Der Autor, begeisterter Leser und Büchersammler, stand von 1975 bis 1992 an der Spitze großer ostdeutscher Verlagshäuser. Als Verleger des Berliner Aufbau-Verlags begleitete er den Umbruch von der sozialistischen Plan- zur freien Marktwirtschaft. 1990 gründete er zwei neue Unternehmen: den Aufbau-Taschenbuchverlag in Berlin und den Verlag Faber & Faber in Leipzig. Als Verleger, der Traditionen überblickt, als praktizierender Idealist und Akteur in zwei unterschiedlichen Gesellschaftssystemen liefert er uns in seinem neuen Essayband engagierte Betrachtungen zur Bücherwelt, die als fällige Einwürfe in die fatalen Bewegungsspiele einer weithin gestreßten Buchbranche angesehen werden dürfen. Er meditiert über Lieblingsautoren, Bestseller und Flops der Bücherwelt, das Taschenbuch von gestern, heute und morgen, über Büchersammeln und Buchgeschmack und über das Beziehungsge?echt zwischen Autoren und Verlegern, das wunderlichste Wechselverhältnis des literarischen Marktes von Luther bis Grass. In zwei umfangreichen Interviews »Was von den Träumen blieb – Als Verleger in der DDR« und »Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der Phansasie – Als Verleger in der deutschen Bundesrepublik« zieht er Bilanz über ein bewegtes Verlegerleben. Leider merkt man dem alten Haudegen der DDR-Verlagsliteratur an, dass er doch dem DDR-Literaturgeschehen hinterhertrauert, aber es ist trotzdem interessant, wie er sich freut, dass er alte DDR-Titel z.B. Morgner, Amanda, wieder auflegen kann, um sie dem eiligen heutigen Literaturgeschehen wieder einzufügen, damit sie ihren literarischen Bestand behalten.
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Die Allmacht des Geldes und die Zukunft der Phantasie
Wortstoffhof
Kaum ein Land dürfte es auf der Welt geben, meint Axel Hacke in der Vorrede zu seinen alphabetisch aufgereihten Sprachgeschichten, in dem der Wiederverwertungsgedanke ausgeprägter ist als in unserem lieben Deutschland. Ergo legte er in seinem Büro ein Eckchen für sprachlichen Abfall an, den er jetzt in Buchform wiederverwertet.
Schlecht übersetzte Speisekarten, rätselhafte Schild-Texte, kryptische Gebrauchsanweisungen, falsch getrennte Wörter, vollkommen unverständliche Tourismus-Prospekte und anderes mehr sammelte der Autor. Unter dem Titel »Der Sprach-Wertstoffhof« richtete er im Magazin der »Süddeutschen Zeitung« eigens eine Kolumne ein, um nachzuweisen, dass sich aus fast allem etwas machen lässt. Es geht ihm dabei um nichts anders »als um den Spaß am Valschen, die Poesie des Irrthums, die Freude an der Fehlleistunck« – um einen Reichtum also, der erst durch menschliche Schwäche entsteht.
Hacke beginnt seine Betrachtungen mit »Äh« und »Ähm« und der Frage, ob es sich bei diesen Lauten um Geräusch- bzw. Sprech-Abfall oder um normale Wörter handelt. Unter diesem Aspekt analysiert er den König des »Äh«, Edmund Stoiber. Er kommt zum Ergebnis, dass Stoiber ein ganz Großer ist: »Ein Rhythmiker. Ein Sprachmusiker. Ein Virtuose des Äh«.
Er wandert weiter über das »Autorenerwachen«, den »Betäubungslärm« zum »Biermörder«, bestellt ein »Drahthuhn«, erfreut sich am musikalischen Spiel einer «Fötengruppe«, erfreut sich einer »hyänischen Kauflaune«, kommt vom »Mischdünger« auf den »Mpfplan«, behandelt den »No-Nonsense«, besucht das »Öktöbärfäst« enträtselt das Geheimnis des »Poppencorken« und springt schließlich durch ein »Zeitfenster«.
Wer Freude an lebendiger Sprache hat und gern lacht über Wortschöpfungen, die uns der Alltag schenkt, dem sei dieser Band von Axel Hacke dringend empfohlen.
Wahn
Für ein Jahr mietet Edgar Freemantle ein Haus auf Duma Key, Florida. Das auf Stelzen errichtete Gebäude ragt wie ein Schiff in den blauen Golf von Mexiko. »Big Pink« nennt der ehemalige Unternehmer das einsame Strandhaus, das rosa gestrichen ist.
Freemantle hat sich an diesen Zufluchtsort der frisch Verheirateten und fast schon Toten zurückgezogen, um sich von einem schweren Verkehrsunfall zu erholen. Dieser Unfall kostete ihn einen Arm und brachte ihm schwere Bein- und Schädelverletzungen ein.
Sein Broca-Zentrum, eine Region der Großhirnrinde, ist beschädigt. Dadurch hat er Wortfindungsschwierigkeiten und kann sich teilweise nur schwer erinnern. Sein Arzt rät ihm, spazieren zu gehen und »gegen die Hecke der Nacht« zu malen.
Edgar ist durch die Beschädigung seines Gehirns ungewöhnlich sensibel geworden und beginnt wie unter Zwang zu zeichnen. Auf seinen Bildern entstehen Situationen, die Vorhersagen gleichen. Er hat offensichtlich das zweite Gesicht, und seine Darstellungen beschreiben Vergangenes und künden Zukünftiges. Telepatische Schübe und eine unheimliche Hellsichtigkeit lassen ihn Zeichnungen und Gemälde fertigen, die düsteren Prophezeiungen gleichen.
Bei ausgedehnten Strandspaziergängen trifft er auf Wireman, einen Anwalt, der die Erbin einer ausgestorbenen Dynastie betreut und freundet sich mit ihm an. Der von Alzheimer verwirrten, uralten Elizabeth Eastlake gehört der gesamte Strandabschnitt. Freemantle bemerkt, dass Wireman ebenso wie die Hausherrin Kopfverletzungen haben. Sie fiel im zarten Alter von zwei Jahren von einem Ponywagen, der Anwalt überlebte einen Selbstmordversuch mit Pistole. Beide scheinen ebenso wie der Maler über überdeutliche Begabungen zu verfügen, Dinge und Ereignisse wahrzunehmen. Alle drei Personen sitzen damit in einem Boot und stellen sich die Frage, ob ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten mit den Verletzungen bestimmter Hirnregionen oder mit der Gegend zu tun haben, in der sie wohnen. Schon bald werden sie von den Ereignissen aufgeklärt.
Freemantles Bilder schlagen fundamental ein und begeistern Fachwelt wie Publikum. Doch die Bilder, auf denen gelegentlich ein gespenstisches Schiff auftaucht, üben eine gefährliche Sogwirkung auf ihre Betrachter aus. Sie ziehen sie wie eine tückische Unterströmung an. Es ist, als ergreife etwas von ihnen Besitz, das über die Gemälde hinaus wirkt. Bald erkennt das neu entdeckte Malgenie, welche Grauen erregende Macht von seinen Bildern ausgeht. Mit seiner Kunst kann er zwar positiv wirken und sogar heilen. Er kann damit aber auch Leben vernichten, und viele Motive, die er wie im Fieber auf Leinwand schleudert, entfalten erst langsam ihre wahre Bedeutung.
