Eurotrash

Christian Kracht ist Schweizer mit deutschen Wurzeln. Er sieht sich selbst als Kosmopolit. Nach eigener Aussage begreift er seine Romane eher „humoristisch“, löst mit seinem Werk und Leben allerdings häufig heftige Kontroversen aus. Ein Mensch und Autor, der nicht einzuordnen ist, und der in Eurotrash offensichtlich immer noch nach seinem eigenen Platz und Stellenwert in einem Leben sucht, dessen materielle Rahmenbedingungen andere bei einem flüchtigen Blick neidvoll als beste Voraussetzungen für unbeschwertes Glück ansehen würden. Weiterlesen


Genre: Autobiografie, Erinnerungen, Gesellschaftsroman, Politik und Gesellschaft, Roman
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Imperium

ImperiumChristian Kracht schildert in seinem Roman »Imperium« die Lebensgeschichte des deutschen Auswanderers August Karl Engelhardt (1875 bis 1919). Engelhardt gründete auf einer kleinen Insel im heutigen Papua-Neuguinea eine spirituelle Gemeinschaft, die er »Sonnenorden« nannte. Charakteristikum war die Ernährungsweise, die ausschließlich aus den auf der Insel reichlich wachsenden Kokosnüssen bestand. Weiterlesen


Genre: Abenteuer, Biographien, Romane
Illustrated by Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main

Eurotrash

Kracht lässt es wieder krachen

Mit seinem neuen Roman «Eurotrash» hat Christian Kracht eine Fortsetzung seines Debüts «‹Faserland» von 1995 vorgelegt. Darin setzt sich der umstrittene Schweizer Schriftsteller als Ich-Erzähler autofiktional mit der eigenen Familien-Geschichte auseinander. Als Plot dient ihm ein Besuch bei seiner hochbetagten, zeitweise dementen und alkoholkranken Mutter in Zürich, dem sich dann eine gemeinsam unternommene, spontane Reise durch die Schweiz anschließt. «Ich begreife meine Werke humoristisch» hat er mal erklärt, und so ist wohl auch dieser sechste Roman mit dem abfälligen Titel alles andere als ernst zu nehmen.

Die Hauptfigur ist die Mutter jenes Christian Kracht, der «vor einem Vierteljahrhundert» als seinen ersten Roman «Faserland» geschrieben hatte und gar nicht mehr weiß, warum der so heißt. So selbstbezüglich geht es hier zu, der Autor ist ein Meister der Selbstinszenierung. In dieser grotesken Roadnovel finden sich viele literarische Ingredienzien wieder, die man als typisch für ihn kennt. «Also, ich musste wieder auf ein paar Tage nach Zürich» lautet der erste Satz, auch hier wieder das anbiedernde Füllwort ‹Also› wie schon im Debüt, das den Leser ganz unmittelbar ansprechen soll. Weitere Motive sind das reichlich vorhandene und mit vollen Händen hinausgeworfene Geld, ferner Medikamenten-Missbrauch und Alkohol im großen Stil. Typisch, wenn auch weniger aufdringlich als im Debüt sind die immer wieder genannten Nobelmarken der Upperclass, zu der dieser hedonistische Ich-Erzähler sich zählt. Was man wohlwollend als Kapitalismus-Kritik auslegen kann, aber auch als Kennzeichen einer latenten Wohlstands-Verwahrlosung. In dieses Spiel mit dem Überfluss sind auch all die Luxus-Behausungen der Familie in Gstaad, Kampen auf Sylt, Cap Ferrat oder Myfair mit einbezogen, in denen der schnöselige Ich-Erzähler zu Hause war, alle mit wertvoller Kunst ausstaffiert. Und man verkehrte auch mit der Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Als Leser tut man gut daran, all das nicht ernst zu nehmen, dem Autor nicht auf den Leim zu gehen in diesem virtuosen Verwirrspiel zwischen Fakten und Fiktionen, das sich hinter dem Label ‹Roman› versteckt.

Mit dem Taxi starten Mutter und Sohn nach einen Besuch bei ihrer Bank zu ihrem Roadtrip, bei sich haben sie 600.000 Franken in einer prall gefüllten Plastiktüte, das Bargeld soll großzügig unter die Leute gebracht werden. Mit gegenseitigen Vorwürfen bieten die Beiden in ihren Gesprächen ein erschreckendes Bild ihres konfliktreichen Verhältnisses, er würde sie sträflich vernachlässigen, lautet der Vorwurf der Mutter. Den Sohn hingegen beschäftigt die Nazi-Vergangenheit des Großvaters, der auf Sylt Treffen der ehemaligen SS-Kameraden organisiert hat. Es sind funkelnde Dialoge, die da im Taxi oder Hotel geführt werden, wobei die erstaunliche Schlagfertigkeit und scheinbare Bildung der nur ‹Bunte› lesenden Mutter zu kuriosen Situationen führt, in denen sie den Sohn verblüfft und die oft einer Posse gleichen. Ihn aber kotzt alles an, er stört sich an der Verlogenheit bei seinem Blick in menschliche Abgründe.

