Chancen und Schwächen der Lebensphasen einer Frau
Autorin Sabine Groth beschreibt in ihrem Buch nicht nur die einzelnen Lebenszyklen der Frau, sondern auch deren Vor- und Nachteile, wobei sie die Vorzüge der einzelnen Lebensphase betont und Tipps gibt, wie die Frau sie für sich nutzbar machen kann. Sie betont auch, dass wir alle die Archetypen der Frau (das Mädchen, die junge, die reife und die alte Frau) immer in uns tragen und auf deren Qualitäten zugreifen können. Oft geschieht das intuitiv, wenn z.B. eine junge Frau etwas sagt oder macht, das man eher einer älteren Frau zugetraut hätte. Mithilfe ihrer “Experimente”, wie sie sie nennt, kann die Frau üben, sich selbst wahrzunehmen, an ihre Wünsche und Bedürfnisse heranzukommen und sich selbst wieder ein Stück mehr zu heilen.
Groth fängt mit dem Mädchen an. Sie sagt, dass jede von uns das kleine Mädchen in sich trägt: das sind all die glücklichen, aber auch wenig schönen Momente, die wir in unserer Kindheit erlebt haben. Das innere Kind wahr- und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen, empfiehlt Grothe, um wieder Zugang zu sich selbst zu erhalten, kindische Verhaltensweisen abzulegen und zu heilen.
Die junge Frau bringt Begeisterungsfähigkeit und körperliche Kraft mit, ist visionär, flexibel und mutig. Aber sie hat meist auch einen brüchigen Selbstwert, wartet auf einen vermeintlichen “Traumprinzen”, der wohl für immer ein Traum bleibt, hat einen Mangel an Weitsicht und ist noch unerfahren. Sie hat viele Gesichter und Rollen. Sie geht zyklisch mit ihrer Menstruation. Diesem Teil widmet Groth große Aufmerksamkeit, da die Menstruation auch im Westen ein Tabu-Thema ist – im Gegensatz zu früher, wo das Erblühen der Weiblichkeit mit einem Fest gefeiert und gewürdigt wurde. (Die Scham, die Unwissenheit und das Lächerlichmachen dieses wichtigen Themas beschreibt sehr gut das Jugendbuch “Alles ganz normal”.) Außerdem geht Groth auf das Thema “Kinder oder keine Kinder bekommen” ein bzw. auf einen unerfüllten Kinderwunsch.
Die Mutter als nächste Lebensphase kann eine Mutter im biologischen und/oder im geistigen Sinne sein, indem sie z.B. Projekte großzieht. Auch das Sich-Selbst-Bemuttern (wenn herzliche Mütterlichkeit in der Kindheit gefehlt hat) ist ein großes Thema. Außerdem wie sich die Beziehungskarten mit einem Baby neu mischen und wie die Mutter mit dem Baby geboren wird. Allerdings ist meine Erfahrung, dass auch frau das Muttersein ganz schnöde lernen muss. Groth sagt hier zum Glück aber auch, dass Mutter nicht gleich Mutter ist und geht auf verschiedene gängige Muttertypen ein, wie die perfekte Mutter, die ausgebrannte Mutter, die sich aufopfernde Mutter, die aber alle eines gemeinsam haben: Es sind gebrochene Typen und keine heilen, ganzen.
Auch das Thema Wechseljahre wird von Groth ausführlich behandelt. Sie versucht mit dem Schreckgespenst der ausrangierten und hässlicher werdenden Frau aufzuräumen. Sie führt das Beispiel der Männer an, von denen man sagt, sie werden mit zunehmendem Alter reifer und damit attraktiver. Für meinen Geschmack trifft es das aber nicht ganz. Männer halten sich vielleicht für attraktiver, sind es aber nicht. Da fehlt es bei vielen an geistiger Reife und Verantwortungsbewusstsein (v.a. für Frau und Familie) und sie altern vom Körper her genau wie die Frauen auch. Die Krone setzen dann die Männer auf, die alternd und ohne psychische Arbeit an sich selbst zu leisten hinter Frauen herjagen, die mindestens ihre Tochter sein könnten. Sollte aber eine alternde Frau es wagen, sich einen Jüngeren zu angeln – was anscheinend biologisch und von der ursprünglich matriarchalen Lebensweise sogar besser passen würde – dann haben sie und ihr jüngerer Mann mit Vorurteilen zu kämpfen.
