Voyage, Voyage. Eine Reise durch die französische Popmusik

Voyage, Voyage. Sommerlektüre für den Sommer 2024: voyage, voyage. Der Kulturjournalist und Buchautor André Boße widmet sich darin auf mehr als 300 Seiten der französischen Pop- und Rockmusik. Von den Hits der Yéyé-Jahre über French Pop und Nouvelle Chanson bis hin zu Rock, Electro, Hip-Hop, und Raï. Mit dabei sind u.a. Jane Birkin, Jacques Dutronc, Mylène Farmer, Serge Gainsbourg, Françoise Hardy, MC Solaar, Vanessa Paradis, Zaz und viele andere mehr.

Voyage, Voyage: Nicht nur Chanson(s)

Der Musiktitel auf den der Buchtitel anspielt stammt von “Desireless”, zweifellos einer der beliebtesten französischen Popsongs in Deutschland, wie Boße anmerkt. Es geht darin um nichts anderes als eine Reise, eine Reise zu sich selbst. Ganz so wie der Autor auch in seine eigene Vergangenheit abtaucht, denn damals, als der Hit rauskam, war er gerade 13 und – natürlich – im Frankreich-Urlaub. “Das Herz von `voyage, voyage´ schlägt in Moll“, schreibt er und trifft damit den Punkt, was genau die französische Popmusik so speziell macht: die Melancholie. Fishbac, eine Sängerin dieser Szene drückte es in einem Interview mit dem Autor einmal so aus: “Die Melancholie ist ein bestimmendes Moment unserer kulturellen Identität, das zeige sich auch im französischen Kino und in der Literatur. Während im deutschen Schlager der Trost und bei den Songs des `Great American Songbook´ Träume vermittelt werden.” Einer der herausragendsten Vertreter des Genres ist zweifellos Serge Gainsbourg, sozusagen der Gran Maestro des französischen Pops, auf den sich einige Jahrzehnte auch der Rapper MC Solaar bezog: “Il était une fois dans l’Ouest encore sauvage/Un peintre armé de lettres, un vrai tueur-à-gage…“. Von Pop zu HipHop, Rai, Folk, Chanson, Pop, Rock und Punk reicht auch das Repertoire der vorliegenden Monographie zur Musik des liebsten deutschen Nachbarlandes, Frankreich. Natürlich stehen diese Musikrichtungen nicht ausschließlich für Melancholie, sondern im Gegenteil, auch für sehr viel gute Laune, Sonne, Strand und Meer. Nicht zuletzt wegen des “savoir vivre” wird Frankreich ja auch weltweit so bewundert.

Schmelztiegelsound der Vororte und mehr

Unvergesslich sind natürlich auch die Beiträge von Vladimir Cosma. Mit der Filmmusik zu “Alexandre, der Lebenskünstler” reüssiert er, um dann mit “La Boum – die Fete” durchzustarten und: abzuheben. Die beiden Lieder der ersten zwei Teile werden zu echten Gassenhauern und ohne sie hätte es wohl auch keine La Boum Génération gegeben, wie Boße betont. Immerhin 27 Millionen mal haben sich “Reality” und “Your Eyes” verkauft, allerdings – möchte man bemerken – wohl vor allem darum, weil sie auf englisch und nicht auf französisch gesungen werden. Die Geschichte der deutschen Singlecharts spricht dafür eine andere Sprache. Drei Lieder schafften es dort auf Platz eins: das bereits erwähnte titelgebende “Voyage, Voyage“, “Alors en danse” von Stromae und “Ella, elle l’a” von France Gall. Wer es lieber düsterer hat, wird sich bei Alain Bashung (“Novize”) oder Arno wohlfühlen, dem französischen Tom Waits. Sehr lebensbejahend und freundlich sind auch Les Negresses Vertes oder Les Rita Mitsouko, vor allem aber der Senkrechtstarter Manu Chao. Der Sänger von Mano Negra/Manu Chao wurde 1961 in Paris geboren. Der Sohn eines Intellektuellen, der vor dem Franco-Regime in Spanien nach Frankreich geflüchtet war, singt in “Patchanka”, dem Schmelztiegelsound der Vororte, also auf Französisch, Englisch, Spanisch. Eines der Schlusskapitel widmet sich auch den elektronischen Popphänomenen Daft Punk und Air. Mit “The Virgin Suicides” einem Soundtrack zu einem Coppola Film sei Air genau das gelungen, was die Kernkompetenenzen der französischen Musikkultur enthalte: “die verträumte, verschwommene Schwermut, in der trotz aller Traurigkeit auch ein wenig Hoffnung mitschwingt. Und sei es die Hoffnung auf den Tod“. Womit wir wieder bei der Melancholie wären, die offensichtlich ebenso zum Savoir Vivre gehört wie Sonne, Strand und Meer…

