Der Afghane

Bei einem Selbstmordattentat werden in London zahlreiche Menschen von Rucksackbomben getötet. Schon nach kurzer Zeit können die Mörder identifiziert und ihr Wohnsitz ermittelt werden. Bei der Durchsuchung der Wohnung stoßen die Ermittler auf Quittungen, die belegen, dass einer der Bewohner mehrere Billig-Handys gekauft hat. Diese Telefone werden allerdings nicht in der Wohnung gefunden, aber die Polizei kann die Nummern herausfinden und setzt diese auf eine Watchlist für den Fall, dass sie aktiviert werden sollten.

Monate später läutet eines dieser Telefone in Pakistan und ein Sergeant der pakistanischen Abhörabteilung hört das Gespräch mit. Der Anruf kann mit Peilgeräten geortet werden, und nach kurzer Zeit setzen sich pakistanische und britische Spezialisten in Bewegung, um eine Wohnung zu stürmen. In der Wohnung befinden sich fünf Menschen, von denen einer erschossen wird und drei verhaftet werden können. Die fünfte Person, der Anführer, wie sich später herausstellt, versucht zu entkommen, springt aus einem geöffneten Fenster, stürzt auf das Straßenpflaster und stirbt.

Bei der Auswertung aller Spuren wird ein Laptop gefunden und auf dem gibt es Notizen und Spuren zu Al Isra, der Plan zu einem Anschlag der al Qaida. Bei allen amerikanischen und britischen Geheimdiensten schrillen die Alarmglocken, doch niemand scheint von diesem Plan zu wissen oder gehört zu haben. Als letzte Möglichkeit bleibt nur die Chance, einen Agenten in das Terrornetzwerk einzuschleusen.

Mike Martin, ehemaliger Offizier und Spezialist, wird für diese gefährliche Mission ausgesucht. Kann er den Wettlauf mit der Zeit gewinnen und den Anschlag verhindern ?

Frederick Forsyth, ein meisterlicher Verfasser von spannenden Politthrillern, beschreibt kenntnisreich das Vorgehen der Geheimdienste, die Interessen der Großmächte sowie die Welt des Terrors.


Genre: Thriller
Illustrated by C. Bertelsmann München

Wenn Sie mich fragen

Rainer Erlinger bekleidet im Magazin der »Süddeutschen Zeitung« die Position des Moralapostels. Mit seiner Kolumne »Gewissensfragen« behandelt der gelernte Arzt und Jurist Alltagsfragen seiner Leserschaft. Dabei versucht er, auf vergnügliche Weise in die philosophischen und rechtlichen Grundlagen unseres Wertesystems einzuführen.

Darf das Tagebuch einer Verstorbenen, das zur Vernichtung bestimmt ist, geöffnet werden? Verhält sich ein passionierter Radfahrer korrekt, wenn er einem liegen gebliebenen Autofahrer die Hilfe verweigert? Ist es statthaft, den noch nicht abgelaufenen Parkschein eines anderen Automobilisten zu verwenden? Darf ein umweltbewusster Mensch den Verkehr aufhalten? Besteht eine Verpflichtung, seiner besten Freundin zu verraten, dass ihr Lebensgefährte sie ständig betrügt? Sollte eine Mutti mit Kinderwagen einen Radfahrer, der wegen schlechter Straßenverhältnisse den Gehweg benutzt, passieren lassen? Ist es richtig, 8,20 Euro Lohnsteuerjahresausgleich geltend zu machen, wenn es den Staat Hunderte von Euro kostet, das zu bearbeiten?

Erlinger beantwortet diese und ähnliche Fragen, indem er in die Tiefen der Jurisprudenz ebenso einsteigt wie in die Summations- oder Intelgralethik beziehungsweise ihr Gegenteil, die Fraktal- oder Einzelaktethik. Bei der Lösung der moralischen Zwickmühlen vermittelt er Denkanstöße und vermittelt Wissen und Einsichten ohne zu belehren. Dabei differenziert er zwischen der Moral als Ansammlung von formellen oder informellen Regeln des Staates, die sich historisch aus Gründen des Erhalts von der Macht einer Gemeinschaften gebildet haben und der Ethik, die es gestattet, Verhaltensregeln für die Menschen im Staat abzuleiten.

Darf ich dies, darf ich das? – In den Fragen, auf die der Moralkolumnist eingeht, spiegelt sich indes auch die Mentalität seiner Leser, und die ist mitunter erschreckend. Mit der Unbescheidenheit von Erbsenzählern wird auf vermeintlichen Rechtspositionen geritten, und die Hilfssheriff-Mentalität vieler Deutscher schimmert aus dem Dickicht der Fragen. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist es vergnüglich, Erlingers Antworten zu goutieren. Ob es allerdings dazu eines eigenen Buches bedurft hätte, kann nur der Verlag beantworten, der sich davon eine Zweitverwertung erhofft. Viele der Kolumnen sind jedenfalls auch online zu finden.

Bitte kommentieren Sie diese Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Kolumnen
Illustrated by Kunstmann München

Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück

Nach dem Erfolg seines ersten Bandes legt Axel Hacke jetzt einen Nachschlag zum Stichwort »Verhören« bei Gedicht- und Liedzeilen vor. Der auf dem Hörfehler eines Musikenthusiasten fußende Buchtitel machte seinen »weißen Neger« zu einer poetischen Traumgestalt. Der Zuhörer verwandelte die vertonten Gedichtzeilen »und aus den Wiesen steiget / der weiße Nebel wunderbar« aus »Der Mond ist aufgegangen« von Matthias Claudius in: »und aus den Wiesen steiget / der weiße Neger Wumbaba«.

Wie bereits im ersten Band schöpft der Autor aus zahlreichen Leserzuschriften auf seine entsprechenden Kolumnen in der »Süddeutschen Zeitung« sowie aus inzwischen entstandenen Internetforen, die sich alle mit dem Thema des Verhörens beschäftigen. So ergänzt er seinen Wumbaba durch den »Kinder-Lehmann«, »Jack, die Sau« und den »Schlächter Müller«, allesamt Gestalten, die aus Hörfehlern resultieren.

Hacke belauscht das kirchliche Leben, wenn Gläubige singen: »Lasst uns froh und Monster sein«. Er besucht Landstriche wie »Hedwig Holstein« und widmet sich der deutschsprachigen Popmusik, für die er eine »Hitparade deutschsprachiger Verhörsänger« aufstellt. Erstplatzierter wird Herbert Grönemeyer, der es mit seiner Nuschelstimme gerade darauf anlegt, dass der Hörer eigene Texte erraten und herstellen soll.

Der Autor widmet sich der Thematik in professioneller Routine. Die Lektüre des Büchleins ist vergnüglich, ein sprachliches oder stilistisches Meisterwerk ist es jedoch nicht. Da hat Hacke mit seinem »König Dezember« wesentlich bessere Leistungen vorgelegt. Deutlich aufgewertet wird das Werk jedoch von dem Berliner Maler und Zeichner Michael Sowa, der herrliche Illustrationen beisteuerte, die allein schon den Erwerb des Buches rechtfertigen.

Bitte kommentieren Sie diese Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Kunstmann München

Das Doppelleben des Vermeer

Er ist bankrott, krank, drogensüchtig, doch triumphierend. Obwohl er ein wahnsinniges Vermögen verdiente, war sein Ziel die Rache an einer Kunstwelt, die sein Werk belächelte. Han van Meegeren ist Künstler, der es verstand, einen der außergewöhnlichsten und geheimnisvollsten Maler der holländischen Kunstgeschichte so perfekt zu fälschen, dass sich die Kunstwelt nach wie vor streitet, ist er echt, ist er nicht echt? Jan Vermeer.
Wie viel muß ein Fälscher wissen, Technik, Malstil, Epoche, Leinwand, Farbzusammensetzung und…?
Der Künstler, der in die Haut eines anderen schlüpfte, um Anerkennung zu finden, wird vom Hochverräter zum Volksheld, als man nach 1945 in Holland entdeckt, dass ein Hauptwerk Vermeers in den Besitz von Hermann Göring gelangte. Der Drahtzieher des Verkaufs war der heruntergekommene Maler Han van Meegeren. Er wird verhaftet und Han van Meegeren gesteht. Doch nicht den Verrat an Holland, den Ausverkauf nationaler Kulturgüter. Er hat das Bild gefälscht, und mit ihm sechs weitere, erst „unlängst“ wiedergefundene Vermeers, mit denen sich die bedeutendsten Museen der Zeit schmücken.
Wie konnten sich die Experten über Jahre derartig täuschen lassen? Wie gelang es einem Autodidakten, alle technischen Analysen auszutricksen und die Mär vom untypischen „anderen Vermeer“ durchzusetzen?
Ein spannendes Buch – wie ein Kriminalroman: ich empfehle es jedem, der sich für Kunst und Malerei und die dahinter steckenden Machenschaften interessiert.