Stephen King erweist sich mit »Wahn« erneut als exzellenter Erzähler und scheint kein Formtief zu kennen. Gemächlich entspinnt sich die Handlung, um bald eine eigene Dynamik zu gewinnen und zum Schluss für atemberaubendes Tempo zu sorgen. Ähnlich wie in seinem Psychothriller »Love«, die Biographie einer dreißigjährigen Ehe, die durch Höhen und Tiefen geht, spielt auch in »Wahn« die Liebe eines Mannes zu seiner Familie eine wesentliche Rolle. Außerdem verarbeitet King ein weiteres Mal die Schrecknisse eines schweren Verkehrsunfalls, der ihn vor einigen Jahren beinahe aus der Bahn warf.
Kings »Wahn« richtet ausnahmsweise kein Blutbad an, das Leser des Horrorkönigs beispielsweise von seinem Thriller »Puls« kennen. Der Leser wird dennoch oder gerade deshalb in Atem gehalten. Er erlebt das Grauen der Protagonisten, als diese versuchen, das Übel an der Wurzel zu packen, und er erfährt immer neue Überraschungen und unvorhersehbare Wendungen.
In seinen Grundzügen erschließt sich die Handlung des Werkes und sein voraussichtlicher Schluss recht früh aus vielen Details. King arbeitet beispielsweise mit einem Textversatz namens »Wie man ein Bild malt«, der die Kapitel einleitet. Dies erschließt dem Leser recht früh Details und Zusammenhänge. Das aber ist der Spannung eher förderlich, und so jagt der Leser knapp neunhundert Seiten lang atemlos dem enthemmt kreativen Erzähler nach.
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Shadowmarch 2 • Das Spiel
Mit dem Vormarsch einer Riesenstreitmacht der elbischen Qar unter Führung von Fürstin Yassamez gegen Südmark scheint die Welt aus den Fugen zu geraten. Im Reiche König Olin Eddons, der selbst gefangen in Hierosol sitzt und gegen ein hohes Lösegeld ausgetauscht werden soll, findet ein heimlicher Umsturz statt, der die Tolly-Brüder an die Macht bringt. Weiterlesen
Mein Lied geht weiter
Eine Schwalbe macht noch keinen – wie bitte?
Der kahle Lindenbaum vor det Museum,
Is -haste Worte- wieda jrien belaubt.
Die Amseln üben wieda ihr „Te deum“,
Der Friehling kommt. Wer hätte det jejlaubt!
Ick laß mia von´ Aprilwind nicht vaschrecken
– Von wejen „Volksmund“, ick bleib fest dabei:
Eene Schwalbe macht eenen Sommer!
Eene Rose macht eenen Mai!
In meinem Blumentopp blieht schon een Krokus
– Na, und mein Emil is so jut wie neu!
Nachts im Park jibts wieda Hokuspokus.
Aus eins und eins wird zwei. Und späta drei!
Det een Mal keen mal sein soll, is een Märchen.
Man hat oft Pech, doch bleib ick fest dabei:
Eene Schwalbe macht eenen Sommer,
eene Rose macht eenen Mai.
Ei wei!
Wenn die ersten Schneeglöckchen blühen und die letzten Schneeflocken fallen, draußen die Sonne scheint, es aber noch a…kalt ist, kann man drinnen noch getrost seinen Leidenschaften frönen, z.B. ein Gedichtbuch zur Hand nehmen…
Dies tuen wahrscheinlich nur wenige Menschen, denn man musste in der bereits verflossenen Schulzeit andauernd Gedichte auswendig lernen und interpretieren…
Aber es gibt auch eine stets wachsende Fangemeinde, die in Gedichten etwas ganz anderes findet, z.B. Humor…
Und den feinen Humor, trotz aller ernsthaften Lebensangelegenheiten, atmen die meisten Gedichte von Mascha Kaleko ein und aus…
Der vorliegende kleine Band ist eine Auswahl von einhundert Gedichten aus Mascha Kalekos Nachlass, der sich in sieben „Kapitel“ gliedert…
Das Gute daran ist, dass man die Kapitel nicht, wie in einem Roman, nacheinander lesen muß, sondern man einfach irgendeine Seite aufschlagen und loslesen kann…
Aber Vorsicht, alles in Maßen und nicht in Massen! Auch für Mascha Kalekos Kleinode gilt: Weniger ist mehr!
Man kann den kleinen Band schon jetzt „durchkämpfen“, aber er liest sich bestimmt auch genauso schön unter einem sommerlichen Apfelbaum…
Zum Schluss noch etwas in Hochdeutsch für alle Fans dieser Internetseite, natürlich von Mascha Kaleko (1907-1975):
Ansprache eines Bücherwurms
Der Kakerlak nährt sich vom Mist,
Die Motte frißt gern Tücher,
Ja selbst der Wurm ist, was er ißt.
Und ich, ich fresse Bücher.
Ob Prosa oder Poesie,
Ob Mord – ob Heldentaten –
Ich schmause und genieße sie
Wie einen Gänsebraten.
Ich bin ein belesner Herr,
Nicht wie die andern Viecher!
Daß Bücher bilden, wißt auch ihr,
Und ich – ich fresse Bücher.
Die Nahrung, sie behagt mir wohl,
Verleiht mir Grips und Stärke.
Was andern Wurst mit Sauerkohl,
Das sind mir Goethes Werke.
Ich fraß mich durch die Literatur
So mancher Bibliotheken;
Doch warn das meiste, glaub es nur,
Bloß elende Scharteken.
Das Bücherfressen macht gescheit.
So denken sich´s die Schlauen.
Doch wer zuviel frißt, hat nicht Zeit,
Es richtig zu verdauen.
Drum lest mit Maß, doch lest genug,
Dann wird´s euch wohl ergehen.
Bloß Bücher fressen macht nicht klug!
Man muß sie auch verstehen.
Ein Regenschirm für diesen Tag
Wilhelm Genazinos durch Frankfurt latschender Protagonist ist gut zu Fuß. Der Flaneur, der häufig das Gefühl empfindet, ohne seine innere Genehmigung auf der Welt zu sein, ist Meistertester der Schuhmanufaktur Weisshuhn. Im Auftrag des expandierenden Unternehmens prüft er handgearbeitetes Schuhwerk, schreibt darüber umfangreiche Gutachten und hält sich mit diesem Minijob mehr schlecht als recht über Wasser.
Seine langjährige Gefährtin und Geldgeberin Lisa hat den Schuhtester inzwischen verlassen, um ihn zu zwingen, sich endlich um einen besseren finanziellen Hintergrund zu bemühen. Die früh pensionierte Grundschullehrerin, »die sich für den Staat, für die Kinder oder für ihre Illusionen ruiniert hat«, meint damit seine »mangelhafte finanzielle Verwurzelung in der Welt«.
In ständigem Gedankenfluss wandert der namenlose Ich-Erzähler durch die Stadt. Er erlebt die Zerbröckelung, Zerfaserung und Ausfransung seines Lebens als Prozess, den er »Verflusung« nennt. Er stört sich an Kindern, die Schokolade essen ebenso wie an Autos, die am Straßenrand parken. Während er ziellos durch die Landschaft schlendert und sich vom Leben abzulenken versucht, beobachtet er unterschiedlichste Gestalten und notiert in Gedanken ihre Bewegungen, Eigentümlichkeiten und Eigenschaften. Es scheint ihm dabei so, dass der Auftritt einer Person, der es offenkundig noch schlechter geht als ihm, in ihm das Verhalten eines guten Menschen hervorruft.