Boße, André:
Voyage, Voyage. Eine Reise durch die französische Popmusik
Originalausgabe
Klappenbroschur. Format 12,5 × 20,5 cm
2024, 352 S. · 27 Abb.
ISBN: 978-3-15-011468-1
Reclam Verlag
20,00 €


Genre: Biographie, Frankreich, Kunst, Monographie, Musik und Literatur, Popkultur
Illustrated by Reclam Verlag

No Limit. Die Neunziger – das Jahrzehnt der Freiheit

No Limit. Die Neunziger – das Jahrzehnt der Freiheit

No Limit. Die Neunziger – das Jahrzehnt der Freiheit. “Die Neunziger enden am 11. September 2001. An ihrem Beginn fällt die Berliner Mauer, an ihrem Ende fallen zwei Türme in New York City.” Das Jahrzehnt, das so verheißungsvoll begonnen hatte (“Wind of Change”) endet mit einem Vatermord. Denn der Vater Osama Bin Ladens war genau der Bauunternehmer, der in Saudi-Arabien die Architektur Minoru Yamasakis umsetzte. Und in New York die Twin Towers.

Jahrzehnt der Widersprüche

Wem das jetzt schon zu konspirativ klingt, der hat die Neunziger nicht erlebt. Denn tatsächlich war es ein Jahrzehnt der Widersprüche. Nicht nur politisch, sondern auch kulturell-musikalisch. So steht 1993 gleichzeitig für “the year that grunge broke out”, andererseits auch für den weltweiten Durchbruch von Tekkno. Elektronische Musik war plötzlich gefragt, Raves wurden zum Treffpunkt der neuen Jugendkultur und die “Love Parade” in Berlin zählte bald mehr als 1,5 Millionen Besucher:innen. Das Jahrzehnt in dem jeder anders sein wollte und möglichst individualistisch daherkam, verkam zur Uniformierung und Kommerzialisierung der Jugendkultur, wie es bisher noch nie dagesessen war. Denn bald stiegen auch gewisse Sportmarken auf den neuen Jugendtrend des Abtanzens ein. Während Hakim Bei von “temporären autonomen Zonen” schwärmte, entstanden im Osten Deutschlands sog. national befreite Zonen, also das genaue Gegenteil von dem, was auf Tekknopartys (“Unity”) beschworen wurde. Dabei übertraf die Zahl der Aussiedler bei Weitem jene der Asylbewerber, wie Balzer betont. Selbst das deutsche Nachrichtenmagazin SPIEGEL unterlag der neuen Diskurshegemonie und titelte am 9.9.1991 “Flüchtlinge-Aussiedler-Asylanten: Ansturm der Armen”. Wenige Tage später ereigneten sich Hoyerswerda und Rostock, zwei Städte, die so gar nicht in das Bild der neuen Offenheit passten.

Airbag Generation und Two Socks

Aber Lichtermeere gegen Rechts gehörten ebenso zu den Neunzigern, wie die Piercings und Tätowierungen der “Modern Primitives”, die ihr Überleben in kleinen, selbstbezogenen Gemeinschaften erprobten. Selbstreferentialiät und Modifikation des eigenen Körpers führten zu solchen Auswüchsen wie dem vielzitierten Arschgeweih, das in den USA als Tramp Stamp den Feminismus in die Steinzeit zurückbombten. Dazu trugen auch Fernsehserien wie Baywatch bei, auch wenn diese stets unter der Prämisse der Selbstbestimmung der Frau liefen. Der letzte Sieg des Patriarchats? Dieser wurde auch in diversen Talkshows zelebriert, denn obwohl in den Neunzigern jeder ein Außenseiter und etwas Besonderes sein wollte, glichen sich die Drehbücher und wurden mit Laiendarstellern getastet. Nicht zuletzt gingen die Neunziger aber auch als Jahrzehnt des Big Brother und Matrix ein. Denn “1984” wurde mit der Erfindung der mobilen Kommunikation tatsächlich Realität: die Handys machten spätestens Ende des Jahrzehnts als kleine Sendeeinheiten Furore und der gläserne Mensch wurde alsbald so durchsichtig, dass im Grunde genommen jeder von uns als Klon nachproduzierbar wäre. Denn so viele Daten wie noch nie wurden über einen einzelnen Bürger:in im WWW gesammelt. Dabei hatte es mit Two Socks – der Katze Bill Clintons – so harmlos angefangen…

