Das Protokoll

Version 1.0.0

Von der Gleichheit aller Daseinsformen

Der Debütroman des damals 23jährigen französischen Schriftstellers Jean-Marie Gustave Le Clézio wurde mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet, gleich zu Beginn ein Ritterschlag also für den späteren Nobelpreisträger. Er sei, hat die schwedische Jury in ihrer Begründung geschrieben, «ein Autor neuer Ansätze, poetischer Abenteuer und sinnlicher Ekstase, Erforscher neuer Menschlichkeit jenseits und unterhalb der herrschenden Zivilisation.» In dem außerordentlich informativen Vorwort zu seinem ersten Roman hat sich der junge Autor über das Verhältnis zwischen Schriftsteller und Leser folgendermaßen geäußert: «Es gibt einen Augenblick, in dem sich zwischen dem Erzähler und dem Zuhörer das Vertrauen einstellt und Gestalt annimmt. Dieser Augenblick ist vielleicht der Augenblick des ‹aktiven Romans›, dessen wesentlicher Faktor in einer Art Zwang zur Mitarbeit besteht. Wobei der Text nur ab und zu mit einer Prise Handlung nachhilft». Er möchte nicht an den veristischen Geschmack des Publikums appellieren, «mit Seelen-Zergliederung und Bilderbuch-Deutlichkeit, sondern an seine Gefühle.» Wie auch immer, eine Zuordnung seines Schreibens zum Nouveau Roman ist allenfalls sehr entfernt zu erkennen. In einem längeren Interview hat er später dann erklärt, seine Lieblings-Romanciers seien Robert Louis Stevenson und James Joyce.

Adam, der 29zigjährige Protagonist der Geschichte, hat sich in einer unwirtlichen, verlassenen Villa an der Côte d’Azur einquartiert und lebt dort ziellos und glücklich in den Tag hinein. Der introvertierte, seltsame Hausbesetzer weiß weder, wie er da hingekommen ist, noch ob er vorher im Militärdienst war oder im Irrenhaus. Als Eigenbrödler hat er kaum Kontakte zu anderen Menschen, auch nicht zu seinen Eltern, die er vor zehn Jahren Knall auf Fall verlassen hat. Äußerer Anlass dafür war damals eine von ihm zerbrochene blaue Schüssel, was den Vater sehr in Rage gebracht hat. Aber daneben war der Wunsch nach Freiheit außerhalb der elterlichen Sphäre ebenfalls mit im Spiel, Adam hat sich immer eingeengt gefühlt bei den Eltern und hat seither keinerlei Kontakt mehr mit ihnen. Auf endlosen Spaziergängen durch die Stadt und am Strand entlang sinniert er vor sich hin, beachtet jedes Detail in seiner Umgebung, hinterfragt den Sinn all dessen, was er wahrnimmt, spekuliert über die Zusammenhänge der Dinge. Er ist finanziell ständig abgebrannt, leiht sich kleine Beträge, ohne dass jemals von Rückzahlung die Rede ist oder vom Geldverdienen. Wovon er lebt, bleibt offen, wie auch so vieles Andere in diesem rätselhaften Roman, der nichts auserzählt und alle Realitäten souverän ausblendet.

Auch die junge Michelle, an die Adam öfter Briefe schreibt in seinem gelben Heft und die sie dort sogar beantwortet, steckt ihm manchmal Geld zu und versorgt ihn mit Zeitungen. Er schnorrt sich scheinbar überall durch. Hin und wieder stielt er zuweilen Kleinigkeiten in den Läden, er lebt immer nur von der Hand in den Mund. Die Natur und auch Tiere spielen in seinem Leben eine große Rolle, minutiös werden die maritim geprägte Landschaft, die Gärten und Strände, die Jahreszeiten und das mediterrane Wetter beschrieben. Wenn er Michelle trifft, aber auch bei allen anderen Begegnungen, hält er endlose Monologe, philosophiert über Gott und die Welt. Adam raucht viel, trinkt auch gern mal einen Schluck zuviel und landet am Ende des Romans zur Beobachtung in einer psychiatrischen Klinik. Dort läuft der Antiheld zur Höchstform auf, verblüfft das Ärzteteam mit seinen Erkenntnissen, scheinbar hat er sogar mal studiert, – er ist jedenfalls intellektuell auf Augenhöhe mit den Göttern in Weiß.

Stilistisch arbeitet Le Clézio mit den verschiedensten Textgattungen, baut Aufzählungen, Briefe, Zeitungsartikel und Formeln mit ein, spielt mit Auslassungen, Unterstreichungen, Schwärzungen und Tabellen in seinem Text. Der Versuch des Autors, eine Art Anti-Existenz zu beschreiben, sein Credo von der Gleichheit aller Daseinsformen, führt den Leser en passant durch ein Labyrinth philosophischer Fragen, die allesamt unbeantwortet bleiben, aber inspirierend wirken.

Fazit:   lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Piper Verlag München

Joan Didion’s Verlust und Trauer

Joan Didion’s Verlust und Trauer. Die amerikanische Journalistin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin widmet sich in zwei Romanen ihres Spätwerks den Themen Verlust und Trauer auf eine unnachahmliche, ganz feinsinnige Art und Weise. Während ihre Tochter Quintana auf der Intensivstation liegt, verstirbt ihr Ehemann, der Schriftsteller John Gregory Dunne, an einer Herzerkrankung. Ein doppelter Verlust, der von Normalsterblichen nicht zu bewältigen ist. Von Schriftstellern vielleicht durch das Schreiben.

Das Jahr magischen Denkens

Das Jahr magischen Denkens” legt seinen Schwerpunkt auf den überraschenden und abrupten Verlust ihres Ehemannes. Auch wenn 16 Jahre zuvor eine Herzerkrankung festgestellt wurde, kommt der Tod mit 71 irgendwie doch ohne Vorankündigung, bei Tisch, in der gemeinsamen Wohnung, beim Abendbrot. Ein Kappa 900 SR Herzschrittmacher befand sich in seiner Brust als er starb. 1987 beim Kardiologen sagte er, jetzt wüßte er wenigstens, woran er einmal sterben würde. Die linke Herzkranzarterie wird von Ärzten auch als “Witwenmacher“, wie Didion erwähnt. Den beiden fehlten gerade noch einunddreißig Tage bis zum vierzigsten Hochzeitstag. Zeit ihres Lebens waren sie füreinander der Mensch, dem man vertraute. Das, was sie erlebte, wollte sie immer sogleich mit ihm besprechen und alles mit ihm teilen. Auch die gemeinsame Tochter Quintana. Für andere Schriftstellerehepaare waren die beiden fast ein Vorbild, so gut funktionierte die Beziehung und die Zusammenarbeit. Als er stirbt, gab es eine Weile lange eine Ebene, bei der sie glaubte, es rückgängig machen zu können. Deswegen musste und wollte sie zuerst unbedingt allein sein. “Ich musste allein sein, damit er zurückkommen konnte. So begann mein Jahr magischen Denkens.

Die Ra(s)tlosigkeit der Hinterbliebenen

Da die Wirklichkeit des Todes noch nicht ins Bewusstsein vorgedrungen ist, erscheinen Hinterbliebene oft so, als könnten sie die Verlust relativ gut akzeptieren“, spricht Didion wohl allen Hinterbliebenen der Welt, die einen ähnlichen Verlust zu beklagen haben, aus dem Herzen. Sie unterscheidet zwischen Trauer und Leid: letztere sei vor allem passiv, Leid geschah, aber trauern, die Auseinandersetzung mit Leid, verlange Aufmerksamkeit. Hinterbliebene sehen, wenn sie zurückblicken, Omen, Botschaften, die ihnen entgingen, erklärt sie. Strudel tun sich auf und der Betroffene vermeidet Orte, die ihn an die verlorene Person erinnern könnten, zunächst zumindest. “Jetzt versuchte ich nur noch, den Aufprall zu rekonstruieren, den Sturz des erloschenen Sterns.” Man wisse noch nicht, dass die Beerdigung schmerzstillend sei, eine Art narkotischer Regression, “wo wir in der Fürsorge anderer und in der Schwere und Bedeutung des Anlasses aufgehoben sind“, schreibt sie.

Halluzinatorische Wunschpsychosen

Später dann wird einem sichtbare Trauer quasi vorgeworfen, sie erinnere an den Tod, es werde als unnatürlich empfunden, als “Unvermögen, die Situation zu meistern“. Ein einziger Mensch fehle dir und man habe nicht einmal mehr das Recht, das auch laut zu sagen, wie sie Philippe Ariès paraphrasiert. Auffallend sei auch das Festhalten an Objekten (des Verstorbenen) Festhalten durch eine “halluzinatorische Wunschpsychose“. In Blaue Stunde schreibt sie über denselben Aspekt und fügt hinzu: “Eine Zeit in der ich glaubte, Menschen lebendig und bei mir halten zu können, indem ich ihre Andenken aufbewahrte, ihre `Sachen´, ihre Totems.” (..) Theoretisch dienen diese Andenken dazu, den Augenblick zurückzurufen. Tatsächlichen dienen sie nur das, mir zu verdeutlichen, wie wenig ich den Augenblick genoss, als er da war.”

