1984 erhängt sich die Mutter der Fotografin Bettina Flitner. 33 Jahre späte wiederholt sich dasselbe Schicksal bei ihrer Schwester Susanne und dessen Ehemann Thomas. Mit ihrem 2023 erschienen Roman “Meine Schwester” legte die Autorin schonungslos die eigenen Wunden offen. Nun legt sie mit “Meine Mutter” noch einmal nach.
Meine Mutter
Bettina Flitner begibt sich in “Meine Mutter” auf eine Reise in den Luftkurort Wölfelsgrund im ehemaligen Niederschlesien, dem heutigen Międzygórze. Dort hatten ihre Vorfahren bis zur dramatischen Flucht 1946 ein Sanatorium besessen und geleitet. Dort lebte ihre Mutter bis zum Alter von zehn Jahren. Bettina, ihre Tochter, sucht an genau jener Stelle nach dem Ursprung, wo einst alles begann. Natürlich thematisiert sie auch die politischen Umwälzungen jener Zeit, die Mitgliedschaft des Großvaters in der NSDAP als “Märzgefallener” und die Vertreibung nach dem Krieg. 14 Millionen Deutsche mussten zwischen 1944 und 1948 ihre Heimat verlassen, schreibt sie. Und obwohl der Krieg zu Ende war, starben immer noch viele Menschen am Krieg. Viele auch durch Selbstmord. Eines der dunkelsten Kapitel ist die Celler Hasenjagd, bei der vier Tage vor Einmarsch der Alliierten in Celle am 8. April 1945 unschuldige Menschen durch die Straßen gejagt und umgebracht wurden. Denn nach der Bombardierung des KZ Bergen-Belsen konnte einige Insassen in die umliegenden Dörfer entkommen und wurden dort erschlagen. “Ich werde nicht älter als 47” hört Bettina heute noch ihre Mutter sagen, so als ob sie es immer schon geplant hätte. Aus den Erlebnissen ihrer Reise ins heutige Polen, den Tagebüchern und Dokumenten ihrer Familie und ihren eigenen Erinnerungen erschafft Bettina Flitner vorliegenden Roman, der näher an der Realität liegt als man sich wünschen möchte.
Meine Schwester
Noch persönlicher als das Nachfolgewerk “Meine Mutter” ist allerdings der Vorgänger aus dem Jahre 2023, “Meine Schwester”. Die Autorin beschreibt darin sachlich und zugleich erschütternd ihre Beziehung zu ihrer Schwester, die ebenfalls Suizid beging. Susanne, ihre ältere Schwester, war eine Art “trauriger Clown”. Sie konnte meisterhaft andere nachahmen und sich über alles und jeden lustig machen. Auch ihr Vater hatte ein komödiantisches Talent und als er bei der Ford Foundation in New York einen Job bekommt, geht die ganze Familie mit. “Wir vier”, denkt sich Bettina oft, aber bald schon muss sie feststellen, dass sie einer Fiktion unterliegt. Denn der Vater geht fremd und bald auch die Mutter. In den Siebziger Jahren als die beiden Schwestern aufwuchsen war dies eine Normalität. Bettina sucht in ihrem Text nach den Vorzeichen für den bevorstehenden Selbstmord, den ersten Anzeichen, wann es begann und natürlich steht die Frage im Raum, ob es nicht vielleicht doch genetisch sein könnte? Oder waren die Depressionen der Mutter eine gewollte Flucht? Wieder zurück in Deutschland besuchen sie Waldorfschule, ihre Schwester dann auch die Montessori-Schule. Als die Eltern sich sogar vor den Kindern streiten, beginnen auch die beiden sich zu zanken. Wenn Flitner das Bild des Familienautomobils als faradayschen Käfig zeichnet, wird deutlich, wie sich die Emotionen entwickelt hatten. Und bald muss sie erkennen, dass Liebe etwas war, das man mit Demütigung bezahlte, “etwas, das einen am Ende vernichten konnte”.
Eine beeindruckende Lebensbeichte, die man nur schwerlich als Roman bezeichnen kann, denn dafür sind die beiden Erzählungen zu Nahe an der Realität. Als ihre Mutter sich ohne Abschied aus der Welt nahm, machten die beiden Töchter gerade erst Abitur. Ihr damaliger Freund heiratete sechst Wochen nach ihrem Tod ihrer Mutter eine neue Frau.
Bettina Flitner
Meine Mutter
2025, Hardcover, 320 Seiten
Lieferstatus: Lieferzeit 1-2 Tage
ISBN: 978-3-462-00849-4
Kiepenheuer&Witsch
24,00 €
Meine Schwester
Verlag: KiWi-Taschenbuch
2023, Hardcover, 320 Seiten
ISBN: 978-3-462-00521-9
Kiepenheuer & Witsch
24,00 €