Ob-la-di ob-la-da

Wenn die Siebziger im Zeichen der Innovation standen, die Achtziger im Zeichen der Angst und Apokalypse, dann sind die Neunziger wohl die Aufhebung der beiden. Der Griff ins Archiv wird zum innovativen Kick, Hypertext über alles. Selbst der religiöse Fundamentalismus ist nur ein Widergänger der alten anti-westlichen, anti-aufklärerischen politischen Bewegungen des Nationalsozialismus und Faschismus: Klerikalfaschismus, so Walter Laqueur. Tristesse Royale ist dabei noch ein harmloser Titel. Die Globalisierung hat eben auch diesen Aspekt: “aus einer immer stärker vernetzten und hybrider werdenden Welt verschwindet jenes Eigene, in dem sich Sicherheit und Identität finden”. Darauf gibt es eben unterschiedliche Reaktionen, aber es ist wohl beides legitim, da real. Ob-la-di ob-la-da. Und vielleicht war das Jahrzehnt gerade wegen seiner Widersprüche das freieste, bisher…

No Limit. Die Neunziger – das Jahrzehnt der Freiheit

Jens Balzer, geboren 1969, ist Autor und Kolumnist, u.a. für die «Zeit», «Rolling Stone», den Deutschlandfunk und radioeins. Er war stellvertretender Feuilletonchef der «Berliner Zeitung» und kuratiert den Popsalon am Deutschen Theater. 2016 erschien sein vielgelobtes Buch «Pop», 2019 «Das entfesselte Jahrzehnt. Sound und Geist der 70er», über das der «Tagesspiegel» schrieb: «So lehrreich wie unterhaltsam … Am Ende ist man um nie geahnte Erkenntnisse reicher – und wünscht sich, dass sich der Autor bald das nächste Jahrzehnt vornehmen möge.»

Jens Balzer
No Limit. Die Neunziger – das Jahrzehnt der Freiheit
2023, Hardcover, 384 Seiten,
ISBN: 978-3-7371-0173-8
Rowohlt Verlag


Genre: Chronologie, Geschichte, Kultur, Musik, Politik, Popkultur
Illustrated by Rowohlt

Hinterher

Hinterher – vielversprechendes Debüt

Hinterher. Liebeskummer. Wie kann man sowas überhaupt überleben? Wer dachte dieses Lebensgefühl, Liebeskummer, sei nur ein Problem von Pubertierenden wird in “Hinterher” eines besseren belehrt. Im Debüt des in Hannover geborenen Finn Job wird dem guten alten Liebeskummer ein trashiges und gleichzeitig intellektuelles Denkmal gesetzt, das so richtig reinhaut. Ein Roman wie ein Film, kurz und schmerzlos und direkt in die Arterien. So mag man Literatur.

Wir Kinder von Neukölln

Chaim, die große Liebe von “Boy”, wie ihn sein Freund Francesco liebevoll nennt, hat sich nach Israel abgesetzt. Boy bleibt allein in Berlin-Neukölln zurück und wird von einem Fahrrad angefahren, das ihm seine missliche Lage erst so richtig zu Bewusstsein bringt. Als im selben Moment Francesco mit dem Porsche Cayenne seiner Mutter um die Ecke schießt, steigt Boy ein und es beginnt ein abenteuerlicher Roadtrip in die Normandie. Dort soll er für Gédéon, einem Freund Francescos, ein altes Hotel wieder herrichten. Stattdessen hilft er dann aber Francesco, der eine verfallene Kirche mit Alufolie verkleiden will, um damit eine ganz bestimmte Botschaft zu transportieren. Da die beiden aber schon während ihrer Autofahrt in die Normandie nicht zu koksen aufhören konnten, gelingt schließlich weder das eine noch das andere Projekt.