Gelegentlich trifft er weibliche Bekannte, die ihn an seine Kindheit und Jugend erinnern. »Man wird die Leute nicht mehr los, denen man einmal von seiner Kindheit erzählt hat«, klagt er und kehrt in einen Frisiersalon ein, mit deren Inhaberin ihn ein gelangweiltes Gelegenheitsverhältnis verbindet. Auch eine Freundin aus der Jugendzeit rührt ihn nicht wirklich an, wenn er zum wiederholten Mal ihrem verpatzten Traum von einer Schauspielerkarriere lauscht.
Seine »Tagesverdammnis« will es, dass die Schuhmanufaktur sein Honorar für die Berichte auf ein Viertel kürzt. Er beschließt, den Job aus Verachtung aufgeben, doch er ist zu matt und erfindet künftig lieber aus Rache die Gutachten. Sein Dünkel besteht aus einem fast permanenten Zusammenstoß von Demut und Ekel. Die Demut gemahnt ihn, auch die dümmsten Geschichten seiner Mitmenschen anzuhören. Der Ekel stachelt ihn an, zu fliehen, um nicht in den Ausdünstungen seiner Mitmenschen unterzugehen.
Beiläufig stößt er auf den Redakteur des Generalanzeigers, für den er einstmals bereits tätig war. Obwohl er es eigentlich ablehnen möchte, nimmt er dann doch dessen Angebot an, für das Blatt lokale Berichte zu schreiben. Zudem erklärt er Leuten, die ihm ein Gespräch aufdrängen, er leite ein Institut für Gedächtnis- und Erlebniskunst. Zu ihm kämen Menschen, die das Gefühl haben, dass aus ihrem Leben nichts als ein lang gezogener Regentag geworden sei. Sein Institut versuche, Klienten zu Erlebnissen zu verhelfen, die wieder etwas mit ihnen selber zu tun haben, jenseits von Fernsehen, Urlaub, Autobahn und Supermarkt. Verstört reagiert er, als sich Menschen von seiner Notlüge angesprochen fühlen und sich ihm als Kunden aufdrängen.
Genazinos Roman besteht aus dem endlosen Monolog eines intellektuellen Stadtstreichers, der sich und seine Umwelt ständig beobachtet. Der Autor beschreibt haargenau Menschen, die sich im Alltag bewegen und lässt sich, genau wie im richtigen Leben, federleicht ablenken von Figuren, die wie Treibgut in sein Blickfeld schwimmen. Dabei fällt die ungeheure Kraft des Erzählers auf, den Leser nur durch Beobachtungen am Geschehen teilhaben zu lassen. Genazino verzichtet nahezu vollständig auf den Einsatz anderer Sinne, wie es den Teilnehmern jedes »Kreativ-Schreiben«-Kurs bereits in den ersten Lektionen ins Hirn gehämmert wird. Höchst selten findet ein Riechen, Schmecken, Hören oder Tasten statt, ein Geruch »fällt ihm auf«, aber dabei lässt er es auch schon bewenden.
Die lakonische Erzählweise Genazinos und das dabei entstehende Gemälde einer Persönlichkeit am Rande des Scheiterns sind eindrücklich. Der Autor arbeitet photographisch exakt, er belichtet ausgewählte Details und vergrößert sie für seine Prosacollage im »Gestrüpp, Geröll, Geraschel, Geschluppe, Geschlappe« des Lebens. Sein Roman über ein im Gleichmass verlaufendes «Ablenkungsleben» ist ein Buch für Leser, die zuweilen auch das Gefühl haben, dass ihr bisheriges Leben lediglich ein lang gezogener Regentag ist und «ihr Körper der Regenschirm für diesen Tag».
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Die Menschenleserin
Der wegen Mordes verurteilte Sektenführer Daniel Pell ist ein Manipulator ersten Ranges und auch in Gefangenschaft noch höchst gefährlich. Er hatte vor seiner Festnahme eine Gruppe von jungen AnhängerInnen um sich geschart und seine Taten (das Auslöschen einer fast kompletten Familie) erinnern fatal an die Morde von Charles Manson. Nun soll Pell im Zusammenhang mit einer weiteren Straftat von der Bundesagentin und Expertin für Verhörtechniken Kathryn Dance vernommen werden; ein Umstand, den der Bösewicht zu einer blutigen Flucht nützt. Schnell wird klar, dass der Ausbruch nur mit Unterstützung von außen gelingen konnte und so installiert man ein Team unter der Leitung der „Menschenleserin“, um den Entflohenen gleich wieder dingfest zu machen. Kathryn gräbt sich tief in Pells Vergangenheit ein, hofft sie doch, mit Hilfe der ehemaligen Sektenmitglieder Zugang zur Denkweise des Soziopathen zu erlangen. Der Plan ist zunächst erfolgreich, man kommt ihm rasch auf die Spur, aber der erfolgreiche Zugriff mag dennoch nicht gelingen. Etwas ist immer anders als es zu sein scheint und das gilt nicht nur für die Gegenwart…
Mit „Die Menschenleserin“ legt der Autor den ersten Roman mit Kathryn Dance in der Hauptrolle (sie hatte bereits einen Gastauftritt in „Der gehetzte Uhrmacher“) vor und es ist ein exzellentes Debüt. Die Protagonistin fasziniert mit ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit als menschlicher Lügendetektor, sie erkennt an Haltung, Körpersprache und Stimme, wann jemand die Unwahrheit sagt.Allerdins ist das keine übernatürliche Wahrnehmung, sondern durchaus wissenschaftlich fundiert; der Fachausdruck dafür lautet Kinesik.
Das Buch ist mitreißend und spannend, intelligent geschrieben und – wie stets bei diesem Autor – voller unerwarteter Wendungen, die den Leser zwar staunend, aber nicht ratlos zurücklassen. Die Figuren sind komplex gezeichnet und damit ist der Grundstein gelegt für ihre künftige Entwicklung in weiteren Werken dieser Reihe, ähnlich wie bei den Lincoln-Rhyme-Romanen. Freunde ansprechender Kriminalliteratur dürfen sich also freuen, denn in einem Brief an die Leser hat Deaver versprochen, nach einem neuen Abenteuer mit dem gelähmten Forensikexperten ein zweites Buch mit Kathryn Dance folgen zu lassen. Bis dahin wäre es allerdings erst einmal angebracht, dass sich ein Verlag dazu entschließt, endlich „Garden of Beasts“ auch auf Deutsch zu veröffentlichen, ein packender Thriller, der in Berlin während der Nazi-Diktatur spielt.
Interessierten Lesern sei auch die offizielle Website des Schriftstellers empfohlen: http://www.jefferydeaver.com
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Mittelmäßiges Heimweh
Der Controller Dieter Rotmund wohnt allein in einer großen Stadt. Er lebt getrennt von seiner Frau, die im Schwarzwaldidyll siedelt und sich dort auf seine Kosten selbst verwirklicht. Doch da ist noch Susanna, die geliebte Tochter. Beide besucht er jeweils zum Wochenende. Edith weicht ihm ständig aus. Sie stürzt sich in eine Affäre und zieht sich und das gemeinsame Kind schließlich ganz von ihm zurück.
Rotmund fällt im Gefühl des Zerfalls seiner Ehe immer stärker in ein gleichförmiges, langweiliges Leben. Seine Sehnsucht nach Frau und Kind verkümmert zur Gleichgültigkeit. Obwohl ihm der Schwarzwald inzwischen ganz gut gefällt, empfindet er für den Ort, an dem seine Lieben sind, bald nur noch mittelmäßiges Heimweh. Darauf bezieht sich der Titel des Romans.
