Marcus Messner, College Schüler aus Newark bei New York. Jude. Metzgersohn. Marcus Messner flieht 1951 vor der von ihm als Alptraum empfundenen Fürsorge seines Vaters durch einen Schulwechsel. Aus dem liberalen, urbanen und prosperierenden Newark an der US-Ostküste zieht er nach Ohio, in das konservative College von Winesburg. Hier will er sich auf das Lernen konzentrieren, will sich nicht ablenken lassen. Marcus Messner will in Ruhe gelassen werden. Juden sind in Winesburg eine Randgruppe. Kirchenbesuch verbindlich – in einer christlichen Kirche. Gemeinschaftssinn ist Pflicht. Keine Chance für Marcus Messner in Ruhe gelassen zu werden.
Was folgt, ist die Geschichte der Auflehnung gegen eine subtile, sich nie offen artikulierende Unterdrückung. Umso subtiler der Druck auf Marcus wird, umso unnachgiebiger wird er, umso fundamentaler wird sein Widerstand. In ihm wächst die Empörung.
Schon das dem Roman vorausgeschickte Motto, ein Zitat von E. E. Cummings aus “i sing of Olaf glad and big” : “Olaf (auf dem was einst Knie waren) wiederholt schier unablässig: nicht jeden Mist fress ich” macht stutzig.
Die Überschrift des ersten Kapitels “Unter Morphium” steht quasi wie ein Damoklesschwert über den ersten 190 Seiten der insgesamt 200 Seiten (die Auflösung wird erst im zweiten Kapitel geliefert), die der Roman umfasst. Dessen erste Sätze beschreiben den historischen und politischen Kontext der Geschichte: “Ungefähr zweieinhalb Monate nachdem die gutausgebildeten, von den Sowjets und den chinesischen Kommunisten mit Waffen ausgerüsteten Divisionen Nordkoreas am 25. Juni 1950 über den 38. Breitengrad vorgedrungen waren und mit dem Einmarsch in Südkorea das große Leid des Koreakriegs begonnen hatte, kam ich aufs Robert Treat, ein kleines College in Newark, benannt nach dem Mann, der die Stadt im siebzehnten Jahrhundert gegründet hatte.”
Die Jungen seines Jahrgangs, so erzählt uns Marcus Messner, wollen ihren Abschluss machen um dann als Offiziersanwärter bei den Marines anheuern zu können, um sich in Korea den Kommunisten in den Arm zu werfen. Zugleich hoffen alle, dass der Krieg vor ihrem Abschluss zu Ende sein möge. Ohne Abschluss von der Schule abzugehen ist gleichbedeutend mit sofortiger Rekrutierung als einfacher Soldat, als Kanonenfutter für die erste Reihe. Die Angst, die mit diesem Wissen einhergeht ist für die Jungen sehr konkret und hat Gesichter und trägt Namen. Die großen Brüder, die älteren Cousins waren erst fünf Jahre zuvor von den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs, aus Europa, aus Japan, aus Indochina zurückgekehrt. Oder eben nicht.
Das zweite Kapitel des Romans umfasst fünfeinhalb Seiten. Marcus hat seinen Widerstand in Winesburg nicht eingestellt. Seine Empörung ist gewachsen und in der Konsequenz bedeutet dies für Marcus: “Verschwinden Sie! Gehen Sie! Sie haben Marschbefehl! Packen Sie ihre rebellische Überheblichkeit und scheren Sie sich noch heute Abend aus Winesburg fort!” Kein happy ending rettet diese Geschichte.