Das Buch Das Recht auf Sex: Feminismus im 21. Jahrhundert besteht aus sechs Essays, die unabhängig und zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben wurden. Die Autorin wurde in den USA und den UK zur Philosophin ausgebildet und lehrt soziale und politische Theorie am Chichele Institut für Völkerrecht in Oxford, als erste nicht-weiße Professorin.
Das Buch basiert auf breitem Wissen gerade der feministischen Philosophinnen; die kleingedruckten „Anmerkungen“ umfassen über 50 Seiten und sind teils so lesenswert, wie die Essays selbst. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem anglo-sächsischen Schriftgut zu Sexualität, Feminismus und Gender.
Was sind Rechte, was sind Normen, und wie verändern sie sich in den letzten sechzig Jahren, seit Debatten über Feminismus und zur sexuellen Revolution öffentlich geführt wurden? In der Einleitung heißt es: “Was wäre zu tun, damit Sex frei ist? Wir wissen es noch nicht, aber versuchen, es herauszufinden.“
Im letzten Kapitel wird es utopisch, aber erst einmal viel Dystopisches: Im ersten Kapitel werden die ersten, teil hilflosen, Versuche beschrieben, mit Rechtsmitteln übergriffige Männer zu zügeln, und wie Männer darauf reagieren. In „Gespräche mit Studierenden über Pornografie“ wird das Schriftgut gerade der Feministinnen darüber dargestellt, es gibt „Porn Wars“, „Pro Porno Feministinnen“. „Für die Studentinnen und Studenten ist Sex das, was die Pornoindustrie als Sex definiert.“
Alles geht von Männern aus, Frauen sind untergeordnet, die Darstellerinnen entweder pubertierende oder milfs (mother I’d like to fuck), und zum Abschluss braucht es einen Ejakulationsschwall.
In allen Kapiteln werden Unterschiede nicht nur der Geschlechter, auch von Rasse und Klasse beschrieben, immer wird der in westlichen Ländern propagierte Feminismus der weißen Akademikerinnen mit den Formen und Aktionen der Frauen in armen Ländern kontrastiert. Wenn es in der Entwicklungshilfe Trend ist, Frauen kleine Kredite zu gewähren, weist sie darauf hin, dass es Aufgabe der Staaten ist, Wasser, Land und Nahrung sicherzustellen.
Im letzten Kapitel Sex, Karzeralismus, Kapitalismus wird Karzeralismus beschrieben als Rechtssystem, in dem Menschen eingesperrt werden, die nicht im Mainstream stehen, und das betrifft in den USA zunehmend auch Frauen: „In den USA, wo 30 % der weltweit inhaftierten Frauen leben (zum Vergleich: In China sind es 15 %, in Russland 7,5 %) ist die Inhaftierungsrate von Frauen doppelt so schnell gestiegen, wie die von Männern.“ Ausführlich geht es um die für Frauen meist die Situation verschlechternden Maßnahmen gegen die Prostitution, oft gefordert vom „karzeralen Feminismus.“ Nur in Neuseeland und in einer australischen Region, wo Zwangsmaßnahmen aufgehoben wurden, hat sich die Lage der Frauen verbessert. Das erfahren wir, übrigens, in einer Fußnote.
Dann knüpft die Autorin am Marxismus an, fragt: „Kann sich die Arbeiterbewegung leisten, nicht antirassistisch zu sein?“ und wünscht sich post-kapitalistische Lösungen auch der Frauenfrage.
Am spannendsten fand ich den fünften, und eher kurzen, Essay: „Warum wir nicht mit unseren Studierenden schlafen sollten“ und möchte ihn beispielhaft vorstellen:
Eine erste Fassung hatte sie geschrieben, nachdem 2010 „ihre“ Universität Yale ein generelles Verbot von „Beziehungen zwischen Fakultätsmitgliedern und nicht Graduierten“ beschlossen hatte. Andere Uni folgten und das University College London 2020 als 3. britische Uni.
Die Frage wird breit diskutiert, wie sich sexuelle Beziehungen entwickeln können, wenn zwischen den Partnern ein Machtgefälle existiert, und verschiedene Sichtweisen beschrieben, auch die von Feministinnen. Srinivasan zitiert mit Jane Gallop eine Autorin, die Freuds Konzept der Übertragung bei Beziehungen zwischen Patient und Therapeut für die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden, also für den pädagogischen Bereich übernimmt.