Genre: Kunst, Musik und Literatur
Illustrated by Kunstmann München

Tim und Struppi

Hergé, der Vater der legendären Comic-Figuren Tim und Struppi sowie ihrer Freunde und Gefährten Kapitän Haddock, Professor Bienlein, Schulze und Schultze wäre am 22. Mai 2007 hundert Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jubiläums gibt Carlsen Comics eine Sonderausgabe des Bandes »Tim in Tibet« als kleinformatiges Hardcover für nur € 3,95 heraus. Dies erlaubt eine Begegnung mit den herrlichen Figuren in einer lobenswert preiswerten Ausgabe.

Der 1983 im Alten von 75 Jahren verstorbene belgische Comic-Autor und Zeichner Hergé, eigentlich Georges Prosper Remi, vollendete insgesamt 23 Bände seiner Erzählungen um Tim und seinen vierbeinigen Begleiter Struppi. Im Durchschnitt arbeitete er jeweils ein Jahr an einem Band. »Tim in Tibet« gilt als Lieblingsalbum des Künstlers, der wie kaum ein anderer die Comic-Kultur des letzten Jahrhunderts prägte, und sie ist eine der großartigsten Geschichten.

In der lebensfeindlichen Gebirgswelt des Himalaya suchen Tim und Kapitän Haddock nach ihrem Freund Tschang, mit dem sie sich in »Der Blaue Lotos« angefreundet hatten. Auf dem Weg nach Europa zerschellte das Flugzeug des jungen Chinesen an einem Berggipfel und stürzte ab. Obwohl es keinerlei Anzeichen gibt, dass jemand diesen tragischen Unfall überlebt haben könnte, spürt Tim die Gegenwart seines Freundes. Unbeirrt setzt er für diese innere Gewissheit sein Leben aufs Spiel …

Die Hergé-Stiftung, die den Nachlass und die Rechte an den Comics verwaltet, verhinderte 2001, dass der Band »Tim in Tibet« in der Volksrepublik China unter dem Titel »Tim und Struppi im chinesischen Tibet« erschien. Dafür wurde der Stiftung im Mai 2006 der »Light of Truth Award« durch den Dalai Lama verliehen.

\"Tim

Bitte kommentieren Sie diese Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Comics
Illustrated by Carlsen Hamburg

Der Goldblütenpalast

Am Set einer extrem erfolgreichen Weltraum-Seifenoper treffen sich drei Abkömmlinge berühmter und erfolgreicher Eltern. Sie wollen sich einerseits aus dem Schatten ihrer Eltern lösen und imitieren sie andererseits mit aller Macht. Leider sind alle drei derart unbegabt, dass dies selbst ihren Erzeugern nicht verborgen bleibt. Es ist ein Trio der Verlorenen.

Bertie, Sohn des schwer reichen Produzenten der Serie, möchte als Schauspieler brillieren statt lächerliche Rollen in der Serie des Herrn Papa zu übernehmen. Clea lebt im Schatten ihrer übergroßen Mutter, einer früh verstorbenen Hollywood-Diva. Thad wird überall als VIP erkannt, weil er Spross eines weltberühmten Schriftstellers ist, der sämtliche Literaturpreise kassiert hat und Multimillionen verdient, er selbst muss jedoch inzwischen in Maske auftreten.

Die Kinder tragen zwar den bekannten Namen, ihnen fehlen jedoch Talente und Fähigkeiten ihrer Eltern. Einfluss nutzt wenig, um ihre Karrieren nachhaltig zu fördern, zumal sie mit den Engagements, die ihnen vermittelt werden, unzufrieden sind und diese verachten. Sie leben über ihre Verhältnisse, sind bald überschuldet und schwingen sich teilweise nur noch mit Hilfe von Medikamenten und Drogencocktails von einer Illusion zur nächsten.

Bruce Wagner seziert die Scheinwelt Hollywoods und führt sie in ihrer Erstarrung und eigenwilligen Komik vor. Der in Amerika hoch gelobte Autor beleuchtet die Erbengeneration, die jetzt an den Sets steht. Wie durch das Etikett eines berühmten Modeschöpfers der reizlose Fummel mit einem Nadelstich zum Modell avanciert, so werden die Kinder der Stars durch ihre Herkunft geadelt. Leider verbessert das ihre Leistungen nur unwesentlich. So führt die Jagd der drei Freunde nach Anerkennung letztlich in einen tragischen Strudel von Lügen, Selbstbetrug und Chaos.

