Creative Writing ohne Intention
Ausgerechnet Nordkorea steht im Fokus des Romans «Das geraubte Leben des Waisen Jun Do» von Adam Johnson, der für dieses Buch 2013 den Pulitzerpreis bekommen hat. Während das Buch in Amerika hymnisch gefeiert wurde, ist das Interesse in der deutschen Leserschaft äußerst verhalten, und die Kritik in den deutschen Feuilletons fiel überwiegend negativ aus. Wie der amerikanische Schriftsteller berichtet hat, dauerten seine Recherchen für den Roman sechs Jahre, was angesichts der absurden Abschottung dieses letzten ur-kommunistischen Regimes auf der Welt nicht weiter verwundert. Der aberwitzige Führerkult dort lädt den Autor geradezu zwangsläufig zum Spotten ein, die Lebenswirklichkeit jedoch zwingt ihn erzählerisch auch zu Grausamkeiten, die man als Leser versucht ist, dem Roman anzulasten, selbst wenn sie mutmaßlich nur eine unfassbare Realität abbilden. Kein Wohlfühl-Roman also! Obwohl, neben dem Horror ist auch die Liebe ein Thema.
Pak Jun Do trägt seinen Namen nach einem nordkoreanischen Märtyrer. Er gilt als Waise, weil sein Vater als Aufseher mit ihm im Waisenhaus «Frohe Zukunft» lebt, so dass jeder glaubt, auch er müsse eines der Waisenkinder sein. Das bedeutet in diesem Land automatisch, vogelfrei zu sein, völlig rechtlos also. Und so landet er als junger Mann denn auch prompt als «Tunnelkämpfer» in der entmilitarisierten Zone zu Südkorea, wo er tagelang in völliger Dunkelheit leben und das Land gegen Eindringlinge verteidigen muss. Sein selbstloser Einsatz wird belohnt, er wird vom Geheimdienst auf einen Fischkutter geschickt, wo er als Funker die feindlichen Gewässer überwachen soll und ganz nebenbei auch für etliche Entführungen eingesetzt wird. Zur Belohnung kommt er auf eine Sprachschule, lernt Englisch und wird mit einer kleinen Gruppe zu Verhandlungen in die USA geschickt, für ihn ein Kulturschock. Anschließend kommt er in ein Umerziehungslager, tötet quasi aus Versehen den unbeliebten Kommandanten Ga, der mit der beliebten Volks-Schauspielerin Sun Moon verheiratet ist, und schlüpft sogar in dessen Rolle. So gelangt er in den Generalstab der Armee, ist bei Gesprächen mit einer amerikanischen Besucher-Delegation dabei und trifft dann auch auf den «Geliebten Führer» Kim Jong Il höchstpersönlich. Letztendlich nutzt er seine erschwindelte Stellung dazu aus, seiner falschen Frau und ihren Kindern zur verbotenen Flucht aus Nordkorea zu verhelfen, dem Musterland der Demokratie mit seinem allen anderen deutlich überlegenen Wirtschafts-System.
In dem zweiteiligen, zuerst dem Protagonisten Jun Do und schließlich dann dem Kommandanten Ga gewidmeten Roman tritt auch ein Verhörbeamter auf, der dem Kommandanten, an dessen Identität Zweifel aufgekommen sind, auf die Schliche kommen soll. Außer vielen, oft in witzigen Dialogen dargestellten Nebenfiguren werden als Inbegriff staatlicher Indoktrination auch überall in der Öffentlichkeit installierte Propaganda-Lautsprecher eingesetzt. Mit ihrer Hilfe erfolgt ein gehirnwäsche-artige Bevormundung und Umerziehung der gesamten nordkoreanischen Bevölkerung, eine sinnvolle Maßnahme, bei der sogar längere Geschichten abschnittsweise in einer täglichen Vortragsreihe vorgelesen werden.
Mit spürbarer Lust an maßlos übertriebener Spöttelei schildert Adam Johnson die an Don Quijote erinnernden Abenteuer seiner Protagonisten. Dem stehen als Widerspruch so gar nicht lustige Grausamkeiten gegenüber, wie die – einen breiten Raum einnehmenden – Folterszenen, welche eine Lektüre allenfalls für Horrorfans erfreulich machen dürften. Geradezu enttäuschend aber ist, aus rein literarischer Sicht, der dem typischen ‹Creative Writing› verpflichtete, amerikanisch nüchterne Schreibstil, in dem da geradezu schulbuchartig erzählt wird in einem fast siebenhundert Seiten dicken Wälzer, – reine Effekthascherei, so ganz ohne nachvollziehbare Intention des Autors!
Fazit: mäßig
Meine Website: https://ortaia-forum.de
Von Bären und Bullen
Für Rockmusik-Fans wie geschaffen
Narratives Geschwurbel
Gute Unterhaltung
Man kann auch in die Höhe fallen. “Danke, Mama, ich glaube es wird besser.” Joachim Meyerhoff aus Schleswig hat als Schauspieler unter anderem am Burgtheater in Wien, am Schauspielhaus in Hamburg, an der Berliner Schaubühne und den Münchner Kammerspielen gespielt. 2011 begann er mit der Veröffentlichung seines mehrteiligen Zyklus “Alle Toten fliegen hoch” von der er mit “Man kann auch in die Höhe fallen” den sechsten Teil vorlegt.
Erstkontakt. Nach “Falsche Fährten” erscheint “#Erstkontakt_” (sic) beim renommierten Comic Verlag Avant, Text & Zeichnungen: Bruno Duhamel. Dieses Mal widmet er sich dem Mythos von Nessie, besser bekommt als das Monster von Loch Ness, das sich irgendwo in den schottischen Highlands rumtreiben soll. Ein Hipster wider Willen, Doug, schießt zufällig ein Foto und löst damit eine Katastrophe für den kleinen Ort aus.
Anthropoid. Reinhard Tristan Eugen Heydrich war einer der Hauptorganisatoren des Holocaust und 1941 als stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren für zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Als er am 27. Mai 1942 in Prag bei einem Attentat tschechoslowakischer Widerstandskämpfer starb, wurden die Massaker von Lidice und Ležáky vom NS-Regime als Racheakte verübt.
Juno, die Erzählerin, ist Anfang Fünfzig. Sie lebt mit Jupiter, ihrem seit Jahren bettlägerigen Mann in einer kleinen Wohnung in Leipzig. Er ist Schriftsteller, sie freiberufliche Performancekünstlerin, die, nicht nur zu Coronazeiten, gerne häufiger Engagements hätte.
Ironischer Spionageroman
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Peter Lindbergh: Dior. Haute Couture am Times Square. Für Peter Lindbergh’s außergewöhnliches Konzept ließ Dior eine beispiellose Anzahl seiner berühmtesten Kleidungsstücke über den Atlantik reisen. So entstand das letzte Buch des 2019 verstorbenen Fotografen, das bis heute als Originaldokument einer außergewöhnlichen Ko-Kreation gilt. Des Künstlers letzte Herzensangelegenheit, das Haute Couture und Fotografie elektrisierend verbindet, erscheint bereits in der unglaublichen 40th Ed.
The Fire Next Time. Zunächst erschien dieses Buch als Collector’s Edition im Großformat – jetzt, zum 100. Geburtstag Baldwins – in dieser handlichen Jubiläums-ausgabe. Einerseits zu Ehren Baldwins, andererseits auch zu Ehren des Fotografen Steve Schapiro, der leider 2022 verstarb. Ein Klassiker neu aufgelegt, denn der Text James Baldwins (1924–1987) veränderte damals bei Erscheinen (1963) tatsächlich die Welt.