt und in Sex und Rock ’n’ Roll Erfüllung findet. Die freakige Uralt-Gitarristin mit dem Sex-Pistols-T-Shirt kümmert sich als Babysitterin um die achtjährige Amber, deren Eltern lieber in Cancun Bungee-Jumping betreiben als sich um ihr Kind zu kümmern. Der Satansbraten wirkt wie ein blonder Engel, steckt aber tatsächlich voll Dynamit, ist rotzfrech und flucht wie ein Droschkenkutscher.

Luster, der schwarze Sänger der Band, wirkt komplett durchgeknallt und beglückt seine Mitmenschen mit philosophischen Ergüssen, die ihm den zurückhaltenden Respekt einbringt, der vermeintlich Wahnsinnigen gezollt wird. Der Iraker Ray verwundete im Golfkrieg einen Amerikaner und sucht diesen, um sich bei ihm zu entschuldigen. Der Ex-Soldat mit dem Keyboard gibt sich betont amerikanischmäßig und hält die Staaten für das Paradies auf Erden. Freak Nummer fünf schließlich ist eine 19-jährige unberührte Satanistin, die sich in einen Rollstuhl flüchtet, um von ihrer Traumfigur abzulenken. Aurora, ehemalige Stripperin aus frommer Familie, trommelt als Schlagzeugerin der Power-Pop-New-Wave-Heavy-Metal-Punkrock-Band »The Freaks« und rockt rattenscharf.

Die fünf Freaks werden in der kurzen Zeit ihrer Freundschaft, die das Buch beschreibt, zu der Familie, die keiner von ihnen je hatte. Damit spiegeln sie die Verlorenheit derjenigen, die sich abseits vom Mittelmaß bewegen und eigene Identitäten leben wollen, ohne dabei erdrückt zu werden. Das Buch liest sich vergnüglich und temporeich, weil der Autor ununterbrochen die Perspektive wechselt und sowohl aus der Sicht der jeweiligen Protagonisten als auch durch die Brille von Polizisten, Kellnern, Fahrgästen, Therapeuten, Lehrern und Eltern die Geschehnisse wiedergibt. Damit werden Normalität und Wahnsinn zu einer Frage des jeweiligen Blickwinkels.

Joey Goebel gilt als Erfolg versprechender Autor der Popmoderne, dessen Thema die fade Mittelmäßigkeit des Kleinstadtlebens ist. Aufgrund der Thematisierung des »Andersseins« wird er gern in einem Atemzug mit John Irving und T. C. Boyle genannt. Sein Erstling »Vincent« erschien 2005 als Sommerschwerpunkt bei Diogenes. Ob er sich mit »Freaks« bleibend in die Herzen der Leser schleicht?

Der Autor selbst beschreibt seinen Text so: »Die grob gestrickte Handlung wurde an den Haaren herbeigezogen, die Protagonisten wurden an den passenden Stellen untergebracht, die Themen gründlich ausgeschlachtet, sämtliche Perspektiven sorgfältigst ausgelotet, vordergründige Symbolik bewusst eingesetzt, abgedroschene Ironie verwendet und Emotionen sowie Humor angemessen übertrieben …«


Genre: Romane
Illustrated by Diogenes Zürich

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