Tannöd

Am Ende des dunklen Waldes, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, die Menschen bigott sind und beten, liegt in der Einsamkeit Tannöd, ein Flecken im Nichts. Doch bei den gottesfürchtigen Waldbauern wird nicht nur schwer gearbeitet und viel gebetet. Es wird auch gemordet! Eine Bauernfamilie samt Kindern und Hauspersonal fällt einer entfesselten Spitzhacke zum Opfer, und der Leser schaut dem brutalen Täter bei seiner blutigen Tat quasi über die Schulter.

Die Erzählung ist in Form einer journalistischen Befragung verfasst. Die Autorin Andrea Maria Schenkel begibt sich in der Rolle des interessierten Interviewers nach Tannöd, hält ihr Mikrophon in die Manege und schneidet Wortmeldungen von Anwohnern und Dörflern mit. Nachbarn, Bekannte, Pfarrer, Briefträger und Bürgermeister nehmen nacheinander kurz Stellung und teilen ihr Wissen, ihre Vermutungen und Unterstellungen mit. Auf diese Weise entsteht ein Bild vom Ort des grausigen Geschehens, ein Gemälde von Tätern und Opfern. Mosaikartig setzt die Autorin diese fiktiven Zeugnisse aneinander und führt den Leser in das geistige Klima des Dorfes ein. Die Tat selbst ergibt sich letztlich als eine in sich schlüssige Reaktion.

»Tannöd« wurde als »Krimi des Jahres 2007« ausgezeichnet. Es ist kein Jahrhundertwerk, das Spuren hinterlässt und noch in Jahren seine Leser erinnert. Den Zufällen des deutschen Literaturbetriebes ist es geschuldet, dass dieses karge Autorendebüt, das mit einer Startauflage von dreitausend Exemplaren vom Verlag eher mutig angegangen wurde, auf die Topplätze der Hitparaden kraxelte. Urplötzlich erschien es auf der Empfehlungsliste der »Welt«, die Druckmaschinen sprangen an und produzierten Nachschub.

Es folgten Krimipreis und SPIEGEL mit einer ultimativen Lobhudelei. Schließlich empfahl die Fernsehnase Elke Heidenreich in ihrer einflussreichen Sendung Autorin und Werk, und flugs schnellte die Auflage auf inzwischen fast 200.000 Exemplare. Autorin und Text seien es gegönnt.

»Tannöd« bietet Abwechslung im Krimi-Allerlei, wobei Experten darüber streiten mögen, ob es sich bei dem Text überhaupt um einen Kriminalroman handelt.

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Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Edition Nautilus Hamburg