Gitarrengott Eric Clapton hat seine Lebensgeschichte zu Papier gebracht; wer sie liest, erlebt eine grandiose Symphonie aus Alkohol- und Drogensucht und wird in einen Strudel von Liebe, Leidenschaft, Schicksalsschlägen und Enttäuschungen gezogen. Das Leben des Superstars, das der Autor vor seinem Leser ausbreitet, ist wild und abwechslungsreich. Ob es glücklich und erfüllt ist, steht indes auf einem anderen Blatt.
Der am 30. März 1945 im südenglischen Ripley geborene Eric Clapton wuchs als uneheliches Kind in bescheidenen Verhältnissen bei seinen Großeltern auf. Der Junge war schüchtern, fühlte sich zurückgesetzt und abgelehnt; er zog sich zurück und blieb für sich. Früh begann er, Platten, die ihm in die Hände fielen, auf der Gitarre nachzuspielen und sich eine eigene Technik anzueignen. Ehrgeizig lernte er von den Songs von Muddy Waters, Chuck Berry und B. B. King und entdeckte so für sich den Blues.
Besonders begeisterte den jungen Mann Freddy King, dessen Gitarrensoli ihm den Atem verschlugen. Es war wie moderner Jazz, expressiv und melodisch, eine einmalige Spieltechnik, bei der die Saiten auf eine Weise gedehnt wurden, dass Sounds entstanden, die ihm kalte Schauer den Rücken runterjagten. Bei seinen ersten Auftritten mit Casey Jones und später den »Yardbirds« spielte Clapton auf sehr dünnen Saiten, weil er die Töne darauf besser ziehen konnte. Es passierte häufig, dass bei einer der wildesten Passagen der ausgedehnten Songs mindestens eine Saite riss. Während Eric neue Saiten aufzog, verfiel das Publikum oft in ein langsames Klatschen, das dem Lead-Gitarristen den Spitznamen »Slowhand« einbrachte.
Der Londoner Marquee-Club war zu Zeiten des kometenhaften Aufstiegs der »Beatles« Sammelpunkt der R&B-Szene. Dort sah Clapton erstmals John Mayall sowie den Keyboarder Graham Bond, der gemeinsam mit Bassist Jack Bruce und Schlagzeuger Ginger Baker auftrat. Mayall lud ihn ein, bei seinen »Bluesbreakers« zu spielen. Von Stund an war Clapton Profimusiker und lernte das harte Tourleben mit bisweilen zwei Auftritten pro Tag kennen.
Den künstlerischen Durchbruch erzielte er mit dem Bluesbreakers-Album »John Mayall with Eric Clapton«. Fans begannen, über ihn zu sprechen, als wäre er eine Art Genie. Irgendwann schrieb jemand den Slogan »Clapton is God« an der Wand der U-Bahn-Station Islington, der sich danach wie Graffiti in ganz London ausbreitete.
In seiner Autobiographie beschreibt sich Clapton als Menschen, der stets seinen eigenen Zugang zur Musik und in produktiver Unzufriedenheit neue Herausforderungen suchte. So kam es zur Gründung der in Europa und den USA enorm erfolgreichen Drei-Solisten-Band »Cream« mit dem Bassisten Jack Bruce und Schlagzeuger Ginger Baker, die bereits mit ihrem ersten Hit »I feel free« als »Supergroup« in die Musikgeschichte einging.
Spannungen untereinander führten zur Gründung von »Blind Faith«. Neben Clapton und Baker spielten Ex-»Traffic« Stevie Winwood, dessen Kreativität Clapton hoch schätzte, und Ric Grech von »Family« mit. Doch auch diesmal waren die musikalischen Vorstellungen der vier Bandmitglieder auf Dauer nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Clapton spielte danach mit George Harrison und John Lennon von den »Beatles« und tourte, nachdem er nach New York gezogen war, mit Delaney & Bonnie. In den Vereinigten Staaten schaffte er es mit seinem Stück »After Midnight« erstmals in die US-Hitparaden.
Ausführlich beschreibt Clapton sein Verhältnis zu Drogen. Aufgrund seiner Angst vor Spritzen entwickelte er sich nicht zum Junkie, sondern er schnupfte Heroin. Dabei nahm er stets beste Qualitäten, die er sich aufgrund seines enormen Erfolges leisten konnte. Das ist vielleicht der Grund, warum er alle Exzesse überlebte, während andere Musiker um ihn herum zu Grunde gingen. Unter der Drogensucht, die mit extremem Alkoholismus einherging, er soff zwei Flaschen Schnaps pro Tag, litt seine Arbeit als Musiker, und auch sein Privatleben war alles andere als geordnet. Mehrere Aufenthalte in Entzugskliniken, Psychotherapie, gute Freunde und ein gelebter Gottglaube halfen ihm schließlich, clean zu werden.
Der schüchterne und sich gern in sein inneres Schneckenhaus zurückziehende Clapton hatte ein recht einseitiges Verhältnis zum anderen Geschlecht. Meist ließ es sich von Mädchen verführen, die ihm nach Konzerten oder bei anderen Events in die Hände fielen. Lediglich für Pattie, die Frau seines Freundes George Harrison, entwickelte er eine Obsession. Jahrelang umschwärmte er sie, bis sie sich endlich von dem berühmten Beatle trennte und zu ihm zog. Er widmete ihr Songs wie »Layla« und »After Midnight«, doch die Beziehung litt darunter, dass der Musiker auf seinen endlosen Tourneen immer wieder fremdging. Der Ehe, die sie schließlich schlossen, war deshalb keine lange Dauer beschieden.
Eric verliebte sich meist glücklos in andere Frauen, von denen eine ihm einen Sohn namens Connor schenkte. Dieser Junge stürzte jedoch im Alter von drei Jahren aus dem Fenster des Appartements der von Clapton getrennt lebenden Mutter im dreiundfünfzigsten Stock eines New Yorker Appartementhauses. Der Musiker war am Boden zerstört und nahe daran, wieder zur Flasche zu greifen. Schließlich ließ es sich von einem Mädchen, das ihn um ein gemeinsames Foto bei einer Veranstaltung bat, in den Bann schlagen. Sie schenkte ihm inzwischen vier Kinder, und er versucht sich seitdem als Familienvater.
Clapton schildert sein Leben in schlichten Worten. Sein von ständigen Ängsten geprägtes Verhalten wirkt auf den Leser bisweilen schwach, naiv und unreflektiert. Er ließ sich bei seinen Entscheidungen sehr leicht von Freunden, Wahrsagern oder Zufallsbekanntschaften beeinflussen und entschied sich meist spontan für den Erwerb eines Hauses, eines Schiffes, einer Insel, einer Kunstsammlung … Nur wenn es um Musik geht, wirkt er selbständig und nicht fremd gesteuert. Deshalb ist es besonders spannend zu erfahren, wie sein Leben sich in seinen Songs spiegelt, und er sich mittels Musik selbst findet.
Wer tiefer in das Wesen dieses Superstars einsteigen will, wird bei der Lektüre schnell feststellen, dass nicht jedes Genie auf einem Spezialgebiet auch ein intellektueller und charakterlicher Überflieger sein muss. Nahezu anachronistisch wirkt schließlich, wenn ein Musiker, der einen Großteil seines wilden und ausschweifenden Lebens auf Tour war und in Hotels lebte, im Fazit seiner Lebensbetrachtung gesteht, er fürchte inzwischen Hotels, weil es dort bisweilen ein wenig laut hergehe – eine seltsam anmutende Betrachtungsweise eines Mannes, der selbst lange zu den jungen Wilden gehörte.
Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift