Per Anhalter durch die Galaxis

Per Anhalter durch die Galaxis 1 von Douglas Adams

Per Anhalter durch die Galaxis 1 von Douglas Adams

Was die wenigsten wissen: Per Anhalter durch die Galaxis – die Roman-Quintologie – von Douglas Adams war ursprünglich eine Radioserie mit demselben Titel gewesen, die 1978 erstmals von der BBC ausgestrahlt wurde und erst ein Jahr später zu einem Roman verarbeitet wurde. Auf das Debüt folgten dann noch vier weitere Bände bis 1992. Der Bayrische Rundfunk nahm in Kooperation mit dem Südwestrundfunk und dem Westdeutschen Rundfunk das Hörspiel 1981 erstmals in einer deutschen Fassung auf und produzierte 1990/91 auch eine Hörspielfassung der anderen Teile des Science Fiction Klassikers.

Vom Erfinder des Towel Days und babelfish

Was viele wissen: Der International Towel Day wird jedes Jahr seit 2001 am 25. Mai gefeiert um an den britischen Autor, der schon mit Graham Chapman (Monty Python) zusammengearbeitet hatte, zu erinnern. Obwohl eigentlich der 11. Mai 2001 der Todestag von Douglas Adams war, konnte sich seltsamerweise der 25. Mai als internationaler Towel Day durchsetzen. Auch der 42. Tag des Jahres (11. Februar) wurde natürlich diskutiert, wäre er doch eine ebenso deutliche Hommage an den Roman gewesen. Stattdessen kann man aber jederzeit Siri (die Assistentin von iphones) nach dem Sinn des Lebens und des Universums befragen und bekommt die Antwort „42“, denn diese Zahl wird tatsächlich auch im Roman als Antwort von einem Computer auf dieselbe Frage genannt. (Allerdings funktioniert dieses Gadget nur in der Englischen Sprache.) Warum jetzt aber „Towel“ Day? Das Handtuch (engl.: towel) wird deswegen von Douglas Adams Fans gefeiert, weil es im ersten Teil der Roman-Quintologie als das Nützlichste genannt wird, das man auf eine Reise durch die Galaxis mitnehmen kann. 2012 hatte der Towel Day immerhin in 39 Ländern Verbreitung gefunden. Es gibt auch eine gleichnamige Webseite mit mehr Informationen.

Eine Reise durch unsere Galaxie

Die hier vorliegende Ausgabe des Hörspieles stammt aus dem Jahr 2005 und ist eine Produktion des Bayrischen Rundfunks aus dem Jahr 1981 und 1997 mit Dieter Borsche, Klaus Löwitsch, Bernhard Minetti, Felix von Manteuffel, Doris Schade und vielen anderen in insgesamt zwei CD-Paketen mit jeweils vier CDs. Inzwischen ist aber längst eine neue Version – ebenfalls beim Hörverlag – mit Christian Ulmen – bekannt vor allem durch Leander Haußmanns Literaturverfilmung „Herr Lehmann“ (Sven Regener) als Sprecher und von Benjamin Schwarz übersetzt erschienen. Für den Hörverlag hat er aber nicht nur „Per Anhalter durch die Galaxis“, sondern auch „Das Restaurant am Ende des Universums“ von Douglas Adams als Hörbuch eingelesen. Ein Zitat aus dem Buch soll hier stellvertretend die Dimensionen in die man sich begibt und von denen man vorher nie zu träumen gewagt hätte illustrieren: „Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau rausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt … Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.“ Douglas Adams – der beste und lustigste Reiseführer, den man sich durch die Galaxis wünschen kann.

Übrigens auch der Ausdruck „babelfish“ – nach dem später ein Online Nachschlagewerk für Übersetzungen benannt wurde – stammt aus „Per Anhalter durch die Galaxis“. Es untersucht Millionen Übersetzungen von professionellen Übersetzern, Webseiten und Wörterbüchern – also ganz im Sinne des weltverbindenden intergalaktischen Ansinnens des Schöpfers des Begriffes und des wohl außergewöhnlichsten Hörspiels dieses Planeten. Außerdem ist beim Hörverlag erschienen: „Douglas Adams: Das Leben, das Universum und der ganze Rest – Mach’s gut und danke für den Fisch. Hörspiel mit Bruno Ganz, Rolf Boysen, Otto Sander.“

Douglas Adams
Per Anhalter durch die Galaxis 1 und 2
Hörspiel mit Siemen Rühaak, u.a.
von Douglas Adams  (Autor),‎ Ernst Wendt (Regisseur),‎ Siemen Rühaak (Sprecher),‎ Rolf Boysen (Sprecher),‎ Wolfgang Hess (Sprecher),‎ Markus Boysen (Sprecher),‎ Klaus Löwitsch (Sprecher),‎ Felix von Manteuffel (Sprecher),
2005/2009, Der Hörverlag, jeweils ca. 6h Laufzeit
ISBN-10: 9783899406245
€ 29,95 [D]/€ 29,95 [A]*/CHF 41,90*


Genre: Hörbuch, Science-fiction
Illustrated by Hoerverlag

Monument 14

Monument 14Vierzehn Jugendliche. Eine Shopping-Mall. Eine Welt, in der nichts mehr ist, wie es einmal war. An dem Tag, als die Welt untergeht und ein Tsunami die Ostküste der USA trifft, stranden 14 Jugendliche in einem Einkaufszentrum. Schnell wird ihnen klar, dass sie völlig auf sich allein gestellt sind. Während der Strom ausfällt und die Zivilisation zusammenbricht, braut sich am Himmel etwas noch viel Furchtbareres zusammen. Eine Giftwolke aus einer nahen Chemiefabrik nähert sich dem Einkaufszentrum. Diejenigen, die die Chemikalien einatmen, verändern sich in völlig unerwarteter und beängstigender Weise. Der zurückhaltende Dean, bislang eher ein Außenseiter, muss sich mit den anderen verbünden und um sein Überleben kämpfen…

Die Geschichte spielt im Jahr 2024 und wird aus der Ich-Erzählperspektive des 17 jährigen Dean erzählt. Dean und seine Familie wohnen in dem kleinen Städtchen Monument in Colorado.

Es ist ein ganz gewöhnlicher Morgen und Dean und sein 13 jähriger Bruder Alex sind im Schulbus auf dem Weg zur Schule. In dem Bus befinden sich aber nicht nur Highschool Schüler sondern auch Grundschüler denn beide Schulen werden vom selben Bus angesteuert.

Plötzlich setzt kräftiger Hagel ein und innerhalb kürzester Zeit werden die Hagelkörner gigantisch groß und zerstören Häuser und Autos. Geistesgegenwärtig steuert die Schulbusfahrerin ein riesiges Einkaufzentrum an und brettert mitten hinein um die Kinder in Sicherheit zu bringen.

Als der Hagel aufgehört hat, gleichen die Straßen einem Schlachtfeld und die Busfahrerin macht sich zu Fuß auf den Weg um Hilfe zu holen, die Kinder und Jugendlichen bleiben im Einkaufszentrum.

Kurze Zeit später gibt es ein extrem heftiges Erdbeben aber das Einkaufszentrum hält diesem wie durch ein Wunder stand. Die 14 Gestrandeten finden in der Elektroabteilung einen noch funktionierenden Fernseher und schalten die Nachrichten ein aber was sie dort erfahren ist schlimmer als alle Befürchtungen. Eine 800 Meter hohe Welle, ausgelöst durch einen gigantischen Tsunami, hat die Ostküste der USA getroffen und komplett ausgelöscht. Durch das Erdbeben wurde die ortsansässige Chemiefabrik stark beschädigt und chemische Kampfstoffe sind unkontrolliert ausgetreten. Eine riesige und hochgifte Wolke breitet sich aus und die Menschen werden aufgefordert sich unter keinen Umständen im Freien aufzuhalten.

Die Jugendlichen verbarrikadieren die Türen des Einkaufszentrums, können nirgendwo hin und auf die Rettung durch die Busfahrerin oder sonstige Rettungskräfte brauchen sie auch nicht zu hoffen denn schließlich liegt das Land in Trümmern…!

Die Jugendlichen sind in der Mall zwar recht gut aufgehoben, sind erst einmal sicher und haben ausreichend Nahrung, Kleidung und es gibt auch eine Apotheke aber wie soll es jetzt weitergehen?

Dazu kommt noch dass sich die 6 Jugendlichen, selbst noch halbe und verängstigte Kinder, jetzt auch noch pflichtbewusst um die Grundschüler und eine frühreife 13 Jährige kümmern müssen. Die Nerven liegen blank und es kommt durch Verzweiflung und Überforderung natürlich zu Streitereien und Machtkämpfen…!

