LTB 10: Sommer Sonderband

Sprichwörtlich “In den Sand gesetzt” haben die Panzerknacker den von Onkel Dagobert geklauten Geldsack – den er natürlich schnellstmöglich wieder zurückhaben will. Aber nicht nur Dagobert Duck ist hinter seinem Geld her.

“Das Sommerfest” soll dem kleinen Donald nach einem Wettbewerb ein neues Fahrrad bescheren. Leider funkt wieder Donalds sprichwörtliches Pech dazwischen. Oder?

“Reporter Goofy” erlebt mit “Plutos gutem Riecher”, der “Spionin aus Zirkonia” und einem “fast perfekten Plan” jede Menge unverhoffter Abenteuer, die ihn aber schlussendlich immer in einem guten Licht dastehen lassen – im Gegensatz zu seinem in zwielichte Machenschaften verstrickten Chef.

“Schwarzbarts Erbe” beschert Micky und Goofy im Wettlauf gegen die Zeit die Suche nach einem verschollenen Schatz, während in “Urlaub um jeden Preis” die Panzerknacker völlig gegen ihre sonstigen Gewohnheiten unbedingt zurück ins Gefängnis wollen.

In “Sonne, Strand und Schrot” gewinnt ein wehrhafter Farmer einen Strandurlaub. Das sorgt bei dem urlaubsunwilligen alten Mann für jede Menge Chaos.

“Ein nettes Plätzchen” hat sich Donald zwar ausgesucht, aber nicht damit gerechnet, dass es schon belegt ist. Um den Eindringling zu vertreiben, lässt sich Donald einige Gemeinheiten einfallen. Aber da hat er nicht mit dem Widerstandsgeist des anderen Urlaubers gerechnet.

“Stress am Strand” haben Daisy und ihre Freundinnen, die von den Panzerknackern bedroht werden. Aber selbst ist die Frau…

Die 12 kurzen und langen kunterbunten Sommergeschichten aus dem Hause Disney sorgen auch in Corona-Zeiten für gute Laune. Und im Falle der Geschichte “Ein nettes Plätzchen” gibt es sogar noch eine Lektion in sozialem Verhalten: Kommunikation als A und O des sozialen Miteinanders – vorbildhaft vorgeführt von den Kindern.

In “Sonne, Strand und Schrot” demonstriert ein Bauer, dass es auch zuhause am schönsten sein kann. Und machen nicht gerade Familien gern Urlaub auf dem Bauernhof? Die Geschichten rund um Reporter Goofy überraschen mit einem Goofy, der nicht bloß naiv und tollpatschig ist, sondern durchaus auch seine Schokoladenseiten präsentieren kann.

Fazit

Insgesamt verbreitet auch dieser Sonderband sonnige und heitere Stimmung.


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Ehapa Media

Gutgeschriebene Verluste

Selbstgefälliges Palaver

Mit «Gutgeschriebene Verluste» hat Bernd Cailloux das hauptsächlich für Deutschland spezifische Genre der 68er-Romane um ein Werk bereichert, dessen Klassifizierung als «Roman mémoire» allerdings unzutreffend ist. Denn es handelt sich dabei nicht um einen in Form von Erinnerungen erzählten fiktionalen Lebenslauf, sondern um eine fiktional mehr oder weniger ausgeschmückte, ansonsten aber reale Autobiografie. Ein heute bei vielen Autoren sehr beliebter, narrativer Typus übrigens, der gemeinhin als Autofiktion bezeichnet wird.

Das Alter-Ego des Verfassers wird gleich zu Beginn bei einer Verabredung mit seinem besten Freund durch dessen «so schwerwiegend wie beiläufig» vorgebrachte Bemerkung geschockt: «Dieses Café ist das Café der Übriggebliebenen». Der 60jährige Ewige Hippie ist nach mehr als zehnjähriger, anfangs erfolgreicher Tätigkeit in Hamburg als Hersteller von Discokugeln und ähnlichem Equipment 1979 wieder in Berlin gelandet. Er schlägt sich nun als Autor von Rundfunk-Kommentaren und mit anderen Gelegenheitsaufträgen durchs Leben. Als Rahmenhandlung des Romans dient dem Autor die seit zwei Jahren bestehende Beziehung seines Protagonisten zu einer fünfzehn Jahre jüngeren Frau, die kurz vor dem Scheitern steht. Hella neigt zu starken Gefühlsausbrüchen und erhofft sich mit ihm ein spätes Glück. Der angestrebte gemeinsame Nestbau aber erweist sich als Illusion, er scheitert an der geradezu pathologischen Bindungsunfähigkeit des Helden. Daran kann auch eine gemeinsame Reise zum KZ Buchenwald nichts ändern, in dessen Nähe er als Kind lebte, einige der Leerstellen in seiner Vita können jedoch dank einer alten Nachbarin dort geklärt werden. Diese gemeinsame Unternehmung ändert aber nichts an dem ständigen Zank des Paares, der sich zum Krieg der Geschlechter hochschaukelt. Nicht von ungefähr sehen sich die Beiden 2005 im Deutschen Theater Edward Albees Drama «Wer hat Angst vor Virginia Woolf» an. Ein Erbe aus der Drogen-Vergangenheit ist die nicht überwundene Hepatitis-Infektion des Protagonisten, die er nach dreißig Jahren mit unsicherem Ausgang durch eine mit reichlich Nebenwirkungen belastende Interferon-Therapie bekämpfen muss, – die 68er-Vergangenheit holt ihn wieder ein. Und bei einer Podiumsdiskussion trifft er dann auch noch auf das RAF-Mitglied Peter Jürgen Book, der 25 Jahre im Zuchthaus gesessen hat und ihm inzwischen äußerst unsympathisch ist.

Als melancholische Lebensbilanz erzählt der Autor in Rückblenden von seiner schwierigen Kindheit, die Mutter hatte die Familie 1945 verlassen, als er wenige Monate alt war. Es folgen schlaglichtartige Erinnerungen an seine Jugend, erste Kontakte zum anderen Geschlecht, Erfahrungen mit Drogen, die Firmengründung 1968 und die Rückkehr ins Berlin des New Wave. Als Dauergast porträtiert er mit scharfem Blick für Details die skurrilen Gestalten in seinem Stammcafé, das ihm quasi als ‹ambulantes Wohnzimmer› dient. Seine ironisch-nüchternen Reflexionen aus der Schöneberger Subkultur sind gespickt mit köstlichen Anekdoten, bei denen Sex und Frauen das Hauptthema bilden. Aber auch die diversen Intellektuellen und Künstler aller Couleur und unterschiedlichsten Renommees ergeben reichlich Gesprächsstoff für den unentwegt sinnierenden und schwadronierenden Althippie, der sich im Seinstaumel dieses spinnerten Milieus als Mitglied etabliert hat.

Der Titel des Romans lädt zu allerlei Deutungen ein. Es sind zweifellos Verluste, die der unsympathische Alt-68er in seinem Katzenjammer zu verbuchen hat, gutgeschrieben aber werden sie ihm nicht, er steht am Ende seines Lebens mit leeren Händen da. Stilistisch gut geschrieben aber ist diese Geschichte sehr wohl, Bernd Cailloux schildert das Geschehen in einer saloppen Sprache, die besonders in den Dialogen durchaus überzeugen kann. Weniger überzeugend ist der schleppende Fortgang der Geschichte, die durch ein Übermaß an selbstgefälligem Palaver des grandios gescheiterten Helden sehr schnell sehr langweilig wird.