Blaue Stunden und eine neuer Morgen

In manchen Breitengraden gibt es vor der Sommersonnenwende und danach eine Zeitspanne, nur wenige Wochen, in der die Dämmerungen lang und blau werden. Während der blauen Stunden glaubt man, der Tag wird nie enden. Wenn die Zeit der blauen Stunden sich dem Ende nähert (und das wird sie, sie endet), erlebt man ein Frösteln, eine Vorahnung der Krankheit: das blaue Licht verschwindet, die Tage werden schon kürzer, der Sommer ist vorbei.“ Das Ende des Versprechens, das Joan Didion hier so poetisch anspricht, bezieht sich auf die kürzer werdenden Tage, aber natürlich auch das kürzer werdende Leben, das allzu schnell an einem vorbeifliegt wie ein nichts. Erst erzählt sie von ihrem Haus in Brentwood Park, Kalifornien, wo die geborene New Yorkerin mit ihrem Mann und ihrer Tochter wohnte, bevor sie nach rund 20 Jahren (1988) nach New York rückübersiedelte.

Das Unsagbare aufschreiben

Es ist grausam, sich sterben zu sehen ohne Kinder“, zitiert sie Napoleon Bonaparte, aber noch grausamer ist es wohl, wenn die Kinder vor einem sterben. Damals glaubte sie noch die Zeit würde nie vergehen, ebenso wenig wie die blauen Stunden. Damals, glaubten wir das alle. Auch die Buschfeuer standen damals schon an der Tagesordnung und es war nicht die Frage, ob sie ausbrachen, sondern wann. “Relaxin’ in Camarillo” wie es in dem Eagles Song Hotel California heißt, bekommt eine andere Bedeutung, wenn man diese Zeilen von Joan Didion liest, denn Camarillo war eine Klapse. Und der härteste Satz in “Blaue Stunden” trifft exakt wie ein Torpedo: “Erinnerungen sind das, woran man sich nicht länger erinnern möchte.

Notes to John

Joan Didion ist es in ihren beiden Werken, “Blaue Stunden” und “Das Jahr magischen Denkens”, gelungen, das Persönliche exemplarisch zu machen und es so auch anderen Menschen zugänglich zu machen. In ihrer bewundernswerten Resilienz zeigt sie, dass Aufgeben keine Option ist und das Leben wert ist, jeden Atemzug gelebt zu werden. Joan Didion überlebte die beiden größten Katastrophen ihres Lebens, den Verlust von Geliebtem und Tochter, um beinahe 20 Jahre. Sie starb im Dezember 2021. Demnächst – 2025 – erscheint auch ein Buch aus dem Nachlass mit dem Titel “Notes to John“.

Joan Didion
Das Jahr magischen Denkens
(Originaltitel: The Year of Magical Thinking)
Aus dem Amerikanischen von Antje Rávik Strubel
2021, Broschur, 256 Seiten,
ISBN: 9783548065588
Verlag Ullstein Taschenbuch
14,99 €


Genre: Autobiografie, Roman, Trauer
Illustrated by Ullstein

Reise nach Laredo

Schade eigentlich

In seinem neuen Buch «Reise nach Laredo» hat Arno Geiger die beiden Genres historischer Roman und eskapistischer Roadtrip trickreich miteinander verbunden. Sein Protagonist ist der sterbenskranke Kaiser Karl V, der sich nach seiner Abdankung 1556 in seinen Palast neben dem Kloster Yuste in Spanien zurückgezogen hat. Zwei Jahre später, in der letzten Nacht vor seinem Tod, träumt er von einer Reise ans Meer, die den Hauptteil dieser Erzählung von der späten Selbstfindung eines Menschen bildet. Er war in den 58 Jahren seines Lebens wie in einer Blase eingebunden in eine völlig abgehobene, höfische Gesellschaft fernab vom realen Leben.

Schon die erste Szene zeigt den alten Kaiser nackt, als ein Mensch wie jeder andere auch. Der übergewichtige, kaum noch gehfähige und von opiumhaltigem Laudanum abhängige alte Mann wird mit einer speziellen Vorrichtung in einen Zuber mit warmem Wasser gehoben, um sich darin reinigen zu können, bevor er zu Bett geht. In der folgenden Nacht träumt Karl, wie er einen Jungen aus dem Garten zu sich heranwinkt und mit ihm ein Gespräch beginnt. Der aufgeweckte Elfjährige ist sein illegitimer Sohn, der als Page zum Palast gehört, aber natürlich nicht weiß, dass der abgedankte Kaiser sein Vater ist. Karl fordert ihn auf, um Mitternacht mit zwei gesattelten Pferden an der Klosterpforte auf ihn zu warten, sie würden sich beide heimlich auf eine weite Reise begeben, – Geronimo ist hellauf begeistert. Auf der beschwerlichen Flucht begegnet Karl allerlei Menschen, er durchlebt schwierige Situationen und Entbehrungen und zahlt einen hohen Tribut für seinen Drang nach Freiheit, ohne es aber jemals zu bedauern oder gar an Umkehr zu denken.

Zu einer kritischen Situation kommt es, als sie einer Gruppe von Ganoven begegnen, die ein junges Geschwisterpaar von Cagots in ihrer Gewalt haben, also Angehörigen einer rechtlosen Minderheit, die sich durch einen Gänsefuß aus rotem Stoff an der Kleidung kennzeichnen musste. Das Mädchen kommt ihnen nackt und laut schreiend entgegengelaufen, der ältere Bruder ist an seinen Wagen gebunden und wird bestialisch ausgepeitscht. Karl geht dazwischen, zieht schließlich sogar seine Pistole. Ungewollt löst sich ein Schuss, und einer der Männer hat plötzlich ein Loch im Hut, – woraufhin die brutalen Kerle eiligst Reißaus nehmen. Eine alte Bäuerin nimmt sich des geschundenen jungen Cagots an und pflegt ihn mit verschiedenen Kräutern gesund. Zu viert ziehen sie anschließend gemeinsam weiter und landen schließlich in der Toten Stadt, wo ehemals Silber abgebaut wurde. Dort bleiben sie für längere Zeit in einem Wirtshaus, Karl beginnt zu trinken und wird von dem heimtückischen Wirt beim Kartenspiel ausgenommen, bis er schließlich pleite ist. Verzückt entdeckt Geronimo im Hof der Wirtschaft einen Greif, den er als Symbol der Freiheit bisher nur als Motiv in einem Wandteppich des Palastes kennt. Nach heftigem Streit mit dem Wirt, in dem auch der Greif eine Rolle spielt, ziehen Karl und Geronimo weiter und landen schließlich am Atlantik, in dessen Wellen der Traum endet.

Vor allem gehe es ihm, hat der Autor im Interview erklärt, um Karl als Mensch, als «Privatmann», der in seinem privilegierten Leben niemals auf das nackte Menschsein zurückgeworfen war, er ist «ein Versehrter», fügte er hinzu. Wie reagiert einer, der Krone, Macht und Ruhm hinter sich gelassen hat und Freundschaft, Liebe und Freiheit erstmals erlebte? Und der erfährt, wie hart und entbehrungsreich dieses einfache Leben wirklich ist. Dabei hilft thematisch die Figur des lebensfrohen Geronimo als unbescherter Gegenpart zum eingeengten, angepassten höfischen Dasein, wie es Karl immer nur erlebt hat. Was die philosophischen «Weisheiten» anbelangt, mit denen der trübsinnig machende Roman zahlreich aufwartet, erweisen sie sich meist als belanglose Plattitüden. Den Leser erwartet letztendlich ein stilistisch anspruchslos erzählter, langweiliger Plot ohne Erkenntnisgewinn. Schade eigentlich!

Fazit:   mäßig

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Genre: Roman
Illustrated by Hanser Verlag München

Das Liebespaar des Jahrhunderts

Das Liebespaar des Jahrhunderts. Was mit drei Worten beginnt kann auch mit drei Worten enden. Vom “Ich liebe dich” zum “Ich verlasse dich” führt dieser Roman über drei Dekaden hinweg. Ein unglaublich persönliches Stück Literatur, das jede und jeden von uns betrifft. Julia Schoch fasst das in Worte, was sich die wenigsten von uns zu denken trauen. Und am Ende siegt doch die Liebe. So oder so. Ein Roman vielmehr noch als nur eine Geschichte: ein Manifest der Liebe.

Die Liebe: französische Filme, Revolution und Aufbruch

Die Protagonistin und Ich-Erzählerin in diesem verblüffenden autofiktionalen Roman wuchs im Osten auf und wurde wie so viele andere ihrer Generation von der deutschen Revolution überrascht und überrollt. Sozialisiert im linken Milieu warten sowohl ihr Partner als auch sie auf die nächste, die “zweite” Revolution und praktizieren in ihrer Liebe doch genau das, worauf sie warten: Liebe ohne Bindung. “Wir dachten über Freiheit und Anarchie nach, über die Irrationalität des Kleinbürgers, über die Sinnlosigkeit von Utopien oder die Trägheit der Masse.” 31 Sommer haben sie zusammen erlebt und gelebt, sechs davon wurden sogar als “Jahrhundertsommer” bezeichnet. Von Anfang an fand sie ihn “stattlich” und himmelte ihn an, mit ihrem Bekenntnis zu ihm konnte sie auch in gewisser Weise ihre Herkunft tilgen.