Pointiert beleuchtet Wagner den Narzissmus des amerikanischen Showgeschäfts. Thema und Stil des Buches sind faszinierend. Allerdings wird vielen deutschen Lesern der Zugang zur Hollywoodwelt schwer fallen. Interna und Details, auf die der Autor abstellt, mögen dem US-Publikum vertraut sein, der europäische Leser tut sich damit schwer. Wem dies keine Hürde bedeutet, kann im »Goldblütenpalast« einen gesellschaftskritischen wie sprachlich anspruchsvollen Lesestoff entdecken.

Bitte kommentieren Sie diese Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Romane
Illustrated by Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins Berlin

Unternehmen Vendetta

Haben Sie schon mal eine Nacht durchgelesen? Auf der Couch gesessen, gelesen, auf die Uhr gesehen: 2 Uhr festgestellt. Selten gibt es wirklich ein Buch, dass man die ganze Nacht lesen kann – bis es – sozusagen – leer ist. Ausgelesen. Mir ist es mit dem oben genannten Thriller im wahrsten Sinne des Wortes so gegangen, denn das schwedische Außenministerium empfängt einen Brief, der nicht mal eingeschrieben ist, und einen abgeschnittenen Finger enthält. Die sizilianische Mafia erpresst den schwedischen Staat. Das heikle Geschäft, mit den Erpressern zu verhandeln, überlässt die schwedische Regierung dem Spitzenagenten (mit der Lizenz zum Töten) Coq Rouge alias Carl Gustaf Gilbert Graf Hamilton und seinem Freund Joar Lundwall. Sie begreifen bald, dass es kaum um Menschenleben und Lösegeld geht, sondern um Waffengeschäfte, die nach dem 1. Golfkrieg die noch stark angeschlagene arabische Ehre wiederherstellen sollen. Als während der Ermittlungen Joar Lundwall in Palermo auf offener Straße umgebracht wird, gibt es für Hamilton nur noch das Gesetz , das sonst das Privileg der Mafia ist: Vendetta! Um nicht alles zu verraten, aber von atemloser Spannung bis zum letzten Showdown, gehört „Unternehmen Vendetta“ zum Authentischsten, was zur Zeit auf dem Thrillermarkt rumliegt.


Genre: Thriller
Illustrated by Unbekannter Verlag

Der Gesang der Orcas

Sophie, ein fünfzehnjähriges Mädchen aus Berlin, und ihr Vater, ein anerkannter Fotograf für Magazine und Bildbände, begeben sich auf eine gemeinsame Reise in den äußersten Nordwestzipfel Amerikas, auf die Olympic-Halbinsel, in das Reservat der Makah-Indianer.
Diese Reise ist keine gewöhnliche Dienstreise für den Vater und keine unbedingt erwünschte Ferienreise für Sophie.
Jeder der beiden nutzt die Reise als Chance, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten und die Entfremdung untereinander, bedingt durch die jahrelange Globetrottertätigkeit des Vaters, zu überwinden.

Dies alles spielt sich ab vor der großartigen Kulisse der Pazifischen Westküste Nordamerikas und in der modernen, die alten Traditionen weiter pflegenden Indianerkultur.

Eine besondere Stellung in diesem Jugendroman nehmen für Sofie und ihre neuen Freunde die Begegnungen mit den Orcas auf dem offenen Ozean ein…

Wer sich gern dem Leben fremder Kulturen und Menschen öffnet, wer Achtung vor der Natur empfindet und wem Verlust und Abschied nicht nur Trauer und Wehmut bedeuten, dem sei dieses Buch empfohlen. Es ist für einen Erwachsenen genauso lesenswert wie für einen Teenager und weckt sogar etwas Fernweh.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by arena Würzburg

Der letzte Sommer der Unschuld

Chris Fuhrman starb mit 31 an Krebs und schaffte es gerade noch, seine Erzählung »The Dangerous Lives of The Altar Boys« (»Das gefährliche Leben der Messdiener«) abzuschließen. Freunde gaben das Buch postum in der »University of Georgia Press« heraus. Von dort entwickelte sich langsam eine Fan-Gemeinde des Werkes, das Fuhrman einen Spitzenplatz unter den Büchern über das Heranwachsen von Jugendlichen, neudeutsch »Coming-of-Age-Literatur«, sicherte. Das Buch wurde inzwischen sogar mit Jodie Foster verfilmt und lief in Deutschland unter dem Titel »Lost Heaven« im Kino. Die ungeschickte deutsche Titelfindung »Der letzte Sommer der Unschuld« und eine Pädophilen-Optik ließen die deutsche Ausgabe das Buch in der Versenkung verschwinden. Dieses literarische Kleinod verdient es jedoch, vor den Ramschhändlern gerettet zu werden.