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Suhrkamp Berlin

Die Verlobten

Faktenbasierte Horizonterweiterung

Im Jahre 1827 erschien als wegweisendes Werk der Romantik die erste Fassung des Romans «I Promessi Sposi» von Alessandro Manzoni, es wurde auf Anhieb ein Publikumserfolg. Vorbild für den italienischen Schriftsteller war Sir Walter Scott, dem er bei einem Treffen gestand, «dass er sich durchaus als sein Schuldner fühle». Noch im gleichen Jahr ins Deutsche übertragen, folgten dann mehr als ein Dutzend weitere Übersetzungen dieses ersten dem Realismus zuzurechnenden historischen Romans, er gehört unbestrittenen zum Kanon der Weltliteratur. Einst von Goethe hoch gelobt, auch von Reich-Ranicki euphorisch zur Lektüre empfohlen, ist er in Italien als bester Prosa-Klassiker heute noch Pflichtlektüre an höheren Schulen.

«Die Verlobten» ist die Geschichte eines Liebespaares aus einem Dorf am Comer See, das heiraten will. Es beginnt protokollartig: Am 7. November 1628 wird der Dorfpfarrer bei einem abendlichen Spaziergang von Schergen des Lehnsherren aufgefordert, die geplante Hochzeit von Renzo und Lucia keinesfalls vorzunehmen, widrigenfalls ihm Schlimmes drohe. Der brutale Don Rodrigo hat selbst ein Auge auf die schöne Braut geworfen, die Beiden müssen fliehen. Lucia versteckt sich in einem Kloster, Renzo flüchtet nach Mailand. Er gerät dort in einen Volksaufstand wegen der hohen Brotpreise, wird als Aufrührer verhaftet, kann entkommen und findet jenseits der Grenze Unterschlupf bei einem Cousin in Bergamo. Lucia jedoch wird im Auftrag von Don Rodrigo von einem verbrecherischen Feudalherrn auf dessen Ritterburg entführt. Als aber der charismatische Mailänder Erzbischof sich persönlich für sie einsetzt, geschieht die wundersame Bekehrung des grausamen Tyrannen zum christlichen Wohltäter. Er bringt Lucia bei einer wohlhabenden Mailänder Familie in Sicherheit. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges schleppen 1630 marodierende Soldaten dort die Pest ein, verzweifelt macht sich Renzo trotz Haftbefehl auf die Suche nach ihr.

Die in 34 Kapiteln erzählte Geschichte widmet am Ende zwei Kapitel allein der Ausbreitung der Pest in Mailand, fast die Hälfte der damaligen Bevölkerung fielen ihr zum Opfer. Von der Corona-Pandemie geschädigte Leser werden in dieser exzellenten Darstellung vieles wiederfinden, was heute allenthalben die Schlagzeilen bestimmt. Alessandro Manzoni streut häufig auch eigene Gedanken zu den historischen Ereignissen ein, erläutert die ökonomischen Bedingungen, die zum ‹Mailänder Brotaufstand› geführt haben, oder zitiert aus Dokumenten der Zeit von den erfolglosen Maßnahmen der spanischen Fremdherrscher zur Bekämpfung des Angst und Schrecken verbreitenden Raubrittertums. Mit versteckter Ironie kommentiert er gelegentlich aber auch das fiktionale Geschehen und die allzumenschlichen Motive seiner lebensechten Figuren.

Ein Verdienst dieses berühmten Romans ist zweifellos der Verzicht auf die übliche Heroisierung des Rittertums, die hier vielmehr als Märchen entlarvt wird angesichts des unsäglichen Terrors, mit dem brutale Feudalherren erbarmungslos Tod und Elend verbreitet haben. Insoweit bietet die tragische Geschichte der Verlobten lediglich die narrative Basis für eine umfassende Analyse der komplizierten Stände-Gesellschaft jener Zeit und der nicht minder komplizierten politischen Verhältnisse. Sprachlich hat der Autor mit seinem sozialkritischen Werk Maßstäbe gesetzt für die italienische Literatur Anfang des 19ten Jahrhunderts. Er erzählt seine Geschichte gemächlich, mit üppigen Ausschmückungen und in langen, brillant formulierten Satzgebilden, denen man als Leser genüsslich folgt, – dafür sollte man allerdings die nötige Muße haben. Die damals neuartige Vermischung von historischen Fakten und Fiktion, von Goethe seinerzeit noch beanstandet, ist als literarischer Genretyp seit Sir Walter Scott jedoch fest etabliert. Sie erfreut all jene nach Belesenheit strebenden Buchfreunde, die neben fiktionaler Unterhaltung auch eine faktenbasierte Horizonterweiterung erwarten.

Fazit: erstklassig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Manesse Zürich

Asterix – Die goldene Sichel

Druide Miraculix zerbricht seine goldene Sichel. Jetzt steht seine Teilnahme am jährlichen großen Treffen der Druiden im Karnutenwald auf dem Spiel. Asterix und Obelix wollen ihm helfen und eine neue Sichel kaufen. Das ist aber komplizierter als gedacht, denn Obelix’ Vetter Talentix, der landesweit die besten goldenen Sicheln herstellt, ist verschwunden. Asterix muss all seine Intelligenz einsetzen, um Talentix aufzuspüren.

Der 2. Band der Reihe (in Deutschland der 5. Band) kommt in einer limitierten Softcover- und Hardcover-Sonderausgabe zum 50. Geburtstag dieses Bandes daher. Diese beinhaltet 16 redaktionelle Zusatzseiten, in denen der Fan vieles Interessante zum Asterix-Universum erfährt, und die Original-Coverzeichnung der Erstausgabe am 2. Juli.

Da dieser Comic wie ein Krimi aufgezogen ist, behandeln die zusätzlichen Seiten u.a. Asterix’ kriminalistische Talente in diveren Abenteuern. Der geneigte Fan erfährt aber auch, dass es in Frankreich eine Zeichentrickserie rund um Idefix und seine tierischen Freunde gibt (“Idefix und die Unbeugsamen”), die in Lutetia vor seiner Zeit bei Obelix spielt.

In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant ist der reale Nachbau der Uferstraße von Lutetia, die Thierry Rétif mit seinem Team als Gemisch aus dem Design des Comics und einer mittelalterlichen Thematik gestaltet und umgesetzt hat, und als Tourist/in besucht werden kann. Weiterhin enthalten sind Beispiele vom Szenario zur Zeichnung, die originale Bleistiftskizze für die neue Coverzeichnung 2006, die Entstehung des Asterix’schen Lutetias, sowie die Entstehung des Mythos Asterix und Infos zu den Schöpfern.

Wer Fan der Serie ist, erhält mit diesem Sonderband zusätzliche interessante Infos für kleines Geld. Aber auch wer seine zerlesene Ausgabe mit diesem neuen Band ersetzen will, ist gut bedient. Insgesamt gelungen.


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Comic Collection

I had that same dream again

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Die zehnjährige Bücher liebende Nanoka lebt in ihrer eigenen Welt. Sie hat in der Schule kaum Freunde, ist aber trotzdem ein positiv eingestellter Mensch. Denn obwohl sie allein ist, ist sie nicht einsam: Eine alte, nette Frau ersetzt ihr die Großmutter, Frau Abazure die Eltern, und ihre Lehrerin ist auch immer freundlich zu ihr. Begleitet wird sie von der schwarzen Katze Merle.