Das Buch hat mir hammermäßig gefallen und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Eine sehr spannende Geschichte, die von der Grundidee zwar nicht wirklich neu ist und mich auch teilweise ein bisschen an „Herr der Fliegen“ erinnert hat, aber welche Idee ist schon noch wirklich neu?!

Generell liebe ich ja eh die Ich-Erzählperspektive und zusätzlich hat mir auch gut gefallen dass die Hauptfigur Dean am Anfang den Leser auch noch hin und wieder direkt anspricht. Für Endzeitfans eine wirklich spannende Geschichte mit einem sehr ergreifenden Ende bei dem mir auch ein Tränchen runtergekullert ist. Eine Geschichte über das Überleben, das Erwachsenwerden, Freundschaft, Liebe, Pflichtbewusstsein, Zusammenhalt und Menschlichkeit. Ich freue mich jetzt schon total auf den zweiten Band dieser Trilogie!

Bevor Emmy Laybourne zum Schreiben kam, arbeitete Sie als Schauspielerin. Ihr Debütroman „Monument 14“ wurde ein großer Erfolg, obwohl Sie selbst nicht damit gerechnet hatte. Sie lebt mit Ihrem Mann, zwei Kindern und einer australischen Echse in New York.

 


Genre: Dystopie, Endzeitgeschichten
Illustrated by Heyne München

Ein fliehendes Pferd

walser-4Allegorie auf die Spaßgesellschaft

Zwei Jahre nach dem vernichtenden Verriss seines Romans «Jenseits der Liebe» durch Marcel Reich-Ranicki in der FAZ erschien 1978 Martin Walsers Novelle «Ein fliehendes Pferd» – und wurde vom selben Großkritiker im gleichen Blatt als «ein Glanzstück deutscher Prosa» überschwänglich gefeiert. Die in nur zwei Wochen niedergeschriebene Novelle erreichte als Bestseller eine Auflage von einer Million Exemplaren, sie stellte einen Wendepunkt seines literarischen Schaffens dar, die dem damals bereits etablierten Schriftsteller last, but not least, auch finanzielle Sicherheit brachte. Das Feuilleton beurteilte das Buch damals überwiegend positiv, ist die Lektüre dieses frühen Werkes aus dem inzwischen recht umfangreichen Œuvre Walsers also lohnenswert?

In dem kammerspielartigen Plot wird von zwei Ehepaaren mittleren Alters erzählt, die bei einem Urlaub am Bodensee (wo sonst?) zufällig aufeinander treffen, der Gymnasiallehrer Helmut Halm und der Journalist Klaus Buch waren einst Schulkameraden. Sie sind vom Naturell her völlig unterschiedlich, ihre Lebenswege verliefen folglich auch in ganz verschiedenen Bahnen. Während der eher behäbige, desillusionierte Helmut mit seiner ähnlich gearteten Frau Sabine unauffällig und zurückgezogen lebt, führt der sportlich gestählte, gesundheitsbewusste Klaus mit seiner deutlich jüngeren, attraktiven zweiten Frau Helene ein offensichtlich aufregendes, bewegtes Leben, jagt dem Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung hinterher. Sehr zum Missvergnügen von Helmut arrangiert Klaus nun eifrig verschiedene gemeinsame Unternehmungen, in deren Verlauf die Kluft zwischen dem verklemmten Spießbürgertum von Helmut und Sabine und der überbordenden Lebenslust von Klaus und Helene immer deutlicher wird.

Bei einer gemeinsamen Wanderung kommt es zu dem titelgebenden Ereignis mit Symbolkraft, als es Klaus durch richtiges Verhalten gelingt, ein auf sie zu galoppierendes, durchgehendes Pferd einzufangen. «Einem fliehenden Pferd kannst du dich nicht in den Weg stellen. Es muss das Gefühl haben, sein Weg bleibt frei.» Bei einem Segeltörn ohne die Frauen versucht Klaus später, seinen Freund zum gemeinsamen Auswandern auf die Bahamas zu überreden, um dort ein neues, aufregenderes Leben zu beginnen. Als überraschend ein schwerer Sturm aufzieht, geht der segelerfahrene Klaus über Bord, Helmut wird in dem nun steuerlosen Boot hilflos an Land getrieben, Klaus bleibt verschwunden. In ihrer Verzweiflung enthüllt Helene später in der Ferienwohnung von Helmut und Sabine die wahren Lebensumstände von Klaus, der in Wahrheit ein Versager war und sich gerade aus der Begegnung mit Helmut die Rettung aus all seiner Hoffnungslosigkeit versprochen hatte.

Walser stellt die Sicht Helmuts in den Mittelpunkt und gewährt dem Leser damit tiefe Einblicke in das Innenleben seines eher drögen Protagonisten. Ihren Reiz erhält die Geschichte aber insbesondere aus der Gegenüberstellung der konträren Lebensentwürfe, die ja beide keineswegs widerspruchsfrei sind, sondern nur Schein erzeugen, keine Realität. Der Autor zeigt also nur auf, was ist, ohne werten zu wollen, wobei es unsere Gesellschaft ist, die sich da widerspiegelt. Sprachlich ist die Novelle leicht lesbar geschrieben, nicht gerade wortgewaltig oder stilistisch kreativ also, aber mit stimmigen Dialogen, das stets überschaubare Geschehen wird zudem ganz unkompliziert chronologisch erzählt. Man muss das wohl als Abkehr des Autors von der anspruchsvolleren Literatur zur reinen Unterhaltung interpretieren, in der selbst gewisse Action-Momente nicht fehlen und Sex Walser-typisch ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Diese entlarvende, sozialkritische Allegorie auf eine erfolgsgeile Spaßgesellschaft ohne jeden tieferen Lebenssinn endet zwar ziemlich trivial, sie lässt dem Leser aber genügend Raum für eigene Reflexionen, für seine eigene Standortbestimmung irgendwo zwischen den beiden Extremen, die Martin Walser hier aufzeigt.

Fazit: lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Suhrkamp Taschenbuch Verlag

Das Fischkonzert

laxness-2Das Beste von Laxness

Mit seiner Darstellung der Unterdrückung während der Dänen-Herrschaft in dem historischen Roman «Islandglocke» von 1943 wurde Halldór Laxness endgültig zum Nationaldichter. In seinen späteren Werken, zu denen auch «Das Fischkonzert» von 1957 gehört, steht die Sozialkritik des linksintellektuellen Autors nicht mehr so deutlich im Vordergrund. Vielmehr griff der auf seiner Insel tief verwurzelte Weltbürger, inzwischen mit dem Literatur-Nobelpreis geehrt, nun häufig menschliche Themen auf. Er stellte eine sehr spezifische, vom Taoismus geprägte Poesie in den Vordergrund seiner Prosa und thematisiert das «Vollkommene Sein» exemplarisch an seinen Romanfiguren.

Ich-Erzähler dieses Bildungsromans ist Alfgrimur, den seine Mutter in einem aus Grassoden erbauten Erdhaus des Seehasenfischers Björn geboren und dort zurückgelassen hat, um nach Amerika auszuwandern. Er bekam, wie alle vaterlosen isländischen Kinder, den Familiennamen Hansson. Der kleine Hof Brekkukot am Stadtrand von Reykjavik war «eine kostenlose Herberge für jeden, der davon Gebrauch machen wollte». An Großeltern statt ziehen der alte Björn und seine Frau den Jungen dort liebevoll auf. Ihr von einem hölzernen Drehkreuz, – durchaus nicht nur der Schafe wegen, sondern auch symbolisch -, von der Außenwelt abgetrennter, ärmlicher Hof wirkt wie die Enklave einer archaischen Lebensweise, während sich überall draußen schon die Vorboten des Frühkapitalismus deutlich bemerkbar machen. So verkauft der urchristlich gesinnte «Großvater» Björn zum Beispiel seine Fische unbeirrt auch dann zum selben Preis wie immer, wenn der Fang allgemein spärlich ausfällt und alle anderen Fischer profitorientiert, also «marktkonform», ihre Preise kräftig erhöhen. Diese überschaubare Idylle bildet das bodenständig enge Zentrum einer kargen Jugend seines Protagonisten, dem Laxness mit den skurrilen Bewohnern und Durchreisenden im gastfreien Hause, den wunderlichen Nachbarn und den kauzigen Einwohnern der – Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts noch kleinen Stadt Reykjavik, gekonnt eine vielköpfige, muntere Figurenschar zur Seite stellt.