Ja, es lernt und lehrt sich besser, wenn die Beziehung stimmt. Aber die Lehrenden müssen wissen, dass sich ein entstehendes Begehren der Lernenden nicht auf sie als Person richtet, sondern auf das, was sie repräsentieren. Die Projektion muss auf: „Wissen, Wahrheit, Verstehen“ gelenkt werden.
Es gibt eine Fülle von genauen Beschreibungen, wie mit diesen Konflikten umgegangen wurde, bei den Beispielen der Autorin sind es eher Frauen, die als Dozentinnen „bestraft“ wurden, als Männer. Es wird gefordert, Lehrende auf die Bedeutung ihrer und der Körperlichkeit der Studierenden beim Vermitteln der Lehre hinzuweisen, manche fordern gar Vorbereitungskurse, um deren Wirksamkeit besser wahrzunehmen und, dessen bewusst, sich besser zu steuern.
Mir gefiel bei der Lektüre, wie die Autorin neben Zitaten von Philosoph:innen auch Ich-Botschaften einfügt, auch hier in diesem Kapitel. So möchte ich mit einer solchen enden:
Als berentete Professorin bin ich einerseits froh, dass Deutschland nicht vorangegangen war mit Versuchen, Beziehungen zu verrechtlichen, die sind doch oft gescheitert. Die Vorstellung, allerdings, in meiner Universitätszeit in den Nullerjahren, wären wir Profs zu solchen, natürlich koedukativen, Kursen geladen worden, bringt mich zu einem verschmitzten Schmunzeln …
Das Buch bringt viele Denkanstöße, auch in unerwartete Richtungen.
Prominente Männer wurden von Torsten Körner schon oft beschrieben, von Heinz Rühmann über Beckenbauer zu Willy Brandt gibt es Biografien. Dabei ist als Beifang so viel Material über in der bundesdeutschen Politik aktive Frauen zusammengekommen, dass es nun ein eigenes Buch brauchte. Es erschien 2020, inzwischen gibt es auch den Film Die Unbeugsamen, der im Mai 2021 herauskam.
Das Buch Begrünen was geht ist für eine junge Zielgruppe verfasst, der Tag #machsnachhaltig blinkt auf den Umschlagseiten, die Informationen sind kurz und knackig, viele Ausrufezeichen, zwischendurch Kästchen mit Zahlen und Fakten: “Let’s make the world green again!“
In dem dicken Roman Vernichten ist alles zu finden, was ich bei Houellebecq lesen möchte: Wir genießen es, in Frankreich zu sein. Wir essen, trinken und vögeln gut und gerne, wie immer, und dann gibt es noch neue Seiten zu entdecken.
Der kleine Yusuf himmelt den großen Kaufmann an, dem seine Eltern immer ein Festmahl kredenzen, wenn er, der Onkel Aziz, erscheint. Er schenkt ihm zum Abschied auch immer ein Geldstück. An anderen Tagen gibt es nicht immer etwas zu essen, seine Mutter meint, er solle doch den Staub essen, den der Holzbock hinterlässt. Richtig unangenehm wird sie ihm, als sie ihn herzt und küsst wie ein kleines Kind, er ist doch schon zwölf Jahre alt!
Das kleine Büchlein ist 2021 erschienen, zum 100. Geburtstag des Autors. Es ist eine Wiedergabe eines 1995 gehaltenen Vortrags, und schon darin besteht ein Reiz: Watzlawick nimmt Beispiele von gelungener Kommunikation auf weltpolitischer Ebene aus dieser Gegenwart: damals, als der eiserne Vorhang am Verrosten war.
Besondere Anlässe braucht Helga Schubert nicht, die Geschichten sind alle schon da und werden durch eine Beobachtung, eine Begegnung, ein Datum oder eine Zeile freigesetzt und aufgeschrieben. „Wenn ich betrachte, dann muss es um mich herum still sein. Es muss auch in mir still sein. Denn ungehindert dringt das Gemälde, das Menschengesicht, das Gedicht in mich und sagt zu mir: Sieh mich an, höre mir zu, lass dich anrühren, lass dich erinnern an alles, was du schon weißt, was dich erschüttert hat“.