Eines Tages entdeckt Nanoka bei einem ihrer Streifzüge eine ruppige Teenagerin in einer alten Bauruine. Könnte auch sie ihre Freundin werden? Und was ist mit ihrem schüchternen Klassenkameraden?

Dem 1. Band gelingt ein Spagat: Er erzählt aus der Sicht der 10-jährigen Protagonistin, die als Kind entwicklungsbedingt noch nicht alle realen Gegebenheiten und Details ihrer Umwelt mitbekommt, v.a. nicht die negativen. Alles, was sie nicht versteht, wird in ihr Weltbild so eingepasst, dass es eine für sie einfache und positive Deutung bekommt.

Auf der anderen Seite bekommt die Leserin/ der Leser aber die hintergründigen Infos durchaus mit und bemerkt so, dass die Welt um Nanoka herum kompliziert und z.T. leidvoll ist.

Die Story wird an einem Schulaufsatz aufgehängt, den die Protagonistin schreiben soll: Was ist für sie Glück? Sie bespricht das mit ihrem schüchteren Klassenkameraden und befragt ihre erwachsenen Freundinnen dazu. Sie selbst hat keine Vorstellung vom Glück, bringt aber mit ihrem direkten, offenen und fröhlichen Wesen andere Menschen dazu, glücklich zu sein. Denn die Erwachsenen haben es schwer: Die alte Frau ist einsam, Frau Abazure arbeitet als Prostituierte und die Teenagerin ist depressiv und verletzt sich selbst.

Aber Nanoka ist für alle ein Lichtblick in ihrem Leben. Der Manga plädiert so für das kleine, beständige Glück, dass man immer dann findet, wenn man die Augen offen hält und andere Menschen in sein Leben einlässt. Nanoka ist das Licht, das u.a. die Bauruine erhellt. Das Autorenpaar benutzt gern Symbole und Details wie diese Ruine, um z.B. die Innenwelt der Figuren zu unterstreichen oder Traditionen zu hinterfragen. Merles schwarze Katze z.B. würde als Unglücksbringer gelten, aber Merle ist eine solche Deutung egal. Sie interessiert sich nur für den Charakter und den eigentlichen Wert ihres Gegenübers. Damit ist sie definitiv ein Vorbild. Sie erinnert uns an die wirklich wichtigen Dinge – und dass auch in der größten Dunkelheit ein Licht scheinen kann.

Berührende, tiefsinnige Geschichte um ein optimistisches Mädchen, das anderen Menschen mit seiner Offenheit und freundlichem Wesen den Tag leichter macht. Gelungen!

 


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Hamburg

Die 12 Leidensstationen nach Pasing

Die 12 Leidensstationen nach Pasing

Die 12 Leidensstationen nach Pasing: Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, ist die Pubertät eine leidensvolle Zeit, die schon viele Jugendliche in den Wahnsinn getrieben hat. Dem Protagonisten von Stefan Wimmers vierten Roman bleibt dieses Schicksal zwar erspart, jedoch kann er sich nur schwer den erwachenden Hormonen im Jahrhundertsommer von 1985 erwehren. „Die 12 Leidensstationen nach Pasing“ ist eine entspannte Sommerlektüre, die einen auch in eigenen Erinnerungen schwelgen lässt. Denn diese erwachen ebenso wie die Hormone des Protagonisten.

Soundtrack der Achtziger

In der Münchner Vorstadt Pasing treibt die sog. Kajal-Clique ihr Anwesen. Kennzeichen: verschmierter Kajalstift um die Augen und ein Soundtrack aus The Cure, Fad Gadget u.a. Stars der Achtziger. Die vier halbwüchsigen Schüler, die durch die Straßen Pasings streunen sind hauptsächlich damit beschäftigt, sich mit alkoholischen Getränken abzuschießen und über Musik und Frauen fachzusimpeln. Aber weder das eine noch das andere haben die vier Pubertiere je erfahren oder erforscht. Deswegen sind sie rund um die Uhr auf der Suche nach Party, Party und dem ersten Sex. Doch es gibt auch Konkurrenten: die Schlägerbande rund um den Psychopathen Lothar macht den jungen Rebellen das Leben schwer. Partys, Petting, Punkrock gehören laut ihren Lehrern zu den größten Gefahren für die Heranwachsenden, wie Frau Endress, die „sexyste Lehrerin der Schule“ am Elternsprechtag freimütig verkündet. Aber zumindest was die Liebe betrifft gibt es Hoffnung: Baby Love aus dem benachbarten Mädchen-Gymnasium in Pasing.

Versuchung und Sühne in Pasing

Die bayrische Klammote aus Pasing schildert eine weitere vergeudete Jugend voller derber Späße und Mißverständnisse. Der erste Haschischversuch wird zum Horror-Trip und die Periode wird ebenso mißverstanden, wie die Avancen einer jungen Erwachsenen mit Sex Appeal, Bonny. Die Hoffnung des jungen Protagonisten wird zwar nicht enttäuscht, aber doch im Zuge der nächtlichen Samenergüsse erörtert. Die Milieuschilderung, das Lokalkolorit ist treffend gelungen, das Verhältnis der Erwachsenen zu den Jugendlichen authentisch dargestellt und sowohl bibelfest (Matthäus 4:23, Jesu Versuchung) als auch einem alten Lateiner gerecht werdend. Pasing hat sich heute bis zur Unkenntlichkeit verändert, in eine mir völlig fremde Welt, schreibt der Autor im Abgesang zu seinem Jugendroman, „Und dennoch vergeht kein Tag, an dem ich nicht an diese Zeit denke“. Damals war alles viel humaner und schöner, meint Wimmer und allzu gerne würde er „den Geruch des Sommers un der Freiheit wieder zu spüren“. Das gelingt ihm, durch seinen Roman über diese sorglose Zeit. Denn wer „Die 12 Leidensstationen nach Pasing“ liest findet, auch den Zugang zur eigenen verflossenen Jugend wieder. Oh, Sweet Bird of Youth!

Stefan Wimmer
Die 12 Leidensstationen nach Pasing. Roman.
2020, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 12,5 x 20,0 cm
ISBN: 978-3-453-27284-2
€ 18,00 [D] inkl. MwSt. € 18,50 [A] | CHF 25,90 * (* empf. VK-Preis)
Heyne Hardcore


Genre: Adoleszenz, Jugend
Illustrated by Heyne Hardcore München

Nachhaltig gärtnern

Nachhaltig gärtnern

Nachhaltig gärtnern: Die bekanntesten und bewährten Nachhaltigkeitsmethoden beim Gärtnern wie Biogärtnern, Permakultur und Urban Gardening werden von Burkhard Bohne in dieser reich bebilderten Publikation ausführlich dargestellt. Als Gegenwind zu Klimawandel, Artensterben, Mikroplastik und überdüngten Böden gibt „Nachhaltig gärtnern“ einem ein Konzept in die Hand, wie man selbst etwas dagegen tun kann: Schaufeln statt Jammern.