Dem Leben & der Liebe “Hinterher”

Dazwischen erfährt der Leser viel über die Diskurse in der sich die Neuköllner junge Erwachsenenwelt befindet. Dass Schwulsein in Neukölln immer noch ein Problem zu sein scheint und es besser ist, sich dort nicht auf der Straße zu küssen, müssen Chaim und Boy am eigenen Leib verspüren. Aber dass dann selbst die eigene WG zum “Pack” gehört, das andere aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgrenzt, wiegt noch schwerer. “Pack” ist nämlich genau das Wort, das Boy für ihre Verfolger verwendet und auch ihn aus dem Kreis seiner politisch (über)korrekten Freunde ausschließt. Auch deswegen versprach die Flucht mit Francesco in die Normandie ein neues L’Chaim, ein neues “Leben”.

Wilde Flucht im Cayenne

Il n’y a pas de hors-texte“. Als dann die Drogen ausgehen – oder zumindest deren Qualität nachlässt – wird alles noch viel schwieriger und es gibt bald kein Entrinnen mehr. Dass man mit Anfang zwanzig schon so kaputt sein kann, ist kaum zu glauben, aber wohl in den Großstädten dieser Welt längst bittere Realität, wie wir ja schon seit Christiane F. wissen, die sogar noch viel jünger war, als sie auf den berühmten Hund kam. Finn Job hat seine surreale Reise in einer packenden Sprache geschrieben, die richtig über die Seiten fliegen lässt und bis zur letzten Sekunde spannend und hochtrabend bleibt. “Es war, als hätte ich mein Leben angehalten und wäre dennoch sehr alt geworden.” Finn Job bezieht sich nicht nur auf die aktuelle Populärkultur wie Songs u.ä., sondern auch viele literarische Vorbilder und kennt auch einige gute Maler.

Hinterher: vielversprechendes Debüt

Seine Referenzen sind gut nachvollziehbar und lohnen dem Nachverfolgen. Einer, der seine Hausgaben gründlich gemacht hat. Denn seine sprachlichen Bilder sitzen auch farblich. Er begibt seine Protagonisten in absurde und aberwitzige Situationen und es ist ein wahres Vergnügen, dabei förmlich zuzusehen, wie den beiden alles entgleitet. Vieles mag als purer Zynismus abgetan werden, aber hat ein Mensch, der vor enttäuschter Liebe buchstäblich zerbricht, nicht jedes Recht der Welt?

Ein Roman-Ende das förmlich nach einer Fortsetzung schreit. Bitte mehr!

Finn Job
Hinterher. Roman
2022, 192 Seiten. Klappenbroschur
ISBN 978-3-8031-3348-9
Wagenbach Verlag
Buch 22,– € / E-Book 18,99 €


Genre: Große Liebe, Kultur, Popkultur, Roman
Illustrated by Wagenbach

Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs

Basquiat – das Buch zur Ausstellung in der Wiener Albertina

Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs. “BLAM BOOM BANG. Wo bin ich?” Heißt es auf einem Gemälde des leider zu früh verstorbenen haitianisch-puerto-ricanischen Künstlers aus New York auf Deutsch. Gerne benutzte Basquiat Symbole und Zeichen, vor allem eben auch Buchstaben und Worte in seinen Bildern. “Der Widerstreit zwischen gestisch-malerischen und figurativen Elementen, Buchstaben und Wörtern versus rinnende Acrylfarbe und aufgesprayte Linien resultierte in einem höchst dynamisierten Bilgeschehen, einem Netz aus Markierungen und Bedeutungen, einem Spiegel der vibrierenden Downtown Manhattan und ihrer Kunstszene”, schreibt der Herausgeber in seinem Vorwort.