Mittelmaß und Gleichgültigkeit machen das Leben Rotmunds aus. Selbst als er in einer Kneipe plötzlich ein Ohr verliert, irritiert ihn das nur leicht. Später kommt ihm sogar noch eine Zehe abhanden. Er scheint sich damit allmählich im Mittelmaß aufzulösen. Sein unscheinbares Leben wird ungenau. Eine kleine Qual hat ihr Zelt in ihm aufgeschlagen und drangsaliert ihn von innen. Da hilft auch keine sexuelle Beziehung mit einer Frau, die zufällig in sein Leben tritt.
Deutlich merkt er, dass sein Gefühlsleben stehen geblieben ist und sich nicht bewegen will, obwohl er es manchmal anzuschieben versucht. In diesem Stillstand fällt ihm auf, dass er Sehnsucht nicht mehr von Heimweh unterscheiden kann. Früher war ihm klar, dass Sehnsucht dem Heimweh vorausgeht: »Du liebst eine Frau, dadurch entsteht Sehnsucht. Indem sich die Sehnsucht zeigt, bildet sich nebenbei auch Heimweh nach der Landschaft oder der Stadt, in der die geliebte Frau zu Hause ist. Indem du die Frau liebst, wird die Sehnsucht gestillt, und das Heimweh verschwindet. So einfach war das einmal. Zuerst wurde die Sehnsucht mittelmäßig, jetzt auch das Heimweh«. Rotmunds Leben verdichtet immer mehr zum inneren Monolog eines Menschen, der den Glauben an erfüllende Partnerschaften ebenso wie das Gefühl inneren Glücks verloren hat.
Wilhelm Genazino zeichnet in dem ihm eigenen resignativen Stil das Bildnis eines Mannes, der die Fremdheit überwinden will und doch von Fremdheit zugewuchert wird. Er konzentriert sich mit seinem Roman auf den merkwürdigsten Punkt im Leben: auf den Punkt, da sich ein zuvor heftiges Interesse plötzlich aufzulösen beginnt. Lakonisch und gleichzeitig haarscharf in der Beobachtung schildert er den Wärmetod des Gefühls, die Abflachung aller Emotionen und ihr Verlöschen in Mittelmäßigkeit.
Ausgeprägt ist seine enorme Beobachtungsgabe von Personen und Ereignissen. Detaillierte Beschreibungen alltäglicher Banalitäten münden durchaus in eigenwillige, skurrile Erkenntnisse. »Es ist diese Wahrnehmung, die meine Melancholie über den vielleicht ausbleibenden Sinn vertreibt und mich wieder ins Leben zurückholt«, lässt er seinen Helden sagen. Genazinos Verfremdungstechnik hilft, die eigene Verzweiflung durch die Situationskomik des Alltags zu betäuben. Aufgelöst wird sie dadurch nicht.
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Die Tochter
„Jetzt müßt ihr leben, leben, so sehr ihr könnt“, fordert Max Lipschitz‘ Vater nach der Beerdigung seiner Schwester auf dem Ölberg in Jerusalem. Und dann schenkt Max zum ersten Mal im Leben einem fremden Menschen sein Vertrauen: Sabine, der jungen Frau aus dem Amsterdamer Anne-Frank-Haus, die ihm nach Jerusalem gefolgt ist und deren Vater so wie der von Max ein Überlebender des Holocaust ist.
Eine rauschhafte, glückliche Zeit bricht an, die eines Tages jäh zu Ende geht. Sabine verschwindet spurlos, ohne jede Vorwarnung. Ein Brief verkündet lapidar: „Mit Dir und mir kann es einfach nie etwas werden … Mach Dir keine Hoffnungen, such nicht.“ Natürlich macht sich Max dennoch auf die Suche, doch er findet die Geliebte nicht. Sein mit Sabines Hilfe freigelegtes Urvertrauen schwindet rasant. Die alte Unsicherheit macht sich wieder breit, die ihn über Kindheit und Jugend begleitet hat angesichts der alten, düsteren Geschichten von Krieg und Judenvernichtung, die den Familienalltag prägten und unbeschwertes Miteinander kaum zuließen.
Max organisiert sich sein Leben mehr schlecht als recht, wird Verleger statt Schriftsteller und trifft fünfzehn Jahre später auf der Frankfurter Buchmesse Sabine wieder. Sofort brechen die nie verheilten Wunden wieder auf, aber auch die wunderbare Vertrautheit, die er so vermißt hat. Sabine ist inzwischen eine vielgefragte Fotografin und in Begleitung eines berühmten amerikanischen Filmproduzenten. Sie lebt in Los Angeles. Ein zweites Mal lassen sich die beiden mit Haut und Haaren aufeinander ein, und doch steht ein unausgesprochenes, unfaßbares Geheimnis zwischen ihnen …
Die niederländische Autorin Jessica Durlacher offeriert einen Liebesroman von gewaltiger Kraft und Eindringlichkeit. Ruhig und leidenschaftlich zugleich entfaltet sich eine mitreißende Geschichte voller Überraschungen. Durlacher schafft es, das heikle, unbequeme Thema Holocaust zu thematisieren und dennoch die Liebe in den Mittelpunkt zu stellen und sich bei allem Tiefgang eine feine Leichtigkeit zu bewahren.
Der Wolkenatlas
Am Anfang war die Verwirrung: Das sollte ein Roman sein? Kaum hatte man sich in die Geschichte eingelesen, begann schon eine neue und noch eine und noch eine … Ein fesselnder Roman war versprochen worden, und nun dieses: ein Band abrupt abbrechender Erzählungen ohne inneren Zusammenhang!? Immerhin war die Sprache brillant und die Handlung durchaus spannend … wenn sie nur nicht dauernd abbrechen würde!
Es beginnt mit dem Pazifiktagebuch eines amerikanischen Notars, der Mitte des 19. Jahrhunderts in einer Erbschaftsangelegenheit auf Reisen ist und dabei an die Grenzen seiner moralischen und körperlichen Kraft stößt.
Sodann findet ein junger englischer Komponist auf der Flucht vor seinen Gläubigern Unterschlupf und Inspiration bei einem einstmals genialen Berufskollegen in Belgien, der durch Alter und Syphillis alle Lebens- und Schaffenslust verloren hat und nach anfänglicher Wiederbelebung mitansehen muss, wie der hilfsbedürftige Assistent sich selbst zum Meister mausert.
Eine junge amerikanische Journalistin ist einem Atomskandal auf der Spur, ein abgehalfterter Verleger landet irrtümlich in einem geschlossenen Altenheim, eine geklonte Koreanerin der Zukunft will ein richtiger Mensch werden, und ein vom Schicksal gebeutelter alter Mann erzählt in hinterwäldlerischstem Jargon aus seiner dramatischen Kindheit, die in ferner Zukunft „nach dem Untergang“ verlief, als man die letzten Reste von Zivilisation zu bewahren suchte.