Burkhard Bohne’s Credo

Denn jede/r Einzelne kann einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer gefährdeten Natur leisten – auch im eigenen Garten und auf dem Balkon. Burkhard Bohne’s Credo lautet dabei: „Entnimm deinem Garten nicht mehr, als du ihm später zurückgeben kannst!“ Bohne erklärt Elemente und Techniken wie Hügelbeet, Kräuterspirale, Kompostwirtschaft, Saatgutgewinnung und Re-Grow, die sich sowohl in großen als auch kleinen Gärten umsetzen lassen. Er gibt auch wertvolle Tipps zeigen wie man nachhaltig düngt, Wasser und Energie spart, Plastik vermeidet und den Garten für seltene Tier- und Pflanzenarten attraktiv gestaltet. Oder welche Pflanzen wo am besten gedeihen und an welchem Standort sie gepflanzt werden sollten. Eher schattig mögen es zum Beispiel Bärlauch, Azaleen, Rhododendren, Skimmien, Wollgras, eher sonnig quasi alle anderen. Selbst an Energiesparen wird gedacht. Im Kapitel Geräte & Zubehör erklärt Bohne nachhaltige Energiequellen wie Solarstrompumpen u.ä. Auch ein Europaletten-Hochbeet-Bauplan ist mit inbegriffen.

Ein Platz zum Leben

Beim Pflanzen von Obstbäumen sollte mitgedacht werden, dass so ein Baum ja auch zahlreiche Nützlinge miternährt. Mit gewissen Tricks kann man auch noch weitere Insekten in den eigenen Garten locken, etwa durch das Pflanzen von Wildpflanzen oder Insektenhotels. Wer auch Vögel haben möchte, sollte Nisthilfen und Futterstellen anbieten. Dabei entscheidet die Größe welche Vögel sich niederlassen. Schließlich gibt es noch ein wertvolles Kapitel mit diversen Pflanzenporträts, wo die wichtigsten Eigenschaften der Pflanzen, Kräuter und Gemüse aufgelistet werden, damit sie auch zur richtigen Zeit gepflanzt werden. Ein praktisches Handbuch also, in dem an alles gedacht wurde. Im Anhang befinden sich auch ein Register und weitere Literaturhinweise.

Burkhard Bohne
NACHHALTIG GÄRTNERN
Biologisch – ressourcenschonend und klimafreundlich
2019, Hardcover, 176 Seiten, mit ca. 250 Fotos Format
19,99 €
ISBN-13: 978-3-8338-7128-3
Maße: 18.8 × 24.8 cm
GU Verlag

 

 

 


Genre: Garten, Hobby
Illustrated by GU Verlag

Frida Kahlo und San Francisco

Kahlo in San Francisco

Frida Kahlo and San Francisco: Im Fine Arts Museum of San Francisco FAMSF findet vom 21.03.2020 – 26.07.2020 die gleichnamige Ausstellung statt, zu der diese hochwertige Publikation des Hirmer Verlages dieses Frühjahr erschienen ist. Gemeinsam mit ihrem Mann Diego Rivera reiste Frida Kahlo 1930 nach San Francisco und lebte dort ein ganzes Jahr. Der vorliegende Ausstellungskatalog enthält Essays zu Kahlos Rolle als Künstlerin und ihrem Aufenthalt in San Francisco sowie Abbildungen zahlreicher Werke und Fotografien.

Frida Kahlo und San Francisco

Zwei Aufenthalte kennzeichnen Kahlos Verhältnis zu San Francisco: von Herbst 1930 bis Frühjahr 1931 und später von September bis Dezember 1940 als sie in SF’s Rathaus Diego Riviera (nach der Scheidung von 1939) erneut heiratete. Und wie so oft entdeckte auch Frida Kahlo im Ausland ihre eigene (mexikanische) Identität. Der Blick auf ihre Heimat von den USA trug wesentlich zu Konstruktion ihrer Ich-Identität und ihrer Kunst bei. Das drückte sich auch in ihrem Kleidungsstil aus, der Passanten dazu veranlasst habe, sie anzustarren, so Hilda Trujillo (Direktorin des Kahlo/Rivera Museums in Mexico City) in ihrem „Statement“ genannten Vorwort. Trujillo resümiert auch die Ereignisse zwischen den beiden San Francisco Aufenthalten der Künsterlin, in denen nicht nur der Zweite Weltkrieg begann, sondern auch Trotzki in Mexiko von Stalins Schergen ermordet wurde. Oder Riveras Beitrag zum Rockefeller Center, „Man at Crossroads“ vom Auftraggeber selbst zerstört wurde, weil Lenin darin abgebildet war. Eine Periode großer ideologischer Konflikte also, die die ganze Welt erschütterten.

Identitätskonstruktion in Konfrontation

Weitere Essays stammen von den Kuratoren der Ausstellung Circe Henestrosa und Gannit Ankori, die sich mit Kahlos Kleidungsstil und Kunst beschäftigen. Dass San Francisco eine wesentliche Rolle bei der Ich-Konstruktion des Menschen und der Künstlerin Frida Kahl spielte, darin sind sich alle Beiträge einig. „It is interestingto consider, and striking to see, the role that San Francisco played in the artist’s development and the factors that informed the creation of her distinctive identity and her bold and uncompromising art“, schreibt Hillary C. Olcott und eröffnet den darauffolgenden bunten Bilderreigen dieser Publikation, die in den San Francisco Jahren von Frida Kahlo entstanden.

Hg. Gannit Ankori, Circe Henestrosa, Hillary C. Olcott
FRIDA KAHLO AND SAN FRANCISCO
Constructing Her Identity
Beiträge von G. Ankori, C. Henestrosa, H. C. Olcott
Text: Englisch
96 Seiten, 70 Abbildungen in Farbe
20,3 x 25,4 cm, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-7774-3573-2

22,00 € [D] | 22,70 € [A] | 28,00 SFR [CH]
Hirmer Verlag


Genre: Kunst, Malerei, Surrealismus
Illustrated by Hirmer

Dekadenz und dunkle Träume

Dekadenz und dunkle Träume: In der Alten Nationalgalerie in Berlin findet von 18.09.2020 – 17.01.2021 die gleichnamige Ausstellung statt, die sich mit der Sinnlichkeit, Magie und tiefgründigen Bedeutsamkeit und Irrationalität des belgischen Symbolismus beschäftigt. Die vorliegende hochwertige Publikation ist als Ausstellungskatalog im Hardcover beim renommierten Kunstverlag Hirmer im Großformat 24,5 x 29 cm erschienen.

Symbolismus und neues Frauenbild

In den 1880er-Jahren formierte sich in Belgien eine neue Art zu malen, die von George Minne und Félicien Rops oder Fernand Khnopff und James Ensor u.a. prächtig umgesetzt wurde. Porträts, Figurenbild und Landschaft übten eine Faszination für Unheimliches wie Verruchtes, für Thanatos und Eros aus und begeisterte die kunstinteressierte Elite des Fin de Siecle. Gerade der belgische Symbolismus zeichnet sich für seine Vorliebe für das Morbide und Skurrile, Tod und Verfall aus und erklärte diese Themen gleichsam zu Leitmotiven in der Kunst. Sowohl in der Malerei als auch in der Bildhauerei versuchten die Künstler um 1900, eine neue Mystik mit einem extravaganten und kostbaren Stil zu verbinden. Als zentrale Gestalt avancierte die Fantasiegestalt der Femme fatale als Ausdruck von Überfluss und Wollust zum Inbegriff eines neuen Frauenbildes. Die Darstellungen dieser neuen Frauen waren oft gepaart mit esoterischen und dämonischen Anklängen.

