Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
Die Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe hat mit ihrem neuen Buch «Die Nibelungen» ein weiteres originelles Werk vorgelegt, das Mythen auf eine ganz eigene Art erzählt. Waren es bisher die Jungfrau von Orleans oder der Rattenfänger von Hameln, so ist es nun das in Worms beginnende Heldenepos, ein deutscher Stummfilm, wie es im Untertitel heißt, welches die Autorin auf ihre Weise neu bearbeitet hat. Sie bietet damit einen ungewöhnlichen Zugang zu dem mythologischen Stoff, dessen Inhalt sie als bekannt voraussetzt. Sie sei inspiriert worden «von dem verqueren Wunsch, ihn noch einmal ganz von vorn, bis hinein in die Gegenwart aufzurollen, jenseits von Aktualisierung und Kitsch, den größten Feinden der Rezeption eines Mittelalters, von dem wir nach wie vor wenig wissen», hatte sie vorab in einem ‹Werkstattbericht› erläutert.
In drei Kapiteln wird die sattsam bekannte, kanonische Geschichte in groben Zügen nacherzählt, unterbrochen jeweils von einem Kapitel «Pause». Zur Erläuterung der einzelnen Szenen werden, quasi als Reminiszenz an den Stummfilm, viele erläuternde Texttafeln zwischengeschaltet, was die Orientierung in der manchmal slapstickartig turbulenten Handlung durchaus erleichtert. Das mythische Geschehen selbst wird als alljährliches Festspiel in Worms unter freiem Himmel aufgeführt, ein wichtiges, touristisches Event. In den beiden langen Pausen werden die zahlreichen Darsteller, in einem erfrischend witzigen Plauderton, zu ihrer Rolle und ihrer Haltung zu dem Epos befragt. Als «Zeuge im Beiboot» beobachtet die im Abspann als Drehbuchautorin aufgeführte Felicitas Hoppe das kitschig inszenierte Schauspiel aus einer kritischen Distanz. Der vielbeschäftigte Tod wird dabei von einem «Laien aus Worms in einem Trainingsanzug von Woolworth» verkörpert, die Begleitmusik liefert der örtliche Männer-Gesangsverein, der Drache ist aus Pappmaschee. Mit «Die goldene Dreizehn» als Metapher bezeichnet die Autorin den im Rhein versenkten Schatz, der sich als ständig mutierender, unentwegt herum streunender Algorithmus erweist. Er ist der eigentliche Mittelpunkt in diesem blutrünstigen Tanz ums Goldene Kalb, denn darauf laufe es letzten Endes ja immer hinaus, macht uns die Autorin deutlich.
Sie benutzt dafür sehr virtuos drei Erzählebenen: Zum einen die Wormser Freilichtbühne mit ihrer massentauglichen, modernen Inszenierung der uralten Sage, die von ihr kräftig durch den Kakao gezogen wird, ferner der Stummfilm als dialogloser, künstlerisch anspruchsvoller Plot mit den Fakten sowie, kontemplativ besonders ergiebig, die schlagfertigen Pausen-Interviews, in denen auch das Theaterleben als solches karikiert wird. In einer Mischung aus intellektuell höchst anspruchsvollen Reflexionen mit immer wieder eingestreuten Späßen und Albernheiten brennt die Autorin ein erzählerisches Feuerwerk ab, das seinesgleichen sucht in der deutschsprachigen Literatur. Basis für Zitate ist die 2006 erschienene Übertragung des Nibelungenliedes von Uwe Johnson, szenisch wird auf den künstlerisch unerreichten Stummfilm von Fritz Lang Bezug genommen, der als einziger kitschfrei mit dem Stoff umgeht.
Stilistisch wortmächtig, thematisch anspruchsvoll, zugleich aber auch wohltuend albern, gelingt diesem Buch das Kunststück, mit fließenden Grenzen der abgedroschenen Sage nicht nur eine neue Sichtweise abzugewinnen, sondern auch auf witzige Art angenehm zu unterhalten. Alles in allem also ein raffiniert angelegtes literarisches Vergnügen, das im Nebeneffekt auch so manchen Leser dazu animieren dürfte, erstmals, oder mal wieder, entweder zum Original zu greifen oder diese Sage in moderner Übertragung nachzulesen, notfalls auch als Sachbuch. Und dabei stößt er womöglich dann auf den in Mittelhochdeutsch geschriebenen, ersten Satz des handschriftlich überlieferten Textes, den man früher in der Schule sogar auswendig gelernt hat: «Uns ist in alten mæren wunders vil geseit, von helden lobebæren, von grôzer arebeit».