Etui der Liebe

Als sie sich beruflich geografisch trennen müssen, packt er ihr seine Pyjamajacke ein, “Etui der Liebe“, schrieb er auf einen beigelegten Zettel. “Unsere Liebe fing dort an, wo die Filme aufhörten“, leidenschaftlich gern trafen sie sich zu französischen Filmen in den Kinos ihrer Städte, sie arbeitete stets nur, um die Zeit zu überbrücken, wieder bei ihm zu sein. Arbeit war nur ein Zeitvertreib, “es kam mir logisch vor, alles aufzugeben für dich“. Gesetzmäßigkeiten stellen sich erst ein, wenn man länger zusammenbleibt, also lohnt sich das warten. “Ich habe einen Wimpernschlag gebraucht, mich in dich zu verlieben, und dreißig Jahre, um Gründe dagegen zu sammeln.”

Möglichkeiten eines Lebens (ohne dich)

Julia Schoch hat ein unglaubliches Buch geschrieben. Sie formuliert Fragen, die sich wahrscheinlich jeder stellt, der es länger als einen Wimpernschlag in einer Beziehung aushält. Denn nicht immer ist das Bekenntnis zueinander leicht und gleicht oft einem Wunder. “In was verwandelt man sich, wenn der andere aufhört, einen zu lieben? Verwandelt man sich in sich selbst zurück? Ist man, wenn man aus einer Liebesbeziehung entlassen wird, noch immer der Mensch, in den der andere sich einst verliebt hat?” Was wären die Möglichkeiten eines Lebens (ohne dich)? Die bittere Erkenntnis lautet am Ende des Tages: “Jeder wohnt in seiner eigenen Vergangenheit.” Aber dennoch kann man sich abends beim Einschlafen schon auf den gemeinsamen Kaffee in der Frühe freuen.

Das Liebespaar des Jahrhunderts

Die “Wahrheit” liege nicht in Bildern oder Vergleichen. Sie liegt im Körper des andren, seiner Anwesenheit, seiner Stimmen, seinem Geruch, schreibt Julia Schoch und trifft damit wohl den Nagel auf den Kopf. Vielleicht liege das Geheimnis des Zusammenbleibens ja darin, dass man voneinander abrückt. Zumindest von Zeit zu Zeit Abstand gewinnt und sich seiner selbst versichert. “Frei seine ist nichts, ich wollt ich wäre dein”, zitiert sie St. Vincent Millay und wer diesen Satz verstehen will, der versteht die Liebe. “Die erzählen Geschichten führten mir vor Augen, wie intensiv und groß und einmalig das Leben ist, wenn man liebt.

Wenn das “Liebesobjekt” zum “Studienobjekt” wird, bedeutet das nicht das Ende der Liebe. Immerhin weiß man (dann), was gemeint ist, wenn von Liebe die Rede ist. Die “blinde Liebe” weicht dann vielleicht der “Lust auf Dauer”. Das Wesentliche: unsere Geschichte.

Julia Schoch
Das Liebespaar des Jahrhunderts
Roman
ISBN : 978-3-423-44178-0
2025, 2. Auflage, 192 Seiten

dtv
EUR 10,99 [DE]

 


Genre: Frauen, Liebe, Roman
Illustrated by dtv

In der Ruhe liegt der Wahnsinn

In der Ruhe liegt der Wahnsinn. Der sympathische 39-jährige Engländer mit inzwischen deutscher Staatsbürgerschaft veröffentlichte schon mehrere Bücher im Beck Verlag. Mit seinem neuen vielversprechenden Buchtitel legt er ein sehr persönliches Zeugnis ab, das mit englischem Humor und deutscher Gründlichkeit eine Beziehungsachterbahnfahrt schildert. Konfliktpotential: die Babyfrage.

In der Ruhe liegt der Wahnsinn

Wer länger in einer Beziehung ist setzt sich früher oder später unweigerlich der Babyfrage aus. Dies gilt sowohl für homo- wie heterosexuelle Paare. Aber was, wenn die Babies einfach nicht kommen wollen? Adams Freundin Evelyn schickt ihren Partner auf ein zehntägiges Vipassana-Retreat. Sie hat alles schon organisiert und gibt ihm 50 Minuten Bedenkezeit. Allerdings fährt in 40 Minuten sein Zug. Adam überlegt kurz und packt nicht nur die von Evelyn vorbereitete Tasche, sondern auch eine günstige Gelegenheit beim Schopf. Seit das mit der Befruchtung nicht so richtig klappt befindet sich ihre erst einjährige Beziehung ohnehin in der Krise und da kommt eine Auszeit für beide recht.

Vollkörner und andere Freunde

Aber zehn Tage in einem Schweigeretreat? Mit lauter “Vollkörnern”? Kann das gut gehen? Adam Fletcher verfügt über einen ausreichend amüsanten Humor, dass nicht nur seine Reise, sondern auch die Lektüre seines Bekenntnisses so unterhaltsam wird, dass sich der Plot sogar zu einer absoluten Hyperbel steigert. Denn das er am Ende seiner Achterbahnfahrt in einem Flugzeug nach Adamistan sitzt in dem lauter andere, jüngere Ausgaben von ihm selbst sitzen, Adams eben, das kann ihm so schnell niemand nachmachen. Daran kommt auch die Abschiedsszene von seiner Ex Sarah gut ran. Ein echter Knüller für jede/n Leser/in.

Vipassana: die Dinge sehen, wie sie wirklich sind

Zehn Tage Schweigen, zehn Tage Meditieren, zwölf Stunden am Tag. Ohne Bücher, ohne Handy, ohne Internet. Kann man sich das heute wirklich noch vorstellen? Wahrscheinlich ist das, was Adam macht, eines der letzten Abenteuer, die wirklich Mut erfordern. Denn bei seinem Roadtrip ohne Reiseversicherung gibt es eines ganz sicher nicht: ein Rückfahrticket. Wer sich einmal auf sich selbst einlässt, wird wissen, dass er sein Leben lang damit zu tun haben wird. Adams Reise ins eigene Innere offenbart ihm die wesentlichsten Momente seines bisherigen Lebens und damit schließlich auch das Glück das er sucht. Er lernt, sich selbst zuzuhören, aber auch wieder hinaus, zu den Menschen und zur Liebe seines Lebens, zu treten. Die “Festung seines Denkens” zu verlassen und neues auszuprobieren verdient in jedem Fall Respekt. Man schafft sich seine Verhältnisse ohnehin selbst. Adam lernt als erstes richtig zu atmen und worum es dabei geht: die Gegenwart. Falsche Glaubenssätze werden von ihm hinterfragt und zu Irrglaubenssätze, falschen Welterklärungsmodellen und Weisheiten.

Wrack aus Wut, Weh und Wirrnis

Aus dem “Wrack aus Wut, Weh und Wirrnis” wird alsbald ein Wurmfresser, der für andere lustige Spitznamen wie Grill Bill, Apfelficker, Rotkappe, Saubär et al erfindet. “Was ist der Sinn von Nihilismus?“, ist eine durchaus berechtigte Frage. Bald lernt Adam den Unterschied zwischen Philtrum und Masturbatorium doch noch schätzen und findet mit Hilfe seiner Frau eine Antwort auf seinen Satz der alle anderen Sätze beenden sollte. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, …

Ein unterhaltsamer Ratgeber voller britischem Humor, der gängige Klischees über Rollenbilder aufbricht und ihnen eine neue Dimension verleiht. Eine amüsante. “Bist du jetzt Happy Meal du McMotherfucker?” Okay. Das war jetzt der deutsche Anteil am Humor.

Fletcher, Adam,
In der Ruhe liegt der Wahnsinn.
WIE ICH IN EINEM 10-TÄGIGEN SCHWEIGE-RETREAT DEN VERSTAND VERLOR, ABER MEIN GLÜCK UND ALLES ANDERE FAND.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
ISBN: 978-3-406-82438-8
2025, Hardcover, 270 S.
C.H.Beck Verlag
20,00 €


Genre: Roman
Illustrated by C.H. Beck München

Die Verletzlichen

Narratives Können und gedankliche Tiefe

Die amerikanische Schriftstellerin Sigrid Nunez hat in ihrem neuesten Roman «Die Verletzlichen» die Zeit der Corona-Pandemie mit allen ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft thematisiert. Schon mit dem Buchtitel wird auf Covid 19 hingewiesen, denn vulnerabel waren nicht nur Alte und Vorerkrankte, unter dem Lockdown litten auch die medizinisch nicht betroffenen Menschen. Die Autorin und ihre namenlose Protagonistin sind beide Schriftstellerinnen im Alter um die siebzig, wohnen in New York, arbeiten als Dozentinnen für kreatives Schreiben. Sie sind kinderlos, beide unverheiratet geblieben, und sie lieben Tiere, quasi als die besseren Menschen. In diesem zeitlich im Frühjahr 2022 angesiedelten, autofiktionalen Roman markiert ein kleiner Papagei, ein grüner Ara namens Heureka, narrativ eine rote Linie durch den fast ereignislosen Plot, denn gerade diese Spezies leidet ebenso unter Einsamkeit wie der Mensch, kann daran sogar zu Grunde gehen.