Eine Reise in ein Traumland

Die aus Belgien stammende neue Art zu malen beeinflusste auch den europäischen Symbolismus stark. Der hier vorliegende, sehr umfangreiche und großzügig illustrierte Band beschäftigt sich u.a. mit den belgischen Künstlern Jean Delville, James Ensor, Émile Fabry, Léon Frédéric, Fernand Khnopff, Xavier Mellery, George Minne, Félicien Rops, Léon Spilliaert, Charles Van Der Stappen u.a. Aber natürlich kann über diese Künstler nur gesprochen werden, wenn man auch die Referenzwerke des europäischen Symbolismus von Arnold Böcklin, Gustav Klimt, Edvard Munch, Odilon Redon, Dante Gabriel Rossetti, Franz Von Stuck u.a. mit einbezieht, was durch zahlreiche Essays und Abbildungen in dieser Ausstellung und dem dazugehörigen Katalog auch gemacht wird. Brüssel war schon damals ein Knotenpunkt der europäischen Kunstentwicklung und dem wird gebührend Rechnung getragen, in dem der Einfluss auf die europäische Avantgarde untersucht und dargestellt wird. Ein Buch nicht nur für Freunde des Morbiden und Dekadenten, sondern auch Erotik, Magie und Sinnlichkeit.

Ralph Gleis (Hg.)
DEKADENZ UND DUNKLE TRÄUME
Der belgische Symbolismus  sofort lieferbar
Beiträge von J. Block, M. Brodrecht, Y. Deseyve, J. De Smet, M. Draguet, R. Gleis, A. Groenewald-Schmidt, H. Körner, I. Rossi
336 Seiten, 265 Abbildungen in Farbe, 24,5 x 29 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-3507-7

Hirmer Verlag


Genre: Kunst, Symbolismus
Illustrated by Hirmer, Hirmer

Belgrad. Gehen, Sehen und Genießen.

Belgrad. Gehen, Sehen und Genießen. Die gebürtige Belgraderin Ida Salamon stellt in ihrem City Walk Reiseführer ihre Heimatstadt Belgrad in sechs Routen durch die serbische Hauptstadt vor. Denn gerade im Gehen lässt sich eine fremde Stadt am besten und eindringlichsten erfahren: intellektuell, sinnlich, aber auch olfaktorisch oder kulinarisch.

Spaziergänge durch Belgrads Zentrum

Denn die Falter City Walks bieten beinahe alle Informationen zu Geschichte, Kultur, Sightseeing, Essen, Trinken und Stadtleben. Der Band 19 der Reihe des österreichischen Kleinverlages zeigt, dass Belgard nicht nur Sehenswürdigkeiten und Bauwerke, sondern auch viele kulturelle Highlights, idyllische Stadtviertel, urbane Hotspots, ruhige Grünoasen sowie empfehlenswerte Restaurants und Cafés zu bieten hat. So führt etwa die Tour 1 durch den schönsten Park der Stadt, den Kalemegdan, zur hoch über der Save und Donau gelegenen Festung. In der dortigen sog. Oberstadt befindet sich auch das Wahrzeichen Belgrads, die Statue von Pobednik, dem Sieger. Diese sollte eigentlich im Zentrum aufgestellt werden, aber die unbekleidete männliche Statue erregte zuviel Unmut bei der damaligen Damenwelt. Die Festung selbst sollte unbedingt besichtigt werden.

Belgrad: Fotos, Planausschnitte und viele Tipps

Route 2 führt durch die Viertel Savamala und Terazije, während sich Route 3 ins pulsierende Zentrum, den Stadtteil Varoš kapija, stürzt. Route 4 führt nach Dorćol, wo sich historische Sehenswürdigkeiten und moderne Lokale aneinanderreihen. Aber es gibt auch ein grünes Belgrad, das in Route 5 besichtigt wird. Kapitel 6 wiederum empfiehlt lohnenswerte Ausflugsziele abseits der fünf Spaziergänge durch die eigentliche Stadt. Nützliche Adressen, Informationen und ein kleines Wörterbuch sowie natürlich Fotos und Planausschnitte sowie ausführliche Wegbeschreibungen, Zusatzinfos machen den hier vorliegenden Reisführer für die Westentasche zu einem wertvollen Begleiter durch die serbische Hauptstadt.

Belgrad: Neue Blüte einer Metropole

Die „Weiße Stadt“ oder auch „älteste Stadt“ war schon 7000 Jahre vor unserer Zeitrechnung besiedelt und ist ein symbolischer Ort für die Begegnung zwischen Ost und West. Auch wenn die Stadt 1999 von der Nato bombardiert wurde, erlebt sie heute, 20 Jahre später, eine neue Blüte, die in sechs Touren besichtigt werden kann. Ida Salamon, die inzwischen im JMW arbeitet, begleitet in vorliegendem Reiseführer den Belgrad-Besucher/in voller Neugier und Interesse durch ihre Stadt.

Ida Salamon
Belgrad. Gehen, Sehen & Genießen. 6 Routen durch die Hauptstadt Serbiens.
Geschichte, Kultur, Sightseeing, Essen, Trinken, Stadtleben
Reihe: City-Walks, Bd. 19

Umfang: 136 Seiten, Softcover, Format: 11 x 21 cm
ISBN: 978-3-85439-644-4
€ 12,90
Falter Verlag 2020

 


Genre: Reiseführer, Stadtspaziergang
Illustrated by Falter

Literaturführer Wien

Falter Literaturführer Wien

Literaturführer Wien. Die Wiener Kaffeehausliteratur und Wiener Dramatiker werden heute als kulturelle Institution gefeiert. Doch die literarische Tradition der Stadt reicht bis ins Mittelalter zurück, wie vorliegende Publikation des Falter Verlages deutlich macht. Auch neue literarische Formen wie Genreliteratur oder Poetry-Slam werden in diesem Wiener Literaturführer berücksichtigt.

Literatur und Literatour

Feuilletons, Streitschriften, Romane, entstanden schon in Wien und alle haben schon einmal die Welt verändert. Zumindest kurzfristig. Davon kann man sich auf dieser Spurensuche im Zuge mehrstündiger Literatur-Spaziergänge an unbekannte Orte in der Stadt überzeugen. Wer die Spaziergänge lieber im Kopf macht, braucht sein Sofa aber nicht zu verlassen. Dennoch bietet der Literaturführer auch 6 Literaturspaziergänge an, denn auch im Gehen kann man Wiens Literatur gut erschließen. Der erste führt zum Beispiel durch den 3. Bezirk, wo man u.a. Ingeborg Bachmann, Robert Musil oder Adalbert Stifter besucht und näher „kennenlernt“. Aber auch die österreichische Nationalbibliothek wird in Spaziergang 2 aufgesucht und neben der Kapuzinergruft das Café Tirolerhof besucht. So kann man nicht nur Literatur und Litertour, sondern auch eine typische Wiener Melange verkosten. Weitere Spaziergänge führen durch die Innenstadt, Gedenktafeln, Kaffeehäusern, Bibliotheken oder in den Nobelbezirk Döbling oder zu einer Gräbertour am Wiener Zentralfriedhof.

Cafés, Museen und Literaten

Neben den Spaziergängen steht aber selbstverständlich die österreichische Literaturgeschichte im Mittelpunkt. So wird nach Kaffeehausliteratur der Jahrhundertwende, Prosa nach 1945, Literatur in Szene, Prosa bis zur Wiener Moderne, Kinderliteratur, Welt- und Genreliteratur in unterschiedlichen Kapiteln unterschieden. Seit 2015 gibt es in Wien auch ein Literaturmuseum, das Franz Grillparzer gewidmet ist. Aber auch ein Literaturhaus mit Lesungen zeitgenössischer Autoren gibt es in Wien. Neben Cafés, Museen und Literaten werden aber auch namhafte Gaststätten besucht, die etwas mit Literatur zu tun haben. Autorenporträts, „Grätzl“karten (Viertel), Exkurse oder Friedhöfe und Gedenkstätten: in vorliegender Publikation befindet sich auch ein Personen- und Sachregister und ein Verzeichnis von Bibliotheken und Buchhandlungen, die in Zusammenhang mit Literatur und SchriftstellerInnen stehen, die man einfach gesehen haben muss. Alles zu Wiens Literatur und mehr.

