Shiba – ein Hund zum Verlieben

Cover-Bild Shiba - Ein Hund zum Verlieben“Ein Hund muss her! Denn ganz allein mag die ‘die alte Hexe’ Hinako auch nicht weiter sein. Ein süßer Shiba Inu soll es werden. Und die resolute Dame wird fündig in der Tierhandlung: Ihre Wahl fällt auf den niedlichen Taro. Doch den kleinen Welpen gibt es nicht ohne Shibako. Diese – äußerlich nicht ganz perfekt geratene – Hündin muss als ‘Ladenhüterin’ endlich an den Menschen gebracht werden. Zunächst widerwillig nimmt Hinako sich des Tieres an – und merkt schnell, welch treue Freundin ihr die Shiba-Hündin in allen Lebenslagen sein wird.” (Inhaltsangabe der Rückseite des Mangas)

 

 

 

Der Einzelband bietet in sich abgeschlossene Episoden, die vordergründig luftig-leicht, optimistisch und warmherzig sind. Hintergründig behandelt der Manga aber durchaus auch tiefsinnigere Themen. Da wäre zum einen die von allen als hässlich empfundene Hündin Shibako, die traurig über die ständig abwertenden Kommentare der anderen ist. Sie sieht sich selbst daraufhin auch nicht als hübsch an, hat sich aber gezwungenermaßen an die Kommentare gewöhnt und versucht so gut es geht, damit zurecht zu kommen. Ihr liebenswertes Wesen hat sie trotz allem aber nicht verloren und auch nicht ihr Bedürfnis, für andere da zu sein. Das erinnert sehr an abwertende Kommentare, die sich vordergründig hässliche Menschen, v.a. Frauen, anhören müssen, wenn sie nur über ihr Äußeres definiert werden, das ihnen vom jeweiligen Zeitgeist aufdiktiert wird. Die Schäden, die solche  Schönheitsbilder v.a. bei Mädchen und Frauen anrichten können, sind bekannt. Da hilft wirklich nur noch die Abgrenzung von Äußerlichkeiten, die frau entweder durch Kampfgeist, durch Selbstbewusstsein, Charme oder, wie in Shibakos Fall, durch ein liebenswertes Wesen erreichen kann, sodass das Äußere – ebenfalls wie bei Shibako – irgendwann in den Hingergrund tritt.

Nicht so akzeptiert zu werden, wie man ist, ist auch ein Hauptthema der (vordergründig) nervtötenden Nachbarin Matsuko. Ihre Kinderlosigkeit wurde ihr von ihrem Mann und ihren Schwiegereltern zum Vorwurf gemacht und sie wurde als “unnütz” bezeichnet. Das ist auch eine negative Auswirkung des Patriarchats, das die Frau seit Jahrtausenden auf die Mutterrolle reduziert, anstatt sie in ihrer Vielfalt wahrzunehmen. Als Folge wird  erst gar nicht nachgeforscht, wer tatsächlich unfruchtbar ist, sondern automatisch der Frau die Schuld für die Kinderlosigkeit gegeben. Es folgt eine weitere Konsequenz, für die sich die erniedrigte Frau aufgrund ihres angezüchteten mangelnden Selbstbewusstseins die Schuld gibt: Sie ist froh, als ihre Peiniger (in dem Fall die Familie, die doch eigentlich ein Hort der Geborgenheit sein sollte) endlich tot sind. Ein Tabu-Thema, denn die Gesellschaft gibt vor, dass man gut von den Toten zu reden hat. Shibako aber versteht Matsuko, weil sie empathisch ist und unvoreingenommen hinter die Fassade blicken kann.

Mit offenen Augen durch die Welt gehen und hinter die Fassaden blicken sie und Taro bei einem weiteren Thema, das nicht so ohne Weiteres in der Öffentlichkeit akzeptiert wird: Sie können hinter die Kulissen der mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Welt schauen. Das heißt in diesem Fall,  Geister zu sehen. Damit greift das Auorinnengespann zweierlei auf. Zum einen klingt leise Kritik an den naturwissenschaftlichen Therorien an, die (egal, wie gut sie sind) im besten Fall wie bei der Fabel der Blinden und dem Elefanten immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit abbilden können. Zum anderen greift es damit das Phänomen auf, dass Tiere offensichtlich etwas wahrnehmen, was den meisten menschlichen Sinnen verborgen bleibt. Ich habe mich beim Lesen sehr an das Buch von Mary Ann Winkowski “Mit Geistern reden” erinnert gefühlt, das auch auf Tiergeister eingeht. Die von den Wissenschaftlern oft lächerlich gemachte Esoterik und das Paranormale (wobei man sich insgesamt fragen könnte, was eigentlich “normal” ist – darüber gibt es durch alle Zeiten, Regionen und Kulturen hinweg unterschiedliche Meinungen) wird hier als ganz selbstverständlich genommen. Kinder und Tiere urteilen nicht, sie nehmen alles, was sie wahrnehmen, als selbstverständlich an. Und nebenbei gilt in dieser Geschichte als selbstverständlich, dass alles, was lebt, eine Seele hat – nicht nur der Mensch.

Ein weiteres Thema, das angeschnitten und als nicht selbstverständlich betrachtet wird, ist die Liebe im Alter. Alte Menschen sehnen sich genauso nach Zuneigung und einer liebevollen Beziehung wie junge Menschen. Das und die Vorurteile, die sogar in den Beteiligten selbst wirken, skizziert der Manga liebevoll-empathisch und im Fall von Shibako vorurteilsfrei. Kurz erwähnt wird auch die Liebe mit (großem) Altersunterschied. Besonders skandalös ist hierbei die Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann. Man fühlt sich in den letzten Panels dieser Episode ein wenig an “Harold and Maude” erinnert, wo dieses Vorurteil der skandalösen Liebe genüsslich zerpflückt wird.

Hinako selbst ist auch ein Fall des “Hinter-die-Kulissen-schauen”. Denn die Hunde merken, dass sie trotz aller Schroffheit eigentlich eine warmherzige Person ist, deren wahre Qualitäten ihr verstorbener Mann trotz ihres wenig schönen Äußeren erkannt hat. In dem Fall ist es die Umkehrung der Geschlechter der bekannten Geschichte “Die Schöne und das Biest”: Der Mann ist der Gutaussehende, der die verborgenen Qualitäten des unschönen Biests, oder in diesem Fall “der alten Hexe”, erkennen kann. Aber selbst Hinako, die diese Erfahrung gemacht hat, lässt sich zunächst durch das vordergründig hässliche Äußere von Shibako täuschen. Da sieht man, die tief Vorurteile sitzen.

Der humorvolle, warmherzige Manga vermittelt mit recht realitätsnahem Optimismus das Thema “Schein versus Sein: Nicht alles ist so, wie es scheint” und beleuchtet es aus vielen verschiedenen Perspektiven heraus. Äußeres wie Inneres muss nicht so sein wie es auf den ersten Blick scheint. Ein zweiter Blick hinter die Kulissen lohnt sich allemal – das ist das Fazit des Mangas.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Lenz

Ein Klassiker par excellence

Mit «Lenz» hat Georg Büchner eine Novelle geschrieben, die erstmals 1839 unter dem Titel «Lenz. Eine Reliquie von Georg Büchner» erschienen ist. Sie blieb zunächst weitgehend unbeachtet. Ursache dafür war ein dem damaligen Lesepublikum schwer zu vermittelnder Paradigmenwechsel in der deutschen Literatur, den insbesondere auch dieses Werk mit eingeläutet hat: Weg von einem ästhetisierenden Idealismus, hin zum realitätsbezogenen Naturalismus! Erst gegen Ende des Jahrhunderts fand «Lenz» dann die Aufmerksamkeit eines breiteren Lesepublikums und löste euphorische Kommentare aus. Arnold Zweig sprach von einem Meisterwerk, «mit dem die moderne europäische Prosa» begonnen habe, Elias Canetti nannte es das «wunderbarste Stück deutscher Prosa».