Eine in einem anderen Bundesstaat lebende Freundin bittet die alternde Protagonistin, sich um einen Ara zu kümmern, der in einer luxuriösen New Yorker Wohnung ganz in ihrer Nähe Opfer des Lockdowns geworden ist. Denn sein mit ihr eng befreundetes Besitzerpaar wurde auf einer Reise von der Pandemie überrascht und kann nun wegen der strengen Restriktionen nicht mehr zurückkehren. Und so geht die Protagonistin täglich für mehrere Stunden in die fremde Wohnung, nicht nur um den Papagei zu füttern, sondern auch, um mit ihm zu spielen und zu ihm zu sprechen. Eines Tages ist plötzlich ein junger Mann in der Wohnung, der schon vor ihr den Vogel versorgt hatte und sich nun wieder um ihn kümmern will. Trotz des großen Altersunterschieds und dem anfänglichen Unmut zwischen den Beiden kommt es zu interessanten Gesprächen zwischen ihnen zu den verschiedensten Themen, wobei ihr lebhafter Gedanken-Austausch manchmal sogar durch gemeinsames Kiffen wohltuend beflügelt wird.

In der typisch amerikanischen, schnörkellosen Schreibweise verfasst, ähnelt dieses Buch durch seine Fülle an tiefgründigen Gedankengängen eher einem Essay als einer autofiktionalen Erzählung. Der Papagei dient der Autorin dabei als Katalysator für ihre Selbst-Beobachtungen zu Themen wie Älterwerden, Einsamkeit und Erinnern sowie den Schreibprozess als solchen, wobei sie auf Texte, Zitate und Äußerungen von berühmten und weniger bekannten Kollegen aus der schreibenden Zunft zurückgreift. Es ist ein Füllhorn literarischer Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie unermüdlich vor dem Leser ausbreitet, immer eng verbunden mit dem Schreiben als schöpferische Tätigkeit, an der die raue Wirklichkeit gespiegelt wird. Wer halbwegs belesen ist, begegnet bei der Lektüre so manchem ihm wohlbekannten Schriftsteller. Man wird allerdings auch mit amerikanischen Autoren konfrontiert, deren Namen man noch nie gehört hat, die nicht auf der eigenen Leseliste stehen und deren Bedeutung man als an die deutsche Sprache gebundener Leser nicht einzuschätzen vermag. Sigrid Nunez trifft mit ihrem melancholischen Roman einen Nerv der Zeit, der die eigene Verletzlichkeit ebenso aufzeigt wie die vielen Leerstellen in den zwischen-menschlichen Beziehungen, die das Miteinander erschweren oder sogar völlig unmöglich machen.

Obwohl vom Stil her essayartig angelegt, wird diese allumfassende Erkundung des eigenen Innenlebens leichthändig, oft humorvoll und unterhaltend erzählt, ohne dadurch an Relevanz einzubüßen. Besonders stechen dabei die vielen Anekdoten der zitierfreudigen Autorin hervor, die pointiert fast alle Felder der Literatur abdecken. So ganz nebenbei gewähren sie viele erhellende Einblicke in eine Kunstgattung, die wie keine andere als unabdingbare Voraussetzung für die kulturelle Entwicklung des Homo sapiens gelten muss. Narratives Können und gedankliche Tiefe verbinden sich hier auf unterhaltsame Weise zu einer lang nachwirkenden Lektüre.

Fazit:   erfreulich

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Genre: Roman
Illustrated by Aufbau Berlin

Wild nach einem wilden Traum

Der jüngst erschienene Roman «Wild nach einem wilden Traum» von Julia Schoch ist der letzte einer unter dem Titel «Biografie einer Frau» erschienenen, unabhängig voneinander zu lesenden Buchreihe. Auf dem Umschlag des Buches hat sie dazu erklärt: «Was ich in der Trilogie erzähle? Dass wir unterschiedliche Rollen im Leben haben und oft nicht wissen, was wir für andere sind. In den drei Büchern möchte ich Gerechtigkeit walten lassen. Ein Wunschtraum, vielleicht. Aber ein schöner.» Herausgekommen ist dabei zum Abschluss nun dieser autofiktionale Roman, in dem von einer Schriftstellerin aus Mecklenburg-Vorpommern erzählt wird, die an einem Kipppunkt ihres Lebens steht. Die namenlos bleibende Protagonistin des Romans erzählt in zwei Handlungs-Strängen von der Liebesaffäre mit einem Mann und von der für ihr Leben folgenreichen Begegnung als Mädchen mit einem jungen Soldaten.

Anlässlich eines Stipendiums in den USA lernt sie als angehende Schriftstellerin einen spanischen Kollegen kennen, der nicht müde wird zu betonen, er sei Katalane. Was sie als in der DDR aufgewachsenes Kind sehr erstaunt, war doch die Wiedervereinigung der zwei deutschen Staaten für sie ein endlich wahr gewordener, lang ersehnter Traum. Der ebenfalls namenlos bleibende Katalane hingegen träumt von der staatlichen Abtrennung seiner Region von Spanien. Sie ist fasziniert von diesem charismatischen Mann, der als Schriftsteller bereits sehr erfolgreich ist, und sucht bei den abendlichen Gesprächen der Stipendiaten seine Nähe. Denn er ist auch ein begnadeter mündlicher Erzähler, dem alle gern zuhören. Als er ihr wenige Tage später nach einem Abendessen per Handzeichen signalisiert, er erwarte sie in fünf Minuten in seinem Zimmer, folgt sie ihm ohne Zögern. Sofort, ohne jedes verliebte Vorgeplänkel, haben sie einfach nur rauschhaften Sex miteinander. Unmittelbar danach reden sie dann wieder über Literatur und das Schreiben, für das sie ja alle hierher gekommen sind, in die ablenkungsfreie Ruhe einer ländlichen Ödnis nahe New York.

Die Begegnung der damals zwölfjährigen Protagonistin mit dem jungen NVA-Soldaten aus der benachbarten Garnison am Stettiner Haff, in der auch ihr Vater als Offizier stationiert ist, markiert einen zweiten Kipppunkt ihres Lebens. Sie trifft ihn zufällig bei einem Spaziergang im Wald, wo er Pilze sucht, unterhält sich angeregt mit ihm, und bald treffen sie sich dann regelmäßig an gleicher Stelle. Er ist sehr an Literatur interessiert und bestärkt sie wirkungsvoll in ihrem «wilden Traum», eine Schriftstellerin zu werden. Beide Themen, die Liebe und die Schriftstellerei, werden in diesem Roman abwechselnd und in parallelen Handlungssträngen mit allerlei philosophischen Gedankengängen verknüpft. Erzählerisch auffallend distanziert, quasi nebenbei, erfährt der Leser dass die Protagonistin verheiratet ist, zwei Kinder hat, früher gerne mit ihrem Mann gereist ist und ihn jetzt nur noch manchmal zum Essen in einem Restaurant trifft. Mehr erfährt man nicht dazu!

Julia Schoch nähert sich ihrer Thematik völlig emotionslos. Der Katalane im Roman ist Liebhaber der Ich-Erzählerin für wenige Wochen, von einer verzehrenden Liebe ist hier nicht die Rede. Ihre Affäre mit ihm war letztendlich nur der Anstoß für die Protagonistin, ihr bisher eher langweiliges, angepasstes Leben neu zu  ordnen. Es geht um das Verstehen in diesem Roman eines Frauenlebens, um die Wechselwirkungen des Lebens und des Schreibens, letztendlich um die Frage, was wahr ist. Schafft das Schreiben eine neue Wahrheit? Verändert das Schreiben die Wahrheit? Ist Liebe Wahrheit oder Illusion? Ist Liebe überhaupt ein eindeutiger Begriff? Wie verändert Zeit die Liebe? Kann Literatur Wirklichkeit schaffen? In stilistischer Form des Bewusstseinstroms geht ein wahrer Regen an Fragen auf den Leser nieder, die ihn förmlich zu kontemplativer Mitwirkung anregen, vielleicht sogar dazu zwingen. Wenn Literatur das schafft, hat sie wahrhaftig ihren Zweck erfüllt!

Fazit:   erstklassig

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Genre: Roman
Illustrated by dtv München

Der Meister und Margarita

Der Meister und Margarita. Gebunden, mit Farbschnitt, Prägung, Lesebändchen und 25 beeindruckenden, ganzseitigen Illustrationen von Alexander Fedorov: das ist eine Festausgabe des russischen Kultbuchs von Michail Bulgakow. Der am 15. Mai 1891 in Kiew geborene und am 10. März 1940 in Moskau – vor bald 85 Jahren – gestorbene Autor beschäftigt die Literaturgeschichte seit mehr als 100 Jahren. Ebenso sein Hauptwerk, das nun in einer bibliophilen Ausgabe beim Anaconda Verlag erschienen ist. Weitere ähnlich gestaltete Neuauflagen seiner anderen Werke finden sich auf der Verlagsseite.