Kontrapunktisch ist die groteske Geschichte des weltberühmten isländischen Sängers Gardar Holm in die Erzählung integriert, dessen Wege sich im Verlauf der Handlung zunehmend mit denen von Alfgrimur kreuzen. Aber während der Junge auf Druck der Großeltern äußerst erfolgreich die höhere Schule absolviert, – obwohl er doch eigentlich lieber Grauquappenfischer werden wollte -, um anschließend ein Studium zu beginnen, entpuppt sich der Sänger allmählich als Scharlatan, der alle getäuscht hat und am Ende kläglich scheitert. Der Aufstieg des einen spiegelt sich also im Abstieg des anderen, man ahnt das schon bald als Leser, die Beziehung der beiden ungleichen Protagonisten wird zudem intertextuell durch diverse Anspielungen auf «Erlkönig» und «Faust» verdeutlicht.

Geradezu einfältig wirkt die unbeholfene Sprache, in der das Geschehen fast schon lakonisch, aber durchaus passend zur engstirnigen Perspektive von Alfgrimur, in 41 Kapiteln erzählt wird, ergänzt um ein hilfreiches Nachwort des Übersetzers. Was da aber in schlichten Worten scheinbar naiv erzählt wird, erweist sich nicht nur als äußerst lebensklug und zutiefst menschlich, es ist ebenso tiefsinnig wie überraschend in seiner Denkart. Und alles Erzählte ist dazu noch mit einem köstlichen Humor gewürzt, der manchmal so urkomisch daherkommt für einen nicht-isländischen Leser des 21.Jahrhunderts, dass man laut auflachen muss. Die vielen schrägen Figuren dieses vielschichtigen Romans, der somit auch eine formidable Gesellschaftssatire ist, erweisen sich zumeist als gradlinig denkende, oft wortkarge Sympathieträger. Sie wirken durch ihr Scheitern schicksalhaft menschlich und verkörpern geradezu archetypisch die beklemmende Absurdität des Lebens ebenso wie die des Todes. Zweifellos zählt «Das Fischkonzert» thematisch wie stilistisch zu den besten Romanen aus der Feder von Haldor Laxness.

Fazit: erstklassig

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Genre: Roman
Illustrated by Steidl Göttingen

Liebe

morrison-3Liebe, Gier, Hass – eine Melange

Romane von Toni Morrison stellen meist erhöhte Anforderungen an den Leser, sie sind ambitioniert, was ihre Thematik anbelangt, und kompliziert in ihrer Erzählweise. «Liebe», 2003 erschienen, fügt dem aber noch eine weitere Hürde hinzu. Der Plot mit dem kitschverdächtigen Titel ist derart kryptisch angelegt, dass seine Lektüre mich an ein komplexes Ratespiel erinnert, dessen Auflösung, soviel darf verraten werden, erst auf der vorletzten Seite erfolgt, – wenn denn der Leser bis dahin durchhält. Die Rassenproblematik als beherrschendes Thema der US-amerikanischen Nobelpreisträgerin schimmert hier allenfalls im Hintergrund mit durch, man begegnet ihr in einer ungewohnten Variante erfolgreicher Farbiger, die der kämpferischen Bürgerrechtsbewegung eher skeptisch gegenüberstehen, sich in Zeiten der Rassentrennung vielmehr selbstbewusst ihr eigenes, von Diskriminierung freies Umfeld schaffen.

Es sind fünf Frauen, von denen da im Wesentlichen erzählt wird, und von dem Mann, der ihr Leben bestimmte, Bill Cosey, ein reicher Lebemann, der während der Weltwirtschaftskrise erfolgreich ein Strandhotel aufgebaut hatte. Er ist, wie man nach einer Art Prolog in sieben ihm gewidmeten Kapiteln erfährt, schon lange tot, im ersten, «Das Portrait» betitelten Kapitel begegnen wir nur noch seinem Ölbild, und auch sein Hotel ist inzwischen eine verlassene Ruine an einem verlotterten Strand. Der von vielen Bewunderte war Freund, Fremder, Wohltäter, Liebhaber, Ehemann und Vater, wie die folgenden, ihm gewidmeten Kapitel überschrieben sind, deren Sinn allerdings oft ironisch konterkariert wird. Er war für jeden ein anderer, einem Phantom ähnelnd. Die etwa sechzig Jahre, – bis ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hinein -, umspannende Geschichte handelt von den komplizierten Verwicklungen, die sich allesamt auf diesen charismatischen Mann zurückführen lassen. Und alle in seinem Bannkreis, seine Schwiegertochter May, seine Enkelin Christine, deren Jugendfreundin Heed, die Streunerin Junior als deren Komplizin und die Köchin «L.», – jene kursiv gesetzte Stimme aus dem Off, bei der am Ende alle Fäden zusammenlaufen -, sie alle sind schicksalhaft miteinander verwoben, weit über seinen Tod hinaus.

Toni Morrison hat auf die Frage, warum die klassische Liebe in ihrem Roman kaum eine Rolle spiele, geantwortet: «…, ich wollte die Spannbreite der Emotionen ausloten, die in dem Wort stecken». Es gäbe ja nicht nur die eine Form der Liebe, und man könne im Idealfall sogar soweit kommen, dass Liebe eine Großzügigkeit des Geistes sei. Wie auch immer, im Kern geht es hier um die innige Liebe zweier gleichaltriger, unzertrennlich scheinender Mädchen, Coseys Enkelin Christine und ihre aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Freundin Heed. Als aber der verwitwete Hotelier die elfjährige (sic!) Heed heiratet, zerbricht die innige Freundschaft der Beiden und schlägt in blinden Hass um. Auch zwanzig Jahre nach Coseys Tod wohnen die zwei Zerstrittenen immer noch in seinem Haus und belauern sich, der Erbschaft wegen. Denn Cosey hat kein Testament hinterlassen, auch wenn es Gerüchte gibt, er hätte einst in fröhlicher Runde auf eine Speisekarte seines Hotels geschrieben, sein Haus solle an sein «geliebtes Cosey-Kind» gehen. Wen meinte er damit, Frau oder Enkelin? Und vor allem, wo ist diese ominöse Speisekarte?

Die Autorin erzählt all dies aus wechselnden, manchmal kaum verifizierbaren Perspektiven, zusätzlich erschwert noch durch unvermittelte Zeitsprünge, die erhöhte Aufmerksamkeit des Lesers oder, – oft Ultima Ratio -, seine treffsichere Intuition erfordern. Und unscharf bleiben auch ihre Figuren, man erfährt selbst von Cosey herzlich wenig. Ihre Art, einen jede Liebe zerstörenden Erbkrieg zu schildern, ist hochkomplex und in der sprachlichen Umsetzung anspruchsvoll. Der Leser muss sich also ziemlich anstrengen, will er in das Gefühlschaos des Romans eindringen und einen Nutzen aus alldem ziehen, was er da liest.

Fazit: mäßig

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Genre: Roman
Illustrated by Rowohlt

100 Seiten Che Guevara

Zum 50. Todestag: 100 Seiten Che

Zum 50. Todestag: 100 Seiten Che

Zum 50. Todestag am 9. Oktober: 100 Seiten Che Guevara. „Seremos como el Che!“, sollen kubanische Kinder noch heute nach dem Absingen der Nationalhymne rufen: „Wir werden sein wie Che!“ Aber wer war dieser „Che“ eigentlich wirklich? Der Lateinamerikakorrespondet der FAZ geht hart ins Gericht mit dem einstigen Idol der Achtundsechziger und macht sich mit Hammer und Meißel an die Zerstörung eines Denkmals, denn seine Recherche fördert einige unangenehme Tatsachen zu Tage, die viele Leute lieber nicht wissen möchten. Schon das berühmt gewordene Ikonenfoto von Alberto Corda beinhaltet ein störendes Geheimnis: nicht nur, dass der Urheber auf alle Tantiemen verzichtete, sondern das Foto wurde sogar noch manipuliert, damit der cortison-aufgeschwemmte Revolutionsheld weniger aufgedunsen wirkte. Guevara habe selbst von seinem „Mondgesicht“ gesprochen, aber der Verlger Feltrinelli konnte das durch eine Streckung um ein Sechstel in die Höhe ausgleichen und so seien alle Che-Fans zu Opfern einer frühen Photoshop-Manipulation geworden, so will es uns Matthias Rüb zumindest in seinen „100 Seiten Guevara“ vermitteln.

Che als „Posterboy der Revolution“

Die Reclam Reihe „100 Seiten“ fasst im Taschenformat das Wichtigste zu einer historischen Persönlichkeit zusammen und man muss zugeben, dass das im Falle von Matthias Rüb wirklich sehr viel ist. Wir erfahren als Leser über den „Jesus Christus mit der Knarre“ nicht nur, dass er eitel uns selbstverliebt gewesen sein soll, sondern auch seine Auftritte sorgsam geplant habe. Che sei ein „internationaler Posterboy der kubanischen Revolution“ gewesen und habe auch aus Kalkül Militäruniform bei öffentlichen Auftritten getragen, um sein Image als Guerillero zu pflegen. Vor allem liegt es Matthias Rüb aber am Herzen, die Frauengeschichten Guevaras und seine teilweise rassistischen Äußerungen über Indigenas sowie seine Blutrünstigkeit nachzuweisen. So wirft er ihm zum Beispiel vor, schon vor der Revolution im Guerillakampf Verräter („chivatos“) eigenhändig hingerichtet zu haben und nach dem geglückten Putsch der „barbudos“ (Bärtigen) in Kuba politische Dissidenten standgerichtlich erschießen habe lassen oder es sogar selbst getan zu haben (Stichwort: La Cabana). Dass eine Revolution kein Kindergeburtstag ist, müsste der FAZ-Korrespondent des krisengeschüttelten Lateinamerika allerdings schon vorher gewusst haben.

100 Seiten Che Guevara: „Neuer Mensch, alter Macho“

Che Guevara, der niemals den zweijährigen Pflichtwehrdienst in seinem Heimatland absolvieren musste, weil er an Asthma litt, sei von einem „obsessiven Hasse auf die Vereinigten Staaten“ getrieben gewesen und hätte in der Kubakrise von 1962 nicht gezögert, Atomwaffen auf amerikanische Millionenstädte zu richten. Sein politisches Initialereignis sei der Sturz von Präsident Arbenz in Guatemala gewesen, wo der amerikanische Außenminister John Foster Dulles, der selbst für United Fruit gearbeitet hatte, die Enteignung der UFC mittels eines CIA-Putsches wieder rückgängig machte. „Neuer Mensch, alter Macho“ heißt ein Kapitel von Matthias Rübs Heldenzerstörung, indem er ihm mangelnde Treue vorwirft. Rüb sieht einen Widerspruch in der Forderung nach altruistischer Aufopferung für ein abstraktes Volkskollektiv und der Untreue Guevaras zu seinen (Ehe-)Frauen und Kindern, obwohl er weiß, dass die Zweigleisigkeit Teil der „Éducation sentimentale“ in diesen Ländern ist. Che Guevara mag vielleicht nicht „der vollkommenste Mensch seiner Epoche“ gewesen sein, aber die Denkmalzerstörung Matthias Rübs sollte man in jedem Fall gelesen haben!

Matthias Rüb
Che Guevara.
Reihe: 100 Seiten
ISBN: 978-3-15-020429-0
Reclam


Genre: Biographien, Dokumentation
Illustrated by Reclam Stuttgart/Dietzenbach

Die Geheimnisse Italiens. Roman einer Nation

Die Geheimnisse Italiens

Die Geheimnisse Italiens

Die Geheimnisse Italiens, der Roman einer Nation: Wenn man Frankreich Paris wegnähme oder Großbritannien London bliebe nicht allzu viel übrig. „Wenn man Italien dagegen Rom wegnimmt, bleibt noch ziemlich voll“, schreibt Augias in seinem Vorwort über den Unterschied seines Heimatlandes zu dem anderer. Kein zweites Volk habe sich in solchen Extremen bewegt und das sei auch das eigentliche Geheimnis, das alle übrigen Geheimnisse einschließe. Provokante Ansagen macht Corrado Augias aber nicht nur in seinem Vorwort, denn er will sein (Lese-)Publikum ganz in seine Erzählung Italiens einbeziehen, auch wenn es eben nur ein weiteres Narrativ von vielen ist.

Norden gegen Süden

Eine der brennendsten Fragen ist natürlich die Spaltung zwischen dem entwickelten Norden und dem unterentwickelten Süden des Landes. Der sog. „Mezzogiorno“ entwickelte sich aus dem Königreich beider Sizilien heraus und wurde erst durch das Risorgimento 1861 in den italienischen Nationalstaat eingegliedert. Laut den sog. Sudisti hätten damals die Piemonteser den Mezzogiorno kolonisiert und damit zur Unterentwicklung verdammt und außerdem den Staatsschatz geraubt und in den Norden verbracht, so zitiert Augias ein hartnäckiges Gerücht. Mit dem „Handschlag von Teano“ zwischen König Vittor Emanuele II. und Giuseppe Garibaldi am 26. Oktober 1860 sie die Annektion besiegelt worden und damit auch das Schicksal des Südens. Farini, ein Politiker, der damals dabei war, schrieb über damals über den Süden: „Was für eine Barbarei! Das ist nicht Italien! Das ist Afrika: Im Vergleich zu diesen Primitivlingen sind die Beduinen die Blüte der zivilisatorischen Jugend“. Tatsächlich war „Italienisch“ damals nur bei acht Tausendstel der Bevölkerung der Halbinsel übel, erst der Nationalstaat schuf eine einheitliche Staatssprache für Nord und Süd.

Die Parthenopäische Republik

Corrado Augias erzählt wie der Vatikan Unternehmungen finanzierte, um die Einheitsbewegung zu schwächen und auf subersive Aktionen setzte, womit er sogar die Briganten unterstützte. Aber auch die wichtigsten Schriftsteller und Städte Italiens werden von ihm auf ihre Geheimnisse hin untersucht und Zeile für Zeile erschlossen. So zum Beispiel Neapel, deren Lazzaroni auf die Jakobiner der Parthenopäischen Republik mit folgenden Worten reagierte: „La libertà ve la tenite pe’vvuie! Sai addo’ l’avit’a mettere? Dinto allo mazzo de màmmeta!“ Eine Übersetzung dieser Worte findet sich bei Augias im Kapitel VI. Der White Trash Neapels hätte eben am liebsten Partei für die Rückkehr der bourbonischen Monarchie ergriffen. Aber auch Ruhmreiches gibt es von den Parthenopäern zu berichten: während der Besetzung Neapels durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg gelang es den dortigen Aufständischen, sich selbst davon zu befreien. Weitere Kapitel beschäftigen sich u.a. mit: das venezianische Ghetto und La Serenissima, das Jüngste Gericht, Mailand, Rom, Franziskus, la duchessa di Parma, de Amicis’ „Cuore“, Palermo und D’Annunzio’s „Lust“.

Ursache der Rückständigkeit: „Amoreler Familiarismus“

Der Autor der Geheimnisse Italiens, Corrado Augias, versucht sich auf vielfältige Weise dem Phänomen seines Landes anzunähern. So zitiert er etwa auch den Soziologen Edward C. Banfield, der Italien 1958 einen „amoral familism“ attestierte. Die Maximierung der materiellen und unmittelbaren Vorteile der eigenen Familie stehen im Mittelpunkt der Italiener, ganz egal welcher Klasse, Schichte oder welchem Milieu sie angehören. Und genau das ist es auch, was den Fortschritt des Landes bisher verhindert hat: die Familie. Denn die Loyalität gilt in Italien nicht einem Staat oder einer Gesellschaft, die nie etwas für einen getan hat, sondern der Familie und damit ist jetzt nicht ausschließlich die Mafia gemeint. „Das gesamte Verhalten ist zu Lasten der Gemeinschaftsinteressen auf die Intereesen und den Vorteil der eigenen Familie ausgerichtet.“

Corrado Augias
Die Geheimnisse Italiens
Roman einer Nation
C.H. Beck
ISBN: 978-3-406-65898-3
272 S.
Gebunden


Genre: Biographien, Dokumentation, Kulturgeschichte, Sachbuch
Illustrated by C.H. Beck München

Wilde Schafsjagd

Neue bibliophile Ausgabe eines Klassikers

Neue bibliophile Ausgabe eines Klassikers

Das Lied ist aus, aber die Melodie schwebt noch im Raum.“ Der Protagonist und Ich-Erzähler von „Wilde Schafsjagd“ ist gezeichnet von den Sechzigern, deren Vorhang sich auf der Weltbühne schön langsam senke. In seinem Lieblingscafé, wo er immer Bier trinkt und viele Zigaretten raucht, spielen sie immer noch Hardrock, aber „das Knistern der Atmosphäre war verschwunden“. Sein Körper ist oft von Alkohol voll gesogen “wie ein Waschlappen“, denn er leidet vor allem an der Trennung seiner Frau. Er isst gerne Sandwiches und Omeletts. Dazu Whiskey oder Bier. Auch wenn er schnell wieder eine Freundin (mit schönen Ohren) findet, die ihm bei seinem ersten „Fall“ auch kräftig unter die Arme greift. Und dann wäre da noch „Ratte“, sein bester Freund, der immer wieder auf ungeklärte Weise verschwindet und wieder auftaucht. Und Bückling, sein alter Kater. Eine neue bibliophile Ausgabe des Murakami Klassikers “Wilde Schafsjagd” ist bei Dumont erschienen.

