Während ein rechtsfanatischer Attentäter in Magdeburg auf einem Weihnachtsmarkt mit einem Fahrzeug in eine Menschenmenge rast und Dutzende Leben zerstört, zeigt sich erneut, wie nah Fiktion und Realität manchmal beieinanderliegen. Stephen King hat das Thema des Massenmords durch ein Fahrzeug bereits Jahre zuvor in seinem Thriller »Mr. Mercedes« aufgegriffen und in »Finderlohn« fortgeführt. Mit »Mind Control« denkt er das Thema auf erschreckende Weise weiter. Weiterlesen
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Mind Control
Fucking Famous
Ein zwiespältiges Gefühl hinterlässt die Lektüre des Romans »Fucking Famous«, der im Klappentext als »Deutschlands abgründigste Roman-Satire über Instagram & Co., schamlose Selbstdarstellung im Zeitalter der Algorithmen, Hyper-Narzismus und das allgegenwärtige Mantra der Influencer: Mach dich zur Marke!« klassifiziert wird. Weiterlesen
Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
EINE ETWAS ANDERE REZENSION

Cover der Lizenzausgabe für Bertelsmann, Reinhard Mohn OHG, 1972
Da lag es nun auf meinem Schreibtisch auf einem Stapel anderer Bücher. Wir hatten uns wieder einmal aufgerafft und versucht, unsere Bibliothek zu verschlanken. Viele Bücher konnten schon gar nicht mehr in die Regale eingeordnet werden und lagen, sofern es der Platz zuließ, oben quer über den anderen. Immer wieder nahmen wir uns ein, zwei Fächer vor, entnahmen die Bücher, auch aus der zweiten Reihe, saugten den Staub ab und sonderten die Exemplare aus, von denen wir meinten, sie entbehren zu können. Beim Buchstaben S angelangt hatten wir die früher noch nicht aussortierten Werke von Solschenizyn in der Hand. Der Archipel Gulag musste schon beim letzten Mal weichen und dieses Mal der Rest. So lag das dünne Büchlein „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ oben auf. Weiterlesen
Drei fast geniale Freunde auf dem Weg zum Ende der Welt
Der schwedische Autor Jonas Jonasson gehört zu den Autoren, die aus jedem Buchtitel eine Kurzgeschichte machen. „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war sein Erstlingswerk, das den Journalisten auf einen Schlag weltberühmt und reich machte, da es sich nicht nur millionenfach verkaufte, sondern auch in 45 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. Weiterlesen
Ein Sommer in Niendorf
Der Jurist Roth entschließt sich, einen Sommer in Niendorf, einem Ortsteil von Timmendorfer Stand zu verbringen, um ein Buch zu schreiben. Er will mit seiner Familie abrechnen und hat dazu umfangreiches Material zusammengetragen, das es zu sichten gilt. Weiterlesen
Lil Bob
Ruth Frobeen erzählt mit Eleganz und Empathie die Geschichte eines Kindes, das eine intensive innere Beziehung zum Cellospiel entwickelt und schließlich zu einer anerkannten Musikerin wird. In dem herausragenden Roman geht es um die Liebe zur Musik, um Freundschaft und tiefe Schatten der Vergangenheit. Weiterlesen
Die Pest
Kurzrezension
Um es gleich vorwegzusagen: Das Buch ist ganz schön brutal. Gleich zu Beginn wird man von den vielen verendeten Ratten verschreckt. „…Da sah er aus dem Dunkel des Ganges eine dicke Ratte auftauchen, mit feuchtem Fell und unsicherem Gang. Das Tier blieb stehen, schien sein Gleichgewicht zu suchen, wendete sich gegen den Arzt, blieb wieder stehen, drehte sich mit einem leisen Schrei im Kreis und fiel schließlich zu Boden, wobei aus den halbgeöffneten Lefzen Blut quoll…“
Mir war das so nicht bewusst, als ich das Taschenbuch aus aktuellem Anlass aus den Tiefen unserer Bibliothek hervorkramte. Man sieht es dem Cover schon an, dass ich es bereits Anfang der 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts erstanden hatte.
Letztlich ist es aber trotzdem in hohem Maße lesenswert, gerade in den Zeiten unserer Pandemie. Es gibt so viele Parallelen im Verhalten der Menschen und der Behörden. Erstaunlich ist schon, wie treffend Albert Camus die Gegebenheiten und Charaktere in dieser fiktiven Geschichte beschreibt, die in den 40-er Jahren in Oran, einer Stadt an der Küste Algeriens spielt. Zu Recht ist das Buch ein Klassiker der Weltliteratur. Sehr empfehlenswert!
Wo, bitte, geht´s zum Kapitän? Eine Reiseleiterin auf ihrem Weg ins Glück
Wer zum ersten Mal im Leben eine Kreuzfahrt unternimmt, einen Flussdampfer entert oder die Weltreise in einem schwimmenden Hotel bucht, der wird mit diesem kleinen Buch auf die mitunter undurchsichtige Welt der Kabinenschiffe vorbereitet. Anders als beispielsweise bei dem satirischen Essay »Schrecklich amüsant – Aber in Zukunft ohne mich« von David Foster Wallace schildert Heidi von Balingen Erlebnisse und Beobachtungen auf den Meeren dieses Planeten aus der Perspektive einer Reiseleiterin. Weiterlesen
Kleiner Mann – was nun?

Hans Fallada: Kleiner Mann – was nun?
Kleiner Mann – was nun? Am Vorabend der Machtergreifung der Nazis in Deutschland geschrieben zeigt der hier erstmals in der ungekürzten Originalfassung veröffentlichte Roman die Sorgen des kleinen Mannes. Und seiner Frau. Exemplarisch dargestellt an dem Mandel Modehaus Verkäufer Johannes Pinneberg und – der liebevoll vom ihm mit “Lämmchen” liebkosten – Emma, einer klassischen Proletariertochter.
Die Roaring 20ies
Zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben. Mit diesen Worten könnte man die Situation des frisch gebackenen Ehepaares Pinneberg umschreiben. Denn der Angestellte Johannes hat zwar eine Arbeit und Emma auch, aber als sie schwanger wird und der kleine Murkel erwartet wird, müssen sie den Gürtel immer enger schnallen. Die Wirtschaftskrise von 1929 hat auch sie im Würgegriff, alles ist teuer und die Löhne niedrig. Liebevoll und detailreich beschreibt Hans Fallada das Schicksal des Angestellten und der Arbeitertochter, die wenigsten ihren Klassenstolz noch nicht vergessen hat. Denn sie wählt ganz klar KPD, während ihr Mann eher zur Zentrumspartei oder den Sozialdemokraten neigt. Aber in Johannes’ Umfeld tummeln sich auch schon die Nazis, aber auch Vertreter verschiedenster Subkulturen der „Roaring Twenties“.
Berliner Bums und Pumm
So ist ein Kollege von ihm ein bekennender Freie Körper Kultur Verfechter, der Aktfotos sammelt. Der Vermieter des Ehepaares wiederum ist ein Trinker, der sie in einer illegalen Wohnung hinter einem Kinosaal unterbringt. Nur eine Leiter führt in die kleine Einzimmerwohnung, aber immerhin ist der Preis okay. Als der Lebensgefährte von Johannes’ Mutter, Jachmann, dort unterschlüpft, wird ihnen klar, wie geschützt sie in ihrer Dachkammer vor dem Zugriff der Welt sind. Jachmann ist es auch, der sie in das Berliner Nachtleben der Zwanziger einführt, ein Kapitel, das in der ersten Auflage einfach gestrichen wurde, ebenso wie Episoden zu Charlie Chaplin, Robinson Crusoe, Goethe, Wilhelm Busch und dem Prinzen von Wales. Der Erfolg des Buches damals gab den Streichungen zwar recht, aber dennoch ist es viel erquicklicher, endlich die unzensierte Version von Falladas Roman in Händen zu halten. Denn die Streichungen waren vielmehr “Tilgungen, die an die Substanz des Romans” gingen, schreibt auch der Gießener Literaturprofessor Carsten Gansel im Nachwort.
Neusachliche Ästhetik
Neue Sachlichkeit wird diese Kategorie der deutschen Literatur genannt, die als Epochenbegriff solche Schlagworte wie Antiexpressionismus, Präzision, Beobachtung, dokumentarisches Schreiben, Nüchternheit, Berichtform, Tatsachenpoetik und Entsentimentalisierung in sich vereint. Hans Falladas Ansatz ziele dabei auf eine “mimetische Illusion” im Rahmen der neusachlichen Ästhetik, so Gansel. Begeisterte Kritiken rief freilich auch die gekürzte Version des Kleinen Mannes hervor. So schrieb etwa der österreichische Autor und Herausgeber Paul Elbogen in einem Brief an Fallada: “Oh Fallada, der du hängest! Ich verdanke Ihnen eine halbe schlaflose Nacht! Ich habe Ihr neues Buch (als Ihr erstes) gelesen und eine Viertelstunde (alles in Allem) geweint wie seit Jahren nicht! Vielleicht seit dem Winnetou oder den “Glücklichen Menschen” von Kisten (das als einziges Buch sich mit ihrem in vielen Punkten vergleichen lässt.)”
Fazit: Jedem sein Lämmchen
Auch über die positive Figur des Lämmchens waren sich viele Kritiker:innen und Leser:innen einig. Glücklich ein Mann, der so eine Frau hat: “Von diesem Lämmchen sollt ihr lernen, wie man dieses armselige Leben anpackt und es gestaltet und Ja zu ihm sagt. Wie man sich nicht kleinkriegen lässt, wie man auch im Schlimmsten noch das Gute sieht, das darin oder dahinter verborgen ist.” Ja, mit so einem Lämmchen ließe sich selbst die Wirtschaftskrise oder die Diktatur überleben. Letzteres gelang Hans Fallada, allerdings mit einer neuen Frau, die wie er seit Ende des Kriege wieder morphium- und alkoholsüchtig war. Fallada wurde deswegen im Dezember 1946 in die Nervenklinik der Berliner Charité eingewiesen. Dort schrieb er innerhalb (nur) eines Monats in miserablem körperlichen Zustand den Roman “Jeder stirbt für sich allein“. Fallada starb schließlich im Hilfskrankenhaus Niederschönhausen in einem umgestalteten Schulklassenzimmer am 5. Februar 1947 im Alter von nur 53 Jahren an den Folgen seines Morphinkonsums.
Hans Fallada
Kleiner Mann – was nun?
Roman. Erstmals in der Originalfassung
Mit einem Nachwort von
2017, Taschenbuch, 557 Seiten
ISBN: 978-3-7466-3344-2
Aufbau Verlag
12,99 €
Als WIR das Wunder waren
Jede Generation hat ihre Helden, ihre Idole und ihre Musik. Waren es bei den Achtundsechzigern die Beat-Musik, die Flower-Power-Revolution, die Hippie-Bewegung und der Aufstand gegen den Muff der Nazizeit, so war das in den Achtzigerjahren bereits völlig anders. Weiterlesen
Imperium
Christian Kracht schildert in seinem Roman »Imperium« die Lebensgeschichte des deutschen Auswanderers August Karl Engelhardt (1875 bis 1919). Engelhardt gründete auf einer kleinen Insel im heutigen Papua-Neuguinea eine spirituelle Gemeinschaft, die er »Sonnenorden« nannte. Charakteristikum war die Ernährungsweise, die ausschließlich aus den auf der Insel reichlich wachsenden Kokosnüssen bestand. Weiterlesen
Der Unruhestifter
Eigentlich ist die Story schnell erzählt. Ein chinesisches Ehepaar träumt von einem gesellschaftlichen Aufstieg, am besten mit dem Sprungbrett eines Studiums oder einer beruflichen Karriere in den USA. Die Ehefrau Haili bekommt früher eine Ausreisegenehmigung. Der Kontakt zum Ehemann Danlin in China wird – wie bei so vielen Long-Distance-Love-Affairs – spärlicher und als er schließlich auch in den USA ankommt, überreicht sie ihm die Scheidungspapiere. Weiterlesen
Adele Sauerzopf erbt ein Schloss
Ein Roman, der ohne Mord, Sex, Tabubrüche auskommt, scheint heute gar nicht existieren zu dürfen. Im gegenwärtigen Überbietungsspektakel, der der Aufmerksamkeitsökonomie folgenden Literaturindustrie, fehlt der Platz für solch scheinbar „harmloses“ Werk. Allerdings geht der postmoderne Literaturapparat von falschen Prämissen aus: von der Moderne-Ideologie, die um jeden Preis das Gewalttätige, Hässliche und Destruktive darstellen will. Weiterlesen
Glitterschnitter
Die Geschichte von Herrn Lehmann war weitestgehend auserzählt, er war ja auch nicht wirklich ein Typ, um den man sich hätte Sorgen machen müssen. Doch Sven Regener nutzt ihn auch in seinem mittlerweile sechsten Buch als heimlichen Hauptdarsteller und präsentiert die Hilfskraft als Barmann eines kleinen Westberliner Cafés, das sich dem Kreuzberger Trend der 80-er Jahre, Milchkaffee in französischen Schalen überteuert zu servieren, anschließen will. Weiterlesen
Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm
Wer ein Buch über »Die Nibelungen« vorlegt, muss schon einen triftigen Grund vorweisen, um die hundertfach wiedergekäute Heldensaga um den Drachentöter Siegfried und seine legendären Taten erneut aufzugreifen und in Buchform anzubieten. Felicitas Hoppe hat es gewagt und mit ihrem Werk zugleich die Hand nach dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgestreckt, für den der Titel mit 19 anderen Bewerbern nominiert wurde. Weiterlesen