Aus den Filmen von Harry Potter. Magische Tierwesen. Mit zauberhaften Scherenschnitt-Silhouetten
by CHP

Das vorliegende Hardcover-Buch ist der 2. Band von Scherenschnitt-Silhouetten aus dem Harry-Potter-Universum (zuletzt “Magische Orte”). Diesmal geht es wie im Titel angekündigt um die magischen Tierwesen aus dieser Welt: Thestrale, Zentauren, Einhörner, Acromantulas, Drachen, Wassermenschen, Grindelohs, Dementoren, Basilisk, Inferi. Diese werden wieder in Untergruppen zusammengefasst. Die 3D-Papierschnitte sind mit Lasertechnik gestanzt.

Das Buch ist wieder so aufgebaut, dass pro Doppelseite eine Farbe vorherrscht, auf der linken Seite die Überschrift und ein passendes Zitat aus “Harry Potter” zu finden ist und auf der rechten Seite der 3D-Scherenschnitt mit einer Szene aus den Filmen. Die nächste Doppelseite zeigt neben den in derselben Grundfarbe gehaltenen Zeichnungen und Bildern aus dem entsprechenden Film die nicht nur im Scherenschnitt vorkommenden magischen Tiere und bietet in kurzen, prägnanten, verständlichen Texten Infos zu den Tieren selbst und wie sie für die Filme erzeugt wurden. Ergänzt werden die Texte durch Zitate aus den Filmen.

Das Buch selbst ist mithilfe fester Pappe hergestellt, sodass es ziemlich robust und stabil ist. Es bietet insgesamt 20 Seiten, die mit Text, Bild und Scherenschnitt gestaltet sind.

Eine sehr schöne, dafür aber mit 30 Euro auch teure Aufmachung für Fans.


Genre: Fantasy, Sachbuch, Scherenschnitt
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years. Band 1

Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years

Starman. Die Überraschung die am Ende dieses Comics auf die LeserInnen wartet, darf verraten werden: Es wird einen 2. Band mit dem Titel “LOW – David Bowie’s Berlin Years” geben. Also quasi eine Fortsetzung der Lebensgeschichte des am 10. Jänner 2016 verstorbenen Popmusikers und Schauspielers.

Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust

Reinhard Kleist, der schon ähnliche Bios zu Johnny Cash und Nick Cave verfasst und gezeichnet hat, zeigt uns den Aufstieg von David Robert Jones aus Brixton. Als David schulreif war, zogen die Jones in den Londoner Mittelklasse-Vorort Bromley, was für ihre beiden Söhne Terry und David tödliche Langeweile bedeutete. Aber die beiden Jungs fanden bald Interesse an Musik und begannen, von Amerika zu träumen. Mit gerade einmal 25 Jahren hatte David Bowie seinen Rock’n’Roll-Messias Ziggy Stardust erschaffen und tourte mit den Spiders of Mars durch die USA. Aber schon ein Jahr später, am 3. Juli 1973 ließ er Ziggy Stardust beim letzten Konzert seiner Welttournee im Londoner Hammersmith Odeon sterben. Genau diese Zeit lässt Reinhard Kleist in seiner Erzählung neu auferstehen, erklärt aber auch in Rückblenden wie es dazu kam, was Bowie zuvor machte und geht auch auf die triste, soziale Situation im England der Siebziger Jahre ein.

Major Tom, verloren im Weltraum

Außerdem erfährt der aufmerksame Leser auch, wie David Bowie zu seinen beiden unterschiedlichen Augenfarben kam und wer dafür verantwortlich zeichnete. Aber nicht nur seine Musik und sein Aussehen spielten beim Aufstieg von “Ziggy Stardust” eine wichtige Rolle, sondern auch seine Outfits, die von dem japanischen Designer Kansai Yamamoto stammten. Besonders in Erinnerung bleibt auch die Szene, in der Kleist seinen “Starman” im Weltraumkostüm zu Text von Space Oddity in den Weltraum entschweben lässt. Die autobiographischen Anteile des Textes werden durch die persönliche Situation in die Kleist seinen Protagonisten gezeichnet hat, augenscheinlich. Auch der positive Einfluss den Angie Bowie auf die Karriere ihres Ehemanns hatte wird gewürdigt. Während der Einfluss den Bowie auf Iggy Pop wiederum weniger positiv bewertet wird. Denn bald wird klar: Die Maske zeigt sein wahres Gesicht.