Wilde Schafsjagd: Etwas zerbricht

Wilde Schafsjagd“ ist mehr als nur ein Roman der Kriminalliteratur, die sich an amerikanischen Vorbildern wie etwa Raymond Chandler orientiert, denn dessen Protagonist hat existentielle Probleme, die ihn beinahe aus der Bahn werfen. Nachdem er bemerkt, dass seine Frau von den Fotos aus den gemeinsamen Fotoalben ihr Gesicht herausgeschnitten hat und auch sonst nichts zurückgelassen hat, erfährt er seine Evokation: „Mir war, als wäre ich von Geburt an mein ganzes Leben lang allein gewesen und würde auch von jetzt an immer allein bleiben.“ Mit 26 und 30 Jahren hätten sie beide noch ein gemeinsames langes Leben vor sich gehabt. „Doch in dem Moment, da wir beide dachten, dass es ewig so weiterginge, zerbracht irgendetwas. Eine Winzigkeit nur, aber es wurde nie mehr wie früher.

Von Schafen und Schafsköpfen

Im Sommer trinke er Bier, im Winter Whiskey und er versucht nicht vor der Langeweile davonzulaufen, wie alle anderen, bekennt er, sondern er versucht hineinzukommen. „Gegen die Langeweile kämpfen selbst Götter vergebens“, soll schon Nietzsche gesagt haben, so Murakami. Doch dann bekommt er einen merkwürdigen Auftrag, indem er das Schaf eines Fotos einer seiner Werbekampagnen suchen muss, um dem alten Chef einer ominösen Organisation, der im Koma liegt, damit das Leben zu retten. Denn das geheimnisvolle Schaf von dem Foto hat magische Kräfte und rettet wohl nicht nur dem Chef das Leben, sondern auch dem Protagonisten. „Die Leute glauben, es sei eine Gnade Gottes, wenn ein Schaf in einen Menschen fährt. In einer Schrift aus der Yüan-Dynastie wird beispielsweise berichtet, Dschingis Khan sei von einem `weißen Schaf, welches einen Stern trug´ bewohnt worden.“ Wird es ihm gelingen das geheimnisvolle Schaf aufzuspüren oder wird vielmehr es ihn finden? Ein amüsanter Lesestoff nicht nur für Schafzüchter.

Haruki Murakami
Wilde Schafsjagd
Roman
Aus dem Japanischen von Annelies Ortmanns
ISBN: 978-3-8321-7899-4
2017, DUMONT


Genre: Kriminalromane, Liebesroman
Illustrated by dumont Köln

Banksy in New York

banksyBanksy wurde unter den Graffiti Artists vor allem durch einen unverwechselbaren Blick auf ein gutes placement seiner urbanen Interventionen bekannt, aber natürlich auch durch die brisant politischen Inhalte und Bemerkungen zum aktuellen Zeitgeschehen, das zeigt auch “Banksy in New York“. Allerdings hat Banksy auch den Kunstmarkt durcheinander gebracht, denn plötzlich wurden seine Skulpturen, Interventionen und Stencils zu Objekten des Kunsthandels. Inzwischen soll es sogar schon Leute geben, die sich Banksy’s Werke tätowieren lassen, was – wie der Verfasser des Vorworts, Steven P. Harrington, lakonisch bemerkt – kein Wunder sei, würden sie doch den „Wert von Eigentum“ („since this is a vandal whose deeds actually raise the value of property“) erhöhen.

Banksy: Originelle Gedanken umgesetzt

One original thought is worth a thousand mindless quotings. Diogenes“, hat Banksy auf eine Wand gesprüht. Oder hat er nu rden jungen Mann mit Hip Hop Mütze auf einem Papierkorb sitzend hinzugefügt, der von sich selbst ein Selfie macht, während er diesen Satz schreibt? Die Mise en Abyme ist jedenfalls doppelt und dreifach gelungen, denn wer den Satz zitiert, fällt genau in den Abgrund seiner Bedeutung und wer sich dabei noch fotografiert oder das Bild selbst fotografiert geht doppelt in die Falle des modernen Medienzeitalters, denn tatsächlich ist alles nur mehr zu einem Zitat verfallen und nichts mehr originär, in diesem Leben voller Schablonen und vorgefertigter Gedanken. Ein originelle Gedanke wäre tatsächlich mehr wert als jedes Zitat und genau das beschreibt Banksys Werk eigentlich am besten, denn er ist der originelle Gedanke und nicht das Zitat, selbst wenn er selber gerne zitiert.

Neue Blicke auf New York

Als Banksy in New York weilte, ermöglichte er auch vielen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner einen neuen Blick auf „ihre“ Stadt und für viele Journalisten oder Kunstsammler begann eine Schnitzeljagd durch die ganze Stadt, die in vorliegendem Buch dokumentiert ist. Über instagram konnten nämlich einige der Objekte schneller verbreitet werden und so entstand ein wahrer Kunsttourismus. „But more so than street art, graffiti is anti-authoritarian, and it continued to take me places where I would otherwise not go and allowed me to meet incredibly dedicated individuals I would have otherwise never met.“, schreibt Ray Mock über seine Erfahrungen mit Banksy im New York. Ein Objekt stellt einen Biber dar, der gerade eine Verkehrsschildstange umgenagt hat: die Stange liegt auf dem Boden, währen der Biber natürlich nur auf die Wand dahinter gesprayt ist. Ein Lastwagen einer Fleischerei fährt Kuscheltiere durch die Stadt oder hinter einer Baustellenverschalung wartet ein Priester wie im Beichtstuhl auf eine Beichte. Wie sagte schon William Ernest Henley: „I am the master of my fate: I am the captain of my soul“ und für Ray Mock passt diese Zitat zur Grim Reaper Installation Banksys im East Village.

Die Objekte, die von Banksy in New York verbreitet wurden oder ihm zugeschrieben werden, reichen von einem pinkelnden Hund, der einen Hydranten anpinkelt welcher darauf erwidert „You complete me“, bis hin zu einer Lastwagen-Installation eines Paradiesgartens in East Village. Besonders letztere Aktion verdeutlicht für Mock, dass Banksy unmöglich alleine arbeiten könne und es sich also folgerichtig nur um ein Kollektiv handeln könne. Ist also vielleicht Banksy selbst nur ein Akronym einer Mise en Abyme?

RAY MOCK 
Banksy in New York

Published by Carnage New York
Gingko Press
128 pages pages, Hardcover8” x 10”
180 Illustrations, English
ISBN: 978-0-9906437-1-5

$29.95


Genre: Graffiti, Humor und Satire, Kulturgeschichte, Kunst
Illustrated by Gingko Press

Philosophia von Iliazd

Philosophia: aus Liebe zur Hagia Sophia

Philosophia: aus Liebe zur Hagia Sophia

Philosophia oder Philo Sophia: Die Handlung des vorliegenden Romans spielt in Konstantinopel in den Jahren 1920/21 als der Verfasser selbst dort lebte. Vom russischen Bürgerkrieg vertriebene Flüchtlinge überschwemmten die Stadt und es wurde sogar ein weiteres Vordringen der Roten Armee befürchtet. Aber auch Vertreter Aserbaidschans, Georgiens und die armenische Regierung tagten in jenen Tagen in Konstaninopel, ganz zu schweigen von den Griechen. Iliazd ist im Roman nicht nur der außenstehende, allwissende Erzähler, der mehr weiß als die Person Iliazd selbst, sondern auch der Protagonist Iliazd, der in die Wirren dieser Zeit eingebettet wird. Die „Verdoppelung gebrochener Persönlichkeiten“ ist ein Stilmittel der Erzählung, denn auch Alemdar wird plötzlich zu Sinejchina, dem Blauerblauen und man weiß bis zuletzt nicht, ob er ein reaktionärer Würdenträger des Istanbuler Islams oder ein Agent des Leninismus ist, wie auch Régis Gayraud im Nachwort schreibt. Den jahrhundertalten Traum, Großrussland wieder aufleben zu lassen, gab es übrigens tatsächlich, die Stadt sollte sogar in „Zargrad“ umbenannt werden, sobald der neue Kaiser wieder das Kreuz auf der Hagia Sophia errichtet und das christliche Byzanz wieder aufgebaut hätte.

Konstantinopel 1921: Kak s rusju oder kak srusju?