Mit dem Zusatz ‹Reliquie› hat der erste Herausgeber dieser posthum veröffentlichten Novelle auf deren Huldigungscharakter hingewiesen. Historische Grundlage ist das tragische Schicksal des Dichters Jakob Reinhold Michael Lenz aus Livland, der als prominentes Mitglied einer dem ‹Sturm und Drang› zugehörigen, in Straßburg versammelten Autorengruppe gilt, zu der auch Goethe gehörte. Beide waren befreundet, und beide hatten auch ein Auge auf Friederike Brion geworfen, die durch Goethes ‹Sesenheimer Lieder› ja nahezu unsterblich wurde. Als wichtigste historische Quelle nutzt Georg Büchner einen Bericht des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin, der den Besuch des Dichters im elsässischen Steintal dokumentiert hat. Er übernimmt dessen chronologischen Ablauf vom 20. Januar bis zum 8. Februar 1778 unverändert in seine Novelle.

«Den 20. ging Lenz durch’s Gebirg.» lautet der erste Satz, – mit ‹Gebirg› ist hier der Elsass gemeint. Er findet freundliche Aufnahme im Haus des Pfarrers Oberlin in Waldbach, der damit einer Bitte von Johann Caspar Lavater folgt. Der mit ihm befreundete, berühmte Schweizer Schriftsteller, Philosoph und Pfarrer erhofft sich von dem Besuch in ländlicher Idylle eine Besserung der psychischen Erkrankung des ihm bekannten, jungen Dichtertalents. Einfühlsam geht Oberlin mit theologischer Argumentation auf die geisterhaften nächtlichen Erscheinungen ein, von denen sein verwirrter Gast ihm berichtet. Mit dem Besuch des ehemaligen Dichterkollegen Christoph Kaufmann aus der gemeinsamen Straßburger Zeit wird Lenz ungewollt an die alten Zeiten erinnert. Bei Tisch kommt es schließlich zu einem Diskurs der Beiden über Kunst, wobei Lenz seinem literarisch die idealistische Periode verkörpernden Widerpart vorwirft, wie viele andere auch die Wirklichkeit verklären zu wollen. Als künstlerische Belege nennt er den Apoll von Belvedere oder die Madonnenbilder von Raffael. «Die holländischen Maler sind mir lieber als die italienischen», ergänzt er sein Beispiel. Er sieht den Dichter als eine Art zweitrangigen Schöpfer nach Gott, dessen künstlerisches Ziel es sein müsse, «ihm ein wenig nachzuschaffen». Diese Novelle ist zutiefst religiös motiviert, bei dem pietistisch geprägten Oberlin hofft Lenz seine innere Ruhe wiederzufinden. Die zeitweise geistige Umnachtung des Poeten verschlimmert sich aber trotz aller Bemühungen von Oberlin. Der versucht geduldig, beruhigend auf ihn einzuwirken, nimmt ihn zu seinen seelsorgerischen Besuchen mit, er erlaubt ihm sogar, selbst die nächste Predigt zu halten. Lenz jedoch zerbricht an den Dämonen, die von ihm Besitz ergriffen haben, die ihn sogar glauben lassen, er könne ein totes Kind wieder zum Leben erwecken, woran er natürlich kläglich scheitert.

Es ist erstaunlich, wie intensiv Büchners Sprachgewalt auch den heutigen Leser in Bann zu ziehen vermag, wie er derart komprimiert, auf einigen wenigen Buchseiten, den Zweifel am menschlichen Dasein so überaus eindrucksvoll schildern kann. Die Benennung des allseits angesehenen und höchstdotierten deutschen Literaturpreises als Georg-Büchner-Preis unterstreicht ziemlich deutlich seinen überragenden literarischen Rang, und sein «Lenz» ist unumstritten ein Klassiker par excellence!

Fazit: erstklassig

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Genre: Novelle
Illustrated by Suhrkamp Frankfurt am Main

Die Elenden

Sozialkritisches Epos

Einer der wichtigsten Romane der französischen Literatur ist «Die Elenden» von Victor Hugo, ein 1862 erschienenes Werk der Romantik, das inzwischen ein Klassiker der Weltliteratur wurde, es gibt nicht weniger als 48 Verfilmungen und dutzende andere Adaptionen des Stoffes. Vordergründig handelt es sich um einen Abenteuerroman, in dessen Mittelpunkt ein ehemaliger Zuchthäusler steht, der seinen Weg zurück in die Gesellschaft sucht. Vom Anliegen des Autors her aber ist dies ein sozialkritischer Gesellschaftsroman aus der Epoche nach Napoleon bis zum Juni-Aufstand in Paris, also von 1815 bis 1832.

Der ursprünglich nur wegen Mundraub verurteilte Jean Valjean hat, nach seiner Entlassung aus 19 Jahren Haft, als Gast eines selbstlosen Bischofs ein beglückendes Erweckungserlebnis, er wandelt sich zu einem moralisch vorbildlichen Menschen. Wegen seiner Vergangenheit nimmt er eine neue Identität an und wird schließlich mit einer genialen Erfindung zum erfolgreichen Fabrikanten. Seinen neuen Reichtum nutzt er selbstlos als hochgeachteter Wohltäter, hilft den Armen wo er kann, man ernennt ihn sogar zum Bürgermeister. Seine Lebensaufgabe findet er schließlich, als er ein kleines Mädchen aus den Fängen seiner bösartigen Pflegefamilie befreit, zu sich nimmt und aufzieht. In dem sturen Polizeiinspektor Javert findet er jedoch einen hartnäckigen Gegenspieler, der ihn unerbittlich weiter verfolgt und dem er mehrfach nur knapp entkommen kann. Der Roman endet, nach der Heirat von Cosette, mit dem Tod seines zutiefst moralischen Protagonisten.

Victor Hugo baut neben seiner zentralen Figur eine Fülle weiterer Charaktere auf, die in vielen Abstufungen vom bewundernswerten Gutmenschen bis zum skrupellosen Schwerverbrecher das ganze Spektrum individueller Psyche und moralischer Verfasstheit abbilden. Alle diese Figuren werden überaus anschaulich beschrieben, sie verkörpern lebensprall jeweils ein bestimmtes menschliches Naturell und scheinen geradezu greifbar vor dem Leser zu stehen. Der abenteuerliche Plot ist weitverzweigt und nimmt nach dem Motto ‹Der Weg ist das Ziel› so manchen Umweg, der mit dem eigentlichen Thema wenig zu tun hat. So zum Beispiel, wenn auf dutzenden von Seiten die Schlacht bei Waterloo geschildert wird oder das unterirdische Abwassersystem von Paris, das hier am Ende als Fluchtweg dient. Gut und böse als ethische Gegenpole bestimmen diesen vielschichtigen Roman, der aber auch politische, religiöse und philosophische Fragestellungen aufgreift und in dem die berührende Liebesgeschichte von Cosette und Marius ebenfalls einen breiten Raum einnimmt. Insbesondere der Polizist Javert als kompromissloser Vertreter der Staatsmacht gelangt am Schluss mit seinen eisernen Prinzipien in unlösbare Gewissenskonflikte, aus denen er nicht mehr herauszufinden vermag. Sympathieträger im Roman sind auch so manche Nebenfiguren wie der schrullige Großvater von Marius oder der gutherzige Bischof. Den Großvater hätte seine schroffe Art beinahe ins Unglück gestürzt, wäre ihm nicht der beim Barrikadenkampf schwerverletzte Marius ins Haus gebracht worden, was bei ihm ein totales Umdenken auslöst.