Sollte man ein Buch mit dem Titel Hier wächst nichts wirklich lesen wollen, wenn es sich so abstoßend präsentiert? Auf dem Titelbild wächst wirklich nichts, und auch die Rückseite verspricht kein erbauliches Buch über Gartenkultur. Sehen Sie selbst!
Mich konnte das nicht abschrecken, denn ich bin seit Langem ein Fan von Pfenningschmidt; Wenn ich mir die Zeitschrift “Kraut und Rüben” kaufe, dann vor allem wegen seiner Staudenkolumnen. Und auch in diesem Buch lohnte sich das Weiterlesen.
Eigentlich ist man kein Rosenfan, aber dann gibt es doch eine Liste mit 17 Lieblingsrosen, eine Liste mit 18 empfehlenswerten Büchern, ein Kapitel heißt “Sieben gute Neuheiten“, das sind Pflanzen, wovon ich eine rote Aster und eine noch rötere Bistorta (Js.Caliente) im nächsten Frühling suchen werde. Als eine Elfe ihm, ich bin sicher, es war Pfenningschmidt, drei Wünsche schenkte, wünscht er sich drei trockenresistente Schattenpflanzen und bekommt: Tanacetum macrophyllum, Aster ageratoides subsp. Trinervius var. Adustus Nanus, die will ich nun natürlich auch. Und gegen Giersch gibt es eine Fülle von Pflanzen, die den Kampf aufnehmen und sich ihm wuchernd entgegenstemmen.
Afropäisch: Mit einem Interrailticket reist der Autor durch Europa, startet an einem 1.10. und muss genau am 31.3. zurück sein, denn er reist auf eigene Kosten, schläft dabei in Hostels, manche Einschränkungen des Komforts inbegriffen. So wird er auch Menschen begegnen, die nicht zu den Besserverdienenden gehören. Nach Plan besucht er europäische Hauptstädte und kleinere Orte im Süden Frankreichs und Spaniens: er folgt damit „seiner afropäischen Achse“. Mal reist er wie ein Flaneur, lässt sich von Zufallsbekanntschaften Geschichten erzählen, deren Informationen wird dann nachgeforscht, mal flicht er eigene Erlebnisse und Gelesenes ein.
Dem Buch ist ein Prolog vorgestellt: Ein Päckchen für Eva kommt an. Die Mutter Gerda verweigert die Annahme, und unterschreibt dies, für ihre Tochter. Auf Frage sagt der Postbote, nun gehe das Päckchen zum Absender zurück, und fragt, was Eva gerade mache. Die Antwort: Eva schläft.
Sie lieben englische Gärten, oder wollten schon immer mal dahin? Dann ist das Buch
Der Autor ist Psychologe und forscht zur neuronalen Entwicklung der Babys. Als Wissenschaftler kennt er die einschlägigen Publikationen der letzten Jahrzehnte und belegt seine Aussagen: Die Literaturliste bringt es auf über dreißig der knapp vierhundert Seiten. Es geht ihm nicht um die motorische Entwicklung, sondern um Gedanken und Gefühle der Babys, und: Warum lachen wir Menschen eigentlich? Manchmal erzählt er auch aus dem Nähkästchen, was Wissenschaftler voneinander halten. Laien bezieht er mithilfe des Internets in seine Forschung ein, manche Eltern erzählen von sich und ihren Gefühlen, die die Babys auslösen und geizen nicht mit Beiträgen über die Leistungen ihrer Kinder.
Die erste Überraschung war, dass das Buch auf Deutsch geschrieben ist, mit vielen originellen Einschüben auf Englisch. Die Romanheldin Niveditha Anand ist in Essen aufgewachsen und studiert nun in Düsseldorf an der Heinrich Heine Universität „postcolonial studies“, bei Saraswati, einer indischen Professorin, ein TV-Promi, die von ihr angehimmelt wird. Die Sympathie wird erwidert, Niveditha fühlt sich endlich angenommen und verstanden. Als Tochter eines indischen Mathematikstudienrates und einer polnischen Sozialarbeiterin, die zwar in Deutschland aufgewachsen ist, war ihr das bisher nicht in den Schoß gefallen, zu oft fühlte sie sich fremd hier.