Die letzten Gerechten: Meister und Margarita

“Der Meister und Margarita” wurde von Bulgakow zwischen 1928 und März 1940 verfasst. Die letzte Fassung wurde von ihm persönlich seiner Frau quasi am Totenbett diktiert. Das Werk erschient aber erst November 1966, 26 Jahre nach dem Tod des Autors, in Fortsetzungen in der Literaturzeitschrift Moskwa. Er war von der Zensur um rund ein Achtel gekürzt worden. Die Zeitschrift hatte eine Auflage von immerhin 150.000 Exemplaren und war binnen weniger Stunden ausverkauft. Die von der Zensur herausgekürzten Textteile wurden sogar handschriftlich vervielfältigt und als Samisdat heimlich im Untergrund weiterverbreitet, so beliebt war die Geschichte. Viele Menschen lernten ganze Passagen sogar auswendig, um sie weitergeben zu können. Aber was regte die stalinistische Zensur damals eigentlich so auf? Der Plot spielt hauptsächlich in der immer noch existierenden Wohnung Nr. 50 in der Sadowaja 302b, in der der Autor von 1921 bis 1924 ein Zimmer bewohnte. Inzwischen sei die Wohnung längst zu einem beliebten Ausflugsziel von Bulgakow-Verehrern geworden, so diverse Quellen. Im Moskau zu Beginn der 30er-Jahre sucht der Teufel höchstpersönlich die Stadt heim und stürzt ihre Bewohner:innen mit tatkräftiger Unterstützung seiner Zauberlehrlinge in ein Chaos aus Hypnose, Spuk und Zerstörung. Die verdiente Strafe für Heuchelei, Korruption und Mittelmaß trifft alle gleichermaßen, bis auf die letzten zwei Gerechten. Der im Irrenhaus sitzende Schriftsteller, genannt “Meister” und Margarita, dessen einstige Geliebte.

Der Liebe zum Durchbruch verhelfen

Die Biographie des Pontius Pilatus ist die eine Geschichte, die von Bulgakow als „Roman im Roman“ erzählt wird und darin verwendet er nicht nur die alten gräzisierten oder hebräischen Formen. Er weist darauf hin, in welchen Sprachen damals gesprochen wurde, neben Latein auch in Griechisch, aber vor allem Aramäisch. „Golgatha“ (aramäisch) wird nicht „Ort der Stirn“ (russisch: lobnoe mesto) genannt, sondern als Begriff der slawischen Folklore: Kahler Berg („Lysaja Gora“). Der berüchtigte Treffpunkt der Hexen, der im Westen durch Modest Mussorgskis „Noc’ na Lysoj Gore“ bekannt wurde. Zum Ausgangspunkt seines Romans wählt Bulgakow aber die Moskauer Patriarchenteiche, die wie der Name schon andeutet, einst dem Patriarchen, also der russischen Kirche, gehörten. Der Roman, der eine Dekade nach der Revolution begonnen wurde, zeigt wie der „Ziegensumpf“, der volkstümliche Name der Teiche, schon das Dämonische anklingen lässt: „Koz’e boloto“. Denn bei Ziege denkt man gleich an den Bocksfüßigen, der überall seine Hände im Spiel hat. „I was around when Jesus Christ had his moment of doubt and pain/Made damn sure that Pilate washed his hands and sealed his fate“, sangen die Rolling Stones und weiter: „I stuck around St. Petersburg, when I saw it was a time for a change…”. Nun, bei Bulgakow kommt der Teufel bis Moskau und zettelt zwar keine Revolution, aber doch ein ziemliches Chaos an. Im Zweiten Teil taucht dann endlich auch Margarita auf, der Leser spürt es schon im ersten Satz: „Wer hat dir erzählt, es gebe auf der Welt keine echte, wahrhafte, ewige Liebe? Möge dem Lügner seine schändliche Zunge abgetrennt werden!“

Faust lässt grüßen: Meister und Margarita

Ist es also allein dem Charme dieser Margarita zu verdanken, dass Woland (Professor W) mit Hilfe seiner Kumpanen, dem Kater Behemoth, dem wienernden Korowjew, Azazello und der Dienerin Gella, der Liebe zu ihrem Durchbruch verhilft, auch wenn er die Liebenden dann – wie bei Tristan und Isolde – zunächst Gift trinken lässt? „Und Sie bleiben auch ganz bestimmt auf dem Teppich?“ Neben den Patriarchenteichen und einem Theater spielt der vorliegende russische Jahrhundertroman des fantastischen Realismus auch in der Wohnung des verunglückten Berlioz, Nr. 302 Block B Wohnung 50, und der besagten Irrenanstalt. „Nun gut, der Liebende hat das Geschick des Geliebten mitzutragen“, heißt es am Ende der Schleife, in der Margarita und der Meister sich finden und die illustren 5 nicht gefasst werden können. 2023 erschien in Russland die Verfilmung von “Der Meister und Margarita” von Michael Lockshin (157 min, mit August Diehl, Yulia Snigir, Evgeniy Tsyganov). Kinostart Deutschland/Österreich ca. 1.5.2025

Michail Bulgakow
Der Meister und Margarita. Schmuckausgabe mit Illustrationen von Alexander Fedorov,
Mit Farbschnitt, Leseband, geprägtem Cover, übersetzt von Alexandra Berlina
2024, Hardcover, Pappband, 512 Seiten, 13,5×21,5cm, SW-Illustrationen
ISBN: 978-3-7306-1425-9
Anaconda Verlag
€ 18,00


Genre: Roman
Illustrated by Anaconda

Die Vegetarierin

Vielschichtig und lange nachwirkend

Das bisher wohl beste und auch bekannteste Werk der gerade erst mit dem Nobelpreis ausgezeichneten, südkoreanischen Schriftstellerin Han Kang mit dem Titel «Die Vegetarierin» wurde 2016 mit dem ‹Booker Prize International› geehrt als bester fremdsprachiger Roman. Die Feuilletons feierten das in mehr als 25 Sprachen übersetzte und inzwischen auch verfilmte Buch in höchsten Tönen. Wie schon in anderen ihrer Romane ist auch hier ein Traum der Auslöser für das thematisch an Kafka erinnernde, verstörende Geschehen. «Ich hatte einen Traum» ist die immergleiche Erklärung der Protagonistin für ihre plötzliche Obsession, mit der die Abwärts-Spirale zu den letztendlich sogar ihre Existenz vernichtenden Wahnvorstellungen zunächst scheinbar ganz harmlos beginnt.

«Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie in jeder Hinsicht für völlig unscheinbar», lautet der erste Satz. Und lakonisch weiter: «So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.» Alle seine Versuche wie auch die ihrer Familie bleiben erfolglos, Yeong-hye  von ihrer abrupten, kompromisslosen Entscheidung abzubringen, auf Fleisch zu verzichten, was in Korea schon fast als Sakrileg gilt. Das und ihre Ablehnung, einen BH zu tragen, führt schon bald zu einer für den Ehemann höchst peinlichen Situation. Als sie nämlich zum Essen mit seinem Chef eingeladen sind, wird ihr Vegetarismus zum Diskussions-Thema, und auch die sich unter ihrer dünnen Bluse deutlich abzeichnenden Brustwarzen sind für alle am Tisch recht peinlich.

Zwei Jahre später, im zweiten Teil des dreiteiligen Romans mit dem Titel «Der Mongolenfleck» wechselt die Perspektive zum Schwager von Yeong-hye, der als Video-Künstler arbeitet. Inspiriert von einer Theateraufführung möchte er ein neues Projekt angehen, bei dem sich ein am ganzen Körper mit Blumen bemaltes Paar eng umschlungen wie im Tanz bewegt. Er beschließt, seine inzwischen in Scheidung lebende Schwägerin Yeong-hye zu fragen, ob sie bereit wäre, für ihn Modell zu stehen und sich nackt bemalen zu lassen. Denn er weiß, dass sie ein als Mongolenfleck bezeichnetes Muttermal trägt, auch das eine Inspiration für ihn. Ohne Zögern sagt sie zu und lässt sich in seinem Atelier mit Blumen bemalen, wobei er den gesamten Arbeitsprozess per Video aufzeichnet. Er bitte sie, die Bemalung nicht abzuwaschen und noch ein zweites Mal zu kommen, um nun zusammen mit einem Kollegen Modell zu stehen. Sie ist bereit dazu, er bemalt auch den jungen Mann und fordert die beiden Nackten dann auf, sich miteinander in erotischen Posen zu bewegen, wobei er sie filmt. Während Yeong-hye keine Probleme damit hat und sogar bereit wäre, Sex mit dem Mann zu haben, bricht der Kollege die nach seiner Ansicht pornografisch werdende Aktion ab. Sie sein feucht geworden, gesteht sie dem Video-Künstler danach, lehnt es aber ab, statt mit dem Kollegen doch mit ihm zu schlafen. Es wäre die Bemalung des Mannes gewesen, die sie so erregt habe. Daraufhin lässt er sich sofort von einer ehemaligen Kollegin selbst bemalen und fährt noch in der gleichen Nacht zu Yeong-hye, wo sie rauschhaften Sex haben. Als seine Frau die Bemalten morgens im Bett findet, ruft sie den Notarzt, der die beiden ja ganz offensichtlich Geisteskranken in die Psychiatrie einweist.

Aus der Perspektive der Schwester wird im dritten Teil lakonisch der verhängnisvolle Abwärtsstrudel beschieben, der mit dem Erlöschen der Existenz von Yeong-hye endet, die schließlich glaubt, ein Baum zu sein. Der aus ursprünglich drei Novellen entstandene, abgründige Roman thematisiert subversiv, in einer betont nüchternen Sprache, das Unverständnis einer abweichenden Ernährungsweise gegenüber, ferner die Gefahren eines moralisch unkonventionellen Verhaltens und letztendlich eine Psychose, die apokalyptisch endet. Dieser vielschichtige Roman, der auf ganz verschiedene Weise gedeutet werden kann, wirkt thematisch, aber auch wegen seiner stilistischen Schlichtheit sehr lange nach.

