Kafkas Familie. Ein Fotoalbum. Vor 100 Jahren starb Franz Kafka an einer Lungentuberkulose im Sanatorium in Kierling, Österreich, kurz vor seinem 41. Geburtstag. Zum traurigen Jubiläum erscheint eine Vielzahl an Kafka Publikationen in den unterschiedlichsten Verlagen und in vielen Ausführungen. “Kafkas Familie. Ein Fotoalbum” sticht heraus und zeigt den Einzelgänger als Familienmenschen, der er zwar nicht sein wollte, aber dennoch war.
Kafka, der (Anti-)Familienmensch?
“…sonst hätte sich ja das gewöhnlichen Denken der Sache bemächtigt und mir auch andere Männer gezeigt, welche anders sind als Du (…) und doch geheiratet haben und darunter wenigstens nicht zusammengebrochen sind, was schon sehr viel ist und mir reichlich genügt hätte“, schreibt Franz über seinen Onkel Richard Löwy, nachdem er noch sehr viele andere Ähnlichkeiten zu ihm festgestellt hatte. In einer Tagebucheintragung vom 4. September 1912 bedauert der leidgeprüfte Autor: “Ich gehe nachhause und bedaure nicht geheiratet zu haben. Natürlich verwischt sich das wieder, sei es, daß ich es zu Ende denke, sei es daß sich die Gedanken verlaufen. Aber bei Gelegenheit kommt es wieder.“, fügt er kryptisch hinzu und meint sein Onkel Alfred Löwy in Spanien sei ihm “der nächste Verwandte, viel näher als die Eltern, aber natürlich nur in einem ganz bestimmten Sinn“. Aber Kafka ist zwar ebenso unverheiratet geblieben, aber an weiblicher Aufmerksamkeit fehlte es ihm dennoch nicht. Abgesehen von seinen drei Schwestern war da noch seine Mutter und seine Freundinnen Milena Jesenská, Felice Bauer, Dora Diamant u.a.
Lärm aus allen Räumen
Gewohnt hatte der Autor der Weltliteratur – bis auf die letzten Monate – aber immer bei seinen Eltern über die er sich gerne beschwerte: “Lärm aus allen Räumen” heißt es da über die gemeinsame Wohnsituation, in der er entweder versuchte einen Mittagsschlaf zu halten oder schlichtweg nachts, wenn er versuchte zu an seinen Werken zu arbeiten. Tagsüber war er in der Versicherung. Aber wie die vorliegende Erzählung bestätigt, war Franz Kafka durchaus auch viel auf Reisen. Bei einem dieser Ausflüge besuchte er auch den Wiener Prater, wovon eine abgedruckte Postkarte zeugt. Franz Kafka ist darauf in einem Kulissenflugzeug zu sehen. Neben ihm Albert Ehrenstein, Otto Pick und Lise Weltsch, im Hintergrund das Wiener Riesenrad. Das vorliegende Fotoalbum zeigt Kafka umrahmt von seiner Großfamilie. Das erste Kapitel widmet sich Julie und Hermann, dann Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, die Familien der drei Schwestern, Kafka auf Ausflügen und Reisen, in der Sommerfrische und im Sanatorium.
Kafkas Familie. Ein Fotoalbum
Jedes Kapitel wird vom Herausgeber eingeleitet und die Fotografien werden mit passenden Zitaten aus dem Werk oder aus Briefen Kafkas ergänzt. Das letzte Kapitel widmet sich dem wohl traurigsten Kapitel aus Kafkas Leben. In “Was aus Kafkas Familie wurde” werden die Lebensläufe der Verwandten nachgezeichnet, jene, die zur Flucht vor dem Nationalsozialismus gezwungen wurden und auch jene, die in Konzentrationslagern zu dessen Opfer wurden. Insgesamt sind es mehr als 100 Fotografien der Familie Kafka, von denen ein großer Teil bislang unveröffentlicht blieb. Die Fotos zeigen den Autor der “Verwandlung” und seine Verwandtschaft – in der Stadt, in der Sommerfrische aber auch fein zurechtgemacht im Fotoatelier. Die Nachkommen der Schwestern haben einige der Fotos aufbewahrt, die nun erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der Herausgeber Hans-Gerd Koch hat im Verlag Klaus Wagenbach in der SALTO Reihe u.a. auch “Kafka in Berlin” veröffentlicht. Er gilt als Spezialist von Franz Kafka und der Prager deutschen Literatur.
Hans-Gerd Koch (Hrsg.), Franz Kafka
Kafkas Familie. Ein Fotoalbum
Mit Texten von Franz Kafka
2024, Sachbuch, 208 Seiten. Mit etwa 100 Fotografien
ISBN 978-3-8031-3738-8
Wagenbach Verlag
38,– €