“Wir werden von dem geleitet was wir nicht wissen wollen, etwas das uns kränkt und verletzt, davon laufen wir davon in die Wüste unserer Unwissenheit.” Als Wanda begannen sich zu formieren, sagen wir mal ca. 2010, war in Wien eigentlich nichts mehr los. Was die Bandmitglieder schnell verband, war das “Das Gefühl dieser entleerten Wiener Langeweile etwas entgegenhalten zu müssen. Irgendetwas musste passieren“. Kokett fügt er hinzu, dass es schließlich sie – Wanda – waren, die endlich “passierten“. Aber seine Selbsteinschätzung kommt nicht angeberisch, eher verwegen daher, denn Marco Wanda versteht es, immer wieder, zu betonen, wie viele andere Menschen, also Freunde und Freundinnen, am Erfolg von Wanda mitgebastelt haben. Trotz allen Stolzes ist ihm natürlich bewusst, wem er das alles zu verdanken hat und so wirkt auch seine Selbstüberschätzung durchwegs sympathisch da sie mit der Wien-typischen Selbstironie daherkommt. In Wien nennt man sowas nämlich Humor und vielleicht ist es genau das, was den meisten anderen Bewohner:innen der (Bundes-)Länder so abgeht. Selbst in der düstersten Stunde, als er von Schicksalsschlägen getroffen auf der Bühne immer noch weitermachen muss und er sich sein Rückgrat ruiniert, lacht er noch: “Endlich machte ich Bekanntschaft mit etwas, was sich gut anfühlte: legale Drogen“. Der Mick Jagger und alle bekommen es, meint sein Arzt, ein Allheilmittel für alle Künstler und Künstlerinnen, die es mal wieder übertrieben haben. Die Rede ist von Fentanyl, den höheren Weihen des Rockolymps legal zugänglich. Dieser Humor, dieses Schmunzeln, dieses “Singen auf der Folter” macht “Dass es uns überhaupt gegeben hat” zu einem hörenswerten Buch gerade weil es vom Autor selbst gelesen wird, der gerne auch die Stimmen anderer Prominenter imitiert. Auch dadurch wird sein literarisches Debüt zu einem echten literarischen Leckerbissen.


Ava – Die barfüßige Gräfin. Ava Gardner, die Hollywood-Diva der Frühzeit, steht ganz im Mittelpunkt dieses Biocomics, das sie zur Zeit ihres größten Erfolges, “Die barfüßige Gräfin“, zeigt. Auf Primo-Tour in Südamerika macht sie Station in Brasiliens pulsierender Metropole der 1950er Jahre.
David Bowie. “Wir sind Helden, Du und ich,. Das ist unsere Bestimmung. Weil wir uns lieben. So ist das.” Nach “

Bei unserem Besuch in den Gärten von Beth Chatto und Christopher Lloyd (Christo) entdeckte ich das Buch Dear Friend and Gardener, die Korrespondenz der beiden, die, wie sich dann herausstellte, nur von 1996 und 1997 währte. Darin schwärmten sie von ihrem gemeinsamen Reisen in den vergangenen Jahrzehnten. Darüber wollte ich mehr lesen. Und dann war da noch etwas:
Kafkas Familie. Ein Fotoalbum. Vor 100 Jahren starb Franz Kafka an einer Lungentuberkulose im Sanatorium in Kierling, Österreich, kurz vor seinem 41. Geburtstag. Zum traurigen Jubiläum erscheint eine Vielzahl an Kafka Publikationen in den unterschiedlichsten Verlagen und in vielen Ausführungen. “Kafkas Familie. Ein Fotoalbum” sticht heraus und zeigt den Einzelgänger als Familienmenschen, der er zwar nicht sein wollte, aber dennoch war.
Schon das Geleitwort bereitet auf Foersters Facettenreichtum vor: es gäbe „auch dunkle Flecken in der Biographie“. Es endet: „Dem Buch ist sehr viel Erfolg zu wünschen, der von der Wahrhaftigkeit der Darstellung getragen sein möge.“
Voyage, Voyage. Sommerlektüre für den Sommer 2024: voyage, voyage. Der Kulturjournalist und Buchautor André Boße widmet sich darin auf mehr als 300 Seiten der französischen Pop- und Rockmusik. Von den Hits der Yéyé-Jahre über French Pop und Nouvelle Chanson bis hin zu Rock, Electro, Hip-Hop, und Raï. Mit dabei sind u.a. Jane Birkin, Jacques Dutronc, Mylène Farmer, Serge Gainsbourg, Françoise Hardy, MC Solaar, Vanessa Paradis, Zaz und viele andere mehr.


Nachtfrauen. Die beiden Geschwister Mira und Stanko stehen vor einer herausfordernden Aufgabe. Ihre Mutter ist alt und soll auf den Auszug aus ihrem Haus im kärntnerischen Jaundorf vorbereitet werden. Da weder Mira noch Stanko sich um sie kümmern können, wird es für die alte Dame zu gefährlich alleine zu leben.
Die einzige Frau im Raum. In der Reihe “Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte” sind von derselben Autorin schon Biografien zu Lady Churchill, Mrs Agatha Christie, Frau Einstein u.a. erschienen. In vorliegendem Briefroman erzählt sie die Geschichte der Schauspielerin und Erfinderin Hedwig Eva Maria Kiesler besser bekannt als Hedy Lamarr.