Fazit:   erfreulich

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Genre: Roman
Illustrated by Aufbau Berlin

Umlaufbahnen

Raumfahrt für Träumer

Der 2024 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnete Roman der englischen Schriftstellerin Samantha Harvey hat eine ungewöhnliche Thematik. Er beschreibt einen Tag in der ISS, der internationalen Raumstation, die seit 1996 die Erde in etwa 400 Kilometer Höhe umkreist. Dem Buch ist eine Grafik vorangestellt, auf der die sechzehn ca. 90 Minuten langen Erdumkreisungen dargestellt sind, denen die sechzehn Kapitel des Buches entsprechen. Auslöser für ihren Roman war, wie die studierte Philosophin bekundet hat, eine spezielle Form des Eskapismus gewesen, ihre Sehnsucht nach dem Gefühl des Schwebens, im Übrigen aber war die reine Schönheit ihr Antrieb.

Die sechsköpfige Crew der Station besteht aus zwei Frauen und vier Männern, die mit unterschiedlichen Aufgaben betreut, im ständigen Kontakt mit der Bodenstation verschiedene wissenschaftliche Experimente durchführen. Sechzehn Mal am Tag geht für sie die Sonne auf und wieder unter, was ebenso Auswirkungen auf ihren Körper hat wie die permanente Schwerelosigkeit, der sie ausgesetzt sind. Täglich kontrollieren sie deshalb alle Körperfunktionen, analysieren permanent ihre Laborwerte, machen Aufzeichnungen über ihr seelisches Befinden. Neben diesen alltäglichen Tätigkeiten beobachten sie immer wieder die Erde, was sich im Roman zu gefühlt hundertfach wiederholten Schilderungen der Kontinente und Meere niederschlägt, über die sie hinweg fliegen. Wobei die «reine Schönheit» in immer neuen Formulierungen wiederkehrender Gegenstand dieser poetischen Beschreibungen ist. «Natural Writing» in einer fürwahr extremen Form, weil ja der Planet Erde nur immer aus dem gleichen Blickwinkel, aus 400 Kilometern Höhe beschrieben wird.

Das wird mit der Zeit ähnlich langweilig wie die Aktivitäten in der Raumstation selbst. Dem begegnet die Autorin, indem sie in vielen Rückblicken von der familiären Vorgeschichte der Crewmitglieder erzählt. Sie schildert den schwierigen Weg ihrer Figuren als künftige Astronauten und Kosmonaten, einen Traum, der sich ja nur für eine verschwindend kleine Anzahl von Bewerbern erfüllt. Die Rivalitäten zwischen den amerikanischen Astronauten und den russischen Kosmonauten an Bord manifestieren sich schon allein in der abweichenden Bezeichnung. Vor Beginn an hatten die Russen ganz unbescheiden ihre Ambitionen für die Raumfahrt mit «Kosmos» deutlich weiter gesteckt als die USA. Die aber waren seit dem 20. Juli 1969 schon sechs Mal auf dem Mond, ein Russe bis heute nicht. Da wundert man sich dann auch nicht als Leser, wenn es auf der Raumstation eine Toilette nur für Amerikaner gibt und eine separate für Russen. Natürlich wird auch die Geschichte der bemannten Raumfahrt behandelt, von der Explosion der Raumfähre Challenger im Jahre 1986 bis zu den verschiedenen Missionen zum Mond. Der Tod ist ständiger Begleiter dabei.

Es sind im Übrigen die großen Fragen der Menschheit, die von der Autorin angesichts der bestaunten Kulisse von Mutter Erde behandelt werden. Dabei bezieht sie die Kunst mit ein in ihre philosophischen Betrachtungen, zum Beispiel den Roman «Die Wellen» von Virginia Woolf mit einem ähnlichen Setting. Immer wieder wird auch das berühmte Gemälde «Las Meninas» von Velázquez herangezogen zur Verdeutlichung der Perspektive auf das Dargestellte. Der Kontrast zwischen der Winzigkeit der menschlichen Existenz angesichts der Großartigkeit des blauen Planeten und der Unendlichkeit des Weltalls ist Thema dieses Romans, der weder eine Handlung noch so etwas wie einen Spannungsbogen aufzuweisen hat. Was man als Leser der Lektüre dieses Romans zu verdanken hat, das ist das Weiten der Perspektive über den begrenzten Radius hinaus, an den das Erdendasein uns unerbittlich fesselt. Ganz unwillkürlich löst dieser Roman zwar auch viele rationale Fragen aus zum Thema Raumfahrt, aber eigentlich ist er ja wohl doch eher zum Träumen gedacht!

Fazit:   mäßig

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Genre: Roman
Illustrated by dtv München

Findet mich

Eher verstörend als unterhaltend

In ihrem Debütroman «Findet mich» zeichnet die Schweizer Schriftstellerin Doris Wirth das düstere Bild eines Mannes in einer psychischen Krise, die sich zu einer handfesten Psychose auswächst. Dabei beschreibt sie nicht nur den Krankheitsverlauf ihres Protagonisten, sie schildert vielmehr in allen Details auch dessen familiäres Umfeld, das unter den Symptomen seiner Erkrankung am meisten zu leiden hat. Oberflächlich betrachtet könnte man von einer späten Midlifecrisis des gerade arbeitslos gewordenen 51Jährigen sprechen, aber die Ursachen für sein zunehmend krankhafter werdendes Verhalten liegen in Wahrheit tief in ihm selbst, sein Seelenfrieden ist massiv gestört. Der narrative Rahmen des Romans beginnt mit der unangekündigte Flucht seines Protagonisten Erwin, der sich eines Tages einfach in sein Auto setzt und seine Familie im Kanton Zürich mit unbekanntem Ziel verlässt, und er endet mit dem pflegebedürftigen, kaum wieder zu erkennenden Kranken, nur noch ein Schatten seiner selbst, der nach langer, intensiver Therapie wieder zu Hause ist.

In einem fünf Generationen umfassenden Prolog führt Florence, die erwachsene Tochter von Erwin und Maria, den Leser als Ich-Erzählerin in die familiäre Geschichte ein. Aus auktorialer Perspektive wird dann im ersten Teil des Romans der Aufbruch von Erwin geschildert, der seinen rigorosen Rückzug aus der Familie als Spiel begreift, immer nach dem titelgebenden Motto: «Findet mich». Er wird, hat er sich vorgenommen, höchstens hier und da mal eine Spur von sich hinterlassen, hält sich aber für so clever, sich trotzdem nicht erwischen zu lassen bei seiner Flucht. Denn er fühlt sich klar überlegen und lacht bei dem Gedanken, was er da alles auslösen wird bei der bald beginnenden, hektischen Suche nach ihm. Aus Erwins Innensicht erzählend, oft in der narrativen Form des Bewusstseinsstroms, schildert die Autorin die vordergründigen Motive für seine odysseeartige Irrfahrt aus der für ihn unerträglich gewordenen Realität in eine imaginierte, rosige Zukunft. Er träumt vom geradezu archaischen Leben in unverfälschter Natur, frei von allen lästigen Zwängen und von den nervtötenden, alltäglichen Querelen, insbesondere die mit seinen beiden Kindern. Florence leidet an Bulimie, und Lukas ist ein Kiffer, der sich nicht für die Schule. sondern nur für seine Musik interessiert.

Aus ständig wechselnden Perspektiven und zeitlich vor und zurück springend beschreibt Doris Wirth sehr anschaulich und nachvollziehbar ihren Protagonisten als einen naiven Freigeist, der untertaucht in ein vermeintlich wildes Abenteuer. Er wird dargestellt als kompromissloser Aussteiger aus dem verachtenswert angepassten und miefigen Leben des typischen Spießbürgers zwischen Arbeit, Kleinfamilie und dem obligatorischen Feierabendbier. Der dann auch noch jeden Samstag vor der Garage sein Auto auf Hochglanz poliert wie all die Nachbarn auch. Seine Tochter Florence, aber auch sein Sohn Lukas fordern mit ihrer nachlässigen Lebensweise zunehmend seinen Unmut heraus, er ist bald nicht mehr bereit, ihren Schlendrian und die Faulheit hinzunehmen, die sie an den Tag legen im familiären Zusammenleben. Am Ende rastet er schon beim kleinsten Anlass aus und brüllt die Beiden völlig unbeherrscht an, ohne damit allerdings irgendwas ändern zu können. Seine Frau steht auf Seiten der Kinder und versucht ihn zu bremsen, meistens allerdings vergeblich.

In kurzen Sätzen und bunt durcheinander werden die Ereignisse aus wechselnder Perspektive aller vier Familienmitglieder sehr ausführlich geschildert, oft auch als innerer Monolog, wobei eine gewisse Orientierungslosigkeit erkennbar ist, die familientypisch zu sein scheint. Jeder von ihnen sucht seine Freiräume, nicht nur der Vater, der dies am konsequentesten tut, ausgedrückt nicht nur durch seine irre Flucht, sondern auch durch sexuelle Kapriolen, die seine Frau zu akzeptieren gezwungen ist. Konsequent am Thema einer Reise in die unbekannten Tiefen einer Psychose bleibend, wirkt dieser Roman als Lektüre eher verstörend als unterhaltend.

