Wortklaubereien

Journalisten, die sich mit einem Spezialgebiet befassen und wie Satelliten um ein definiertes Thema kreisen, haben es mitunter schwer, die richtigen Worte zu finden, um ihren Lesern abwechslungsreiche Kost zu bieten. Mario Scheuermann, der seit vier Jahrzehnten Gastrokritiker ist, kann davon ein Lied singen. Um sich selbst sprachlich zu beflügeln, hat der ausgewiesene Weinkenner begonnen, Wörter, Formulierungen und ganze Sätze aus dem Großraum Essen und Trinken zu sammeln. Dieser Eichhörnchenvorrat an Stichworten, die ihm ins Auge stachen, soll ihn auch in harten Wintern nähren.

In Scheuermanns Sammlung von Kuriositäten, versunkenen Wörtern und semantischen Kleinodien hört der geneigte Leser von Schluckspechten, Topfguckern und Etikettentrinkern. Er erfährt, dass eine Serviergöttin wie die indische Gottheit Shiva acht Arme benötigt, um ihrem Namen gerecht zu werden. Er wird in die Welt der Kellner und Oberkellner, der Waggonbutler, Zuträger und Marköre entführt. Erinnerungen an versunkene Begriffe wie Maggie-Ménage, Gulasch-Kommunismus und Gabelfrühstück werden geweckt. Der „Kalte Hund“ trifft auf den „Restaurant-Bären“ und die „Blaue Hilde“. Es ist ein kulinarisches Kunterbunt der Sprache, das in dem Büchlein aufeinander prallt.

Das für den täglichen Gebrauch bestimmte Werkstattbuch des Journalisten dokumentiert die früheste Bezeichnung des Begriffs Sommelier aus einem am 23. November 1928 erschienenen Artikel von Kurt Tucholsky ebenso wie die erstmalige Veröffentlichung des Begriffs Studentenfutter. Letzteres erwähnt Rumohr in seinem „Geist der Kochkunst“ anno 1832 als eine „Schleckerei deutscher Gymnasiasten und Burschen“.

Scheuermanns Wortklaubereien zergehen auf der Zunge und entfalten ihr volles Bukett langsam aber nachhaltig. Die gesammelten Sprachhäppchen machen Appetit auf mehr. Nur eine Frage lässt Scheuermann offen: welchen Wein er zur Lektüre der gesammelten Bonmots am abendlichen Kaminfeuer empfiehlt.


Genre: Sprache
Illustrated by Eisenhut Hagen