Die Sympathie des Autors für die aufständischen Republikaner von 1832 ist unverkennbar. Man schoss durch ein Gitter aufeinander, heißt es an einer Stelle seiner mitreißenden Schilderungen der turbulenten Ereignisse. «Ein Beobachter, ein junger Träumer, der Verfasser dieses Buches, der ausgegangen war, um sich den Vulkan aus der Nähe anzusehen, geriet zwischen die beiden Feuer». Victor Hugo sah die Republik als politische Voraussetzung für die Linderung der schlimmsten Not «der Elenden». Er verdeutlicht aber auch seine Überzeugung, dass konsequentes ethisches Handeln diese Not entscheidend lindern kann, wofür er in diesem Epos viele anschauliche Beweise liefert. Insoweit ist dieser grandiose Roman eine flammende Anklage gegen die soziale Schieflage in der französischen Gesellschaft des frühen Neunzehnten Jahrhunderts.

Fazit: erstklassig

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Genre: Roman
Illustrated by Manesse Verlag München

Die Schrift des Windes – Yagyu Jubei

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“Japan 1649. Nach zwei Jahrhunderten kriegerischer Auseinandersetzungen herrscht die Tokugawa-Dynastie streng aber friedlich über das Land Japan – unter Festsetzung des Kaisers innerhalb der Palastmauern in Kyoto. Der Diebstahl geheimer Dokumente schürt die Konflikte und führt an die Grenze eines neuerlichen Bürgerkrieges. Um einen solchen zu verhindern, beauftragt das Shogunat den Samurai Jubei mit der Suche nach den Schriften.” (Inhaltsangabe der Graphic Novel)

 

 

 

Katsu Kaishu (Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1f/Katsu_Yasuyoshi.jpg/220px-Katsu_Yasuyoshi.jpg)Quellbild anzeigen

Winter 1898. Etliche hochrangige Regierungsbeamte besuchen ihren ehemaligen Feind, den alten Mann, den sie im Scherz “Der Aufschneider vom Hikawa-Viertel” nennen. Der Mann namens Katsu Kaishu war es, der die friedliche Übergabe der Burg Edo veranlasst hat. Die Beamten wollen unbekannte Episoden aus der Zeit des Shogunats erfahren. Und werden nicht enttäuscht, denn der alte Mann hält den Schlüssel zum Aufbruch in die Moderne in den Händen. Er erzählt: “Am Wendepunkt des Schicksals der Tokugawa sollten diese Dokumente dem Bevollmächtigten des Shogunats überreicht werden… Das war die persönliche Anweisung des göttlichen Ieyasu. Ihr Inhalt hat mich aber wirklich überrascht.” Denn dieser ist so wegweisend wie einfach. “Die Geheimdokumente der Yagyu waren tatsächlich für die Meiji-Restauration notwendig… Aber ich frage mich, wie sie zukünftig auf Japan einwirken werden…”

Dass sich der 2017 verstorbene Mangaka Jiro Taniguchi nicht  mit seichten Storylines zufrieden gibt, ist seinen Fans bestens bekannt. Auch dieses Werk macht da keine Ausnahme. Wie schon bei “Ihr Name war Tomoji” hat sich der Mangaka ein historisches Sujet ausgesucht, um es aus seiner Sicht vor den Augen der Leser/innen lebendig werden zu lassen. Dabei wird deutlich, dass er kein Schwarz-Weiß-Bild der Geschichte zeichnet, sondern auch die “Gegner” jeweils ihre eigene nachvollziehbare Motivation haben, um zu handeln, wie sie handeln. Auch Jubei hegt keinen persönlichen Groll gegen seinen Hauptwidersacher Yashamaro, den er dazu bewegen will, den Konflikt friedlich zu lösen. Er setzt dabei auf Argumente, die allerdings gegen Yashamaros Motivation keine Chance haben. Letztlich gewinnt niemand, denn die Menschen, auch Jubei, opfern sich für ein höheres Ziel. Es geht also nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern um humanes Verhalten, das letztlich den Menschen (und nicht den Mächtigen) dienen soll. Damit wird Jubei (und indirekt Shogun Ieyasu als vernunftbegabter Herrscher) als Vorbild in Szene gesetzt.

Unabhängig davon, ob dieses positive Bild des Ieyasu der Wirklichkeit entspricht oder nicht, ist die Bedeutung klar – v.a. in der jetzigen Zeit, in der es (zu) viele unfähige Menschen an der Macht gibt: An erster Stelle hat nicht das Wohl der Mächtigen zu stehen, sondern das der gesamten Menschheit.

Mit gewohnter Detailtreue muten die Panels an wie kleine Gemälde, wobei aber auch die mangatypische Dynamik der Action-Szenen nicht zu kurz kommt. Diese Detailtreue gilt allerdings auch für die Darstellung der Kämpfe und damit der Gewalt, die ungeschönt und scheinbar emotionslos in Szene gesetzt wird. Automatisch stellt sich hier die Frage, ob der Weg zum Frieden tatsächlich erst einmal über Leichen führen muss. Dies versucht auch Jubei zu verhindern, indem er eine neue Kampftechnik erfindet, die den Gegner wie beim Schachmatt wirkungsvoll ohne Blutvergießen ausschalten soll. Aber auch hier und v.a. im Entscheidungskampf wird deutlich, dass es der freie Wille des Menschen (hier des Gegners) ist, wie er sich letztlich entscheidet.

Die Geschichte Jubeis wird umrahmt von der Geschichte Kaishus, die wiederum einen prägnanten Ausblick auf die Welt des 20. Jahrhunderts gibt. Die Folgen des II. Weltkrieges sind den Japanern immer noch gut im Gedächtnis.

Insgesamt wieder ein vielschichtiges Werk sowohl im Innen (Story) als auch im Außen (Gestaltung), das es verdient, gelesen und angeschaut zu werden.

 


Genre: Graphic Novel, Manga
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Einer von vielen

Alles hängt mit allem zusammen

Wer das Buch von Norbert Zähringer mit dem Titel «Einer von vielen» aufschlägt, den empfängt auf dem Vorsatzblatt eine organigramm-artige Handskizze mit dem Namen Edison Frimm im Zentrum eines großen Netzes mit dutzenden von Namen. Damit wird grafisch das dem Plot dieses komplexen Romans zugrunde liegende «Kleine-Welt-Phänomen» der sozialen Vernetzung von Stanley Milgram verdeutlicht, nach dem alle Menschen über eine Kette von durchschnittlich nur sechs Zwischenkontakten miteinander verbunden sind. Und das gilt natürlich unter dem Aspekt von Vorsehung und Zufall auch für die vielen Figuren dieses narrativ äußerst virtuos konzipierten Romans mit seiner Schicksalsthematik.