Basquiat: Der “tanzende” Maler

Basquiat begann als junger Graffiti-Artist und kreierte mit seinem Samo© ein fiktives Künstlerkollektiv, das die Kunstwelt verändern wollte. Aber er speilte auch als Musiker in einer New Yorker Garage-Band im typischen Stil der Achtzigerjahre laut und kraklig, experimentell. New York war in dem Jahrzehnt durch Punk und Untergangsstimmung geprägt, das Stadtzentrum verwahrloste und wurde so zum Spielplatz vieler junger Kreativer. Basquiat war einer davon, der sich von Graffiti aus bald Richtung Art Brut und Minimalismus entwickelte. Dazu bediente er sich sowohl des reichen kulturellen Schatzes seiner Ahnen, als auch seinem Alltag im New York City der traurigen 80er. Die Zeichnung war die Grundlage der künstlerischen Praxis, aber er liebte auch Buchstaben, Wörter, die er “wie Pinselstriche” benutzte, schreibt Buchhart. Einen “tanzenden” Maler sah etwa ein Künstlerkollege, Fan 5 Freddy, in Basquiat, wenn er mit seinen Stiften über die Leinwand oder andere Materialien huschte. Die vorliegende Publikation folgt der derzeit in der Wiener Albertina zu sehenden Ausstellung mit dem Titel “Basquiat. Die Retrospektive”. Sie ist dort noch bis zum 8. Januar 2023 zu sehen.

Prometheus der Moderne

Sein Werk changiert zwischen Expressionismus, Pop- und Conceptual Art, nimmt Anleihen bei den Cartoons und Comics seiner Jugend und ist stets engagiert und immer politisch. Mit dem Pinsel als Waffe kämpfte er gegen Polizeigewalt, Rassismus und Unterdrückung oder sogar den Konsumkapitalismus. Francesco Pellizi zeigt Basquiat in seinem Beitrag in vorliegendem Band als Erbe der amerikanischen Tradition der Simplifizierung: Pop-Art, Minimal Art und Konzeptkunst hätten ihn beeinflusst, seine “Opfergaben” eher Selbstaufopferungen im Geiste Lautréamonts, Rimbauds oder Kafkas nicht “ex voto aus dem Verlangen, sondern von der Verlassenheit, ex desolatione“. Sein Verdienst liege vor allem in der Einführung einer ethnisch und kulturell marginalisierten Blackness in den Mainstream der westlichen Kunst. Ein Interview mit Ouattara Watts über Basquiat schließt sich an Exzerpte aus Basquiats malerischem Werk oder einigen fotografischen Aufnahmen an. Im Anschluss werden einige Werk in Großaufnahmen gezeigt, die dazwischen mit Zitaten von Jean-Michel Basquiat angereichert werden. Im Anhang befindet sich noch eine Chronologie des Lebens des Künstlers, den die Götter – vielleicht aus Neid – viel zu früh zu sich holten. Denn Basquiat war ein Brückenbauer und Prometheus der neuen Zeit: er brachte den Menschen das Feuer und musste dafür geopfert werden.

Dieter Buchhart (Hrsg.), Antonia Hoerschelmann (Hrsg.), Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.)
Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs
2022, Hardcover, Pappband, 216 Seiten, 24,5 x 30,0 cm, 85 farbige Abbildungen, 12 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-7956-2
€ 45,00 [D] inkl. MwSt.
€ 46,30 [A] | CHF 61,00 * (* empf. VK-Preis)
Prestel Verlag

 


Genre: Kunst, Kunstgeschichte, Malerei, Popkultur
Illustrated by Prestel

The WHITE ALBUM. The Beatles

The WHITE ALBUM The Beatles „Whatever else it is or isn’t, it is the best album they have ever released, and only The Beatles are capable of making a better one. You are either hip or you ain’t. In short it ist he new Beatles record and it fulfils all our expectations of it“. So launisch kommentierte der Rolling Stone das Unikum „White Album“. Es war der 22. November 1968. Das einzige Doppelalbum der Beatles erscheint. Es ist ihr erstes und letztes. Und voller versteckter Botschaften.

Post-psychodelischer Minimalismus

In den ersten beiden Jahren ihrer Existenz spielten sie 279 gigs in vier verschiedenen Clubs allein in Deutschland. Das letzte offizielle Konzert fand in San Francisco’s Candlestick Park im Jahre 1966 statt. Es war die ca. 1400ste Show ihrer Karriere. Sgt. Pepper erschien im im Mai 1967 und zementierte ihren Ruf. Erst am 3. Februar 1968 kehrten die Fab Four in ihr Abbey Road Studio zurück und begannen mit den Aufnahmen für das White Album. Mit dabei war ein ungebetener Gast: Yoko Ono. Tatsächlich soll sie während der ganzen Aufnahmen dabei gewesen sein und natürlich ein gewisses Unbehagen bei den Restbeatles ausgelöst haben. „The Beatles were ‚flabbergasted’“, schreibt Brian Southall. Die unbehagliche Atmosphäre während der Sessions widerspiegle sich auch auf dem Album. „The unsettling nature of its creation resonate through almost every track“, meinte zumindest American Womack. Die meisten Songs (30-40) wurden während ihres Aufenthalts in Indien geschrieben. Aber nicht nur der Inhalt war revolutionär („Revolution Nr. 9“), sondern auch die Covergestaltung, war es doch quasi die Antithese zu dessen Vorgänger Sgt. Pepper’s Lonely Heartclub Band.