Fuhrman erzählt von fünf dreizehnjährigen Messdienern, die sich an einer katholischen Klosterschule im Süden der USA quälen und nach Lektüre von »Der Pate« eine Gang bilden. Heimlich saufen sie Messwein und stehlen Oblaten. An Jesus Christus glauben sie nicht. Zeichnerisch begabt produzieren sie Comics, auf denen Pater und Nonnen in einer Weise dargestellt werden, die bei Veröffentlichung die öffentliche Hinrichtung der jungen Künstler nach sich ziehen würde. Wundervoll direkt und mit herrlichem Humor schildert der Autor die ersten Erlebnisse ihres Erwachsenwerdens: den Konflikt mit den Autoritäten in Elternhaus und Schule, den ersten Kater, den ersten Kuss, den ersten Joint, den ersten Sex.

Die Gemeinheit eines Mitschülers spielt den Hardcore-Comic einem Pater in die Hände. Wenige Tage vor Schulabschluss droht der Gang damit ein Verweis von der Schule. Die Jungen wollen ablenken und beschließen, ein Raubtier aus einem Nationalpark einzufangen und in der Schule auszusetzen. Mit diesem Plan nimmt das Drama, denn das Buch endet leider böse, seinen Lauf. Alles geschieht vor dem Hintergrund schwelender Rassenunruhen, die in das Leben der weißen Jugendlichen hineinspielt wie vor der leidenschaftlichen ersten Liebe, die zwischen dem Hauptheld und einer von ihm angebeteten Schülerin entflammt. Familien in Krisen, elterliche Gewalt, sexueller Missbrauch – das sind »normale« Elemente, die aus jugendlicher Sicht wie selbstverständlich mit in die Erzählung einfließen und diese damit zu einem zeitkritischen Stück aktueller Gegenwartsliteratur machen.

Bitte kommentieren Sie diese Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Heyne München

Der Seitensprung

Die Ehe von Eva und Hendrik scheint zerrüttet. Er betrügt sie mit der Kindergärtnerin ihres Sohnes. Sie fühlt sich tief verletzt und will sich von ihm trennen. Doch zuvor will sie Genugtuung. Sie rächt sich mit einem One-Night-Stand, bei dem sie allerdings einen Psychopathen aufgabelt. Damit gerät die Geschichte vom Seitensprung aus allen Fugen und führt ins Chaos. Was wie ein Drama sprachlicher Missverständnisse zwischen Mann und Frau beginnt und durch eine klärende Aussprache vielleicht gerettet werden könnte, entwickelt sich zu einem spannenden Thriller voller Hintersinn und doppelter Böden.

Die subtil scheinende Geschichte der schwedischen Krimiautorin Karin Alvtegen entpuppt sich als phantastisch ausgefeilte Fallstudie über die Kommunikationslosigkeit zwischen Mann und Frau vor dem Hintergrund von Zwangsneurosen. Vor allem aus weiblicher Perspektive zeichnet sie das Fühlen und Empfinden der Protagonistin auf, die entdeckt, dass sie von ihrem Ehemann hintergangen wird und vergeblich versucht, die Beziehung zu retten. Als sie erkennt, dass ihre Versuche harsch zurück gewiesen werden, entwickelt sie sich zum verletzten Racheengel.

Eva versucht, die Rivalin fertig zu machen. Sie fälscht deren E-Mails und kramt im Hintergrund der Widersacherin herum, um sie unmöglich zu machen. All das würde auch aufgehen, wäre sie nicht eines Nachts Jonas in die Arme gelaufen. Jonas ist ein von Zwängen getriebener Psychopath, der Frauen, die ihm begegnen, nicht mehr loslässt. Der Wahnsinnige verfolgt die Ehefrau und Mutter und bricht in ihr Leben ein. Damit entsteht in kürzester Zeit ein Tohuwabohu, das Eva nicht mehr beherrschen kann …


Genre: Frauenliteratur
Illustrated by Rowohlt

Eragon

Der junge Eragon entdeckt beim Jagen einen geheimnisvoll schimmernden Stein. Der seltsame Fund entpuppt sich als Ei eines Drachens, das ihm die Magie des Zufalls in die Hände gespielt hat. Tatsächlich springt die Eischale auf und eine junge Drachendame schlüpft: Saphira. Mit Hilfe eines alten Geschichtenerzählers erfährt Eragon die Bedeutung seines Funds: er ist zum Drachenreiter bestimmt. Drachenreiter schienen ausgestorben und wurden vom regierenden Diktator Galbatorix vernichtet, der sich damit seine düstere Herrschaft sicherte.