In einer Art Rahmenhandlung wird im ersten und letzten der 56 Kapitel des siebenteiligen Romans vom Suizidversuch des achtzigjährigen, gerade aus dem Gefängnis entlassenen Edison Frimm an einem Dezembermorgen des Jahres 2003 erzählt. Mit einem atemberaubenden Konstrukt von Rückblenden und Zeitsprüngen in diversen Handlungssträngen entwickelt der Autor seine actionreiche Geschichte. Sie beginnt mit dem Großen Kantō-Erdbeben vom 1. September 1923, als in Tokio ein junger Polizist seine Eltern verliert, während gleichzeitig in Berlin Siegfried Heinze als Sohn eines strammen Nazis das Licht der Welt erblickt und in der Mojave-Wüste Kaliforniens die Zentralfigur ‹Eddi› Frimm geboren wird. Dessen abwechslungsreiches Leben als Komparse während der Stummfilmzeit in Hollywood und über die Zeit des Zweiten Weltkriegs hinweg bildet den roten Faden des Romans. Parallel verlaufen, oft lose miteinander verknüpft und abwechselnd erzählt, eine Fülle von kleinen Geschichten, Anekdoten und Szenen mit all den anderen Figuren, zu denen ‹Siggi› Heinze ebenso gehört wie der nazifeindliche Kriminalkommissar Mauser, der schwule Filmschauspieler und Pilot Scott LaMont, der japanische Expolizist und zen-buddhistische Gärtner Koga, ferner der idealistische Sektengründer Dan Schmidt mit seiner Wüsten-Gemeinde Josua Ridge, in deren Gemeinschaftsküche ‹Eddi› zur Welt kommt. Als prominente Figur ist ein Ölmillionär und Filmmogul eingebunden, für den Howard Hughes Pate gestanden hat, aber auch Ronald Reagan und Willy Brand haben ihr Cameo. Politisch ist die Handlung insbesondere durch den Angriff der Japaner auf Pearl Harbor, den Bombenkrieg der Alliierten, die Invasion in der Normandie, das dramatische Kriegsende in Berlin und die turbulente Nachwendezeit geprägt.

Die oft lediglich assoziative Verknüpfung der diversen Erzählfäden dieses komplexen Romans über die Ironie der Geschichte erfordert in Verbindung mit dem riesigen Figurenensemble die volle Aufmerksamkeit des Lesers. Dabei wird dieses achtzig Jahre umfassende Panorama der Geschichte auch noch aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Die sieben Romanteile werden jeweils mit einem Kapitel eingeleitet, in dem ein Ich-Erzähler, von dem man nicht viel mehr erfährt, als dass er bei einer Berliner Wach- und Schließgesellschaft arbeitet, im Jahr 2003 von Geschehnissen aus seiner Clique berichtet, was eine reizvolle zweite Perspektive bildet.

Mit seinem Sprachwitz erinnert der temporeiche, unterhaltsame Roman an den journalistisch knappen, manchmal lakonischen Erzählstil einiger amerikanischer Autoren. Wobei die überbordende Fülle des Stoffs es mit sich bringt, dass vieles nur angerissen werden kann, tiefer ausgeleuchtet hätten sonst auch doppelt so viele Buchseiten kaum ausgereicht. ‹Eddi› und ‹Siggi› bilden den Kontrapunkt des Plots, sie sind in einer Szene am Kriegsende als Feinde schicksalhaft nur wenige Meter voneinander entfernt, ohne jedoch aufeinander zu treffen, – eine raffiniert angelegte Schlusspointe. Und so ist denn dieser ebenso amüsante wie spannende Roman ein süffig zu lesender Pageturner, originell erdacht und viel Obskures erzählend. «Was macht die Zeit mit uns» heißt die Kernfrage dieses Romans, und «Alles hängt mit allem zusammen» lautet hier eine der möglichen Antworten.

Fazit: mäßig

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Genre: Roman
Illustrated by Rowohlt

Als ich aus der Zeit fiel

Ein junger Mann durchlebt eine normale Kindheit und Jugend; nach dem Abitur beginnt er ein Studium der Rechtswissenschaften und bereitet sich auf die erste juristische Staatsprüfung vor. Während dieser Zeit der Vorbereitung und des Lernens bemerkt er plötzlich an sich selbst Wahrnehmungsverschiebungen.

Er glaubt, dass Leute, die er auf der Straße trifft und die er gar nicht kennt, über ihn lachen, ihm nachschauen. Er ist zunehmend verunsichert, fragt sich, warum die Leute über ihn lachen. Ist ihm in den letzten Tagen irgendetwas Peinliches passiert? Haben diese Leute das gesehen, oder hat es ihnen jemand erzählt? Woher wissen die Leute davon? Weiterlesen


Genre: Biographien
Illustrated by pinguletta Verlag

Aus und davon

Überdeterminiert

Auch in ihrem vierten Roman mit dem Titel «Aus und davon» greift Anna Katharina Hahn thematisch wieder auf die Familie zurück. Aus einer strikt feministischen Warte heraus umfasst ihr erzählerischer Bogen vier Generationen von Frauen und reicht von der Jetztzeit bis zur Weltwirtschaftskrise zurück. In parallelen Handlungssträngen entwickelt sie dabei ein desolates Bild schwäbischer Hausfrauen im Kampf mit den widrigen Umständen, zu denen auch der leidige Generationenkonflikt ihrer Protagonistinnen einiges beiträgt.

Im Mittelpunkt des Plots steht Cornelia, eine von ihrem griechischen Mann verlassene Stuttgarter Physiotherapeutin mit zwei Kindern, die restlos erschöpft eine dringend benötigte Auszeit nimmt und kurz entschlossen auf den Spuren der Großmutter für vier Wochen in die USA fliegt, bereits der Buchtitel deutet diesen zentralen Handlungsfaden an. Ihre ebenfalls gerade erst von ihrem lebenslustigen, katholischen Mann verlassene, evangelikale Mutter Elisabeth merkt schnell, dass sie als Oma mit der Aufgabe überfordert ist, sich derweil um ihre Enkel Stella und den kleinen Bruno zu kümmern. Das pubertierende Mädchen treibt sich mit Jungen herum und lässt sich nichts mehr sagen, der adipöse Bub wird wegen seiner Dickleibigkeit dauernd von den anderen Schülern bös gehänselt und schwänzt die Schule, um dem zu entgehen. Hinzu kommt der chaotische Haushalt ihrer Tochter, in den Elisabeth mit Mühe ein wenig von jenen schwäbischen Hausfrauen-Standards einzubringen versucht, die sie für unverzichtbar hält. Nun ist Eskapismus in Zeiten ständig eingeschalteter Smartphones schwierig zu realisieren, die Familie bleibt in regem Austausch, die Probleme der Oma sind für Cornelia rund um die Uhr präsent. Und so tritt sie resigniert nach kurzem Aufenthalt in New York, einem ernüchternden, eher frustrierenden Besuch der Verwandten in Pennsylvania und abschließendem One Night Stand, den sie sich ganz bewusst mal gönnt, den vorzeitigen Rückflug nach Stuttgart an.