The WHITE ALBUM: 4 in 1 oder 5-4=-1

Post-psychodelischer Minimalismus hin oder her, wer ein Originalalbum mit limitierter Nummerierung in seinem Besitz hat, würde heute zwischen 790.000 (Seriennummern unter 100) und 19.000 Pfund (Seriennummer darüber) dafür bekommen. Der Designer erhielt für seinen Job übrigens läppische 200 Pfund. Andere die an der Produktion beteiligt waren Exemplare mit Seriennummern weit über 450.000. Das Stilkonglomerat (Balladen, Heavy Metal, Reggae, Avantgarde) und die unbefriedigende Komposition des Konzeptes veranlassten böse Stimmen dazu, das Album als drei Soloalben zu bezeichnen, die unter der Schirmbezeichnung The Beatles den weiteren Karriereweg der Protagonisten vorwegnahm. Nichtsdestotrotz ist das White Album immer noch das viertbeste bei den Verkäufen und das obwohl es dabei mit anderen Alben und nicht Doppelalben verglichen wird.

Der ehemalige Sportreporter Brian Southall hat nicht nur das Album “The WHITE ALBUM. The Beatles” und seine Songs in vorliegender Publikation recherchiert, sondern auch das Jahr 1968 in dem es erschien. Nach einer Vorstellung der Protagonisten und Lieder zeigt Brian Southall die Ereignisse des Jahres von Jänner bis Dezember und bettet das Album in den Kontext ein in dem es entstanden ist. Viele farbige und s/w Fotos zeigen nicht nur die beiden Athleten Tommie Smith und John Carlos im Kampf für eine bessere Welt, sondern auch andere Bands, den ersten Zombie Film oder den Star Trek in dem Cpt. Kirk erstmals eine Schwarze im Kino/TV küsst. Mit einem Vorwort von Chris Thomas.

Brian Southall

The WHITE ALBUM

Revolution, Politics & Recording: The Beatles and the World in 1968

Englische Originalausgabe/Original English Edition

Foreword by Chris Thomas

192 Seiten mit über 150 meist farbigen Fotos.

Fester Einband im Format 25 × 25 cm.

ISBN-13: 978-3-283-01287-8

€ (D): 25,– / € (A): 25,– / sFr.: 32.50

Edition Olms Zürich


Genre: Musik, Popkultur
Illustrated by Edition Olms

99 Songs

99Der Autor will in seinem Buch am Beispiel seiner frei und völlig subjetkiv ausgewählten 99 Songs „gesellschaftliche Hintergründe, kollektive Sehnsüchte oder Konsumentwicklungen und Zeitbrüche erkunden“. Konsenslieder ebenso wie abseits der kommerziellen Warenproduktion entstandene Songs, die zwar keine Hits, aber dafür politische Identifikation bieten und bei Demonstrationen als Protestsongs einsetzbar waren ebenso wie Gassenhauer. Kos’ „99 Songs“ kommen aus unterschiedlichen Musikepochen und kulturellen Milieus und reichen stilistisch von der Oper, dem Musical zu Blues und Country, Schlager und 20er Jahre hin zum Great American Songbook der 30er und 40er, aber auch Chansons und Folk, Rock’n’Roll, Beat, Soul, Rock, Hip-Hop und Rap, partiell wird auch auf Tango, Bossa Nova, Reggae oder Pop aus Afrika zurückgegriffen, um sich dem Vorwurf des Eurozentrismus zu erwehren bevor er noch artikuliert wird. Und natürlich geht es auch um Sex. Und Liebe.