Viola Rosa Semper

Literaturführer Wien. Auf den Spuren von Autorinnen und Autoren und ihren Werken

2020, Broschur, 256 Seiten
EAN:9783854396352

€ 24,90
Falter Verlag, Reihe: Kultur für Genießer


Genre: Literaturführer, Reiseführer, Stadtspaziergang
Illustrated by Falter

Das Leben der Surrealisten

Das Leben der Surrealisten: Zunächst sei der Surrealismus gar keine Kunstbewegung, sondern ein philosophisches Konzept gewesen, das nach dem Ende des Völkerschlachtens des Ersten Weltkriegs in Europa Anhänger fand. Aufgrund der Fülle der Protagonisten hat sich Desmond Morris vor allem auf bildende Künstler und Künstlerinnen beschränkt, zweiundreißig an der Zahl, jeweils mit einem Porträtfoto und einem für sein Gesamtwerk charakteristisches Bild illustriert.

Freundschaft ohne Freunde

„Au Rendez-vous des Amis“, lautet der Titel eines Gemäldes von Max Ernst aus dem Jahre 1923. Es zeigt die führenden Köpfe der Bewegung, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Desmond Morris unterscheidet fünf Kategorien wie paradoxaler Surrealismus, atmosphärischer, metaphorischer, biomorphischer und abstrakter Surrealismus. Gemeinsam haben alle fünf Kategorien, dass mit dem Unbewussten gearbeitet wird, nicht analysiert, nicht geplant wird und der Verstand, die Schönheit oder Ausgewogenheit keine Rolle spielen sollen, so Morris.

Der Autor konzentriert sich auf die Surrealisten als Menschen, als herausragende Individuen, ihre ganz speziellen Eigenheiten und was sie von anderen Protagonisten unterschied. „Schließlich gehören Exzentrik und ausgeprägter Individualismus zur Natur von Rebellen“, so Morris im Vorwort. Und genau das hatte auch Auswirkungen auf die oben angesprochene amitié, die Freundschaft.

Vom Klamauk zur Klamotte

Die Rezeption einiger der angesprochenen Künstler unterlag durchaus gewissen Missverständnissen, wie Morris etwa im Fall von Francis Bacon schreibt. So sei sein Interesse an Kreuzigungen nicht etwa auf die christliche Ikonographie zurückzuführen, sondern vielmehr auf Bacons eigene, höchstpersönliche sexuelle Fantasien. Seine Verbannung aus England nach Berlin durch seinen Vater verstärkte allerdings genau das, was dieser verhindern wollte: die „sexuelle Hauptstadt im Zwischenkriegseuropa“ huldigte der Transgression geradezu.

Ein eigenes Kapitel ist natürlich auch André Breton gewidmet, dem „Diktator“ der Gruppe, der nach Gutdünken und Willkür alle jene in die Bewegung aufnahm oder ausschloss, wie es ihm gerade in den Sinn kam. Sogar Freud, dem geistigen Vater des Surrealismus, soll er einmal begegnet sein. Dieser sei enttäuscht gewesen. Aber es war Breton, der aus einer „Attitüde intellektuellen Klamauks eine der wichtigsten Kunstbewegungen des 20 Jahrhunderts“ gemacht hatte.

Weitere Porträts über Margritte, Chirico, Giacometti, Dali, Duchamp, Picasso, Ray, Tanguy, u.v.a.m. sind in dem Band enthalten.

 

Desmond Morris
Das Leben der Surrealisten
Aus dem Englischen von Willi Winkler
Mit zahlreichen Abbildungen
Zweiunddreißig schillernde Lebensbilder der größten Künstlerinnen und Künstler des Surrealismus.
2020, Hardcover, 352 Seiten
€ 26.00, FR 35.00, €[A] 26.80
ISBN 978-3-293-00556-3
€ 26.00, FR 35.00, €[A] 26.80
Unionsverlag


Genre: Biographie, Kunst, Surrealismus
Illustrated by Unionsverlag

Da sind wir

Rhetorische Floskel

Eigentlich sollte der Bestseller «Ein Festtag» sein letzter Roman bleiben, drei Jahre später nun ist vom britischen Erfolgsautor Graham Swift mit «Da sind wir» erneut ein Kurzroman erschienen, in dem er sein Zentralthema des Erinnerns aus anderen Blickwinkeln und in einem anderen Milieu nochmals aufgreift. Wie beim Vorgänger handelt es sich hier eher um eine Novelle, es ist nämlich eine ‹unerhörte Begebenheit› im Sinne Goethes, auf die diese neue Geschichte hinsteuert, was im Milieu des Varietés mit einem Zauberer als Held schon fast vorgezeichnet scheint. Ein weiteres literarisches Highlight?

Jack und Ronnie gelingt nach ihrer gemeinsamen Militärzeit der Sprung ins Showbusiness, sie bekommen 1959 im mondänen Seebad Brighton ein Engagement in einer berühmten Bühnenshow auf den Piers. Jack, der dort als Entertainer arbeitet, holt seinen Freund Ronnie erstmals als Zauberer auf die Bühne, und der verpflichtet als publikumswirksame Ergänzung für seine Show eine attraktive Assistentin. Die Drei haben großen Erfolg, sie ergänzen sich optimal, Ronnie und Evie rücken als ‹Pablo und Eve› immer mehr ins Rampenlicht, sie reüssieren als Zugnummer ihres Theaters, werden schon bald ein Paar und verloben sich. Bis passiert, was passieren muss in solcherart Konstellation, der berüchtigte Womanizer Jack bekommt Evie schließlich doch ins Bett, und völlig überraschend ist es für Beide die große Liebe. Sie heiraten, und ihre Ehe hält schließlich bis zu Jacks Tod fünfzig Jahre später. Ronnie aber ist damals, während seines letzten Auftritts, wie von Zauberhand spurlos von der Bühne verschwunden und blieb trotz intensiver polizeilicher Nachforschungen für immer unauffindbar.

Geschickt verknüpft Graham Swift in diesem neuen Roman das Schicksal seines Helden mit dem historischen Geschehen des Zweiten Weltkriegs. Wegen der ständigen Bombardierungen Londons musste der achtjährige Junge von seiner Mutter zu Pflegeeltern aufs Land evakuiert werden und wurde bei einem wohlhabenden, kinderlosen Ehepaar liebevoll großgezogen. Sein Pflegevater war vor dem Krieg ein erfolgreicher Zauberer gewesen, hat auch ihn für seine Kunst begeistern können und dem Pflegesohn bei seinem frühen Tod eine größere Summe hinterlassen. Die konnte Ronnie schließlich als unbedingt erforderliches Startkapital für seine eigene Bühnenshow mit Evie einsetzen. Mit einem melancholischen Grundton erzählt der Autor vom Leben im Varieté, das damals seinen beginnenden Niedergang erlebte, von Ronnies freudloser Kindheit und den glücklichen Jahren bei den Pflegeeltern.