Erst lange nach der Hälfte des Buches bekommen die Geschichten des Anfangs ihre Fortsetzung und ihr Ende, und immer deutlicher verknüpfen sich die einzelnen Handlungsstränge. Immer steht der Mensch im Mittelpunkt, der Mensch in seinem zu allen Zeiten egoistischen Streben nach Macht, Geld und Einfluss im Großen wie im Kleinen. Dieses Streben bringt ihn vorwärts und richtet dabei grässliches Unheil an. Jene Menschen, die andere Ideale verfolgen und / oder aufs Gemeinwohl bedacht sind, müssen aus dem Weg geräumt werden – Wurzel fast allen Übels dieser Welt und genug Stoff für Romane von gestern, heute und morgen. Stoff auch für einen so vielschichtigen und bei aller Dramatik witzigen Roman wie den „Wolkenatlas“, den der anfangs skeptische Leser am Ende doch gefesselt und daher höchst ungern aus der Hand legt. Wie gern würde er zum Finale das so plastisch beschriebene Wolkenatlas-Sextett hören, das der junge Assistent des alten Künstlergenies komponiert hat und das fast verlorengegangen wäre …
David Mitchell präsentiert einen aus verschiedenartigsten Materialien gewebten, eigenwilligen und raffinierten Roman, der bei rororo unlängst als Taschenbuch erschienen ist, sodass sich experimentierfreudige Leser kostengünstig auf ihn einlassen können. Bibliophile werden sich an solchen Bonmots wie dem folgenden erfreuen: „Bücher bieten keine wirkliche Rettung an, aber sie können den Geist davon abhalten, sich wund zu kratzen.“
Ebenfalls bei rororo zu haben und unbedingt empfehlenswert ist ein weiterer Roman des britischen Autors: „Der dreizehnte Monat“, ein literarisches und psychologisches Meisterwerk, das von den Gemeinheiten und Wonnen des Erwachsenwerdens und Menschseins berichtet.
Harry Potter
Harry Potter total (Band I – VII) in drei magischen Minuten
Zehn Jahre hat die britische Autorin Joanne K. Rowling an ihrer siebenteiligen Harry-Potter-Saga geschrieben. Wer sich an die Lektüre der einzelnen Bände erinnern, wer überlegt, die Heptalogie in einem einzigen Rutsch (noch einmal) zu lesen, oder wer einfach nur mitreden möchte, dem mag die folgende Zusammenfassung des Gesamtstoffes dienlich sein. Abrakadabra! Auf geht es ins Land der Zauberer und Hexen: 4.000 zauberhafte Buchseiten in drei magischen Minuten.
1. Harry Potter und der Stein der Weisen (Harry Potter and the Philosopher’s Stone)
Das Waisenkind Harry Potter wächst in der spießigen Familie Dursley in Little Whinging, Surrey, heran und glaubt, er sei ein ganz normaler Junge. Doch an seinem elften Geburtstag erfährt er, dass er ein verwaister Abkömmling einer Zaubererfamilie ist und in eine Schule für Hexerei und Zauberer aufgenommen werden soll. Die Dursleys hatten ihm seine Herkunft verschwiegen und versuchen mit allen Mitteln, ihm seine magische Zukunft zu verwehren.
Rubeus Hagrid, Wildhüter und Schlüsselbewahrer von Hogwarts, hilft Harry, in die Welt der Zauberei einzutauchen. Der Halbriese führt ihn in die Winkelgasse, eine geheimnisvolle Einkaufsmeile für Magier und solche, die es werden wollen, um Zauberstab, Hexenkessel und Schulbücher zu kaufen. Das Zauber-Internat Hogwarts erreicht der frisch gebackene Lehrling Potter mit einem geheimnisvollen Expresszug vom Gleis 93/4 des Londoner Bahnhofs Kings Cross. Menschen, von den Zauberern Muggel genannt, können diesen Zug nicht sehen und wissen auch nichts von der omnipräsenten Dimension der Zauberer.
Der Erstklässler wird von einem sprechenden Hut einem von vier Schulhäusern (Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin) zugeteilt. Fasziniert macht er Bekanntschaft mit der geheimnisvollen Welt der Schule, seinen neuen Schulkameraden und mit Schulleiter Albus Dumbledore, einem mit allen Wassern gewaschenen Zaubermeister. Er wird in verschiedenen Disziplinen der Zauberkunst unterrichtet und entwickelt sich zum Meister im »Quidditch«, einem magischen Ballspiel, das auf fliegenden Hexenbesen gespielt wird. Erstmals erfährt er, dass der Schwarzmagier Lord Voldemort seine Eltern Lily und James ermordete und ihm dabei eine blitzförmige Narbe auf die Stirn brannte.
Harry und seine engsten Freunde aus dem Hause Gryffindor, Ron Weasley und Hermine Granger, verdächtigen den Professor für Zaubertränke, Severus Snape, den Stein der Weisen für Voldemort stehlen zu wollen. Dabei handelt es sich um einen magischen, ewiges Leben spendenden Stein, von dessen Existenz die Schüler eigentlich nichts wissen dürften. Bei Kämpfen mit der Angeberclique um Draco Malfoy von den Slytherins entdecken die drei den großen, dreiköpfigen Hund Fluffy, der auf Anordnung des Schulleiters den Stein der Weisen bewacht.
Mit Hilfe eines wertvollen Tarnumhangs, den Harry als Erbstück seiner ermordeten Vaters erhält, gelingt es den drei Schülern, unbeschadet an Fluffy vorbei zu kommen und verschiedene Rätsel zu lösen. Am Ziel trifft Harry allein auf Lord Voldemort, der sich im Körper eines Mitgliedes des Lehrkörpers versteckt hält. Es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod, wobei Harry überlebt und den Stein der Weisen rettet.
2. Harry Potter und die Kammer des Schreckens (Harry Potter and the Chamber of Secrets)
Der Hauself Dobby versucht alles, um Harry Potter davon abzuhalten, rechtzeitig nach den Ferien wieder zum zweiten Schuljahr nach Hogwarts zu kommen, weil diesem dort Unheil drohe. Harry schafft es dennoch mit Hilfe von Ron und seinen Brüdern Fred und George, die ihm in einem fliegenden Auto zur Flucht aus dem Hause der Dursleys verhelfen, zu seiner geliebten Schule zu gelangen.
In Hogwarts vernimmt Harry plötzlich eine seltsam zischende Sprache: die Schlangensprache Parsel. Außerdem erfährt er von dem Gerücht, eine sagenumwobene »Kammer des Schreckens« sei geöffnet worden und ein grauenhaftes Etwas treibe sein Unwesen in den Gemäuern der ehrwürdigen Schule. Mit Hilfe eines Verwandlungstrunkes mischt sich Harry unter die Slytherins, um heraus zu finden, ob diese die Kammer geöffnet haben.
Bald kommt es zu plötzlichen Versteinerungen von Schülern, und als die Kids erleben, dass Harry sich auf die Schlangensprache versteht, halten sie ihn für den Erben des Bösen, der die Kammer geöffnet hat und Unheil über Hogwarts bringt. Die Schulleitung erwägt, das Institut zu schließen, um die Kinder zu sichern. In einem von Hermine entdeckten Buch findet Harry einen Bericht über einen »Basilisk«. Dieser »König der Schlangen« verfügt über einen tödlichen Blick. Die Schüler hatten das Glück, seinem Blick nur im Spiegel zu begegnen, weshalb sie »nur« versteinerten, (um später mit Heilkräutern von guten Feen wieder erweckt zu werden).
Mit Hilfe der Schlangensprache gelingt es Harry, einen geheimen Gang zu öffnen, der tief unter Schloss Hogwarts führt. In einem tempelartigen Gewölbe erwartet ihn der Geist von Tom Vorlost Riddle, ein Anagramm von »Ist Lord Voldemort«, und damit dieser selbst. Er gibt sich als Sohn einer Hexe und eines Muggels zu erkennen, deren Rasse er aus den Zaubererrängen tilgen will, weil sein Vater die Mutter verließ. Da seine bisherigen Mordanschläge auf den ebenfalls muggelstämmigen Harry Potter misslangen, erkennt Voldemort ihn als seinen gefährlichsten Widersacher an.
