Faszinierend und beängstigend zugleich – so kündigte der Jugendbuchverlag Mixtvision “ABATON – Vom Ende der Angst” an. Ein Omen? Zwei angesehene Drehbuchautoren tun sich zusammen, um gemeinsam als Jugendbuch-Autoren zu debütieren. Kann so etwas gut gehen? Schon der Prolog beweist: Hier wird der ganz große Bogen gespannt. Unter einer Trilogie tun es Christian Jeltsch und Olaf Kraemer nicht. Von im zweiten Weltkrieg mundtot gemachten, verkannt genialen Wissenschaftler bis zu Fragen von brennender Aktualität hat das Autoren-Duo sich einiges vorgenommen. Und zwar nicht irgendwie: Kraemer/Jeltsch bezeicnen ihr Genre selbst als Science Faction, verweben Mysteriöses mit realen jugendlichen Lebenswelten und tüten das Ganze spannend ein. Schon auf dem Cover begegnen wir dem hypnotisierenden Sonnenrad, innen durchziehen blaugedruckte Datenreihen das Buch und geben ganz im Stil amerikanischer Easter-Egg-Tradtion noch mehr Rätsel auf.
Edda, Linus und Simon sind drei eigentlich ganz unterschiedliche Jugendliche. Und doch ist es kein Zufall, dass sie sich in einem Feriencamp kennen lernen und als “kritische Masse” schnell seltsame Gemeinsamkeiten finden. Gemeinsamkeiten, gegen die sich zunächst noch wehren, die sie aber bald erkennen lassen, dass sie nur zusammen bestehen können. Bestehen gegen mysteriöse Geschehnisse, die auch ausgebufftere Jugendliche zu Tode ängstigen könnten. Das Camp erweist sich als manipulierende Forschungsstation, aus der noch die nervigsten Nerds als supercoole, jedoch fixierte Kids wieder rauskommen. Die drei verbindet eine gebrochene Kindheit – Simons Vater im Gefängnis, Edda Mutter in der Klapse und Linus Eltern komplett verschollen. Auf der Suche nach Linus Eltern entdecken sie im Berliner Untergrund mysteriöse Graffiti ( das Sonnenrad! ), die ihren Alltag in eine andere Ebene verschieben. Eine Ebene, in die sie immer wieder hineingezogen werden , in der nichts ist, wie es scheint, eine Ebene, die Angst machen, aber auch nehmen kann.
Kraemer/Jeltsch haben ihr Debüt in die ihnen bekannte Form eines Drehbuchs gepackt. Ein kluger Schachzug, der den Verzicht auf herkömmliche Kapitel legitimiert und den Autoren das gemeinsame Schreiben, sowie den mühelosen Wechsel zwischen Erzählperspektiven und Zeiten ermöglicht. Auch dem nicht so ausdauernden Leser wird so die Chance gegeben, immer nur kurze Abschnitte zu lesen und trotzdem nie den roten Faden zu verlieren, den die Autoren stringent durch die verwirrende Handlung führen.
Offizielle Altersangabe: für Jugendliche ab 14, aber “wie jedes gute Jugendbuch auch für Erwachsene”. Nun denn, auch die erwachsene Leserin hat eine Meinung, zunächst aber –wenn man sie schon im Haus hat – eine Kritik aus der Zielgruppe.
Malte, 14:
Zuerst ein kleiner Kritikpunkt, damit die Rezension nicht so klingt, als würde ich Geld für eben diese bekommen. Zu den Namen der Kinder Edda, Linus und Simon. Sie passen meiner Meinung nach nicht gerade zu einem Jugendthriller, der im 21. Jahrhundert spielt. Jugendliche identifizieren sich eher mit Namen wie Nina, Mark und Jan oder anderen “modernen” Namen, auch wenn zumindest der Name Edda im Buch von ihr selber kritisiert wird. Diesem Kritikpunkt stehen jedoch eine ganze Menge positiver Punkte gegenüber. Schon am Anfang beginnt die Story sehr rätselhaft und vielschichtig, da innerhalb von wenigen Seiten aus mehreren Sichten und in 2 Epochen berichtet wird. Im Laufe des Buches entwickelt sich die Story zu einer Mischung aus Matrix und in Teilen Tintenherz, da sie trotz aller Dramatik auch sehr fantasievoll und teilweise auch romantisch ist. Ein Lob auch an die Autoren, denen eine gigantische Story eingefallen ist, die zum einen nicht von anderen Büchern kopiert wurde und zum anderen auch genial in ihrer Form ist. Die Ereignisse in der Story fügen sich nahtlos ineinander als wären sie Zahnräder, was vielen Jugendromanen heutzutage leider nicht mehr gelingt. Besonders am Ende des Buches war es schwer von der Geschichte abzulassen und man hat sich gefragt, was als nächstes passiert und wirklich mit den Charakteren mitgefiebert.
Mein persönliches Fazit: Das Buch ist ein Buch der Kategorie, die ich gerne und ohne schlechtes Gewissen 2 oder 3 mal lese und welche ich auch gerne Freunden weiterempfehle. Dank der gelungenen Story und da ich nach dem Cliffhanger am Ende des Buches unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht, fiebere ich dem nächsten Buch der “Abaton” Trilogie Ende 2012 schon entgegen.
Fazit der Rezensentin: Spannend war es, keine Frage. Neu auch. Da hat Malte Recht. Nichts Abgekupfertes gefunden. Selten heutzutage. Und das bei so einer komplexen Struktur. Homogen geschrieben – trotz oder gerade wegen der zwei Autoren, denen es bei aller “Science Faction” gelingt, nahe an jugendlichen Gedankenwelten zu sein – wohlgemerkt, ohne auch nur einmal den pädagogischen Zeigefinger zu heben. Rund ist es nicht, soll es auch nicht sein. Schließlich: unter einer Trilogie tun es die Autoren nicht. Abaton ist im orthodoxen Glauben das Allerheiligste. Der Ort den nur wenige Erwählte kennen lernen dürfen. So darf man spekulieren, dass genau darin wohl auch die entscheidende Frage für Edda, Simon und Linus liegen wird: Was genau ihr persönliches Abaton ist und ob das Ende der Angst nun eine befreiende oder eine erst recht beängstigende Vorstellung ist.
Die Autoren: Christian Jeitsch ist ein Grimme- und Fernsehpreis-dekorierter Drehbuchautor ( diverse “Tatörte”, Polizeirufe u.a. Olaf Kraemer, Buch- und Filmautor, wurde bekannt mit der Uschi-Obermaier-Biografie “High Times”, die nach seinem Drehbuch unter dem Titel “Das Wilde Leben” erfolgreich verfilmt wurde.
Einen gelungenen Einstieg in die Abaton-Welt bietet die schick gestaltete Homepage zum Projekt.
Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift