Wer zum ersten Mal im Leben eine Kreuzfahrt unternimmt, einen Flussdampfer entert oder die Weltreise in einem schwimmenden Hotel bucht, der wird mit diesem kleinen Buch auf die mitunter undurchsichtige Welt der Kabinenschiffe vorbereitet. Anders als beispielsweise bei dem satirischen Essay »Schrecklich amüsant – Aber in Zukunft ohne mich« von David Foster Wallace schildert Heidi von Balingen Erlebnisse und Beobachtungen auf den Meeren dieses Planeten aus der Perspektive einer Reiseleiterin.
Die Autorin lässt den Leser hinter die Kulissen an Bord schauen und schildert dabei, wie anstrengend der Job für die Mitglieder der Crew und das Begleitpersonal ist. Zur »Crew« zählen Kabinenstewardessen und -stewards, Küchenmitarbeiter vom Küchenchef über den Obstschnitzer bis hin zum Spüler sowie die unsichtbar im Bauch des Schiffes lebenden chinesischen Wäscher. Zur »Nautik« zählen die Menschen, die das Schiff lenken, steuern und einparken samt Matrosen.
Die »Paxe« schließlich sind die Passagiere, darunter mitunter auch skurrile Exemplare. Denn zu exotischen Zielen reisen mitunter auch abgebrühte Gäste, die sich vor Ort Vorteile an Deck erschleichen, weil sie ganz genau wissen: Zickige Gäste, die oft lauthals streiten, können die Stimmung an Bord leicht zum Kippen bringen und müssen deshalb möglichst schnell beruhigt werden.
Hoch über allen thronen die Offiziere und alle anderen Personen, die etwas zu sagen haben. Besonders begehrt sind bei den Reisenden die Streifenhörnchen, allen voran der Kapitän. Es wird ausgelost, wer an seinem Tisch sitzen darf und der Leser erfährt, welche Kleiderordnung an Bord besteht. Und gerade auf einen solchen Kapitän hat es die Erzählerin abgesehen!
Wie Senta in Richard Wagners »Der Fliegende Holländer« träumt Heidi von Balingen von einem Kapitän, der sie in den Hafen der Ehe fährt. Allerdings sind ihre Voraussetzungen ungünstig: Sie ist kaum 1,50 m groß und durch eine schwere Erkrankung gehandicapt. Das Schicksal hat sie wenig begünstigt. Schon zur Verwirklichung ihres Traumberufes, Reiseleiterin auf einem Kreuzfahrtschiff, braucht sie enorm viel Selbstbewusstsein und muss manchen Widerstand brechen.
Ob es ihr gelingt, ihren Kapitän zu finden, sei hier nicht gespoilert, es handelt sich jedenfalls um eine persönliche Schilderung ihrer Kreuzfahrt durchs Leben. Thematisch schwimmt der Bericht damit im Kielwasser des klassischen Arztromans, bei dem es auch stets darum geht, dass die unscheinbare Sprechstundenhilfe oder Schwester das Herz des Chefarztes erobert und glücklich wird.
Dass diese informative wie triviale Erfahrungsbericht angenehm zu lesen ist, ist Heidis Ghostwriter zu verdanken. Johannes Flörsch, bekannt als Lektor und Autor mehrerer Jahrbücher zum Thema Sternzeichen, hat sich des Ausgangsmaterials angenommen und daraus professionell einen lesenswerten Text geformt. Dabei schlägt seine Leidenschaft für Horoskope an mehreren Stellen deutlich durch und hilft ihm, die Persönlichkeit von »Heidi« sinnfällig darzustellen.