Die Kunde von der Wiedergeburt der Drachenreiter weckt Hoffnung auf Befreiung. Sie lockt aber auch allerlei Gegner und Feinde, die Eragons Familie weitgehend auslöschen, um den Jungen in ihre Gewalt zu bekommen. Ihm bleibt keine andere Wahl, als zu fliehen. Auf seiner weiten Reise ins Unbekannte trifft er Menschen, Ungeheuer, Elfen, Zauberer und lernt im Umgang mit ihnen, seine Fähigkeiten zu schulen und zu entwickeln. Er befreit eine Elfenprinzessin und schafft es im letzten Augenblick, seinen blutrünstigen Verfolgern zu entkommen und bei den Zwergen und Varden Unterschlupf zu finden.

Doch bald greifen die Mächte der Finsternis seinen Aufenthaltsort an und führen einen gewaltigen Schlag gegen das Reich der Zwerge. Eragon muss alle Kräfte und Fähigkeiten einsetzen, um seinen neuen Freunden beizustehen und den sicheren Untergang abzuwenden.

Der erste Band der Fantasy-Saga liest sich trotz seiner 730 Seiten geschmeidig und spannend. Das Werk ist ein echtes Jugendbuch. Es empfiehlt sich für diejenigen Leseratten, denen Tolkiens »Herr der Ringe« zu intellektuell und Tad Williams »Shadowmarch« zu vielschichtig ist. Aber auch ältere Leser können viel Freude bei der Lektüre empfinden. Serviert wird spannende Unterhaltung, und wer den ersten Band verschlungen hat, wartet gespannt auf die Fortsetzung der dramatischen Odyssee.

Interessant ist, den Werdegang des Bestsellers zu beleuchten. Christopher Paolini verfasste den ersten Band seiner Saga im zarten Alter von fünfzehn Jahren. Seine Familie unterstützte ihn mit Lektorat und brachte den Band schließlich im Eigenverlag heraus. Gemeinsam mit seiner Mutter unternahm der junge Autor, der nie eine öffentliche Schule besucht hat, eine gigantische Leserreise durch die USA und gewann tausende begeisterte Anhänger. Schließlich entdeckte ein Großverlag das Buch und nahm es in sein Programm auf. Als schließlich der Buchkonzern Random House den Autor unter seine Fittiche nahm, konnte der weltweite Drachenflug Eragons starten. Inzwischen ist das Buch verfilmt und der zweite Band in deutscher Sprache erschienen.


Genre: Fantasy
Illustrated by Bertelsmann München

Schrei nicht so laut

Frank Elder hat sich nach dreißig Jahren Polizeidienst und einer gescheiterten Ehe nach Cornwall zurückgezogen. Hier in der Abgeschiedenheit versucht der von Albträumen geplagte ehemalige Detectiv-Inspector Ruhe und Abstand zu finden. Aufgeschreckt durch die Nachricht, dass ein junges Mädchen ermordet wurde, erinnert sich Frank Elder an einen ähnlichen Fall, der viele Jahre zurückliegt. Damals konnten unter seiner Leitung zwei Täter ermittelt und verurteilt werden.

Von Susan Blacklock, einem ebenfalls verschwundenen Mädchen, fehlt aber seit vielen Jahren jede Spur. Elder beschließt, diesen Fall wieder aufzurollen. Gleichzeitig wird Shane Donald, einer der ehemaligen Mörder und Vergewaltiger, vorzeitig aus der Haft entlassen. Elder heftet sich auf seine Spur, ermittelt aber gleichzeitig in verschiedene Richtungen und kommt dabei zu interessanten Erkenntnissen. Aber als seine eigene Tochter gekidnappt wird, sieht es so aus, als ob der ehemalige Polizist zu spät kommen würde.

Ein spannender Roman, der herrlich britisch und voller Überraschungen ist.


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by dtv München

High Times

Mit ihrer von Olaf Kraemer aufgezeichneten Biographie macht Uschi Obermaier, das wohl bekannteste deutsche Groupie und Sex-Symbol der 68er-Generation, noch einmal von sich reden. Das 1946 geborene Nachkriegsmodell war als Kind in ihren Vater vernarrt, für sie »der tollste Mann überhaupt«. Früh stand sie auf wilde Männer und verliebte sich sogar in einen US-Massenmörder, dessen Bilder sie wegen seiner maskulinen Ausstrahlung besonders sexy fand. Jung-Uschi wollte unbedingt von ihrem Vater entjungfert werden, doch der interessierte sich nur für andere Frauen. Die Tochter fühlte sich verletzt. Weil ihr Traumprinz auf attraktivere Frauen stand und auch ihre Mitschülerinnen nicht verschmähte, beschloss das Mädchen, ein heißer Feger zu werden und arbeitete auf Schritt und Tritt daran.