Tatsächlich hatte nämlich nicht nur England als Schutzmacht Interesse an Konstantinopel, sondern auch die Sowjetunion und in der Person Suwarows des Romans auch die USA: „Das Bild von Suwarow entsprach so genau den orthodoxen, einstudierten Formeln über die Persönlichkeit von am Krieg verdiendenen und deshalb in den Krieg treibenden Geschäftsleuten, dass man sich keine Gedanken über einen etwaigen Denkfehler machen musste.“ Aber Suwarow war Iliazd von Anfang an suspekt, weil er ihn mit Almosen kaufen wollte. Dabei wollte er ihn sich nur für seine schmutzigen Pläne nützlich und gefügsam machen. Doch Iliazd durchschaut bald, dass das angezettelte Komplott zur Eroberung der Hagia Sophia allein dazu dient, die russischen Flüchtlinge noch mehr in ihr unverschuldetes Elend zu stoßen. Auch wenn Iliazd seine Heimat eigentlich genauso hasst wie die Weisheit, will er doch helfen und man darf gespannt sein, was dem spitzfindigen Philosophen einfällt, um die Verschwörung der Kriegstreiber zu verhindern. „Philosophia“ ist nämlich nicht nur ein Roman, der die Philosophie und das damit verbundene Philosophieren liebt, sondern drückt auch seine Liebe zur Sophia aus, also zur Hagia Sophie, der größten christlichen Kirche nach dem Petersdom in Rom. Iliazd bedient sich dabei einer oft deftigen Sprache, etwa wenn er den Zuammenhang zwischen Onanie und Orthodoxie oder semantische Unterschiede zwischen geschriebenem und gesprochenem Russisch zum Besten gibt.

Iliazd, der futuristische Georgier bei Chanel

Ilja Sdanetwisch alias Iliazd alias Eli Eganbjuri lebte zwischen Oktober 1920 und November 1921 in Konstantinopel. In seiner Geburtsstadt Tbilisi/Georgien hatte er 1917 die Gruppe „41°“ gegründet, die sich lose mit den Dadaisten in Zürich oder den Futuristen vergleichen lässt. Sein Bruder Kirill war kubistisch-futuristischer Maler, der in Paris auch mit Picasso verkehrte, was auch für Iliazd Bedeutung hatte. Iliazd organisert ausschweifende Bälle inm Bohème-Viertel Montparnasse und entwirft Stoffdesigns für Chanel, die nicht unähnlich dem Grundriss der Hagia Sophia sind, denn diese hatte er selbst bei seinem Aufenthalt in Konstatninopel öfter gezeichnet. Gemeinsam mit Picasso gestaltete er aber auch bibliophile Bände, die von Matisse, Chagall, Max Ernst, Giacometti oder Miro gestaltet wurden. Von den 341 Seiten des Manuskripts fehlen etwa zwanzig Seiten aus dem Mittelteil und auch das 15. Kapitel, das aber auch einfach auf eine falsche Durchnummerierung durch den Autor selbst zurückzuführen sein könnte. Der Roman wurde nämlich auf die Rückseiten der großen grauen Kartons mit Schnittmustern für Chanelkleider geschrieben.

Iliazd aka Ilja Sdanetwisch
Philosophia
Aus dem Russischen von Regine Kühn
Mit einem Nachwort von Régis Gayraud und Anmerkungen von Sergej Kudracev, Régis Gayraud und Regine Kühn
Matthes & Seitz Berlin
ISBN: 978-3-95757-475-6


Genre: Historischer Roman, Humor und Satire
Illustrated by Matthes & Seitz

Berlin. Eine literarische Einladung

Berlin: Eine literarische Einladung

Berlin: Eine literarische Einladung

Ich gestehe zu, dass Libyen ausgenommen, wenige Staaten sich rühmen können, es uns an Sand gleich zu thun“, meinte Friedrich der Große 1776 über seine Hauptstadt.Das vorliegende Format, „die literarische Einladung“, ist aus Praktikabilitätsgründen für die reisenden BenutzerInnen stets auf 144 Seiten beschränkt, was sicherlich schwer fällt eingehalten zu werden, da es so viele spannende Geschichten um die jeweiligen Städte gibt. Inzwischen sind schon 23 solche literarischen Einladungen in die schönsten Städte Europas und auch der Welt ergangen und diesen Sommer ist auch endlich die deutsche Hauptstadt dran: der Zeitraum aus dem die Texte zu Berlin stammen umfasst 60 Jahre, also von der Teilung bis zur Wiedervereinigung. Die AutorInnen aus Ost-, West- und ganz Berlin haben teilweise sogar noch unveröffentlichte Texte beigesteuert, darunter welche von Fatma Aydemir, Jurek Becker, Wolf Biermann, Volker Braun, Jan Peter Bremer, Tanja Dückers, Günter Grass, dem GRIPS-Theater, Annett Gröschner, Durs Grünbein, Katharina Hacker, Christoph Hein, Monika Maron, Thomas Melle, Heiner Müller, Katja Petrowskaja, Tilman Rammstedt, Ingo Schulze, Anke Stelling, Ton Steine Scherben, David Wagner, Christa Wolf und anderen. Die Herausgeberin Susanne Schüssler ist seit 1991 beim Wagenbach Verlag und hat auch selbst schon Bücher im Verlag ihres Mannes publiziert.

Metropolis und Jericho

Für Brigitte Reimann ist Berlin eine „ziemlich unappetitliche Sorte Babel“, aber die Linden düften dort süß. „Metropolis. Metropole der Macht“ nennt Christa Wolf Berlin in ihrer „Hadesfahrt“, für Durs Grünbein ist Berlin „der ganz große Bluff, ein täglich gebrochenes Versprechen“, Metropolis und Jericho. Er sieht Berlin als „Paradies für Hochstapler und Händler der heißen Luft“, ist vielleicht deswegen dort alles so „dufte“? Schließlich ist sogar die gute Berliner Luft sprichwörtlich, weht dort doch immer ein leichter Wind. Tanja Dückers moniert die Leerstellen der Stadt und singt ein Loblied auf die „Brachen“, die heute – in der gesamtdeutschen Hauptstadt – leider zusehends verschwinden. Günter Grass berichtet von den Mauerspechten, Katja Petrowskaja macht sich Gedanken darüber, warum in Berlin ankommende Reisende mit „Bombardier Willkommen in Berlin“ begrüßt werden und für wen die „Bomben“ denn wohl bestimmt wären. Günter Kunert definiert ein- und für allemal, worum genau es sich bei einem „Berliner Zimmer“ handelt und Ingeborg Bachmann hat sogar 1965 schon darüber geschrieben. Auch zwei Lieder über die Mauerstadt werden zitiert, das eine aus 1972 von den berühmten Ton Steine Scherben, das andere aus den Achtzigern von Ideal, „Rauch-Haus-Song“ und „Berlin“ fangen zwei wundervolle Stimmungsbilder der Stadt ein und sind so typisch für Berlin wie die Stulle oder der Türkenmarkt am Maybachufer. Aufhorchen lässt ein Beitrag von Adolf Endler, der schon 1981 (!) über die Zugerasten in Prenzlberch (sic) schimpft, dass es „een ja kalt den Rücken runterlooft“. Einen köstlichen WG-Dialog führt Anke Stelling in „Gemeinschaftsfläche“ und auch Peter Schneiders „Mauerspringer“ ist zum Brüllen komisch, wenn es nicht tatsächlich genau so passiert wäre.

Exkursionen in das alte und neue Berlin

In Acht nehmen sollte man sich in Berlin übrigens von den Kellnerinnen, meint Jakob Hein, denn die ständen den Kellnern von Wien in ihrem schlechten Ruf in nichts nach. Am eindringlichsten ist aber die Geschichte von Ingo Schulze, dessen Protagonist eine „Exkursion nach Berlin West“ macht und schon hinter dem Brandenburger Tor Heimweh bekommt. Mit beissendem Spott und gleichzeitig voller Ernsthaftigkeit schildert er darin die Vorzüge des kommunistischen Systems und erinnert daran, was wir seither alles verloren haben. Und damit meine ich jetzt nicht den Sand. „und wenn man wieder hinaussteigt“, schreibt Tilman Rammstadt über das Ausflugsziel Flughafensee Tegel, „wartet am kleine Strand eine stattliche Wildsau und schaut einen teilnahmslos an.“

Susanne Schüssler (Hrsg.), Linus Guggenberger (Hrsg.)
Berlin. Eine literarische Einladung
SALTO. 2017
144 Seiten. 11 x 21 cm. Rotes Leinen. Fadengeheftet. Gebunden mit Schildchen und Prägung
ISBN 978-3-8031-1328-3
Wagenbach Verlag
17,– €


Genre: Erinnerungen, Kulturgeschichte, Kurzprosa, Reiseführer
Illustrated by Wagenbach

Glanz und Elend in der Weimarer Republik

Die Weimarer Republik im Bild

Die Weimarer Republik im Bild

Weimarer Republik: „Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit. Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt, als die Zeit in der man lebt“ schrieb Egon Erwin Kisch, der „rasende Reporter“ einst über seine Zeit (ca. 1925). Die Weimarer Republik (1918-33) war die erste deutsche Demokratie und sollte der Beginn eines goldenen Zeitalters für Deutschland und die Welt markieren. Doch was durch Krieg und Revolution aus der Taufe gehoben wurde, führte erneut wieder zu einem noch schrecklicheren Krieg. Dennoch sind die Errungenschaften der Weimarer Republik nicht hoch genug einzuschätzen und ihr kultureller Reichtum ist scheinbar unerschöpflich, denn nicht nur die Utopien des Bauhauses, der Expressionismus oder kühler Realismus und Naturalismus, Dadaismus und magischer Realismus gehören zu dieser Epoche deutscher Geschichte, sondern auch die „Neue Sachlichkeit“. Die Ausstellung zur vorliegenden Publikation konzentrierte sich auf Themen wie politische und soziale Spannungen und das „Unbehagen der Epoche“.