Mit Hilfe der Schlangensprache ruft der Dunkle Lord den Basilisk zur Hilfe, um Harry zu erledigen. Dieser jedoch wird unterstützt von Dumbledores Phönix Fawkes, welcher der Bestie die Augen aushackt. Aus dem Sprechenden Hut zieht Harry das Schwert des Zauberers Gryffindor und erschlägt den Basilisk.
3. Harry Potter und der Gefangene von Askaban (Harry Potter and the Prisoner of Azkaban)
Aus dem von Dementoren bewachten Zaubereigefängnis Askaban, ist der angeblich höchst gefährliche Schwarzmagier Sirius Black ausgebrochen. Das Zaubereiministerium hält es für möglich, dass Black, dem Böses unterstellt wird, Harry töten will und verschärft die Sicherheitsvorkehrungen rund um Hogwarts, wo Harry sein drittes Schuljahr antreten soll.
Sirius trifft auf Harry und öffnet ihm die Augen, dass er unberechtigt in Askaban eingekerkert war. Tatsächlich ist er Harrys Pate und beschützt ihn seit dem Tod seiner Eltern. Mit Hilfe einer Zeitmaschine verhelfen Harry und Hermine dem entflohenen Häftling auf Hagrids Hippogreif Seidenschnabel zur Flucht.
4. Harry Potter und der Feuerkelch (Harry Potter and the Goblet of Fire)
Das vierte Schuljahr beginnt für Harry sportlich: Er wird zu den internationalen Quidditch-Meisterschaften eingeladen, bei denen sich Zauberschüler aus verschiedenen Ländern messen. Beim neuen Lehrer für »Verteidigung Gegen Die Dunklen Künste«, Alastor »Mad Eye« Moody, lernt er drei verbotene, Flüche, mit der Kontrolle über andere Wesen ausgeübt werden kann.
Weiter geht es mit einem Trimagischen Turnier, für das Harry ausgewählt wird, obwohl er mit 14 Jahren noch zu jung dafür ist. Potter muss als erste Prüfung ein goldenes Ei aus dem Nest eines echten Drachens stehlen. In einer weiteren Aufgabe muss er stundenlang unter Wasser tauchen und dabei eine lieb gewordene Person retten. Schließlich wird der Zauberlehrling in einen verwunschenen Irrgarten geführt, in dessen Mitte ein magischer Pokal wartet.
Dieser Pokal erweist sich indes als verzauberter Portschlüssel, der den Jungen auf einen düsteren Friedhof führt. Harry wird dort Zeuge der Wiederauferstehung von Lord Voldemort im Kreis seiner getreuen Totesser. Der Oberboss aller bösen Geister foltert den Knaben blutrünstig und trinkt von seinem Blut, um sich zu stärken. Nur mit zauberischer Hilfe kann Potter fliehen und sein Leben retten.
5. Harry Potter und der Orden des Phönix (Harry Potter and the Order of the Phoenix)
In seinem fünften Schuljahr erfährt Harry Potter erstmals zarte Gefühle junger Liebe. Der Backfisch gerät aber auch in neue handfeste Auseinandersetzungen mit seinem Hauptfeind, dem tödlich gefährlichen Lord Voldemort. Der Dunkle Lord formiert mächtige Truppen, doch auch Zauberlehrling Harry sammelt Streiter, die sich pfiffig in den Dienst von Hogwarts bedrohtem Schulleiter Dumbledore stellen. Das Böse gewinnt inzwischen erheblichen Einfluss im Zaubereiministerium, in der Presse, in der Schulverwaltung und versucht schließlich, Harry selbst für seine Zwecke zu benutzen, indem es in seine Träume eindringt.
Professor Dumbledore ruft die Vereinigung »Orden des Phönix« ins Leben. Dieser Bund hat sich den Kampf gegen den Dunklen Lord zum Ziel gesetzt hat. Vom Zaubereiministerium, das immer noch nicht an die Rückkehr Voldemorts glauben mag, wird der Schulleiter als »vertrottelt« dargestellt. Harry wird verspottet und als unglaubwürdig abgestempelt. Als weitere Schutzmaßnahme gründen Harry und seine Freunde einen Geheimbund, »Dumbledores Armee«.
Wie bereits in den ersten vier Bänden der Saga muss der jugendliche Held atemberaubende Abenteuer bestehen, die wiederholt Menschenleben kosten. Nach rund tausend Buchseiten erfährt der Leser in diesem Band auch, auf welche Weise der Zyklus beendet werden könnte. Doch das ist so grauenerregend, dass eigentlich kein Ende der Geschichte geschrieben werden darf …
6. Harry Potter und der Halbblutprinz (Harry Potter and the Half-Blood Prince)
Im Zauberinternat Hogwarts wird im sechsten Schuljahr heftig geflirtet und geknutscht. Ron ist über beide Ohren in eine Mitschülerin verliebt, Hermine zerspringt fast vor Eifersucht, und Harry entgeht nur knapp einem Liebestrank, den ihm eine Verehrerin einflößen will, um seine heimliche Bindung an die von ihm umschwärmte Ginni zu zerstören. Potter entdeckt in einem geheimnisvollen Zauberbuch, das einem ominösen Halbblutprinzen gehörte, Rezepte für Zaubertränke, die sein Wissen erweitern.
Neben diesen Schauplätzen nimmt der Angriff des durch Harrys Blut wieder zum Leben erweckten Dunklen Lords und seiner getreuen Todesser den Leser gefangen. Voldemort hat seine Getreuen nach Hogwart eingeschleust, Harry verdächtigt Drago Malfoy und den unheimlichen Professor Snape, für das Böse tätig zu sein, doch keiner will seinen Beobachtungen Glauben schenken. Durch konservierte Erinnerungen erfährt Harry viel über die Familie und Jugend Voldemorts, der sich als Tom Riddle danach sehnte, an Hogwart zu unterrichten.
Er beginnt auch zu verstehen, worin Voldemorts Unsterblichkeit gründet: der Dunkle Lord hat durch Morde seine Seele in sieben Teile gespalten und diese als Horkruxe an verborgenen Orten deponiert hat. Einen davon habe Harry bereits vernichtet, es handelte sich dabei um das Tagebuch von Tom Riddle, einen weiteren konnte Dumbledore unschädlich machen, nämlich den Ring von Riddles Großvater Vorlost Gaunt, ein Erbstück von Salazar Slytherin. Mit Dumbledore gemeinsam will Harry den vermeintlich dritten Horkrux, ein Medaillon, aufspüren und zerstören.
In ihrer Abwesenheit greifen die von Drago ins Schloss geleiteten Todesser Hogwarts an …
7. Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (Harry Potter and the Deathly Hallows)
Harry feiert seinen 17. Geburtstag und wird volljährig. Damit ist er vor den Verfolgungen seiner Feinde, die von Lord Voldemort beauftragt wurden, ihn lebend zu fangen, nicht mehr sicher. Die gespenstische Bande versucht alles, ihn in ihre Gewalt zu bringen und schreckt weder vor Mord noch vor Verschwörung zurück. Entsprechend turbulent verlaufen die dramatischen Ereignisse im vorerst letzten Band der Geschichte um den Jungen mit der Narbe auf der Stirn.
Um Voldemort endgültig zu vernichten, bleibt Harry kaum noch Zeit, die Horkruxe zu finden und zu zerstören, in die der Dunkle Lord seine Seele gespalten hat. Potters ehemaliger Schulleiter, Albus Dumbledore, der bei einem Gefecht mit den Todessern von dem rätselhaften Professor Snape umgebracht wurde, hinterlässt dem Jungen sowie seinen engsten Gefährten, Hermine Granger und Ron Weasley eine Reihe rätselhafter Artefakte, die ihnen bei ihrer Suche helfen sollen. Leider werfen die Erbstücke mehr Fragen auf als Antworten zu geben.