Fräulein Obermaier wollte aussehen wie die französische Schauspielerin Brigitte Bardot, die durch ihren Schmollmund berühmt geworden war. Bald verkehrte die Heranwachsende in Schwabings »Big Apple« und ließ sich auf Männer ein, die »Kopien meines Vaters« waren. Musik bekam für sie eine Art mystische Bedeutung. In ihr drückte sich alles aus, was sie fühlte, aber nicht in Worte fassen konnte. So kam es zu dem für sie Nächstliegenden: dem Sex mit Musikern, denen sie als Groupie folgte. In London reagierte Uschi bevorzugt auf Schlagzeuger, weil sie deren Beinarbeit antörnte. Sie versagte sich aber auch bei Gitarre, Bass und Gesang nicht. Bald lebte sie mit der damals prominenten Band »Amon Düül« in deren Kommune bei München und trat als Sängerin auf.

Bei den »Essener Songtagen« lernte sie den Sponti Rainer Langhans kennen und zog zu ihm die legendäre »Kommune Eins« nach Berlin. Langhans wurde ihr Lover und Manager, die Fotos der barbusigen Uschi zierten bald jede Illustrierte. Mit Titelbilder von »Twen«, »Spiegel« und »Stern« erreichte sie Kultstatus unter jungen Leuten. Nacktfotos in Jeans und mit Sonnenbrand waren die ersten (von geleckten Playboy-Aufnahmen abgesehen) Sexfotos in Deutschland.

Das Glamourgirl konnte mit einem einzigen Augenaufschlag feuchte Träume erzeugen und wurde zum Sex-Symbol jener Zeit. Sie verkörperte Sinnesdinge, Drogen und Musik wie keine andere. Mit Politik hatte sie wenig im Sinn, die Kommunarden waren entsetzt über die Braut, die bei Diskussionen im Haschischrausch wegdämmerte und überhaupt nicht verstand, worum es der 68er-Bewegung ging. Dafür sah sie blendend aus und war wohl ein Knaller im Bett.

Davon durften sich bald auch einige Größen der Popmusik überzeugen, mit denen »uns Uschi« durch die Betten stob: Jimi Hendrix, Mick Jagger und Keith Richards gehörten zu denen, die immer wieder Eskapaden mit Uschi unternahmen, obwohl sie verheiratet waren. Als Gattin kam das Betthupferl allerdings nie in Frage, und das wurmte sie.

In den Armen von Reeperbahn-König Dieter Bockhorn blühte Uschi dann richtig auf: die Welt der Gesetzlosen und Outcasts faszinierte sie noch stärker als die Welt des Rock ’n’ Roll. Mit dem Kiezprinz zog sie in einem prächtig ausgestatteten Bus sechs Jahre lang durch Asien, die USA und Mexiko und erlebte ihre persönlichen »HighTimes«. Nach dem Unfalltod von Bockhorn ließ Uschi Obermaier sich in Kalifornien nieder, wo sie heute eine Werkstatt für Silberschmuck betreibt.

Die Biographie ist für diejenigen Leser interessant, die sich an die Zeit der Außerparlamentarischen Opposition (APO) anno 1968 erinnern. Dabei repräsentiert Uschi Obermaier keine politische Idee oder Bewegung. Sie spiegelt den sexuellen Aufbruch jener Zeit wider, sie beschreibt die Schwierigkeiten vieler junger Leute mit den Konventionen der Nachkriegszeit und den ungeheuren Einfluss, den Sex, Drogen und Musik auf das Leben der jungen Generation hatten. So betrachtet ist das Buch ein Dokument, das Kulturgeschichte beschreibt.


Genre: Biographien, Memoiren, Briefe
Illustrated by Heyne München

Schiffbruch mit Tiger

Der in Kanada lebende Schriftsteller Yann Martel erzählt in seinem wundervollen Roman »Schiffbruch mit Tiger« die Geschichte des indischen Schülers Piscine Molitor Patel, der seinen französischen Vornamen einem prächtigen Schwimmbad verdankt. Es dauert jedoch nicht lange, und der Geistesblitz des Bösen durchfährt einen seiner Mitschüler, der eines grauen Tages ruft: »He da kommt Pisser Patel«. Auf dem Haupte des Jungen lastet fortan eine Dornenkrone. Immer wieder wird er mit der Frage konfrontiert: »Ich muss mal. Wo ist denn hier für Pisser?« Selbst die Lehrer, die ihm nichts Böses wollen, sprechen seinen Namen aus schierer Trägheit falsch aus.