Groth spricht die Vorteile der Wechseljahre an. Die größten sind die, dass frau mit ihrem Leben besser aufräumen kann, weil sie nicht mehr (auch hormongesteuert) dem Muttersein frönen muss. Sie blickt durch ihre Lebenserfahrung und Hormonumstellung nun mit anderen Augen auf ihr Leben und kann alles aussortieren, was ihr nicht gut tut. Sie kann ihre Interessen (auch dank mehr männlicher Hormone) aggressiver durchsetzen. Sie orientiert sich jetzt mehr an ihren eigenen Bedürfnissen und ist nicht mehr so abhängig von der Meinung anderer, v.a. von der männlichen Meinung. Allerdings braucht sie für diesen inneren Rückzug und Aufräumprozess Zeit, die sie meist wegen der Mehrfachbelastung nicht hat. Groth spricht hier auch den Jugendwahn an, dem viele Frauen durch Schönheits-OPs, Botox und Ähnlichem Aufwind geben. In Würde altern sieht anders aus, und Grothe macht Vorschläge, wie das gelingen könnte. Und dazu ist innere Arbeit (Stichwort Psyche) wichtig, nicht die Arbeit am Äußeren.
Die weise Alte schließlich hat viel Lebenserfahrung, die sie für ihre Zwecke einsetzen kann. Sie muss sich von nichts und niemandem mehr etwas sagen lassen. Wenn die innere Arbeit mit sich selbst gelungen ist, braucht sie das Altern nicht zu fürchten. Sie kann sich dann auch mit Tod und Sterben auseinandersetzen und ihr Leben so regeln, dass sie nichts bereuen muss. Das Leben vom Ende her zu betrachten und notwendige Trauerarbeit zu leisten, hilft ihr zu leben.
Zum Schluss gibt Grothe Tipps, wie frau die alterslose Frau in sich erwecken kann und rät zu einem Frauenzirkel, der Frauen in ihrem Frausein und ihrer Frauwerdung unterstützt. Sie gibt Literaturempfehlungen und bietet ein Verzeichnis der Experimente, der Kraftsätze und eine Übersicht über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lebensphasen an.
Innerer Frühjahrsputz als Grundvoraussetzung für Heilung
Groth gibt in ihrem verständlich geschriebenen Buch eine treffende Analyse der jetzigen und vergangenen giftigen Lebensumstände der Frauen, macht aber gleichzeitig die positiven Seiten der jeweiligen Lebensabschnitte und deren Kraftquellen sowie Freiheiten bewusst. Sie ermutigt Frauen, das eigene Selbst zu finden und zu leben und bietet dazu Übungen an. Die Übungen sollen auch bewusst machen, wo Verletzungen sind, die geheilt werden wollen. Sich ihnen zuwenden, darum trauern und Giftiges ablegen, um heilen zu können, ist wichtig. Denn erst dadurch wird der Weg frei für Neues. Grothe erwähnt auch, dass die Frau durch ihre Zyklen an die Natur angebunden ist (s. auch Lothar Becks Bücher). Sie holt krankmachende Gesellschaftsstrukturen ins Bewusstsein und zeigt Wege auf, sich daraus zu befreien. Reflexion und Selbstreflexion, sowie gut für sich selbst zu sorgen sind zentrale Punkte, um einen neuen gesünderen Weg einschlagen zu können. Dazu gibt sie Beispiele und hilfreiche Fragestellungen. Sie bringt zur Sprache, was sprachlos macht und diffus gefühlt als Unzufriedenheit im Unterbewussten schwelt: So löst sie beim Lesen immer wieder „Aha“-Effekte aus.
Fazit
Das verständlich geschriebene Buch bringt auf den Punkt, worunter Frauen in dieser Gesellschaft leiden. Grothe bringt zur Sprache, was sprachlos macht und diffus gefühlt als Unzufriedenheit im Unterbewussten schwelt: So löst sie beim Lesen immer wieder „Aha“-Effekte aus. Sie betont gleichzeitig aber auch das Gute der einzelnen großen Lebensphasen einer Frau und gibt Tipps z.B. in Form von Übungen, wie man die Kraftquellen der jeweiligen Lebensphasen anzapfen kann, um damit ein gesünderes, besseres Leben zu leben. Dazu ist ein gründliches, inneres Aufräumen nötig, um zu wissen, welche Verletzungen immer noch wirken und wie man sie heilen kann.