«Christian Kracht ist ein ganz schlauer Bursche», wird Peter Handke zitiert, was zweifellos stimmt, Kracht lässt es wieder krachen! Allerdings war das doch wohl eher abwertend gemeint in jenem Zitat, mit dem auf dem Umschlag geworben wird. Was ein ausgewiesener Medienprofi dann, wie man sieht, mühelos ins Gegenteil drehen kann. Seine mit intertextuellen Bezügen gespickte, intellektuell anspruchsvolle Geschichte erweist sich im Endeffekt als ein selbstbezogenes Spiel um die eigene Person. Vieles dabei ist reine Pose, eine Attitüde, die auch auf den sprachlichen Stil zutrifft, der mit Attributen überladen eher altväterlich wirkt. Und wo führt das nun hin? Das Ende lässt alles offen, was noch unterstrichen wird durch sage und schreibe 14 leere Seiten am Ende, die bei der Seitenzahl aber ungeniert mitgezählt sind! Ist diese Leere in Wahrheit der Schluss?

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Faserland

Pop-Trash

Der 1995 erschienene Debütroman «Faserland» des Schweizer Schriftstellers Christian Kracht hat damals nicht nur ein kontroverses mediales Echo ausgelöst, er hat auch eine ausufernde Debatte um seine Interpretation angestoßen. Vordergründig eine Roadnovel, im Kern allerdings ein kultur-pessimistisches Werk der Pop-Literatur. Auch wenn sein Autor diesen Begriff für sein Buch ablehnt, wurde es euphorisch als vermeintliches Gründungs-Phänomen einer sich abzeichnenden Renaissance genau dieser Literaturgattung bezeichnet.

Die zentrale Thematik der Selbstzerstörung in diesem Roman lässt verschiedene Interpretationen zu, man kann sie als pathologisch deuten oder aber als zynisch entlarvend. Der namenlose Ich-Erzähler ist ein etwa dreißigjähriger, ebenso arroganter wie dümmlicher Schnösel mit scheinbar unerschöpflichen Geldmitteln, der von einer Party in die nächste taumelt. Er verkörpert eine Sonderform des nichtsnutzigen Flaneurs, dessen Dasein von Sex, Drugs and Rock `n` Roll geprägt ist. Seine Reise von Sylt nach Zürich ist ziellos und von spontanen Launen bestimmt. Bekannte und Freunde, die er dabei trifft, sind ebenso skurrile Figuren wie er selbst. Es vergeht kein Tag ohne Alkohol- und Drogenexzesse, und wenn er nicht selber kotzt, dann kotzt einer seiner Freunde, das Kotzen gehört nun einfach mal dazu in diesem Roman.

Die Rolle des Protagonisten beschränkt sich auf das Zuschauen, er wird hineingezogen in das obskure Geschehen, ohne je dessen Initiator zu sein. Eine erzählwürdige Handlung existiert nicht wirklich in diesem langweiligen Zeitgeist-Roman. Das Wenige, das geschieht, wird in einer einfältigen, fast kindlichen Sprache geschildert und hat in seiner Absurdität Ähnlichkeit mit der spätrömischen Dekadenz. Wie die antike Oberschicht, die sich auf ihren Fressgelagen per Gänsefeder zum Kotzen gebracht hat, um danach munter weiter völlern zu können, so dröhnt sich hier der Antiheld aus dem gleichem Grund mit Alkohol voll. Er verkörpert quasi eine Art ‹Lustkotzer›, dem genau das Spaß zu machen scheint, er legt es jedenfalls bewusst darauf an. Die Freundschaften, die er pflegt, sind brüchig, mit Mädchen kann er scheinbar gar nichts anfangen, er weicht ihnen aus, den Sex haben immer die anderen, wenn sie nicht zu besoffen dafür sind. «Faserland» ist zudem das Fanal eines Konsum-Fetischismus, bei dem besonders Kleidung im Vordergrund steht als ästhetische Trivialität. Unzählige Produkt- und Markennamen wie auch angesagte Bars, Hotels und andere Locations ‹bereichern› den Erzählfluss des jugendlichen Müßiggängers. Dieser Markenwahn ist ein beredter Hinweis auf die sich Anfang der 90er Jahre bereits abzeichnende Entwicklung Deutschlands hin zu einer wohlstands-verwahrlosten Spaßgesellschaft. Während all dieser geschilderten Nichtigkeiten sinniert der Protagonist immer wieder über banale Kindheits-Erlebnisse und äußert zu allem und jedem seine naiv-dümmliche Meinung fernab jedweder intellektueller Reflektion.