Als Piscine auf die Oberschule wechselt, entschließt er sich zu einer Radikalkur. Der Unterricht beginnt, wie stets am ersten Schultag, mit dem Aufsagen der Namen. Als Piscine an der Reihe ist, springt er auf und läuft an die Tafel. Bevor der Lehrer etwas einwenden kann, greift er ein Stück Kreide und schreibt mit, was er sagt: »Ich heiße Piscine Molitor Patel, besser bekannt als …«, und er unterstreicht doppelt die ersten beiden Buchstaben seines Vornamen, » …Pi Patel«. Um es noch deutlicher zu machen, fügt er hinzu: »Pi = 3,14« und zeichnet einen großen Kreis, den er dann mit einem Strich durch die Mitte in zwei Hälften teilt, damit auch der Letzte begreift, auf welchen Grundsatz der Geometrie der Junge anspielt. So wird der »Pisser« zu Pi, und ein neues Leben beginnt für den jungen Mann.

Pi Patel wächst in einem Paradiesgarten auf: Sein Vater ist Direktor eines gepflegten Zoologischen Gartens, der in der südindischen Stadt Pondicherry betrieben wird. Er erfährt viel über die verschiedenen Tiere und das aus Sicht der Zooleute gefährlichste aller Lebewesen: den Menschen. Im Zoobetrieb geht es darum, die Tiere an den Menschen zu gewöhnen und ihre natürliche Fluchtdistanz zu verringern, das ist der Abstand, den ein Tier zu seinem natürlichen Feind hält. Pi lernt, dass gesunde Zootiere nicht aus Hunger oder Mordlust angreifen, sondern weil der erforderliche Abstand zu ihnen unterschritten wird. Und er begreift die Rolle des Alphatieres: wenn zwei Geschöpfe sich begegnen, wird derjenige, dem es gelingt, den anderen einzuschüchtern, als der Ranghöhere anerkannt, und zu einer solchen Rangentscheidung ist kein Kampf erforderlich, in manchen Fällen genügt eine Begegnung.

Diesem Wissen soll der junge Mann sein Leben verdanken. Denn die Familie entscheidet sich, mit Sack und Pack, einschließlich der meisten Tiere, von Indien nach Kanada auszuwandern. Die weite Reise erfolgt auf einem Überseedampfer, das indes bei Nacht und Nebel kentert und spurlos versinkt. Pi Patel überlebt das Inferno und flüchtet sich in ein Rettungsboot. Wie groß ist jedoch sein Schreck, als aus den Fluten weitere Überlebende auftauchen, die das Rettungsboot als ihre Insel ansehen: eine grässliche Tüpfelhyäne, ein Orang-Utan, ein Zebra und ein bengalischer Königstiger, der auf den Namen »Richard Parker« hört und eine Attraktion im Zoo war.

Die Überlebenden massakrieren sich bald gegenseitig, nur Pi Patel und Richard Parker bleiben zurück. Der Junge versucht anfangs, sich auf ein selbst gebasteltes Floß vor der Bestie zu flüchten. Doch dann beginnt er vorsichtig, seinen eigenen Bereich abzustecken, den das Tier schließlich akzeptiert. Er zähmt den Tiger, der ihm gehorcht, zumal er von ihm mit frisch geangelten Fischen gefüttert wird. Hilflos treiben sie im Ozean. Es beginnt eine monatelange Odyssee, die Martel mit derartig großer sprachlicher Anmut und sensiblem Einfühlungsvermögen erzählt, dass der Leser jede Phase des Zusammenlebens zwischen Mensch und Tier mitempfinden kann.

»Schiffbruch mit Tiger« ist eine sowohl witzige wie auch abenteuerliche Erzählung mit philosophischem Tiefgang. Obwohl die Handlung zwischen permanenter Todesangst und listigen Überlebensstrategien pulst, enthält sie herrliche Szenen voller Komik und Humor. Der Text bietet dem Leser leichten Zugang auf verschiedensten Ebenen und berührt auch Fragen des religiösen Verständnisses. Die Story endet skurril, die Schiffbrüchigen entdecken ein seltsame Insel aus Algen und werden schließlich an Land und in ein neues Leben gespült.


Genre: Romane
Illustrated by Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main