In 23 Kapiteln wird aus unterschiedlichen Perspektiven abwechselnd auktorial vom Geschehen in Stuttgart erzählt, während Cornelia als Ich-Erzählerin aus den USA berichtet. Eine märchenhafte dritte Perspektive benutzt die Autorin für die Geschichte der pietistischen Urgroßmutter, die aus der Sicht vom Linsenmaier erzählt ist. So heißt eine selbst genähte Puppe, heißgeliebtes Maskottchen der als junges Mädchen während der Weltwirtschaftskrise zu Verwandten in die USA geschickten, pietistischen Mutter von Elisabeth, die ihre hungernde schwäbische Familie von dort aus finanziell unterstützt hat. Mit Bleistift schreibt Elisabeth, oft nachts, als «Selbstberuhigungsversuch», die Linsenmaier-Geschichte für ihren Enkel Bruno auf, «Zwei Schulhefte voll sind es geworden», heißt es am Ende, selbst Stella ist beeindruckt.

Besonders am Anfang liest sich diese abgründige Familiengeschichte ziemlich quälend, die von äußeren und inneren Zwängen geprägten Figuren stehen sich gegenseitig im Weg. Wobei das heutige, total konsumbestimmte Alltagsleben, die höchst ungesunde Ernährung, für die Bruno den lebenden Beweis darstellt, sowie die alle Generationen einschließende, in Sucht ausgeartete Smartphone-Hörigkeit einiges Unbehagen beim Lesen aufkommen lässt. Angereichert ist dieser Roman mit einer Fülle von Motiven, zu denen ein Taubenschlag ebenso gehört wie der Pietismus schwäbischer Auswanderer, ein Ausflug zu den Amischen Pennsylvanias, Fastfood und Convenience-Produkte, aufopfernde Krankenpflege oder der bei deutschen Pflegeeltern lebende, syrische Flüchtling. Obwohl mit schwarzem Humor erzählt, wirkt dieses Panorama moderner Lebenswirklichkeit eher abstoßend als amüsant. Der Plot ist deutlich überdeterminiert, weniger Motive mit psychologisch tiefer ausgeleuchteten Figuren wäre literarisch mehr gewesen. Diese Geschichte vom glanzlosen Leben zeigt ungeschminkt eine unerfreuliche Gegenwart, wie es sie ohne Zweifel so auch tatsächlich gibt, – nicht nur in Stuttgart!

Fazit: lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Suhrkamp Berlin

Avengers – Heldenfall

Avengers – Heldenfall. Diese Story aus den Jahren 2004/05 hat es in sich. Jack of Hearts, der Antmans Tochter Cassie retten wollte und dabei starb, steigt aus dem Grab, um die Rächer (Avengers) heimzusuchen. Doch bald bleibt kein Stein mehr auf dem anderen in der Avengers-Mansion. Denn Tony Stark (Ironman) ist pleite.

Avengers: Undank ist der Welten Lohn

Eines gleich vorweg: noch nie waren die Zeichnungen der Avengers so exakt und detailliert und gleichzeitig episch wie in diesen von David Finch und Olivier Coipel in diesem Band verwirklichkeiten. Allein das macht diese Ausgab schon zu einem „Must Have“ wie der Titel suggeriert. Ein Faustschlag den Ironman der wildgewordnen She-Hulk verpasst trifft so gut, dass man förmlich aus seinen eigenen Träumen aufwacht oder sich darin verabschiedet, je nach dem. Aber auch die Story von Brian Michael Bendis wartet mit einigen Überraschungen auf. So spricht etwa Ironman vor der UNO und greift (als Verteidigungsminister) den Gesandten aus Latveria persönlich an. Die Kritik seiner Avengers-Kollegen daran führt dazu, dass Tony Stark beleidigt ist: „Ich bin ja so was von froh, dass ich mein halbes Vermögen in die finanzielle Unterstützung der Avengers investiert habe…und dass es mir jetzt so gedankt wird“.

Avengers – Heldenfall. Marvel Must-Have

Erst greift Ultrons Armee die Avengers an. Dann wird ein Angriff der Kree von den Avengers gerade nach zurückgedrängt, doch die eigentliche Herausforderung entsteht ihnen durch Magnetos Tochter. Wanda Maximoff zapfte nämlich eine neue Kraftquelle an, die sie Chaosmagie nannte. So beherrscht sie nun alle Wahrscheinlichkeiten der Realität. Ist das das Ende der Avengers? Im Anhang finden sich Informationen zu den Machern des Comics sowie ein Bonusteil zu Hinter den Kulissen, Timeline, Weitere Lektüre, Anmerkungen, Weitere Must Have Titel. Eine schockierende, finstere Saga über das Ende einer Ära. Ein echtes Must Have eben.

Brian Michael Bendis

Marvel Must-Have: Avengers – Heldenfall

Zeichner: David Finch, Olivier Coipel

Storys: Avengers (2005) Finale, Avengers 500-503

Hardcover, 180 Seiten,

19,00 €

ISBN: 9783741616617

Panini Comics


Genre: Comics, Graphic Novel
Illustrated by Panini Comics

Jessica Jones: Blind Spot im Visier

Jessica Jones ist zwar eine Superheldin, aber sie will ein normales Leben führen und keinen Gebrauch von ihren Superkräften machen. Manchmal lockt es sie dann aber doch. Als taffe Privatdetektivin bekommt sie diesmal eine Leiche in ihr Büro serviert und wird prompt als Hauptverdächtige von der Polizei verhaftet.

Fun-damente einer Beziehung

Die „Fun-damente“ einer guten Beziehung oder eines Landes oder einfach vom Baseballspiel diskutiert JJ mit ihrem Mann Luke Cage beim Spaziergehen mit dem Kinderwagen. Eine Superheldin und Detektivin braucht ja auch ein Privatleben und das soll noch dazu Spaß machen, „fun“ eben. Denn was ihr in vorliegendem Abenteuer beruflich bevorsteht, grenzt beinahe an Leichenfledderei.

Nekrophilie?

Ihre Ex-Klientin Dia Sloane ist die Leiche in ihrem Büro und nur ihr Anwalt kann sie aus den Krallen oder besser Handschellen des Gesetzes wieder befreien. Doch dann überlebt sie selbst nur knapp einen Kopfschuss und in einem Dialog mit Captain Marvel, die wie Scarlett Johansen aussieht, fordert sie die tödliche Kugel, die sie getroffen hat, vom NYPD zurück. Diese führt sie dann auf die richtige Spur. Denn der Killer tötete bisher vier Frauen und alle waren stark. „Also genau die Sorte Frauen, die gewisse Kerle wahnsinnig macht.“

Verantwortung übernehmen

Dr. Strange, der ein ganz kleines bißchen wie Tom Hardy aussieht, empfängt sie um 12:01, denn vorher will er niemanden sehen. Er macht sich prompt über ihr Kostüm lustig, das sehr knapp sitzt und eigentlich einem Badeanzug mit aufgenähtem Blitz ähnelt.

„Wenn man innere Dämonen wie Jared hat, muss man sich selbst um sie kümmern, oder man läuft ewig davon. (…) Aber am Ende kriegst du dein Leben nur dann wieder in den Griff, wenn du Verantwortung übernimmst… und dich wehrst.“ Jessica Jones könnte diese Sätze auch zu sich selbst sagen, denn auf wen träfen sie nicht zu?

Das Rätsel, wer der Killer ist, wird schließlich tiefenpsychologisch gelöst. Die Zeichner Marcio Takara und Mattia De Iulis haben eine aufsehenerregende Kriminalgeschichte in bunte Farben gehüllt und abenteuerlich illustriert. Die Atmospähre kommt  authentisch rüber und ist nicht nur für Fans der Netflix-Serie ein Must.