Das 20. Jahrhundert in Liedern

Das Jahrhundert beginnt in „99 Songs“ eigentlich erst 1905 mit der „Lustigen Witwe“ von Lehar/Leon/Stein und zeigt die Frivolität des Begriffs von der „anständigen Frau“. 1900-1920 ist das erst Kapitel in „99 Songs“, das auch den schon von Pedro Orgambide in mythische Größe überhöhten Tangokünstler Carlos Gardel behandelt. Die Zwischenkriegszeit wird dann mit den Bananen der Josephine Baker, Bessie Smith und den Arbeitern von Wien charakterisiert, aber auch dem Buchenwaldlied und Lili Marleen. „This Land is Your Land“ von Woody Guthrie, dem „Flüchtling im eigenen Land“, geht auf die Dust Bowl Ballads des Okie ebenso ein, wie auf seine Krankheit (Huntington) und dem Spruch auf seiner Gitarre: „This machine kills Fascists“. Die Periode des Kalten Krieges wird von Juliette Gréco eröffnet und führt über den Deserteur Boris Vian zu Hank Williams, dem ersten des Club 27, auch wenn er erst mit 29 – von seinem Chauffeur kutschiert – im Delirium in die ewigen Jagdgründe entglitt: „And now I’m lost, too late to pray/Lord I paid the cost, on the lost highway.“ Aber auch der Widerstand gegen „das Imperium“ begann in dieser Zeit mit Hymnen wie „We shall overcome“ oder „Edelweiss“ aus dem Musical „Sound of Music“. Dazwischen keimt der Rock mit „Hoochie Coochie Man“ von Muddy Waters interpretiert oder „Rock Around the Clock“ und „Hound Dog“, „Tutti Frutti“ oder „Johnny B. Goode“.

Widerstand, Protest und Jugendkultur

1960-1970 ist wohl das Kapitel, das auch dem Autor am meisten Spaß gemacht hat. Darin schreibt er nicht nur über die unvergessliche Piaf, deren Großmutter ein Bordell betrieben habe, sondern auch über „Little Boxes“ von Malvina Reynolds, das u.a. von Pete Seeger interpretiert wurde und unlängst der TV Serie Weeds als signation diente. Reynolds’ Mann war immerhin Kommunist, was in den Sechzigern noch genauso unamerikanisch war wie davor und danach und ihr Lied kommt zwar als Kinderlied daher ist aber ein bitterböser Abgesang auf Reihenhaussiedelungen und den amerikanischen Traum. Selbst Kinder waren damals eben vor den Kommunisten nicht sicher, waren sie doch auch als Kinderfresser verschrien. Auch „The Ballad of Ira Hayes“, das von Peter La Farge geschrieben, aber von Johnny Cash bekannt gemacht wurde, kann als in der Tradition des klassischen Protestsongs stehend verstanden werden. Tja, und dann kam Dylan, dem der Autor übrigens gleich mehrere Seiten und Beiträge widmet.

„99 Songs“ ist ein Nachschlagewerk zu den Lieblingssongs des Autors aus einem Jahrhundert, das endlich vorbei ist. Es erzählt vielleicht mehr über die Autoren und die Entstehungsgeschichte als über die Lieder/Songs selbst und die meisten Informationen wären wohl im WWW auch leicht auffindbar gewesen, aber sicherlich nicht so schön bebildert und mit so viel Akribie, Sorgfalt und Liebe verpackt und geschrieben. Oder hätten Sie etwa gewusst, dass der Hit „Amsterdam“ von Jacques Brel auch von David Bowie interpretiert worden war und ersterer sich niemals bei letzterem dafür bedankt hatte? Oder dass Jagger in der Teenagerhymne „I can’t get no satisfaction“ (1965) gezählte dreißig Mal „No“ singt? Und was murmelt John (Lennon) nochmal am Ende von „Strawberry Fields Forever“? „I buried Paul“? Bei Wolfgang Kos steht die Wahrheit darüber, schlagen Sie’s einfach nach!

Alle Songs zum Anhören:

www.brandstaetterverlag.com/buch/99-songs

Wolfgang Kos
99 Songs. Eine Geschichte des 20. Jahrhunderts
Rebellion, Sehnsucht und Lebensgefühl – Die Geschichte des 20. Jahrhunderts neu erzählt
ISBN: 978-3-7106-0022-7
Format: 19 x 24 cm
320 Seiten, ca. 250 Abbildungen, Hardcover

Brandstätter Verlag
€ 39,90


Genre: Popkultur, Popliteratur
Illustrated by Brandstätter Verlag