Weimarer Republik: Grundlegung der Moderne

Rudolf Schlichter, George Grosz, Karl Völker oder Otto Dix sind untrennbar mit der Weimarer Republik verbunden, letzterer malte etwa schon 1923 ein Aquarell mit dem Titel „Zuhälter und Prostituierte“, das Sebastian Haffners Ausspruch von Hitlers Zuhälterfrisur in Erinnerung ruft. Bald sollte der Münchner Hofbräuputsch von 1923 desselben „Zuhälters“ aber auch in Berlin stattfinden, dieses Mal mit Zustimmung der Mehrheit der WählerInnen. Während Fabriken immer näher an den Lebensraum von Menschen heranrückten und die Natur „untertan“ gemacht wurde enstand eine „Moderne“, die einerseits industrielle Verelendung, andererseits aber eben auch den Fortschritt mit sich brachte, von dem sich vorerst nur wenige, dann aber immer mehr laben konnten: „In der Sozialpolitik, der Technik, den Natur- und Humanwissenschaften sowie in der Kunst, der Architektur und dem Design. (…) „Weimar spielte uns in kurzer Zeit und in rasantem Tempo die faszinierenden und fatalen unserer modernen Welt vor““, zitiert die Herausgeberin, Ingrid Pfeiffer, den Historiker Detlev Peukert.

Glanz und Elend: Kultur des „Spektakels“

“Im Rausch des Irrens“ heißt ein 1923 entstandenes Werk von Karl Hubbuch, als „letzten Ausweg“ zeigt Oskar Nerlinger in einem Gemälde von 1930/31 einen Erhängten aus einer besonders ver-rückten Perspektive. Zwischen diesen beiden Jahreszahlen und abgebildeten Inhalten liegt auch das Janusgesicht der Weimarer Epoche, denn was so verheißungsvoll begann, endete in einer Katastrophe. Weitere in vorliegendem Band auf einer ganzen Seite abgedruckte beeindruckende Gemälde und Zeichnungen stammen etwa von Dodo, Jeanne Mammen, Kate Diehn-Bitt, Richard Ziegler oder Rudolf Bergander. Der Soziologe Siegfried Kracauer zog eine poinitierte Affinität zwischen der einheitlichen Bewergung der oft in dieser Zeit porträtierten Revuemädchen und der industriellen Fließbandarbeit: militärische Präzision im Gleichtakt, „Linientanz“ zu amerikanischer Jazzmusik. Hanna Nagel’s Bild „Selbstmordkandidaten“ ist bitterböse Ironie, die es auf den Punkt bringt: auf einem Transparent des Bildes steht: „Samstag Mittag ist der Funkturm für Selbstmordkandidaten freigegeben“, darunter steht einer und sargt die frisch Gesprungenen gleich ein. Das Maschinenzeitalter hat eben alles praktisch konfektioniert, selbst den Tod, der sauber und leise und industriell vom Fließband von sich geht. „Publikum wird gebeten, Hurrarufe zu unterlassen“.

Der vorliegende Prachtband des Hirmerverlages beinhaltet neben den angesprochenen Essays auch ca 200 Abbildungen in meist 24 x 29 cm Format.

Ingrid Pfeiffer (Hg.)

Glanz und Elend in der Weimarer Republik
Beiträge von K. Hille, A. Lütgens, S. Moeller, O. Peters, I. Pfeiffer, D. Price, M. Weinland
300 Seiten, 200 Abbildungen, 24 x 29 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-2932-8
Ausstellung in Frankfurt | Schirn Kunsthalle 27.10.2017 – 25.02.2018
Hirmer Verlag
49,90 € [D] | 51,30 € [A] | 60,90 SFR [CH]


Genre: Dokumentation, Erfahrungen, Erinnerungen, Humor und Satire, Sachbuch
Illustrated by Hirmer

Brünn. 7 Routen durch die Hauptstadt Mährens

Brünn: Die mährische Metropole

Brünn: Die mährische Metropole

Brünn: Die zweitgrößte Stadt der Tschechischen Republik ist nur eineinhalb Stunden von Wien entfernt und kann deswegen auch als Tagesausflug besucht werden. Ein Besuch der mährischen Metropole wird sich in jedem Fall lohnen, denn Brünn hat nicht nur eine historische Altstadt und eine Burg zu bieten, sondern auch die Villen der 1920er und 19 30er Jahre und ein – laut der Autorin – bemerkenswertes Messegelände. Als „Zentrum der zeitgenössischen Architektur“ wird Brünn, die schöne Nachbarin, in diesem Falter City Walks den LeserInnen in sieben Spaziergängerrouten zugänglich gemacht. Natürlich gibt es auch Tipps für Nachtschwärmer, denn Brünn ist eine lebendige, junge Stadt mit rund 40.000 StudentInnen.

Brünn: kulturelles Angebot

Auf den Spuren von Robert Musil, Gregor Mendel, Leoŝ Janáĉek, Adolf Loos u.v.a.m. zeigt uns Irene Hanappi ihr Brünn. Barock und Gotik, anspruchsvolle moderne Architektur, schummrige Bierkeller, schöne Badeanstalten, viele Parks und Grünflächen, ein Zoo, ein botanischer Garten und neue Museen wie etwa eines zur Kultur und Lebensweise der Roma sind in Brünn zu finden. Innerhalb eines Rings – ähnlich wie in Wien – befindet sich die historische Altstadt, die sehr von der gemeinsamen Vergangenheit in der kakanischen Monarchie geprägt ist. Auch der Schöpfer des Ausdrucks, „Kakanien“ für die österreichisch-ungarische Monarchie, lebte zwischen 1897 und 1900 als Student in Brünn. Auf einem Durchmesser von 12 Kilometern finden 380.000 EinwohnerInnen Platz. Zehn Prozent davon sind StudentInnen und wer weiß, viellicht ist auch wieder ein Musil dabei. Sechs Hochschulen und eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte Tschechiens sorgen für ein ausgehfreudiges Publikum, das die vielen Kneipen und Bierkeller, Theater und Musikkeller abends füllt.

City Tipps von Insiderin

Die Zeittafel in vorliegender Publikation weist auf eine Geschichte hin, die bis ins Jahr 870 zurückreicht. Lokale Stadtpläne, auf denen die einzelnen Routen eingezeichnet sind, sorgen für eine gute Orientierung, da auch die Sehenswürdigkeiten, die auf der Route beschrieben werden, im Plan mit einem Sternchen eingezeichnet sind. Überrascht wird man etwa durch das Air Café unter dem Dach des Naturkundemuseums, dem Palais Dietrichstein, das für Nachtschwärmer fixer Bestandteil eines Ausgehabends ist. Das Café ist eine Hommage an die tschechischen Piloten, die bei der Royal Air Force ihren Dienst versahen. Originelles Fliegerdekor, Rum und englische Möbel sorgen für gediegene Atmosphäre für ein durchgehend junges Publikum. Auch ein Gastgarten wird auf der ersten Tour durch Brünn entdeckt: L’Eau vive ist ein wirkliches Idyall an der ehemaligen Stadtmauer. Auf Tour 2 geht es zur hippen Szene und der Historismus wird beleuchtet, Tour 3 zeigt die Gartenstadt Brünn, auf der auch die Villa Tugendhat besucht wird, in Tour 4 geht es um Musil und Mohnparfait und Tour 5 zeigt die Villen der weißen Moderne. Tour 6 besucht das Messegelände, das vom Prager Architekten Josef Kalous 1926 entworfen und 1928 schon fertiggestellt worden war, und Tour 7 führt durch die Freuden der Nacht: Best of Brno-Nightlife. Im gelben Anhang finden sich weitere wertvolle Informationen und praktische Tipps sowie ein Register. Mit Planskizzen, vielen Farbfotos, Tipps und Adressen fürs Einkaufen und Einkehren.