Als Leiden an einer zur Kommunikation unfähigen Welt versinkt der Antiheld in einem bedrohlichen Sinnvakuum. Die aus seiner Identitätskrise resultierende Verzweiflung kann er nur unzureichend durch sein betont lässiges Verhalten kaschieren. Schließlich eskaliert seine lethargische Teilnahmslosigkeit am Zürichsee in einem Strudel von Selbstmitleid, das in keiner Weise gerechtfertigt ist. Vom teuersten Hotel der Stadt, in dem er Logis genommen hat, lässt er sich im Taxi nach Kilchberg zum Friedhof fahren. Dort befindet sich bekanntlich das Grab von Thomas Mann, das er aus einer Laune heraus besuchen will. In der Dämmerung findet er es aber nicht und geht zu Fuß zurück an den See. Für zweihundert Franken bringt er dort jemanden dazu, ihn im Dunkeln mit dem Ruderboot auf die andere Seite des Sees zu rudern. «Bald sind wir in der Mitte des Sees. Schon bald.» heißt es weihevoll am Schluss. Diesem Kultbuch soll nächstes Jahr eine Fortsetzung unter dem Titel «Eurotrash» folgen, allen Kracht-Fans sei es gegönnt!

Fazit: miserabel

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Fischer Verlag

Die Toten

Für alle, die es noch nicht wissen: Christian Kracht hat einen neuen Roman geschrieben. Über das aufstrebende Filmmilieu der dreißiger Jahre zur Zeit der NS-Machtübernahme. Titel: „Die Toten“. Ja, den Titel hat es schon mal gegeben. Bei James Joyce. Anspruch will eben formuliert sein.

Trailer ab. Es treten auf :

In den Hauptrollen:
Emil Nägeli, ein Schweizer Avantgarde-Regisseur, mit einem ausgewachsenen Vaterkomplex behaftet.
Masahiko Amakasu: Japanisches ex-Wunderkind, als Erwachsener vor allem durch sein Faible für deutsches Brauchtum und Mythen auffallend.

In den Nebenrollen: eine dralle, blonde deutsche Schönheit namens Ida, ferner UFA-Tycoon Hugenberg, Charlie Chaplin, Siegfried Kracauer, Lotte Eisner, Ernst „Putzi“ Hanfstaengl und Heinz Rühmann (geschickter Schachzug, auf nickende Kennermienen der Leser und Kritiker abgestellt).

 

Schauplätze:

das Berlin der Weimarer Republik
Japan vor einer Zeitenwende
Hollywood als vermeintlicher Rettungsanker
diverse Berge und Bauernhöfe

Handlung: Mit deutschem Geld soll in Japan ein Vampirfilm gedreht werden – sozusagen als Zelluloid-Achse, um die faschistoide zu unterstützen. Mit Vampiren, viel Blut und nicht ganz soviel Kultur gegen den amerikanischen Kulturimperialismus, der allerdings schon da ist – in Gestalt des gerade in Japan nahezu gottgleich verehrten Charlie Chaplin. Dazu Fressorgien, Besäufnisse und reichlich historische Ereignisse (die zwar nichts zur Sache tun, aber wenn sie sich schon zum Zeitpunkt der Handlung ereignen. Man will ja nicht umsonst recherchiert haben).

Trailer Ende.

Doch bevor es im Buch um den Plot geht, (sieht man mal vom in allen Details beschriebenen Harikiri eines japanischen Offiziers direkt zu Beginn ab) ist die Hälfte des Buches schon um. Denn zunächst geht es in epischer Breite um die Leiden des jungen Nägeli und des jungen Amasuko. Kann man ja nicht unter den Tisch fallen lassen. Problematische Vater-Sohn-Beziehungen oder frühe Traumata wie der Tod des weißen Nicht-Kuscheln-Wollen-Hasen geben literarisch ja auch richtig was her. Und erst die autoritäre Kadettenanstalt, die das kleine Genie Masahiko den Flammen überlässt.