Vom Gender Folk zum Glam Rock

Starman – die Luxusausgabe

Bowie Kalender 2022 im Kleist Design mit 12 Postkarten

Wohl auch aus diesem Grund ließ David Bowie seinen Ziggy sterben und legte sich ein neues Image zu. Aladdin Sane: A lad insane. Gut getroffen sind auch die Zwiegespräche die David mit seinem Spiegelbild hält oder als er in einer typisch englischen Telefonzelle (die auch auf dem Cover des Albums zu sehen ist) mit seinem Bruder Terry telefoniert, der längst in eine Irrenanstalt eingeliefert wurde. Vom Gender Folk zum Glam Rock eines Lou Reed, Marc Bolan oder Gary Glitter war nur eine Etappe der Karriere des Popchamäleons, das noch viele Metamorphosen durchmachte. Die Farbgebung stammt von Thomas Gilke. Einziger Wermutstropfen: das Format ist etwas zu klein. Aber dafür gibt es noch eine Luxusausgabe. Die ist vom Format zwar gleich, ist dafür aber auf besonders hochwertigem Papier gedruckt und mit einem handsignierten Druck ausgestattet und wird in limitierter Auflage angeboten. Zudem ist 2022 noch ein Bowie Kalender erschienen, der auch 12 Postkarten zum Verschicken enthält.

Reinhard Kleist
Starman – David Bowie’s Ziggy Stardust Years. Band 1
2021, Hardcover, 176 Seitenzahl, Größe 198 mm x 265 mm, ab 14 Jahren
ISBN 978-3-551-79362-1
Carlsen Verlag


Genre: Biographie, Comic, Glam Rock, Graphic Novel, Musik, Rockmusik, Siebziger
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Harry Potter und der Stein der Weisen – MinaLima-Prachtausgabe

Der berühmteste Zauberer der Welt

Harry Potter scheint kein Glück im Leben zu haben: Seine Eltern starben, als er ein Jahr alt war, und seitdem fristet er sein Leben bei der Familie seiner Tante. Weder Tante, Onkel noch Cousin Dudley sind Harry freundlich gesinnt, sodass der Junge eher eine Art unwillkommer Haussklave als Familienmitglied ist. Das ändert sich, als Harry erfährt, dass seine Eltern Zauberer und Hexen waren. Ab diesem Zeitpunkt besucht er die Schule für Hexerei und Zauberei in Hogwarts. Dort ist er eine richtige Berühmtheit, denn er hat als Kind als Einziger den Angriff des berüchtigten Lord Voldemort überlebt. Lord Voldemort will die Herrschaft über die Hexen und Zauberer an sich reißen und scharrt deshalb alte und neue Weggefährten um sich. Und zu Harry hat er eine ganz besondere Beziehung, die das Leben des Jungen in permanente Gefahr bringt.

Zu Recht eine Prachtausgabe

Den ersten Band der Harry-Potter-Saga bringt Carlsen in einer  Prachtausgabe mit Prägedruck auf dem Cover – allerdings auch entsprechend teuer – heraus. Die Ausgabe kostet 40 Euro. Dafür bietet sie mehrere Goodies: Auf jeder Seite gibt es schön geschwungene und/oder verschnörkelte Umrandungen und kleine Einzelzeichnungen auf antik getrimmten Seiten, die sehr gut zur nostalgischen magischen Welt passen. Außerdem sind die meisten Seiten mit großen oder kleineren Bildern illustriert. Hinzu kommen viele interaktive Elemente zum Ausklappen oder als Pop-up, die mit zusätzlichem Papier vor Abnutzung geschützt sind. Die Kapitelanfänge werden durch Illustrationen extra hervorgehoben. Die Ausgabe wurde vom preisgekrönten Studio MinaLima gestaltet, das sich auch schon für die Harry-Potter-Filme verantwortlich zeichnete. Als weitere Extras bietet das Buch Infos zur Autorin und zu MinaLima. Die Übersetzung ist dieselbe wie die der schon bekannten Ausgaben.

