Eine unendliche Folge von Kausalketten
Das neue Buch mit dem ironisch kitschigen Titel «Das kleine Haus am Sonnenhang» von Alex Capus ist kein Roman, sondern ein Memoir, also ein in Ich-Form erzähltes, autobiografisches Sachbuch, das von einem entscheidenden Abschnitt im Leben des Autors berichtet. Nach zehn Jahren als Journalist hatte sich der angehende Schriftsteller das titelgebende Haus im Piemont gekauft, um in diesem idyllisch gelegenen Refugium seinen ersten Roman zu schreiben. Dieser Schreibprozess bildet die Hauptthematik dieses poetologischen Essays, das sich sehr ausführlich und aus verschiedenen Blickwinkeln mit den Voraussetzungen und Nebenbedingungen des literarischen Schaffensprozesses auseinandersetzt.
Zeitlich in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts angesiedelt, erzählt der Autor, wie er damals ‹für kleine Münze› ein uraltes Steinhaus an einem steilen Hang gekauft hat. Es war einsam an einem Weinberg gelegen, von der Strada provinciale und dem Dorf nur durch einen im Sommer fast ausgetrockneten Bach erreichbar, der ideale Rückzugsort für ihn und seine Freundin und spätere Ehefrau. Über die damaligen Zeiten schreibt er, dass in den Bars noch geraucht wurde was das Zeug hielt, und an den Tankstellen wurde noch bedient, samt Öl kontrollieren, Reifendruck messen und Scheiben putzen. Eine entschleunigte Umgebung, die seinem Naturell als in sich ruhender Mensch ideal entgegenkam. Ihm reichte als Abwechslung von der Arbeit an seinem Roman und am Haus der regelmäßige Besuch einer wahrhaft trostlosen Bar, in der er mit der Zeit dann sogar Freunde fand und meist auch einen Gesprächspartner. Stammgäste der Bar waren immer die gleichen fünf Männer, die hier jeden Tag anzutreffen waren, immer an ihrem jeweiligen Stammplatz. Wunderbar stimmig erfasst Alex Capus das Lokalkolorit, indem er zum Beispiel beschreibt, dass die karge, wenig einladende Bar, wie überall in Italien, von Neonleuchten grell beleuchtet wurde, von Gemütlichkeit also keine Spur. Eine defekte, ständig blinkende Neonröhre wurde monatelang nicht ausgetauscht, und niemand störte sich daran. Als Deutscher, der fünfzehn Jahre in Italien gelebt hat, kann ich all das nur bestätigen, er schildert genau beobachtend die Italiener mit all ihren Gewohnheiten und Marotten. Zum Thema Katholizismus merkt er an, Mann und Frau würden sich dort in kirchlichen Dingen, «Gott sei’s gedankt», fast überall derselben «vernunftbegabten Gleichgültigkeit» befleißigen.
Alex Capus schrieb sein Manuskript auf einer mechanischen Schreibmaschine, Computer und Internet kamen erst später, was Korrekturen an seinem Text sehr schwierig machte und ihn dazu zwang, äußerst konzentriert zu arbeiten. Für ihn sei Schreiben ein der Büroarbeit ähnlicher Prozess, den er in jeweils einem vorgeplanten Zeitraum regelrecht absolvierte, hat er dazu angemerkt. Was mich doch sehr an Thomas Mann erinnert, der regelmäßig vormittags, quasi nach der Uhr, gearbeitet hat, worauf seine Familie unbedingt Rücksicht zu nehmen hatte. Es wimmelt geradezu von literarischen Verweisen und Zitaten in diesem Memoir, viele Klassiker werden da als Beleg für all die Thesen zum literarischen Schreiben herangezogen.
Augenscheinlich seinem Naturell der Gelassenheit entsprechend, philosophiert Alex Capus auch munter über das menschliche Dasein, das er als nicht terminiert beschreibt. Für ihn bestimmend sei vielmehr eine unendliche Folge von Kausalketten, die er in gleicher Weise auch in der Natur als alleinige Wirkkräfte definiert. Sehr ausführlich widmet sich der Autor seinem Selbstverständnis als Schriftsteller, und ganz allgemein auch den Vorbedingungen für künstlerisches Schaffen. Es bleibt dabei nicht aus, dass diese Thesen aus dem Bereich der Philosophie teilweise zu deutlichem Widerspruch herausfordern, andererseits aber natürlich immer wieder auch Anstöße zu eigenem Denken geben. Den Lesegenuss bewirkt hauptsächlich der ironische, amüsante Stil, in dem da so locker erzählt wird, man kommt aus dem Schmunzeln kaum heraus und wird gut unterhalten, – Philosophie hin oder her!
Fazit: lesenswert
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