Fazit:   mäßig

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Genre: Roman
Illustrated by Geparden-Verlag Zürich

Kaltblütig

Ohne den genre-typischen Horror

Mit «Kaltblütig», seinem bekanntesten Werk, hat der amerikanische Schriftstellers Truman Capote das neue literarische Genre New Journalism  geschaffen, den Tatsachenroman. Darin schildert er mit den narrativen Methoden einer literarischen Erzählung den im November 1959 tatsächlich passierten, vierfachen Mord an der Familie des Farmers Clutter im Westen des US-Staates Kansas. Darauf aufmerksam geworden ist er durch einen Artikel in der Zeitschrift «The New Yorker». Er begann schon bald mit umfangreichen Recherchen zu dem großes Aufsehen erregenden Fall. Sein Buch erschien dann sechs Jahre später. Er musste sogar warten, hat er erklärt, bis die Hinrichtung der beiden Täter nach verfahrens-technischen Verzögerungen dann auch tatsächlich stattgefunden hatte. Und wer nicht vorinformiert ist als Leser, dem winkt natürlich der größte Lesegewinn, was spätestens ab dieser Stelle hier wirklich wohlmeinend zur Nachahmung empfohlen wird!

Aus wechselnden Perspektiven erzählend berichtet der Autor zunächst sehr ausführlich von der Familie Clutter, deren Oberhaupt es als strebsamer, prinzipientreuer Farmer zu einigem Wohlstand gebracht hat. Er ist als fairer Arbeitgeber bei seinen Arbeitskräften sehr beliebt und zahlt gut. Im Haus wohnen außer den Eltern die halbwüchsige Tochter Nancy und der kleine Kenyon. Zwischen die Beschreibungen der Opferfamilie wird immer wieder mal ein kurzer Schwenk zu den Tätern eingefügt, dem 28jährigen Dick und seinem 31jährigen Kumpel Perry. Die Beiden kennen sich aus dem Gefängnis, wo sie für unterschiedliche Straftaten einige Jahre eingesessen haben. Dick hat ebenfalls dort von Floyd Wells, einem Mitgefangenen, von der Farm der Clutters gehört, wo Floyd ein Jahr lang gearbeitet hat. Dort im Büro befände sich ein Tresor, der tausende von Dollars enthalten müsse, so reich wie Clutter ist. Nach ihrer Entlassung beschließen Dick und Perry, diese Farm, die sie nur aus der Erzählung kennen, nachts zu überfallen. Um nicht erkannt zu werden, wollen sie sich schwarze Damenstrümpfe über den Kopf ziehen. Die sind aber nirgendwo zu bekommen in der dünn besiedelten, ländlichen Gegend. Der Überfall findet statt, ein Tresor aber ist nicht vorhanden, denn Mr. Clutter hat aus Prinzip nie Bargeld im Haus, er zahlt immer nur mit Scheck. Als Bargeld aus den verschiedenen privaten Geldbörsen der Familie kommt letztendlich nur ein Betrag von 40 Dollar zusammen, ein Fiasko für die Verbrecher. Denn ohne Maskierung müssen sie ja alle Anwesenden als Augenzeugen töten, um unerkannt zu bleiben. Und das tun sie denn auch, absolut kaltblütig!

Die Polizei steht vor einem Rätsel, es wurden kaum Spuren hinterlassen, und es fehlt vor allem auch ein Motiv für die schrecklichen Morde, mit dem sich ein Täterkreis eingrenzen ließe. In der kleinen Ortschaft kursieren die wildesten Gerüchte, aber die Clutters waren als brave Kirchgänger überall sehr beliebt, niemand hätte einen Grund gehabt, sie alle umzubringen. Die um drei Beamte des FBI verstärkte Mordkommission bekommt nach drei Monaten plötzlich einen Tipp von Floyd Wells, der als Informant für die Tat lange gezögert hat, sich zu melden, weil er nicht mit hineingezogen werden wollte. Nun geht alles ganz schnell, die Täter werden gefasst, vor Gericht gestellt und zum Tod durch den Strang verurteilt.

Minutiös berichtet Truman Capote von der spannenden Ermittlungsarbeit, dem komplizierten Prozessverfahren, und er legt zudem geradezu sezierend die psychologischen Defekte der Täter offen, denen bis zuletzt, bis zum Galgen, aber jedes Unrechts-Bewusstsein fehlt. Auch hier gilt «Der Weg ist das Ziel», dieser journalistisch präzise erzählte Bericht ist eine bereichernde Lektüre, die so ganz ohne die genretypischen Horror-Szenarien auskommt.

Fazit:   erfreulich

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Genre: Roman
Illustrated by Rowohlt

Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste

Wie Grischa. “Frühling kann sich sehr kalt anfühlen.” Psychiater und SPIEGEL-Bestsellerautor Jakob Hein hat zuletzt gemeinsam mit Kat Menschik auch das illustrierte Kompendium der psychoaktiven Pflanzen veröffentlicht. Bekannt geworden ist er auch durch Mein erstes T-Shirt (2001), Herr Jensen steigt aus (2006), Wurst und Wahn (2011), Kaltes Wasser (2016) und Die Orient-Mission des Leutnant Stern (2018) oder Hypochonder leben länger und andere gute Nachrichten aus meiner psychiatrischen Praxis (2020).

Import Export Geschäfte der “Bruderländer”

Der etwas sperrige Titel des hier neu vorliegenden absurd-abgedrehten Romans über ein bisschen Gras, einen genialen Coup und das Wunder von Bayern entführt die Leserinnen in die Achtziger Jahre als noch FJS in Bayern herrschte, Afghanistan von der Sowjetunion besetzt war und die Mauer gerade noch so stand. Wenn auch etwas wackelig schon. Aber ausgerechnet durch eine fette Finanzspritze aus Bayern konnte das Überleben der DDR noch ein paar Jahre gesichert werden. Wie es dazu kam, dass ausgerechnet Bayern den bankrotten Sozialismus finanzierte, erzählt die hier vorliegende herrlich abgedrehte Geschichte. Der “Held der Arbeit” ist in diesem Fall der Titelheld Grischa, der nicht nur Filmliebhaber ist, sondern auch für den Staatsdienst arbeitet, Assistent der Plankommission.

Als lebten sie schon im Sozialismus

Als solcher macht er sich Gedanken über die Finanzsituation seines Landes und überlegt sich, was das Bruderland Afghanistan, die DR Afghanistan, der D-DR im Austausch für ihre Güter anbieten könnte. Da das Land für klassische Landwirtschaft nicht so gut geeignet sei, bauten die Bauern dort vor allem Opiate und Cannabis an. Unter Einfluss des letzteren fühlten sich die Menschen, “als lebten sie schon im Sozialismus”, beschreibt ein wissenschaftlicher Kollege den Cannabis-Rausch. Was als spreche gegen eine Import-Export-Deal mit dem Bruderland am Hindukusch?

Schelmenstück mit viel trockenem Humor

Im Deutsch-Afghanischen-Freundschaftsladen im Grenzgebiet West-Berlins und der DDR wird alsbald das Harz des Cannabis im Zehnerpack verkauft, neben Wollschals und anderen Gewürzen. Frau Dr Frühling, die etwas seiner Lieblingsschauspielerin Jelena Metjolkina aus dem Film “Die Frau aus dem All” ähnelt, assistiert Grischa bei seinem Unternehmen, auch wenn sie wenig davon überzeugt ist. “Es ist das Gefühl einer großen Verbindung mit der Jugend der Welt im Geiste des Sozialismus“, so Genosse Burg poetisch über das fernöstliche Kraut, das sich bald wie warme Semmeln verkauft. Und genau der Erfolg des “Produkts” wird dann zu einem so großen Problem, dass es auch die Westdeutsche Regierung auf den Plan ruft.

Wie Grischa beinahe…

Denn die Käufer des landestypischsten Produkts Afghanistans, das Cannabis, ist hauptsächlich die westdeutsche Jugend, die aufgrund der hohen Qualität sogar aus fernen Bundesländern extra anreist. Bei einem Gulasch mit Extra-Würze entscheidet sich alsbald das Schicksal der DDR und Grischa und Frühling spielen dabei so gut zusammen, dass zumindest für den einen der beiden ein Orden abfällt: Held der Arbeit fürs Nichtstun. Aber wer würde 1 Milliarde DM nicht als Gewinn ansehen? Vordergründig ging es 1984 zwar um den Abbau der Selbstschussanlagen an der deutsch-deutschen Grenze, aber Grischa und Frühling wissen es besser.

Ein lesenswerter Schelmenroman, der die historische Tatsache des FJS eingefädelten Kredits für die DDR durch die Bong raucht. Witzig und lesenswert, voller versteckter Pointen und mit viel trockenem deutschen Humor.

Jakob Hein
Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste
2025, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten
ISBN: 978-3-86971-316-8
Galiani-Berlin
€ 23,00


Genre: Roman
Illustrated by Galiani

Die Glücklichen

Bonjour Tristesse

Die Schriftstellerin Kristine Birkau hat für ihren schwermütigen Debütroman den ironischen Titel «Die Glücklichen» gewählt. Denn Glück ist es ja gerade nicht, über das sie da schreibt, es sei denn, man ist psychisch ein Masochist, der seinen eigenen sozialen Abstieg genießen kann. Der vor zehn Jahren erschienene Roman erweist sich im Nachhinein als geradezu prophetisch, indem er konkret soziale Ängste beschreibt, die sich inzwischen sogar schon politisch, im Wahlverhalten der jungen Generation nämlich, nieder zu schlagen beginnen, eine latente ökonomische Skepsis hat inzwischen die Oberhand gewonnen, Zuversicht war gestern!