Auf der sich nun entwickelnden abenteuerlichen Hetzjagd kommt es mehrfach zu tödlichen Begegnungen zwischen den verfeindeten Parteien. Harry verliert mehr als ein Dutzend seiner treuesten Freunde und Begleiter. Als der Junge in höchster Not von den »Heiligtümern des Todes« hört, die sein Mentor Dumbledore angeblich Zeit seines Lebens gesucht hat, eröffnen sich neue Perspektiven für den Kampf gegen den übermächtigen Gegner und die in seiner Macht stehenden Todesser, Hexen, Riesen und Dementoren.
Im Final Countdown entschließt sich Harry, sein Leben dem Wohl der Gemeinschaft zu opfern, um auf diese Weise die finsteren Mächte zu stoppen. Doch ob ihm dieses selbstlose Unterfangen gelingt? – Wer es schafft, der atemberaubenden Spannung des Bandes zu folgen und die abschließende Schlacht, die das halbe Zauberinternat zum Einsturz bringt, ohne Herzkasper zu überstehen, wird es erfahren …
Fazit:
Es gibt in der Literaturgeschichte nur sehr wenige Autoren, die wie Joanne K. Rowlings in der Lage waren, eine Heptalogie, so wird ein siebenteiliges Gesamtkunstwerk genannt, zu schaffen. Marcel Proust zählt mit seinem Siebenteiler »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« ebenso dazu wie Stephen King »Der Dunkle Turm».
Rowlings Geschichte um Harry Potter führt vom elften zum siebzehnten Lebensjahr des Zauberschülers und nutzt dabei das Schuljahr als Zeitmaß. Es handelt sich um eine sorgfältig konstruierte Entwicklungsgeschichte in sieben Teilen, die von der ersten bis zur letzten Zeile knisternde Spannung garantiert.
Hunderte handelnde Figuren sind sorgfältig ausgemalt und kunstvoll zueinander in Beziehung gesetzt. Bei vielen Charakteren wird erst in den allerletzten Augenblicken deutlich, auf welcher Seite sie tatsächlich stehen und aus welchen Motiven sie agieren. Bezüge zu Ereignissen in den verschiedenen Bänden werden sorgfältig hergestellt.
Das Gesamtwerk ist eine Ode an den Zusammenhalt und die Freundschaft, und es macht auch dem Schwachen Mut, zu Grundsätzen zu stehen und das Böse abzuwehren. Schon unter diesem Aspekt ist die siebenbändige Reihe um dem Zauberschüler mit der Blitznarbe uneingeschränkt empfehlenswert.
Hexenmeisterin Joanne K. Rowling, die das siebenköpfige Werk in ihrem heimischen Kessel gebraut hat, schuf ein Juwel der Abenteuer- und Unterhaltungsliteratur, das erhaben auf weiter Flur steht und weithin leuchtet. Jetzt endlich ist es möglich, die Heptalogie in einem einzigen, gewaltigen Rutsch zu lesen. Millionen Leser in aller Welt freuen sich darauf!
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Visuelles Wörterbuch spanisch – deutsch
Musterseite aus »Visuelles Wörterbuch deutsch-spanisch«
Wörterbücher sind für jeden, der reist, ein nützlicher Begleiter. Dabei gebührt denjenigen Nachschlagewerken der Vorzug, die klein und handlich in der Manteltasche zu verstauen sind. Die einstmals roten, inzwischen knallgelben »Liliputs« von Langenscheidt gelangten aus diesem Grunde zur Berühmtheit, zumal sie auch zum Schummeln bei Klassenarbeiten geeignet waren. Voraussetzung für die Arbeit mit derartigen lexikalisch aufgebauten Wörterbüchern ist allerdings, einen konkreten Begriff zu suchen, um ihn in der jeweils anderen Sprache anwenden zu können.
Einen vollkommen anderen Weg beschreiten Bildwörterbücher. Diese bestehen klassisch aus Zeichnungen zu einem Themenbereich, deren Details dann mit Namen versehen werden. Vorreiter waren hier Duden und Brockhaus, die erstmals 1935 diesen Wörterbuchtyp vorstellten.
»Visuelles Wörterbuch« nennen die Verleger einer neuen Reihe zweisprachiger Nachschlagewerke ihre Schöpfung, die für den deutschsprachigen Nutzer inzwischen in englisch, französisch, spanisch, italienisch, türkisch und chinesisch vorliegen. Kennzeichnend für das Werk sind in Themengruppen zusammen gefasste Farbfotos. Bilder helfen, Informationen zu verstehen und zu speichern. Insofern enthalten die zweisprachigen Wörterbücher eine Fülle von Illustrationen und präsentieren dazu gleichzeitig ein umfangreiches aktuelles Vokabular in jeweils zwei Sprachen. Aufbereitet wird das Ganze in praktisch anwendbaren Kapiteln: es führt vom Menschen und seiner äußeren Erscheinung über das Haus und seine Wohnräume zu den Einkäufen und Lebensmitteln, zum Restaurant, Lernen, Arbeiten, Verkehr, Sport und Freizeit hin zu Aspekten der Umwelt und Informationsverarbeitung.
Diese Art der Informationspräsentation mittels Farbfotos ist vor allem für hyperaktive Erwachsene geeignet, die eine Sprache lieber in der Anwendung aufnehmen als sich daheim hinzusetzen und diese brav zu büffeln. Es setzt allerdings Grundkenntnisse der jeweiligen Sprache voraus und erwartet elementares Wissen, wie Verben zu konjugieren und Substantive zu deklinieren sind.
Das dem Rezensenten vorliegende visuelle Wörterbuch »deutsch-spanisch« wird seinem Anspruch gerecht und ist manchem herkömmlichen Sprachführer überlegen. Es macht Freude, darin herum zu blättern und sein Vokabular sofort zu erweitern. In der konkreten Anwendung ist es nützlich. Geht es in Spanien zum Metzger, wird vorab die entsprechende Seite konsultiert und die Begriffe von Hackfleisch über Lammkeule bis Ente sitzen. Will der Finca-Besitzer seine Hütte renovieren, lernt er mit einem Griff sämtliche Begriffe von Stichsäge über Tapetenkleister zu Hartfaser und Beize. Ob im Hotel, beim Arzt, in der Apotheke oder Bäckerei, beim Gewürz- oder Weinhändler – das Wörterbuch unterrichtet in Minutenschnelle und rüstet den Sprachschatz auf.
Allerdings birgt die Produktionsweise des Buches auch Gefahren. So muss jeweils nur die Schwarzform mit dem in der jeweiligen Sprache gesetzten Text ausgetauscht werden, um ein Buch in einer weiteren Sprache herstellen zu können. Dabei entstehen leicht Pannen, die ein aufmerksamer Hersteller oder Lektor vermeiden kann. Im vorliegenden Buch wird beispielsweise auf Seite 306 der Begriff »das Jahr« statt korrekt mit »el año« mit dem französischen »l´an« übersetzt, was darauf schließen lässt, dass schlampig gearbeitet wurde.
Ungünstig ist leider auch das Gewicht des Wörterbuchs. Aufgrund seiner Vollfarbigkeit und des hohen Verarbeitungsstandards ist es zu schwer, um ständig am Mann getragen zu werden. Es dient insofern eher zur Vorbereitung eines ausgedehnten Stadtbummels.