Dabei springt er in diversen Rückblenden in die Vorgeschichte seiner Figuren zurück, erzählt seinen Plot zudem in stark fragmentierter Form und benutzt zuweilen das Stilmittel des unzuverlässigen Erzählers, was im Zusammenspiel mit Zauberei und Magie nicht wenig zur Verunsicherung des Lesers beiträgt. Seine Figuren wirken wenig empathisch und entsprechen diversen gängigen Klischees, vom draufgängerischen Frauenschwarm Jack über die kühl berechnende und leicht zu erobernde Evie in ihrem Glitzerkostüm bis zum hochsensiblen Zauberkünstler Ronnie, der sich seine treulose Verlobte kommentarlos ausspannen lässt. Zu den häufig verwendeten Metaphern im Roman zählt der Spiegel als trügerisches Symbol oder der bunte Papagei als krasser Gegenpol zur weißen Taube als dem typischen Überraschungstier beim Zaubern. Wenig erhellend sind auch die Erinnerungen der fünfundsiebzigjährigen Evie, die ein Jahr nach dem Tod von Jack, der mit ihr als seiner Managerin erfolgreich Karriere im Showbusiness gemacht hatte, immer wieder von Ronnie phantasiert. Der könne jeden Moment zur Tür hereinkommen, als Wiedergänger quasi. Gleiches denkt sie auch von ihrem toten Mann, derartige Illusionen begleiten sie also noch auf ihre alten Tage. «Hier sind wir» mag als rhetorische Floskel beim selbstbewussten Auftritt auf der Bühne funktionieren, dieser Roman jedoch kann mit dem Niveau seines Vorgängers nicht annähernd mithalten!

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by dtv München

Arte

Arte 1 Manga

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Florenz, Anfang des 16. Jahrhunderts: Die junge Adlige Arte will Lehrling in einer Kunsthandwerkstatt werden. Das bunte Florenz, in dem Kunst und Kultur blühen, scheint genau der richtige Ort dafür zu sein. Mit einer Einschränkung: Nur Männer dürfen ein selbstständiges Leben führen. So stößt Arte nicht nur auf das Unverständnis ihrer Mutter, sondern auch auf das der Lehrmeister, die nicht gewillt sind, eine Frau als Lehrling anzunehmen. Deshalb schneidet sich Arte ihre langen Haare ab und will auch ihre Brüste amputieren. Lehrmeister Leo kann sie von dieser drastischen Maßnahme gerade noch abhalten und nimmt sie bei sich auf. Arte beginnt bei ihm ein einfaches, arbeits- und entbehrungsreiches Leben, ist aber fest entschlossen, Meisterin ihres Faches zu werden.

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Der 1. Band der Reihe nimmt sich eines Themas an, das nach wie vor aktuell ist: Emanzipation. Und obwohl es hier v.a. um die Emanzipation der Frau geht, ist aber immer auch die Emanziaption des Mannes und der gesamten Gesellschaft mitgedacht, denn Emanzipation bedeutet in erster Linie sich frei machen von überkommenen, veralteten Mustern, Rollenklischees (die nicht nur die Frau, sondern auch den Mann einschränken!), diskiminierenden “Traditionen”. Sie bedeutet, über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Ideen zuzulassen, über 500 Ecken zu denken und gerecht(er)e Gedanken zuzulassen und umzusetzen. Das zeigt sowohl die Geschichte als auch die zwar frei erfundene, aber schön dargestellte Story von Arte ( = Kunst; der Name ist Programm), die als Frau besondere Anstrengungen unternehmen muss, um sich in einem (Männer-)Beruf zu etablieren.

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Dieser Satz gilt nicht nur in der Geschichte oder in der Literatur, die das Thema Emanzipation aufgreift, sondern auch (leider immer noch) in der westlichen Welt. Dieser Satz wird einer Frau hierzulande zwar nicht mehr so offensichtlich ins Gesicht geschleudert, aber er gilt subtil: Die Frau verdient unter fadenscheinigen Ausreden der Wirtschaft immer noch weniger als der Mann bei gleicher Arbeit, ist deshalb gezwungen, zuhause zu bleiben, wenn sich Kinder ankündigen, kann danach oft nur noch teilzeit arbeiten gehen und rutscht somit unweigerlich in die (Alters-)Armut ab. Besonders dann, wenn sie alleinerziehend ist, der Mann viel zu oft nicht (genügend) Unterhalt bezahlt, sie aber steuerlich als Single behandelt wird. Oder sie letztlich ganz zuhause bleibt, um sich um die Familie zu kümmern. Wer mit Kindern regelmäßig zu tun hat, privat oder beruflich, weiß, dass Erziehungsarbeit tatsächlich ARBEIT ist – die im Fall der Mutter (und Großmutter; man denke an den Wegfall der Großeltern in den jetzigen Corona-Zeiten…) überhaupt nicht vergütet wird und im Fall z.B. der Erzieherin unterbezahlt ist, wie die, ebenfalls vorwiegend von Frauen ausgeübten, Pflegeberufe. Sogar der Beruf des Lehrers, der eigentlich in Deutschland gut bezahlt wird, muss in der Bezahlung langsam aber stetig zurückstecken, da immer mehr Frauen diesen Beruf ausüben.

Zurück zur Hausfrau und Mutter, die ein eher schlechtes Prestige genießt, weil sie nicht “arbeitet”. Auch wenn Männer sich jetzt mehr um die Kindererziehung kümmern, schultert nach wie vor die Hauptlast der Erziehung die Frau. Und die der Hausarbeit. Selbst dann, wenn es anders abgesprochen war. Das gilt auch für die Frauen, die ins Berufsleben zurückkehren. Auch dann, wenn besagte Frauen Vollzeit arbeiten. Wer geneigt ist, dauergestressten Frauen zuzuhören, der hört öfter Sätze wie: “Weil ich früher zuhause bin, bleibt alles an mir kleben!” Oder: “Ich habe ihm schon so oft gesagt, er soll das oder das im Haushalt tun, aber er macht nix!” Oder: “Wenn ICH mal 3 Stunden ohne Kind sein will, ruft er nach spätestens 2 Stunden an und fragt, wann ich wieder nach Hause komme!” Oder: “Als er mir im Wochenbett helfen sollte, hat er v.a. am PC gesessen, während ich es noch nicht mal unter die Dusche geschafft habe!” Brisantes Thema auch das öffentliche Stillen. Etcetc., man könnte da noch viele weitere Beispiele aufführen, die alle zu Lasten der Frau gehen.

“Weil du eine Frau bist. Deswegen.”

Deswegen will Arte keine Frau mehr sein. Sie kürzt sich die Haare – man denke an die Frauen der 20er des letzten Jahrhunderts, die sich buchstäblich “die alten Zöpfe” abschnitten – und kleidet sich z.T. männlich, um sich Schwierigkeiten zu ersparen. Auch hier denke man an das Prestige der Hose, dass sich die Frau hart erkämpft hat, während es der Rock als männliches Kleidungsstück trotz z.B. (nicht nur schottischer) Tradition und der Männerrockbewegung, die es immerhin schon seit den 1990ern gibt, immer noch schwer hat.