So weit, so gut. Mir persönlich sind die Zeichnungen allerdings in der Tendenz zu dunkel gehalten; sie vermitteln für mein Gefühl eine zu düstere Stimmung. Manche erinnern ein wenig an Scherenschnitte, wie das Cover schon andeutet. Die vorherrschenden Farben sind Schwarz, Braun, Blau und Grün, die zwar öfter mit wärmeren Farben ergänzt werden, aber trotzdem den düsteren Charakter behalten. Damit wird zwar sicherlich auf die nicht ungefährliche magische Welt angespielt, trotzdem hätte ich mir für manche Bilder eine etwas heimeligere Atmosphäre gewünscht, die ja auch die Filme bieten. Außerdem sind mir die Zeichnungen zu einfach geraten (obwohl sie mir besser gefallen als die Cover-Zeichnungen der ursprünglichen Ausgaben); ich hätte sie mir etwas weniger schematisch gewünscht.

Fazit

Ein teures Prachtbuch, das viele interaktive und liebevoll gestaltete Elemente bietet sowie zahlreiche Zeichnungen. Die sind allerdings für meinen Geschmack von der vorherrschenden Farbgebung her zu dunkel geraten. Trotzdem macht es Spaß, das auf alt getrimmte Buch zu lesen und all die interaktiven Elemente und Bilder zu entdecken.


Genre: Fantasy, Jugendroman
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Aus den Filmen von Harry Potter: Magische Orte (mit zauberhaften Scherenschnitt-Silouetten)

Harry Potters magische Welt im Scherenschnitt

Wer kennt sie nicht: die gefährliche, aber nichtsdestotrotz magisch anziehende Winkelgasse, das geheimnisvolle und zauberhafte Schloss Hogwarts, das unterirdische Zauberei-Ministerium und das immerwährend malerisch verschneite Örtchen Hogsmade. (Fast) all diese Orte lassen sich für den in Zaubererkreisen berühmten Jungen Harry Potter mit einem einfachen Wort beschreiben: Zuhause. Und dieses Zuhause feiert in der vorliegenden Hardcover-Ausgabe mit stabilen Pappseiten seine Auferstehung – was durchaus wörtlich zu verstehen ist, denn die auf dem Cover angesprochenen mit Lasertechnik ausgestanzten Scherenschnitt-Silouetten sind in Form von Pop Ups herausgearbeitet worden und sorgen so für einen tollen 3-D-Effekt.

Die Silouetten sind dabei nicht in eintönigem Schwarz gehalten, sondern in verschiedenen Farben zu bewundern. Das durchaus hintersinnige Farbkonzept für die einzelnen Orte erstreckt sich nicht nur auf den jeweiligen Scherenschnitt selbst, sondern auch auf die mit diesem Thema verbundenen Seiten. So ist der vorherrschende Farbton von Hogwarts Braun und (Oliv-)Grün (wohl u.a. in Anspielung auf die malerische Landschaft rund um das Schloss herum), Hogsmade dagegen sticht mit verschiedenen (eisigen) Blautönen heraus. Jede Vorstellung des Schauplatzes beginnt mit dem Namen des Ortes und einem dazu passenden Zitat aus den Harry-Potter-Büchern. Danach folgt der Scherenschnitt in 3D. Die beiden folgenden Seiten sind den jeweiligen Schauplätzen mit reicher Bebilderung aus den Filmen und kurzen Info-Texten zu den Hintergründen  gewidmet. Die Texte sind familienfreundlich einfach gehalten und gut zu verstehen. Einzig die Scherenschnitte selbst sind etwas filigran und gehören nicht in die Hände kleiner Kinder. Der Preis ist mit 30 Euro allerdings ein stolzer, zumal das gesamte Buch nur 20 Seiten umfasst.

Fazit

Sehr hübsches Familienbuch mit bunten 3D-Scherenschnitten und gut verständlichen, kurzen, bebilderten Info-Texten zu vier Schauplätzen des Harry-Potter-Universums. Es gehört allerdings wegen der filigranen Scherenschnitte nicht in die Hände kleiner Kinder. Die Aufmachung ist vergleichsweise aufwändig, aber trotzdem hat das Buch mit 30 Euro für 20 Seiten einen stolzen Preis.