Kelly Thompson
Jessica Jones: Blind Spot im Visier
Zeichner: Marcio Takara, Mattia De Iulis
Storys: Jessica Jones: Blind Spot 1-6
2020, Softcover, 140 Seiten
ISBN: 9783741619106
17,00 €
Panini Verlag


Genre: Comics, Crime
Illustrated by Panini Comics

Batman: Die Jagd des Dunklen Ritters

Dem Mitternachtsdetektiv huldigen Bendis und Derington diese Story, die Batman zweimal an zwei entgegengesetzte Enden des Universums, „quer durch die Galaxis“, und wieder zurück trägt. Alfred Pennyworth ist die Stimme im Funk, die ihn dabei begleitet, aber auch eine Menge anderer Unterstützer bekommt Batman in diesem zeitlosen Abenteuer.

Batmans Jagd nach sich selbst

Unerwartete Unterstützung bekommt Batman beim Kampf gegen den Söldner Deathstroke und den Riddler durch Green Arrow, der sich aber bald in seinen Antipoden verwandelt. Denn im Zentrum dieser Geschichte steht ein Fabergé-Ei, dessen Inhalt seinen Träger sofort verwandelt.

Aber noch kann Batman die geheimnisvolle Kraft nicht durchschauen, erst als auch Green Lantern auf den Plan tritt, beginnt er zu verstehen, mit wem er es zu tun hat. Der eigentliche Feind ist nicht der Riddler, der viel zu harmlos und verrückt erscheint, sondern der, der hinter ihm steht.

Batman wird auf den Gorilla-Planeten katapultiert, wo König Nnamdi ihn zunächst unwirtlich empfängt. Wer hat schon gerne unangemeldete Besucher? „Lieber später um Verzeihung bitten, als vorher um Erlaubnis …“, kommentiert Nnamdi Batmans unangemeldetes Erscheinen. Derweilen hat ein anderer den Riddler längst auf seinen Thron gepflanzt.

Einmal durch die Galaxis… und zurück

Batman erscheint auch auf dem Planeten Thanagar, wo Hawkman lebt und kämpft sogleich gegen ein Heer von Dinosauriern. Die Teleportationstechnologie ist halt einfach unberechenbar. Das Schleuder-Wurmloch bringt ihn alsbald auch in das 19. Jahrhundert in den Wilden Westen, wo der grimmige Jonah Hex ihn mit zwei Revolvern erwartet.

„So n Quatsch kann nur wahr sein“, stimmt Hex Green Lantern und Batman zu und so kann man die beiden bald in Zivilklamotten sehen, was besonderes Vergnügen bereitet, da der Zeichner Nick Derington sein Handwerk wirklich versteht. Nicht nur was die Kostüme betrifft, sondern auch das Setting, er trifft in jedem Genre den Punkt.

Auch in zweiseitigen Illustrationen im Kampf gegen eine Truppe Ninjas zeigt Derington sein Talent. Oder wenn Batman allein im Kosmos aufwacht und von einer rosa Milchsuppe umgeben ist.

Darington ist ein Meister der Illusion, der auch dieses Abenteuer zu einer wunderbaren Episode im Kampf gegen das Böse macht. Wer der Oberböse ist, wird hier aber nicht verraten. Lesen Sie selbst dieses bunte, verrückte Abenteuer, das den Mitternachtsdetektiv an ferne Orte verschlägt und durch Raum und Zeit, „quer durch die Galaxis“, führt.

Brian Michael Bendis
Batman: Die Jagd des Dunklen Ritters
Zeichner: Nick Derington
Storys: Batman Universe 1-6
Mit Batman, Green Arrow, Green Lantern, Nightwing
2020, Softcover, 180 Seiten
ISBN: 9783741618376
20,00 €
Panini Verlag


Genre: Comics, Crime Stories
Illustrated by Panini Comics

Was davor geschah

Moderner Jahrmarkt der Eitelkeiten

Im breitgefächerten Œuvre des mit dem Büchnerpreis ausgezeichneten Schriftstellers Martin Mosebach wird bei den Romanen häufig das Scheitern thematisiert, so auch in «Was davor geschah». Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung nannte den Autor 2007 in ihrer Laudatio nicht nur einen «genialen Formspieler», er verbinde zudem «stilistische Pracht mit urwüchsiger Erzählfreude». Ein derart überschwängliches Lob löst in der Fachwelt regelmäßig erbitterte, vom Neid befeuerte Debatten aus, von «affektierten Vokabeln» und «verzopften Phrasen aus der bürgerlichen Mottenkiste» konnte man da lesen. Nach der Lektüre des vorliegenden Romans wird man diesem Verdikt vehement widersprechen, vielleicht auch gerade deshalb, weil der Autor gottlob mit seinen intellektuell hochstehenden Romanen unbeirrt nichts bestsellertauglich Profanes abliefert!

Es gibt wohl kaum eine explosivere Frage in einer aufkeimenden Liebesbeziehung als die nach der Zeit davor, nach dem also, «was davor geschah». Dieser drängenden Frage seiner Liebsten kommt der namenlose Ich-Erzähler, ein 35jähriger Bankkaufmann, der vor sechs Monaten nach Frankfurt gezogen ist, gerne nach, seine Erlebnisse in der Stadt am Main bilden letztendlich den alleinigen Erzählstoff dieses Gesellschaftsromans. Er lernt gleich zu Beginn den Sohn der ebenso kultivierten wie wohlhabenden Familie Hopsten kennen, der ihn zur nächsten der allsonntäglich in ihrer pompösen Villa stattfindenden Party einlädt. Prompt verliebt er sich hoffungslos in die schöne Phoebe, die Schwester seines Freundes. Er lernt zudem einen illustren Kreis von Stammgästen kennen, die zusammen mit dem prominenten Ehepaar Bernward und Rosemarie Hopsten das Figuren-Ensemble dieses Romans bilden. Dazu zählen insbesondere der zuverlässig jede Konversation in Gang haltende Schwadroneur und hochrangige Ex-Politiker Schmidt-Flex mit Frau sowie dessen dröger Sohn und seine attraktive, weinselige Frau Silvi. Diesen inneren Kern der Partygesellschaft ergänzen Helga, Freundin und Beraterin der Hausherrin in stilistischen und ästhetischen Fragen, sowie der ebenso zwielichtige wie charismatische Geschäftsmann und Schürzenjäger Joseph Salam.

Genüsslich erzählend breitet Martin Mosebach das vielfach verknüpfte Beziehungsgeflecht dieser Figuren in einer geradezu süffigen Sprache vor dem Leser aus. Von der ersten Seite an erinnert er damit stilistisch an Thomas Mann oder Lew Tolstoi, nur dass sein Sittenbild einer bourgeoisen Gesellschaft sich auf einen deutlich kleineren, überschaubaren Kreis von Figuren stützt – und mit wesentlich weniger Seiten auskommt! Es gehört zur narrativen Kunst des Autors, dass er dem Leser seine lebensechten Protagonisten menschlich derart nahe zu bringen vermag, dass man jeden von ihnen zu kennen glaubt in seiner realistisch erscheinenden Charakterzeichnung, – und niemand von ihnen wirkt unsympathisch oder gar abstoßend. Was den Leser da so sinnlich mitreißt in diesem Vexierbild einer gehobenen Gesellschaft unserer Tage, das ist vor allem ein kontemplatives Vergnügen, bei dem scheinbar bedeutungslose Szenen wie eine nächtliche Schlittenfahrt der ganzen Partytruppe im Taunus oder die akribische Federputz-Prozedur eines weißen Kakadus äußerst subtil und anschaulich geschildert werden.