Das alles taugt zwar nicht als Rahmenhandlung oder gar als roter Faden, ist auch komplett bedeutungslos für die weitere Handlung, aber gepflegtes Leiden ist schließlich auch wichtig. Und das alles schön parallel montiert. Es geht ja um den Film als Kunstform. Im Film ist Parallelmontage sehr gefragt. So kann man gleich ganz klug und beseelt schließen, ah ja, hier ist die filmische Kunstform ins Literarische übersetzt. Und gelitten wird später auch noch. Wenn auch eher kunstblutig. Aber vielleicht ist das ja der rote Faden. Irgendwie will man als Leserin den Kreis ja dann doch geschlossen kriegen.

Kommt man dann zum Plot, treffen sich Nägeli und Amakasu endlich in Japan, wird dummerweise die (gemäß Verlagsbeschreibung „…das Geheimnis des Films als Kunstwerk der Moderne feiernde“) begonnene Handlung schon wieder unterbrochen. Schade. Aber was will man machen, wenn die blonde Ida dem japanischen Genie den Kopf verdreht und auf ganz andere vampirische Art als die geplante saugt. Dem Nägeli bleibt immerhin noch die „Augenblicklichkeit des Universums“ und die blonde Spielverderberin kriegt ihre Kunstblut-Strafe. Und nicht zu vergessen: die Toten. Die haben wir ja auch noch. Die mischen sich dauernd zwischenrufend ein. Sind wahrscheinlich sowas wie das Kinopublikum für edel leidende junge und ältere Herren. Dass hingegen der Roman der dramatischen Struktur des japanischen No-Theaters folgt, das braucht man gar nicht groß herauszufinden. Kracht ist so stolz drauf, dass er einen mit der Nase draufstößt. Aber schön, oder? Da haben wir doch so einiges, was die Nicht-Rahmenhandlung und den kleinen Plot zusammenhält.

Der Roman schafft das Kunststück, viel zuviel Information bei gleichzeitiger Inhaltslosigkeit zu liefern. Aber immerhin in schön gedrechselten Sätzen, beinhaltend eine wahre Fundgrube für die beliebte Sammlung „Schöne, fast vergessene Wörter“. Die „Ästhetisierung des Schrecklichen“ passt dazu, aber es bleibt eine elegante Spielerei. Statt Herzblut spritzt einem auch dort nur Kunstblut entgegen und es ist einem ganz unglaublich egal, ob man Gewalt so beschreiben darf, weil diese Passagen so bemüht wirken, dass sie einen nur kalt lassen können. Christian Kracht ist sicherlich ein feinsinniger Autor, aber was nach der Lektüre dieses Romans bleibt, ist der Eindruck, inhaltsleere Manierismen eines klugen Kopfs gelesen zu haben. Und Fragen bleiben: Die nach dem Warum und Wozu? Und vor allem: Warum wird das derart gefeiert? Alles, was ich sehe, ist eine Klamotte, eine langweilige noch dazu. Garniert mit dem Muff deutschen Mythen, von denen einem auch nicht im Ansatz erklärt wird, warum sie so toll sind und schon gar nicht, welche Lehren man daraus für die Zukunft ziehen könnte. Irritierend.

Abspann: Vielleicht ist die Entstehung des Romans mit einem drängenden Bedürfnis des Autors zu erklären, sich mit aller Macht und Gewalt um jeden Preis aus den Schubladen lösen zu wollen, in die man ihn hineingepresst hat: Wunderkind, Popliterat und was da nicht immer alles an überfrachteten Erwartungen zu lesen ist. Dieser Intention und dem ganzen Roman hätte dafür allerdings eine Rückbesinnung auf Krachts Begabung als Satiriker gut getan.

Erstveröffentlichung dieser Rezension in den Revierpassagen.de


Genre: Roman
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Die totale Erinnerung

Nordkorea, das Land, in dem die rote Sonne Kim Jong Ils ohne Unterlass scheint, ist eine der wenigen unerforschten Flecken unserer Erde. Sagenumwoben wird einer der letzten Bastionen des Personenkults alles Mögliche unterstellt und angedichtet: vom Kannibalismus seiner ausgehungerten Landsleute bis zum Größenwahn des geliebten Führers, der mit Drogen handeln, wüste Partys feiern und diversen Lastern frönen soll. Der amerikanische Präsident wittert inzwischen sogar den Achselschweiß des Bösen von Pjöngjang bis ins Oval Office und möchte gern sein tödliches Deo versprühen. Da kommt der erste Bildband mit Fotos aus dem Inneren des kommunistischen Landes gerade recht, um sich zumindest einen optischen Eindruck zu verschaffen. Weiterlesen


Genre: Fotografie
Illustrated by Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins Berlin