Fazit: Mir macht Lernen mit dem visuellen Wörterbuch Spaß, es unterstützt meine Faulheit und hilft, in Verbindung mit konkreten Fotos aus dem Alltagsleben Begriffe bildhaft aufzunehmen und einzuprägen.
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Wo geht’s denn hier zum Aufschwung?
Es geht mitunter deftig zu, wenn der Ossi über den Wessi und bisweilen auch über sich selbst lacht, weiß der Verlag des schon in der verflossenen DDR höchst beliebten Satiremagazins »Eulenspiegel«. Geschäftstüchtig, und wahrscheinlich von einem Wessi gut beraten, legten die Verlagsobristen deshalb ein schmales Büchlein auf, das einige der durchaus derben Scherze sammelt. Das fragt dann beispielsweise: »Was ist der Unterschied zwischen dem Schlips eines Wessis und einem Kuhschwanz?« und antwortet frech: »Der Kuhschwanz bedeckt das Arschloch ganz«.
Über einen derartigen Witz können Ossis, wie der Rezensent aus eigenen Testreihen bestätigen kann, herzhaft lachen. Aber auch Wessis heben ihre Mundwinkel sichtbar, werden derartige Schoten zum Besten gegeben. »Es gibt drei Arten, eine Firma in den Bankrott zu wirtschaften: Durch Frauen – das macht am meisten Spaß. Durch Sauferei – das klappt hundertprozentig. Durch einen Westler als Geschäftsführer – das geht am schnellsten«. Hier schwingen Erfahrungen mit den nach der Wende von West nach Ost schwärmenden Glücksrittern durch, die für zehntausende heute arbeitsloser Ostdeutscher bitter waren. Deshalb heißt auch der kürzeste Ossi-Witz: »Treffen sich zwei Ossis auf Arbeit …«.
Im Witz eines Volkes spiegelt sich sein Verhältnis zur Obrigkeit, zum Machtapparat und zu seiner Umwelt. Witze, über die der Osten lacht, zeigen, wie tief der Graben zwischen den Staatsvölkern der ehemaligen BRD und DDR immer noch ist. »Ossi und Wessi am Ostseestrand. Wessi: „Sehen Sie mal, da vorn geht der Rettungsschwimmer, der mir heute Vormittag das Leben gerettet hat.“ – „Ich weiß“, sagt der Ossi, „er hat sich schon bei mir entschuldigt.“«.
Wessis sind in den Scherzen, über die Ossis laut lachen, dumm, hohl, hinterhältig, geldgierig und im weitesten Sinne asozial. Dabei wird unterstellt, dass viele von ihnen gern die Mauer wieder hochziehen würden, um die Subvention des »Beitrittsgebietes« endlich beenden zu können. »Warum lächeln die Chinesen so hintergründig, wenn sie einem Westdeutschen begegnen? – Weil die Chinesen ihre Mauer noch haben«.
Soll also die im Titel des Buches gestellte Frage »Wo geht’s denn hier zum Aufschwung«, beantwortet werden, dann antwortet der gewitzte Ossi darauf: »Da entlang! Immer den Bach runter!«. Wer dieses Büchlein als Spiegel des Zeitgeistes liest, der sieht tatsächlich kohlrabenschwarz.
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Die unglaubliche Reise des Smithy Ide
Ein Buch geschenkt zu bekommen, ist in etwa so, wie ein Parfüm geschenkt zu bekommen. Es ist ein Risiko! Ein Parfüm kann ganz gut auf dem Teststreifen riechen, aber tut es das auch auf meiner Haut? Ein Buch kann ganz interessant aufgemacht sein, aber wird mich sein Inhalt beim Lesen wirklich faszinieren?
Also ich bin das Risiko eingegangen und habe das mir geschenkte Buch „Die unglaubliche Reise des Smithy Ide“ aufgeschlagen und angefangen zu lesen …
Es hat mich schnell eingesogen, denn wer könnte sich nicht mit der Hauptfigur Smithy identifizieren. Smithy ist über die Jahre bequem und unzufrieden geworden, von Selbstzweifeln geplagt und hat sich scheinbar in sein Schicksal ergeben …
Der fast gleichzeitige Tod seiner Eltern und seiner Schwester Bethany reißen ihn aus seinem Trott. Er tritt eine skurrile Reise an …
Falls Sie Lust haben auf ein zutiefst menschliches Abenteuer, lassen sie sich dieses Buch doch einfach schenken und lesen Sie selbst! Es ist (k)ein Risiko!
Der Stimmenimitator
Ursprünglich nannte Thomas Bernhard seine Sammlung kurzer Prosatexte, die heute den Titel »Der Stimmenimitator« trägt, »Wahrscheinliches – Unwahrscheinliches«. Der Originaltitel beschreibt ziemlich genau das, was das Wesen der Veröffentlichung kennzeichnet: Es handelt sich um rund einhundert Texte im Stil lokaler Pressenachrichten, die ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich klingen.
Sachlich wird berichtet von denkbaren und undenkbaren, von möglichen und unmöglichen Ereignissen, die der Autor blitzlichtartig aufnimmt und wiedergibt. Fast immer münden die Kurzberichte im Unglück, und die Trennwand zwischen Komödie und Tragödie ist hauchdünn.
Bernhards Hauptfiguren sind Höhlenforscher, Professoren, Bürgermeister, Feuerwehrleute, Dompteure, Schauspieler, Wahrsager, Postboten, Chorknaben, Bankangestellte und Präsidenten. Es sind recht unterschiedliche Gestalten. Manche Berichte lesen sich wie Anekdoten, manche werden zur Parabel für die Zeit, in der wir leben. Immer aber scheinen die Ereignisse eindringlich und unausweichlich auf ein Ende zuzustreben, das zufällige Unglück wird notwendig, der Tod unumgänglich.
Ein Schauspieler verkörpert die Rolle des bösen Zauberers in einem Kinderstück so überzeugend, dass die kleinen Zuschauer die Bühne stürmen und ihn zu Tode trampeln. Zwei Herren füttern im Tierpark Schönbrunn die Affen, bis die Tiere die Futterreste sammeln und es den Zoobesuchern durch das Gitter hinaus reichen, die darauf entsetzt dem Tiergarten entfliehen. Höhlenforscher kehren aus einer unerschlossenen Höhle nicht zurück, Rettungsmannschaften werden ausgeschickt, bleiben aber ebenfalls verschollen, worauf die Behörde den Höhleneingang zumauern lässt.
Ein Denker tauscht mit dem Wirt eines vorzüglichen Gasthauses die Rollen, worauf naturgemäß weder Wirt noch Denker in ihren neuen Rollen funktionieren. Die Bürgermeister von Pisa und Venedig landen in ihren jeweiligen städtischen Irrenhäusern, weil sie, um die Touristen vor den Kopf zu stoßen, heimlich den schiefen Turm von Pisa mit dem Campanile von Venedig tauschen wollen.
Zum engen Wechselspiel von Tragödie und Komödie sagt Bernhard selbst: »Man kann in Verzweiflung, sage ich, gleich, wo man ist, gleich, wo man sich aufhalten muss in dieser Welt, von einem Augenblick auf den anderen aus der Tragödie (in der man ist) in das Lustspiel eintreten (in dem man ist), umgekehrt jederzeit aus dem Lustspiel (in dem man ist) in die Tragödie (in der man ist).«
Die feine Textsammlung eignet sich vorzüglich, um in die Gedankenwelt Bernhards einzusteigen.