Derart wortmächtig und elegant schreibt niemand anderes in der gegenwärtigen deutschen Literatur. In seinem – bis auf die Rahmenhandlung – klug konstruierten Plot entlarvt der Autor moralisch streng, aber auch unverkennbar ironisch den Aberwitz in seinem ‹Jahrmarkt der Eitelkeiten› moderner Prägung mit seinen amourösen Verstrickungen. Der scheherazadeartige Handlungsrahmen allerdings mit seinen gelegentlich eingestreuten, typografisch abgesetzten, kurzen und irrealen Dialogen ist wenig überzeugend, und auch der unbestimmt zwischen personaler und auktorialer Warte changierende, konturlose Ich-Erzähler ist literarisch ein kleiner Wermutstropfen in dieser ansonsten makellosen Erzählung.

Fazit: erfreulich

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Hanser Verlag München

Schwitters

Kurt Schwitters Ulrike DraesnerDer am 20. Juni 1887 geborene Kurt Schwitters zählt zu den prägenden deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts. In Deutschland nahezu vergessen, gilt er heute vor allem in Großbritannien, wo er auf der Flucht vor den Nazis seine letzten Lebensjahre verbrachte, als anerkannter Collagist und Installationskünstler. In einem biographischen Roman schildert Autorin Ulrike Draesner feinsinnig und unterhaltsam Schwitters Jahre als Migrant im Exil. Weiterlesen


Genre: Biographien, Romane
Illustrated by Penguin

Das amerikanische Hospital

Ethische Versuchsanordnung

Der Roman «Das amerikanische Hospital» von Michael Kleeberg stellt geradezu eine ethische Versuchsanordnung dar. Der Autor verknüpft in seiner ambitionierten Poetik die Conditio humana mit der hoffnungslosen Tragik des Menschseins, wie er es mal in einem Gespräch erläutert hat. Es sei die Suche nach «Gesetzmäßigkeiten im Individuellen», die es dem Epiker möglich mache, seinem Narrativ den Anschein des Möglichen zu geben. Der Buchtitel bezieht sich auf das hoch angesehene, durch Spenden finanzierte ‹Hôpital américain de Paris›, das im Roman als prominenter Handlungsort einen erzählerischen Fixpunkt bildet.

Vor den Augen der dreißigjährigen Hélène bricht im Korridor dieser Klinik unkontrolliert zuckend ein Mann mittleren Alters zusammen, um den sie sich sofort bemüht, ehe Helfer herbeieilen und ihn wegführen. Die glücklich verheiratete, junge Frau versucht, mit Hilfe der Spezialisten für künstliche Befruchtung in diesem Hospital endlich ihren Kinderwunsch zu verwirklichen, was sich aber als langwierige und äußerst schwierige Prozedur erweist. Bei der nächsten Routineuntersuchung trifft sie wieder auf diesen Mann. Er bedankt sich für ihre Hilfe, sie kommen ins Gespräch, beide lieben Lyrik und tauschen sich erfreut darüber aus. David ist ein amerikanischer Offizier, der in der Botschaft arbeitet und wegen posttraumatischer Belastungsstörungen aus dem Irakkrieg in Behandlung ist. In ihren Begegnungen, die sich schließlich über fünf Jahre hinweg wiederholen, offenbaren sie sich ihre Probleme. Das führt anfangs zu heftigen Wortwechseln zwischen dem amerikanischen Captain und der französischen Pazifistin, denn er erzählt immer wieder von den Gräueln des Krieges. Die kann er seelisch nicht verarbeiten, während sie von ihrem dornenreichen Weg zum Kinderglück berichtet.

Als Parabel auf die Körper-Seele-Problematik des Menschen werden hier zwei Schicksale geschickt miteinander verknüpft. Dabei werfen insbesondere Davids in ausgedehnten Rückblenden erzählte Kriegserlebnisse immer wieder Fragen nach ethischer Verantwortung in derart extremen Ausnahme-Situationen auf. Aber auch der beharrlich verfolgte, egoistische Kinderwunsch von Hélène wird nach diversen vergeblichen Versuchen letztendlich als Krieg gegen den eigenen Körper moralisch immer fragwürdiger. Michael Kleeberg schildert all diese Seelenpein in anschaulichen Bildern, ohne den falschen Ehrgeiz zu entwickeln, sie bis in ihre innersten Ursprünge aufdröseln zu wollen. Neben der Klinik steht besonders Paris als Ort des Geschehens im Fokus des Autors, er benutzt sprachlich gekonnt anschauliche Bilder der Metropole als Kulisse für viele seiner Szenen. Wobei insbesondere der Generalstreik am Schluss eine starke Wirkung erzeugt als allegorische Anspielung auf das Chaos, das seelisch auch in den beiden Protagonisten herrscht. Auffallend ist die Häufung von ornithologischen Einschüben, die zur Thematik allerdings rein gar nichts beitragen. Sie eskalieren in einem Vogeldrama, als eine Schar Ibisse auf einem riesigen Ölsee landen, – eine von den Irakern bei ihrer Flucht vor den US-Truppen verursachte und für die Vögel verhängnisvolle Umweltkatastrophe.

Wie ein Deus ex machina taucht im Schlusskapitel der bereits nach zwei Buchseiten spurlos verschwundene, namenlose Ich-Erzähler als Hélènes Mann plötzlich wieder auf. Er erzählt nun in einer raffinierten narrativen Volte, was aus den beiden Protagonisten schlussendlich geworden ist. Und es ist erfreulicherweise nicht das, was so mancher Leser hypothetisch hinein geheimnissen mag, alles bleibt nämlich völlig kitschfrei. Die unübersehbare Ambivalenz zwischen einer teilweise deutlich überfrachteten, vom Autor eitel vorgetragenen Detailfülle bei Paris-Spaziergängen oder In-vitro-Fertilisation einerseits und der raffinierten Konstruktion des Plots mit seiner brillanten sprachlichen Umsetzung andererseits mindert den Lesegenuss dieses vielschichtigen psychologischen Romans leider ein wenig.

Fazit: lesenswert

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by DVA München

Snack World 1

Chup ist ein echter Abenteurer. Mit seiner Heldengruppe hat er schon viele lebensgefährliche Situationen – mehr schlecht als recht – überstanden.

Deshalb bekommt er vom naiven König die Aufgabe, für seine eitle Tochter Prinzessin Melonia das wertvolle Purpurauge zu besorgen. Dafür müssen die Helden aber erst einmal die Medusa überwinden.

Mithilfe der sogenannten Snacks (Handykarten mit magischen Geschöpfen, die herbeigerufen werden können), will Chup auch dieses Abenteuer bestehen. Aber die Prinzessin ist unersättlich: Sie will für ihren Teint die seltene Kranel-No.-2-Creme vom Riesenkraken und den Immortali-Tee vom Phönix-Huhn. Als wäre das nicht genug, will sich Chup unbedingt am bösen Kaufmann Sultan Basamico rächen, der Chups Familie auf dem Gewissen hat.

Die Abenteuer sind genauso skurril, wie sie sich anhören. Die Werbestrategie verkauft sie zwar als witzig, aber eigentlich ist der Witz sehr bemüht, geht in die Fäkalrichtung und verharmlost die Gewalt, die in diesem Manga reichlich vorkommt.