Als “Beruf” für die Frau gibt es damals allenfalls den der Kurtisane. Eine solche kommt auch im Manga vor, aber sie durchbricht das automatisch anspringende Kopfkino insofern, als dass sie eine reiche, gebildete Frau mit angenehmen Wesen und äußerlich vom Adel nicht zu unterscheiden ist. Veronica setzt noch eins drauf und gibt sich als Kunstmäzenin. Arte honoriert das: “Ich glaube schon zu wissen, was das für ein Beruf ist. Aber wenn ich diese Büchermassen sehe, muss ich einfach Respekt haben. Ich bewundere Sie nicht wegen Ihres Berufes. Ich bewundere Ihre Anstrengungen und Mühen.” Auch zum Beruf der Prostituierten ließe sich noch einiges im Sinne der Emanzipation sagen, was hier aber ein zu weites Feld wäre.

Arte hat eine Vorbildfunktion: Egal wie schwer es wird, sie kämpft für ihr Ziel. Und als Frau muss sie für ihr Ziel doppelt und dreifach kämpfen, sogar buchstäblich schuften. Der Manga zeigt auch, dass es eine zähe, schmerzhafte und frustierende Sache ist, Diskiminierung auszuhalten und v.a. loszuwerden. Arte hat(te) zwar einen sie unterstützenden Vater (!), aber ihre Mutter (!) ist völlig verhaftet in Rollenklischees und traut Frauen nichts zu. Auch die komplett männlich bestimmte Kunstwelt ist gegen sie. Die Meister schauen sich noch nicht einmal ihre Bilder an. Warum? “Ist doch klar. Muss ich das noch sagen? Weil du eine Frau bist. Deswegen.” Dieser Satz zeigt, wie tief Diskriminierung (egal welche) gehen kann und geht. So tief, dass noch nicht einmal mehr eine Rechtfertigung für angebracht gehalten und sie als selbstverständlich hingenommen wird.

Insgesamt also ein guter, wertvoller Manga, der ein schwieriges, immer noch aktuelles Thema aufgreift. Die wunderschönen, z.T. sehr detaillierten Zeichnungen unterstützen die Geschichte gekonnt. Einzig die japanischen Anwandlungen Artes und der anderen Figuren wollen nicht so recht in das Florenz des 16. Jahrhunderts passen.

 


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Der englische Gärtner

Der englische Gärtner

Im letzten Frühling erschien in der ZEIT Literaturbeilage ein Interview mit dem Autor: Es fand in Oxford statt, wo er über Jahrzehnte die Gartenanlage einer Universität gestaltet hatte. Im Hauptberuf war er Antikenforscher mit dem Schwerpunkt Griechenland, und nebenbei hatte er mehr als vier Jahrzehnte lang eine Gartenkolumne für die Financial Times geschrieben. Wie die von mir so geschätzte Vita Sackville-West, die er auch als Vorbild bezeichnet. Das Interview führte Susanne Mayer.

Aus dem Fundus der Kolumnen hatte Fox 2010 für das Buch Thoughtful Gardening, Great Plants, Great Gardens, Great Gardeners mehrere Dutzend ausgewählt, und sie (so wie Vita) nach Jahreszeiten geordnet. In den Texten legt er Wert darauf, thoughtful zu gärtnern, was die Übersetzerin meist durch besonnen übersetzt. Nun kommt das Problem: in vielen Texten gibt er sich gänzlich unbesonnen, mal wie ein Pubertist, der gerne polarisiert. Von Besonnenheit, Nachdenklichkeit oder gar Altersweisheit keine Spur.

Da besucht er die Firma Bayer und schwärmt von Herbiziden, klagt darüber, dass die richtig starken Keulen uns Gärtnern verwehrt bleiben, nur die Landwirtschaft darf sie anwenden. Er bekämpft mit unverschämter Freude die Tiere, die ihn im Garten stören. Es half, mir einzureden, wer die Financial Times liest, bräuchte das so. Ich kenne niemanden, der oder die sie regelmäßig liest, stelle mir als Leser erfolgreiche Banker und Manager vor, oder solche, die es gerne wären.

Aber trotzdem hab ich weitergelesen: Wir ziehen mit einem älteren Herrn in die Vergangenheit, besuchen Stätten der Antike und sehen, wie es den Pflanzen heute dort geht. Wir reisen durch die Welt und entdecken den Garten einer ehemaligen thailändischen Prinzessin in Thailand, wandern entlang der blühenden Kirschen in Korea, reiten durch die kirgisische Steppe auf der Suche nach den schönsten Krokussen. Besonders freue ich mich, wenn er Parks beschreibt, die ich kenne und durch sein großes Wissen meine Erinnerungen runder werden.

Von vielen Pflanzen, die ich im Garten hab, weiß ich nun, ob sie es sauer oder kalkreich mögen, dass man Kaiserkronen gaaanz tief einbuddeln und regelmäßig düngen muss, wenn sie wieder blühen sollen. Ansteckend ist auch die Liebe zum Säen und Vermehren. Gärten atmen den Hauch der Ewigkeit, und er lässt ihn uns spüren.

Warnen muss ich allerdings doch vor seiner Geringschätzung Frauen gegenüber. Da kann man kaum glauben, dass er aus meiner Generation ist. Über sein Frauenbild hat er seit der Internatszeit in Eton offensichtlich noch nicht neu nachgedacht. Er ist eher wie mein Großvater, selbst mein Vater, auch ein Internatsschüler, war da schon weiter.

Es sind Belanglosigkeiten, aber auch Verstörendes. Einige Beispiele: Ein bekannter englischer Gärtner weiß, dass „Frauen kein Auge für den Mittelgrund des Gartens haben“ und wird für diese Beobachtung als gradlinig gelobt. Richtig dumpfbackig sind die Kapitel Rüsslerinnen an der Macht und aggressiv wird er in Ladykiller.

Fast um die Fassung brachte mich der schlüpfrige Bericht über Blumen im Leben der Lady Chatterly. Dieses „erotische Meisterwerk“ wurde von einem Mann geschrieben, D.H.Lawrence. Dabei machte dieser einen gärtnerischen Fehler, in dem er die Lady und ihre Haushälterin im Frühling Akeleien einpflanzen lässt, die im Sommer blühen sollen. Nun weiß man, dass Akeleien im Juni mit dem Blühen aufhören. Beim Legen der Wurzeln haben die Frauen erotische Gefühle, sie „spüren, wie ihr Schoß vor Glück bebte.“ Fox flicht dagegen ein, er hätte so was nie gehabt.

Diese von einem Mann phantasierte Geschichte, turnt ihn so sehr an, dass er immer, wenn Frauen sich selbst als leidenschaftliche Gärtnerinnen bezeichnen, an diese Literaturstelle denken muss. Wenn sie wenigstens eine Frau geschrieben hätte … wäre sie immer noch nicht fair gegenüber der Gärtnerin.

Beim Lesen fragte ich mich immer öfter, warum Susanne Mayer auf diese Frauenverachtung nicht eingeht. In der ZEIT hat sie eine Kolumne, die sich kritisch mit männlichen Eigenarten befasst. So etwas ließe sie Männern da nicht durchgehen. Ich guckte mir das Interview noch einmal an. Chapeau! Sie geht darin gar nicht auf das Buch ein, sondern plaudert mit ihm über seine Biographie. Geschickt gemacht. Ich bin fast dankbar, dass sie nur über Schönes sprach. Sonst wüsste ich immer noch nicht, dass ich den Schneeball kalken und die Zaubernuss sauer halten muss.

Ältere Gärtnerinnen, mit oder ohne Leidenschaft, die auch einem Zausel gern zuhören, wenn er Interessantes zu erzählen hat, können sich auf die Lektüre freuen. Gärtner natürlich auch.

Leseprobe


Genre: Garten, Pflanzen, Sachbuch
Illustrated by Klett-Cotta Stuttgart