Fazit: erfreulich
Meine Website: http://ortaia.de
Fünf Richards
Ambivalente Leserbeschimpfung
Vermarktung des gar nicht mehr so individuellen Genders
Der Alchimist. Erstmals erschien die vorliegende Geschichte 1988 in der Originalsprache. Die deutsche Erstausgabe folgte 1993. Die hier nun vorliegende folgt der 1996 im Diogenes erschienenen Version und wurde für die 22. Auflage 2020 ergänzt und überarbeitet. Der bunte Umschlag sowie das schöne Leinen auf der Innenseite des Buchcovers und das praktische Format zeichnen diese Ausgabe, dessen Design von Harper One stammt, besonders aus. Auch Oprah Winfrey hat sie am Nachtkästchen liegen – allerdings auf Englisch.
Batman – Die Maske im Spiegel. Eine dunkel-düstere Alben-Trilogie im Zeichen des DC Black Labels legen Filmemacher Mattson Tomlin (Project Power) und Zeichner Andrea Sorrentino (JOKER: KILLER SMILE) mit „The Imposter“ (dt.: der Nachahmer) vor.
nicht. Das ist kein obdachloser Irrer“, attestiert Blair Wong dem Dunklen Ritter. Wong weiß, dass man nur dem Geld folgen muss, um gute Polizeiarbeit zu leisten. Aber gerade das führt oft in die Irre. Aber natürlich macht sich auch Batman selbst Gedanken über seinen Doppelgänger und versucht eine Spur zu entdecken, die schlüssig ist. Ob es sich nur um eine persönliche Vendetta gegen die drei Opfer handelt und die Sache damit schon erledigt ist, erfahren wir vielleicht in Teil 3, der jetzt schon angekündigt wurde. Aber wie sagte schon die Psychologin über den jungen Bruce Wayne: “Er muss lernen, seine Dämonen zu kontrollieren…oder er wird sein eigener Feind.”




Thematisch überfrachtet
Gleich zwei Batman-Sammelbände mit vielen unterschiedlichen Autoren und Zeichnern sind bei Panini erschienen. „Im Zeichen der Fledermaus“ und „The World“ ermöglichen einen Überblick und Kurzeinstieg zur Einführung, wie vielseitig die Batman-Interpretationen schon geworden sind. Wer dann noch mehr will, der folge dann seinen neuen Lieblings-Autoren oder -Zeichnern.
Der zweite, „Im Zeichen der Fledermaus“, von den Zeichnern Denys Cowan, Kyle Hotz, Scot Eaton, Tom Mandrake und Autoren John Arcudi, John Layman, Mark Russell, Tom Taylor beinhaltet ganze 15 eigenständige Stories auf 172 Seiten, das meiste davon deutsche Erstveröffentlichungen. Mit dabei sind neben Killer Croc, dem Joker, Pinguin und Scarecrow auch der ehemalige Rechtsanwalt Two-Face, von dem leider länger schon keine langen eigenständigen Stories mehr erschienen sind, obwohl er in der Christopher Nolan Trilogie doch ganz gut angekommen ist. In der hier vorliegenden Episode sitzt Two-Face in Arkham Asylum ein und schmeißt den „wichtigsten Wurf seines Lebens“ – mit seiner Münze. Es geht immerhin um „das einzige Gute was mir je im Leben passiert ist“, seine Gefängniswärterin Anna. Kenner wissen, das seine alles entscheidende Münze, anders als Two-Face’s Gesicht – keine „andere Seite der Medaille“ kennt. Vielleicht darf man demnächst auf neue Veröffentlichungen von Two-Face Abenteuern hoffen? Im englischen Sprachraum erschien zuletzt immerhin „Two Face: A Celebration of 75 Years“ (2017). Der vorliegende Batman-Sammelband entführt die Leser in einen Zoo, zeigt Red Hood und Nightwing beim Handshake und einer Kooperation in Action, alle Robins und einen falschen, Commissioner Gordon beim Whiskey-Trinken mit Two-Face in einer Bar oder Jimmy Olsen auf der Flucht. Auch ein Wiedersehen mit Supergirl sowie eine weitere unkonventionelle Liebesepisode zwischen Cat und Bat.
DC Celebration – Der Joker. Schon in der ersten Batman-Ausgabe von 1939 debütierte auch sein Konterpart, der Clownprinz des Verbrechens, besser bekannt als der Joker. Der wohl größte Widersacher von Gotham Citys Mitternachtsdetektiv, Erzfeind und Nemesis unseres Helden und dunklen Ritters hat aber etwas gemein mit allen Superhelden: er trägt eine Maske, hinter der er seine wahre Identität verbirgt.

Genderless und Rollenklischees
Entscheidende Momente in Liebe und Politik