Außerdem geht der Witz meist auf Kosten der anderen, denn die Abenteurer selbst, bis auf die Frau der Heldentruppe, muten wie Lemminge an, die ohne Sinn und Verstand auf den Abgrund zulaufen. Prinzessin Melodia wird als hirnlose, nur ihrer Eitelkeit verpflichtete Frau dargestellt, der andere völlig egal sind. Ihr Vater hat ihr die Hirnlosigkeit anscheinend vererbt; bei ihm fragt man sich, wie er bei seinem praktisch nicht vorhandenen IQ König werden konnte.

Auch die Anspielungen auf die Mythologie retten die Story nicht, da auch diese eher flach daherkommen. Die Medusa z.B. wird einseitig als verrückt und mordlüstern dargestellt und dient eigentlich nur als Mittel der gegen sie auszuübenden Gewalt. Im (griechischen) Mythos bzw. in den Urmythen dagegen ist ein schlangenumkröntes Haupt das Symbol für eine weise Frau und des “weisen Blutes”, das Frauen göttliche Macht verleiht.

Schlangen werden oft mit Weiblichkeit und mächtigen weiblichen Göttinnen in Verbindung gebracht. Medusa selbst war ursprünglich die Schlangengöttin der libyschen Amazonen und verkörperte das weibliche Wissen. Ihr Blut soll lebensspendend, aber auch tödlich gewesen sein. Gemeint war wohl das Menstruatonsblut, dem früher Zauberkräfte nachgesagt wurden. Naturvölker glaubten oft, dass der Blick einer menstruierenden Frau einen Mann in Stein verwandeln kann.

Von dieser machtvollen Göttinnengestalt ist in diesem Manga leider nichts zu spüren. Einzig die blondhaarige Heldin der Gruppe fällt keinem Klischee zum Opfer, denn sie ist die (ungehörte) Stimme der Vernunft und kann für sich, im Gegensatz zu den männlichen Helden und der sexistischen Blondinen-Witze, Intelligenz beanspruchen.

Wer flache Schenkelklopfer-Witze und Storys ohne Sinn und Verstand mag, ist mit diesem Manga gut bedient. Alle anderen sollten die Finger von so viel tumber Hirnrissigkeit lassen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Young Donald Duck: Immer ich! Vom Pech verfolgt – Ein Comic-Roman

Fotogalerie

Schon der 12-jährigeDonald ist vom Pech verfolgt: Der Hof seiner Großmutter, und damit sein Zuhause, soll verkauft werden. Donald könnte den Hof retten, wenn er an der Elite-Schule PRIMA als Schüler aufgenommen werden würde. Aber leider ist Donald nicht gerade ein guter Schüler.

Seine Freundin Dolly beschließt ihm zu helfen und schickt heimlich eine Bewerbung anstelle Donalds an die PRIMA. Und tatsächlich: Donald wird als Schüler aufgenommen – allerdings nur wegen eines Missverständnisses. Er soll angeblich Meister von “Lagoo” sein. Aber niemand weiß, was das eigentlich ist, schon gar nicht Donald.

Damit er an der Schule bleiben und damit Omas Hof retten kann, überlegen er und die anderen Schüler, den Begriff “Lagoo” mit Inhalt zu füllen und veranstalten den ersten Lagoo-Wettbewerb der Geschichte.

“Lustiges Taschenbuch Lesespaß” heißt das neue Experiment von Ehapa, welches Comic und Lesebuch miteinander kombinieren und so mehr Spaß am Lesen erzeugen will. Um es vorweg zu sagen: Dieses Crossover ist durchaus gelungen.

Zum einen werden die beiden Genres gut miteinander verzahnt, was sich schon im Textbild widerspiegelt. Erzählertext, Panels, Geräusche und unterschiedliche Textfarben für die verschiedenen Figuren gehen geschmeidig ineinander über. Betonungen im Text werden über Schriftgröße und Großbuchstaben geregelt. Zum anderen interagiert der fiktive Erzähler mit der Leserin /dem Leser und den Figuren, sodass auch hier Grenzen aufgelöst werden.

Das alles erzeugt ein lebendiges Leseerlebnis, das durch den Humor des fiktiven Erzählers noch verstärkt wird. “Lustig” und “Lesespaß” können also selbstbewusst die Brust herausstrecken.

Natürlich wird auch mit den Farben gespielt und so Stimmung erzeugt. Kater Karlo und Hugo kommen in gedeckten, dunklen Farben daherher; auch gefährliche Situationen werden mit dunklen Farben unterstützt. Der (blut-)rote Pulli Donalds steht für seine impulsive und lebendige Seite, ebenso seine in rot gedruckten Wortbeiträge. Wobei leider auch hier das Rollenklischee zuschlägt: Donald trägt eine (marine-)blaue Hose, die berockten Mädels Minnie, Dolly und Daisy trifft man v.a. in Lila und Rosa an.

Dazu ein erhellendes Zitat aus dem Lady’s Home Journal von 1918: “Die allgemein akzeptierte Regel ist Rosa für Jungen und Blau für Mädchen. Der Grund dafür ist, dass Rosa als eine entschlossenere und kräftigere Farbe besser zu Jungen passt, während Blau, weil es delikater und anmutiger ist, bei Mädchen hübscher aussieht.”

Der Hintergrund: Rosa galt lange Zeit als das kleine Rot. Und Rot wurde mit Blut, Krieg, dem Kriegsgott Mars assoziiert und war damit eine männliche Farbe. Die neue Farbe Blau für das männliche Geschlecht konnte sich erst nach der Vorbereitung durch die marineblaue Kleidung, die Blue Jeans und die blaue Arbeitskleidung in den 1940ern durchsetzen. Vorher galt Hellblau als Mädchenfarbe und Blau wurde als Sinnbild von Ganzheit und Zyklus des ewig wiederkehrenden Kreislauf des Seins gesehen, sowie als Suche  nach der Geborgenheit im Mutterschoß und als Farbe des Matriarchats.

Ähnliches gilt für Rock, Hose, Kleid und Stöckelschuhe, die allesamt bei weitem nicht so geschlechtszementiert waren, wie man es uns heute weismachen will. Dafür steht auch die seit den 1990ern (wieder) aufkommende Männerrockbewegung. Wer sich darüber schlau machen möchte: https://dress2kilt.eu/ferdi.htm. Auch mein kleiner Sohn ärgert sich darüber, dass Mädchen unkritisiert Röcke und Kleider tragen dürfen und er nicht. Die patriarchalisch-einseitigen Klischees wenden sich also auch gegen die XY-Chromosomträger.

Damit wären wir bei einer allgemeinen Kritik an Comics angekommen: Gerade Comics, die von Männern gezeichnet und getextet werden, transporierten immer noch unhinterfragt die unrühmlichen und einengenden, oft genug diskriminierenden Rollenklischees. Da macht auch dieser Comic-Roman keine Ausnahme. Zeit, dass sich was ändert. Schließlich sind wir schon im 21. Jahrhundert angekommen.

Fazit: Gekonntes humorvolles Crossover von Comic und Lesebuch, das auch für ältere LeserInnen durchaus lesenswert ist. Leider werden aber auch hier – wie in der Comic-Branche bisher großteils üblich – Rollenklischees unkritisch übernommen.


Genre: Comic, Roman
Illustrated by Egmont Ehapa