Mit scharfem Blick für verborgene Details beschreibt die Autorin ein junges Paar aus dem Mittelstand, das sich über ihren zweijährigen Sohn freut und ihn liebevoll umsorgi, ja geradezu verhätschelt. Ehemann Georg ist Journalist bei einer großen überregionalen Zeitung, Isabell spielt Cello im 15köpfigen Ensemble eines Musical-Theaters. Sie leben als überzeugte Großstädter komfortabel in einer schönen, geräumigen Wohnung, ihre Ehe ist harmonisch, und der kleine Matti macht das familiäre Glück vollkommen. Aber schon auf Seite Zwei des Romans deuten sich Störungen dieser von der Gesellschaft allgemein als selbstverständlich angesehenen Komfortzone an, in der man sich wohlversorgt und unbeschwert tummelt. Isabell hat nach der Mutterpause Schwierigkeiten, als Mitte-Dreißigjährige in ihren Beruf als Cellistin zurück zu kehren. Ihre Hände zittern zuweilen völlig unkontrolliert, sie findet einfach nicht mehr in ihr souveränes Spiel von früher zurück. Alle ihre Bemühungen scheitern, die Ärzte können ihr nicht helfen, es scheint ein psychisches Problem zu sein, mit dem sie es da zu tun hat, kein physisches. Trotz diverser Psychotherapien gelingt es ihr aber nicht, sich aus diesem beruflich katastrophalen Dilemma zu befreien, sie verliert schließlich bei einer anstehenden Verkleinerung des Ensembles völlig resigniert ihren Job.

In Verlagskreisen tauchen schließlich Gerüchte auf, die Zeitung, für die Georg arbeitet, würde verkauft werden, andere sprechen gar von Auflösung des Verlags. Auch hier setzt sich die Spirale nach unten für das junge Paar fort, denn auch Georg verliert seinen Arbeitsplatz, beide leben nun von Arbeitslosengeld. Isabell gibt fortan Musikunterricht, springt gelegentlich schon mal als Cellistin ein und bewirbt sich, allerdings vergeblich, auch mit einem Vorspiel bei einer Tanzkapelle. Der 42jährige Georg bewirbt sich erfolglos für alle möglichen Stellungen. Er muss viele Angebote ausschlagen, weil er sich mit der Arbeit einfach nicht identifizieren kann, sich aber auch sein Renommee in der Branche nicht endgültig zerstören will. Neben den beruflichen Pleiten werden die beiden Protagonisten auch mit einer kaum zu stemmenden Mietpreis-Erhöhung konfrontiert, sie werden den Gürtel künftig viel enger schnallen müssen. Während Isabell große Schwierigkeiten hat, ihre konsumtiven Ansprüche zurück zu stellen, ist sich Georg als Realist des drohenden finanziellen Desasters bewusst und wäre bereit, aufs Land zu ziehen. Er bringt seine widerstrebende Frau sogar dazu, ein günstig zu mietendes Objekt auf dem Lande zu besichtigen, aber realistisch betrachtet ist das im Vergleich zu Großstadt bedenklich kulturarme, eher dröge Landleben letztendlich denn doch keine Option für die Beiden.

Diese aus permanent wechselnder, weiblicher und männlicher Perspektive der Protagonisten erzählte Geschichte von Verlust und Niedergang räumt auch gründlich auf mit dem Anspruchs-Denken der heutigen Konsum-Gesellschaft, mit dem alles beherrschenden, biblischen «Tanz ums goldene Kalb». Und es gibt auch kein Licht am Ende des Tunnels, denn der trickreich als Leitmotiv in den Plot eingebaute, wiederentdeckte Tresor im Wohnzimmer lässt sich ebenso wenig knacken wie sich die Hürden überwinden lassen, mit denen die leider ziemlich farblos bleibenden, voll mit sich selbst beschäftigten und nicht gerade sympathischen  Protagonisten konfrontiert sind.

Fazit:   lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Luchterhand

Wild nach einem wilden Traum

Wild nach einem wilden Traum. Nach “Das Vorkommnis” und “Das Liebespaar des Jahrhunderts” nun der letzte Teil der Trilogie “Biographie einer Frau“. Die beiden ersten erscheinen zeitgleich auch schon als Taschenbuch und die Autorin geht auf Lesereise durch Deutschland West und Ost.

Verwandlung im Namen der Liebe

Julia Schoch stammt aus Mecklenburg und lebt heute in Potsdam. 2022 wurde ihr die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung verliehen, 2023 der Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen, 2024 der Mainzer Stadtschreiber-Literaturpreis. Die ersten beiden Bände sind sowohl Leser:innen- als Kritiker:innenlieblinge und standen auf der SWR- wie der ORF-Bestenliste. Während es im ersten Band um die Ursprungsfamilie und im zweiten um die Partnerbeziehung ging wird in “Wild nach einem wilden Traum” sowohl die Literatur als auch die Liebe in’s Zentrum der Erzählung gerückt. “Die Erinnerung an eine Liebe kann intensiver sein als diese Liebe selbst“, schreibt sie etwa, als sie fern von zu Hause einen Mann kennenlernt, den sie stets schlicht als “Katalanen” bezeichnet. Namen sind ohnehin Schall und Rauch und so bleibt auch die Ortschaft A., wo die beiden eine “artists in residence”-Beziehung in einer Künstlerkolonie eingehen, im Dunkeln. Ebenso ihr Ehemann, der stets nur der Mann ist, ohne Namen, ohne Alter, auch ihre zwei Kinder.

Wild nach einem wilden Traum

Der Katalane kommt aus einem Land, das sich abspalten will, die Erzählerin aus einem Land, das sich gerade wiedervereinigt hat. Offen bleibt, ob nicht auch Deutschland bald gewissen Auflösungstendenzen anheim fallen wird, denkt sie und verwirft den Gedanken sogleich. “Vielleicht passiert die Liebe, dieses Gefühl, wenn wir uns zu jemandem hingezogen fühlen, immer nur so: stellvertretend für etwas viel Früheres, Älteres, das uns verloren gegangen ist und das wird zurückverlangen wollen. Alle Liebe ist nur ein Ersatz-Haltegriff, habe ich irgendwo gelesen“, schreibt sie und reißt damit einen Graben auf, der sich nicht mehr zuschütten lässt. “Wahrscheinlich geschieht es nur einmal, dass man sich voller Begeisterung für jemanden aufgibt. Diese Verwandlung im Namen der Liebe. Später braucht man sich nicht mehr. Später: wenn man wieder man selbst geworden ist.” Und was heißt denn schon zurückkommen? “Wer weiß denn schon, ob das, was zurückkehrt, auch das ist, was verschwunden war?

Einer das Vehikel des andern

Künstler seien keine glücklichen Menschen, sie taugen nichts fürs Leben, offenbart ihr ein älterer Freund, der Soldat, von dem sie auch den Titel ihres Romans ausgeborgt hat. “Man muss wild danach sein. Wild nach einem wilden Traum.” Das sind starke Sätze, die die Autorin da findet: “Wir bewohnen unsere Vergangenheit, wie man Träume bewohnt“. Verblassenden Erinnerungen oder nachlassendem Gedächtnis kann sie etwas positives abgewinnen. Denn auf das Vergessen sei Verlass und ohne es gebe es keine Geschichten. “Sie sind das, was übrig bleibt.” Auch in der Liebe benutzt man einander, ist “Vehikel“, wie sie schreibt, für einander und bringen fernere, frühere, dunklere Bereiche ans Licht. Oder man lebt in einem “glücklichen Irrtum“.

Maske der Ehrlichkeit

Mit einem Mal gebe es dann keinen Unterschied mehr zwischen Erinnerung und Erzählung. Schließlich sei auch nur die Ehrlichkeit eine Maske. Das sitzt tief. Schriftsteller würden die vergangene Zeit spüren, die Zukunft und das, was noch kommt. Sie hätten eine intensivere Verbindung zu den Toten und eine bessere Verbindung zum Schmerz in der Welt, sagt er, der Katalane. Und obwohl sie diese Meinung für überzogen und pathetisch hält, stimmt sie ihr insgeheim zu. “Bücher sind beinahe magische Objekte. Schon das Lesen war eine Art heilige Handlung, ganz zu schweigen vom Schreiben.

Einspruch gegen die Unmöglichkeit der Liebe

Und lesen kann tatsächlich bessere Menschen aus uns machen, davon sind wir alle überzeugt, alle die lesen natürlich nur. Am allerschönsten finde ich die Stelle in der sie über das Jung-sein schreibt. “Ich habe den Glauben, man könne den Menschen befreien ja vielleicht sogar Die Welt retten, in den Jahren danach immer wieder vermisst. Ich vermisse ihn noch immer.” Das große Seufzen verbindet uns alle, nicht nur die Mütter, die dadurch die Brücken zum Rest der Menschheit schlagen. “Man sollte Einspruch erheben gegen das Gerede von der Unmöglichkeit der Liebe.” Das ist Julia Schoch in jedem Fall gelungen.

Mehr zu den drei Bänden hier

Julia Schoch
Wild nach einem wilden Traum
Roman.
2025, Hardcover, 160 Seiten
ISBN: 978-3-423-28425-7
dtv
23,00 €


Genre: Frauen, Liebe, Literatur, Roman
Illustrated by dtv