Die Autorin, die Slawistik und Romanistik studierte, arbeitet als Journalistin und Redakteurin sowie Buchautorin in Wien. Obwohl sie für namhafte Zeitungen auch schon in der ehemaligen Sowjetunion unterwegs war, hat sie sich in ihrer Publikationstätigkeit in den letzten Jahren mehr auf die Region Mittel- und Osteuropa konzentriert. In der Reihe Falter City Walks sind von ihr auch die Reiseführer „Bratislava“, „Linz“ und „Prag“ erschienen.

Irene Hanappi
Brünn. 7 Routen durch die Hauptstadt Mährens. Geschichte, Kultur, Sightseeing, Essen und Trinken
EAN: 9783854396031
2017, Falter Verlag, 136 Seiten
Reihe: City-Walks


Genre: Reiseführer, Reportagen
Illustrated by Falter

Rodins Aquarelle. Diese vollkommenen Wunderwerke

Rodin's Aquarelle. Diese vollkommenen Wunderwerke.

Rodin’s Aquarelle. Diese vollkommenen Wunderwerke.

„Fleurs humaines“ nennt Rilke die Zeichnungen Rodins in “Rodins Aquarelle. `Diese vollkommenen Wunderwerke´.” und fürwahr haben seine Aquarelle die in vorliegender Publikation des Insel Verlage sin Farbe abgedruckt sind etwas „Florales“, denn wie etwa seine kambodschanischen Tänzerinnen ihre Hände in die Höhe recken oder ihre Beine über die Erde schweben lassen erinnert tatsächlich an „menschliche Blumen“. Die Studien zu den kambodschanischen Tänzerinnenstammen aus dem Jahre 1906 und zeigen fröhliche Frauen bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Tanzen. Aber auch andere Aquarelle Rodins werden von Rilke kommentiert. So sieht er etwa in einer Zeichnung zu einem Gedicht von Charles Baudelaire aus den „Fleurs du Mal“ mit dem Titel „La Mort des Pauvres“ eine „hinreißende Schönheit“: „Die Federzeichnung, die neben das Gedicht gestellt ist, reicht mit einer Gebärde von so einfacher, fortwährend wachsender Großheit über diese großen Verse hinaus, daß man meint, sie erfülle die Welt von Aufgang nach Untergang“.

Freizügig, sinnlich, erotisch

„Oui, il faut travailler, rien que travailler“ war das Arbeitscredo des in Paris lebenden Bildhauers Auguste Rodin, den Rilke 1902 erstmals in seinem Atelier in der Rue d’Université besuchte. Im September 1905 begann Rilke als Privatsekretär des Künstlers Rodin zu arbeiten und kann seine intimen Beobachtungen über den Schaffensprozess so noch weiter vertiefen. Man könne sie vergleichen mit alten Bildern der Japaner oder mit jenen farbigen einfachen Fresken, die uns von Ägypten übrig geblieben sind, schreibt Paula Modersohn-Becker an ihren Mann, sie war es auch, die Rilke im März 1903 die Augen für das Werk Rodins geöffnet hatte. Beide zusammen hatten erkannt, schreibt Rainer Stamm im Nachwort, dass es sich bei den „freizügigen, sinnlich-erotischen, aquarellierten Zeichnungen Rodins nicht um Vorzeichnungen zu seinen Skulpturen handelte, sondern um einen eigenständigen Werkkorpus, der parallel zu den plastischen Arbeiten des Bildhauers entstanden und in seiner Unmittelbarkeit und zeichnerischen Freiheit in der europäischen Kunst ihrer Zeit vorbildlos war.“

Menschliche Blumenpracht

In einem anderen Kommentar vergleicht er die Zeichnungen der Tänzerinnen mit Herbarium-Blättern: „blumen sind da aufbewahrt worden und haben, bei vorsichtigem Vertrocknen, ihre unwillkürliche Gebärde zu einer endgültigen Intensität zusammengezogen, die ihr ganzes Gemeinsein wie in einem Zeichen enthält.“ Frauenakte werden in der vorliegenden Publikation ebenso abgebildet wie das Herbarium der kambodschanischen Tänzerinnen. Ein Nachwort von Rainer Stamm sowie Anmerkungen und ein Abbildungsverzeichnis ergänzen diese kostbare Veröffentlichung der „vollkommenen Wunderwerke“ Rodins.

Rainer Maria Rilke
„Diese vollkommenen Wunderwerke“
Rodins Aquarelle.
Insel Bücherei Nr. 1440
ISBN: 978-3-458-194408
15,00€


Genre: Briefe, Erfahrungen, Erinnerungen, Memoiren
Illustrated by Insel Frankfurt am Main

Maya. Das Rätsel der Königsstädte

Rätsel der Königsstädte

Rätsel der Königsstädte

Nach Ausstellungen zum persischen Weltreich, den Samurai und Ägyptens Schätzen hat das Historische Museum der Pfalz Speyer wieder ein internationales Thema für seine heiligen Hallen auserkoren, das sich mit der Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt und Natur auseinandersetzt. In Zusammenarbeit und mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz und dem Ministro de Cultura y Deportes Guatemala konnten wertvolle Leihgaben finanziert werden. Die Ausstellung sowie die vorliegende Publikation beschäftigen sich mit den Maya, die bis ins 9. Jahrhundert im Regenwald Zentralamerikas eine städtische Zivilisation bewohnten, die ihresgleichen sucht. Für rund 2000 Jahre bestand eine Maya-Kultur, die auf bis heute ungeklärte Ursachen danach plötzlich wieder verschwand, da die Maya ihre Städte verließen. Vermutet werden ununterbrochene kriegerische Auseinandersetzungen, eine Klimaveränderung mit extremen Trockenperioden und natürlich die Invasion der Spanier. Aber dennoch konnten sich viele Maya-Gemeinschaften noch lange erhalten, wie auch der vorliegende Band eindrücklich nachweist.

Hochkultur im 5-Länder-Eck

Die Kultur der Maya ist wohl auch deswegen erst so spät in das Bewusstsein des Abendlandes vorgedrungen, weil die Maya im tiefsten Herzen des Regenwaldes lebten und anders als die Kultur der Azteken in Zentralmexiko oder der Inka in den Andenländern Südamerikas dadurch schwerer zu erreichen waren. „Die Grüne Hölle“ – der Regenwald – war für die Maya ein Paradies der Artenvielfalt, das sich über Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador erstreckte. Ab etwa 1000 v. Chr. wurden die Menschen dort sesshaft und es entstanden die ersten Kulturbauten unter der Fußböden die Verwandten bestattet wurden. In der Präklassik entwickelten die Maya dann auch einen Kalender und eine Hieroglyphenschrift. Bauwerke hatten damals die Höhe von 20 Metern erreicht, später erreichte etwa die Danta-Pyramide von El Mirador sogar 72 Meter. Sie steht auf einem Sockel von 500 mal 350 Meter.

K’uh: Gesamtheit alles Heiligen

Eine Chronologie verschafft einen guten Überblick über die gesamte Geschichte der Mayas. Im ersten Kapitel werden dann die Städte im Regenwald näher unter die Lupe genommen sowie kulturelle Artefakte abgebildet und beschrieben. Die digitale Rekonstruktion der Maya-Welt extra für die Ausstellung wird aufschlussreich erklärt sowie durch Karten und Fotos ergänzt. Die Maya hatten zum Beispiel auch schon ein ausgeklügeltes System der Wasserversorgung durch Kanäle und Reservoirs – z.B. in Yucatan gibt es keinen Fluss – und auch ihre Gesellschaftsstruktur war komplex. Mit Hilfe von durch Ausgrabungen gefundenen Figurinen (Figuren aus Keramik), die teilweise schon 2000 Jahre alt sind, können die Archäologen und anderen Wissenschaftler die Kultur der Maya erklären. Viele dieser Figurinen (ca. 225) werden in vorliegendem reich bebilderten Prachtband des Hirmerverlages auch gezeigt und ausführlich beschrieben, quasi inventarisiert, sodass ein verblüffend authentischer Eindruck von der damaligen kulturellen Größe entsteht. Besonders beeindruckend ist etwa auch ein Jadefischchen aus dem Tiefland Guatemalas oder der Gott L., Chef der Unterwelt, der schon Zigarre (!) raucht. Es gab aber auch einen Mais- und Kakaogott und K’uh, die Gesamtheit alles Heiligen und aller Götter. Faszinierend sind auch die astronomischen Berechnungen der Maya, die zum Beispiel auch schon den Planeten Saturn miteinschlossen.

Nikolai Grube (Hg.) Historisches Museum der Pfalz Speyer
Maya. Das Rätsel der Königsstädte
Hirmer Verlag
320 Seiten, Format 24,6 x 3,3 x 28,4 cm
ISBN-13: 978-3777426037

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Genre: Dokumentation, Kulturgeschichte, Reportagen, Volkskunde und Brauchtum
Illustrated by Hirmer