Genre: Bilderbuch Familie
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

All Our Hidden Gifts

all our hidden giftsMaeve Chambers hat im Gegensatz zu ihrer intelligenten Familie keine besonderen Talente. Als sie aber eines Tages in ihrer Schule ein altes Tarot-Kartenset findet, ändert sich ihre Situation grundlegend: Sie kann ihren Mitschülerinnen genau ihre Situation beschreiben und exakte Voraussagen treffen. Die Kartensessions bei ihr sind sehr beliebt – bis sie mit ihrer ehemaligen besten Freundin Lily in Streit gerät und Lily daraufhin spurlos verschwindet. Lilys nichtbinärer Bruder Roe, der wegen Maeves schlechtem Verhalten Lily gegenüber ihr erst einmal skeptisch gegenübersteht, nährt sich ihr aber im Laufe der Zeit. Es entsteht eine nicht unkomplizierte Beziehung zwischen den beiden, in der sie über ihre Gefühle zueinander klar werden müssen. Und beide wollen Lily wiederfinden. Unterstützt werden sie von Maeves neuer Freundin Fiona, die durch ihre asiatische Herkunft Vorurteilen ausgesetzt ist. Sie finden Hilfe in einem esoterischen Laden, dessen Besitzerin Maeve das zweite Gesicht und damit paranormale Fähigkeiten bescheinigt. Die braucht sie auch im Kampf gegen die erzkonservativen Kinder Brigids und deren Anführer Aaron und gegen die Mamsell, eine Macht, die sich aus den Gedanken der Menschen materialisiert hat.

 

Gegen den Strom schwimmen und das Verschwinden als Metapher für den Wunsch einer Mainstreamgesellschaft, nicht-konforme Menschen auszugrenzen, zu bekämpfen und unsichtbar zu machen

 

Der in sich abgeschlossene Roman spricht mehrere nicht-konforme, dem Mainstream entgegenstehende Themen an: Das Leistungsprinzip, vertreten durch die Familie Maeves, die intelligent ist und „es zu etwas gebracht“ hat (wobei Maeve entgegen eines Schwarz-Weiß-Denkens von ihrer Familie nicht unter Druck gesetzt wird). Maeve als ein Mädchen ohne gewinnbringende Talente und mit bescheidenen Noten scheidet aus dieser Leistungsgesellschaft aus. Sie entspricht also in dieser Hinsicht nicht dem Mainstream. Ihre Gabe des zweiten Gesichts wird allerdings unter dem Aspekt des Gewinnstrebens in Form von bezahlten Tarot-Sessions mit ihren Mitschülerinnen von diesen akzeptiert, da die Trefferquote Maeves sehr hoch ist. Mitthematisiert wird außerdem das Ausgrenzen und das (ungewollte) Außenseitertum Maeves und ihrer ehemaligen Freundin Lily. Auch Lily ist nicht gesellschaftskonform und macht deswegen wie Maeve immer wieder bittere Erfahrungen. Maeve will aus diesem Außenseiterstatus raus und entscheidet sich (mit den entsprechenden Konsequenzen) gegen ihre beste Freundin Lily und für zwei Mädchen, die sie letztlich zwar nicht leiden kann, die aber in der Klasse einen höheren Status als sie besitzen. Maeve hofft dadurch in der Hierarchie aufzusteigen, was aber letztlich misslingt. So wird indirekt auch das Hierarchiedenken infrage gestellt und kritisiert, weil es einem guten gesellschaftlichen Klima nicht nützt.

Lilys Bruder Roe ist nichtbinär, lässt sich also keinem Geschlecht zuordnen. Damit steht er ebenfalls außerhalb der Gesellschaft und macht schlechte Erfahrungen durch Repressalien. Die konforme Gesellschaft wird durch die Kinder Brigids in ihrer Extremform vertreten. Sie wollen „Normalität“ unter dem Deckmantel der Religion und greifen die queere Bewegung an. Zuspruch erhalten sie von der Gesellschaft, die im Buch in Form eines Radioreporters, der sich vom Charisma des Anführers der Kinder Brigids einlullen lässt, vertreten wird, aber auch von Roes Eltern, die nicht unbedingt glücklich mit gleich zwei nonkonformen Kindern sind. Aber auch diese Eltern werden nicht schwarz-weiß gezeichnet: Sie machen sich Sorgen um ihre Kinder und lieben sie, anstatt sich von ihnen abzuwenden. Aber selbst die Kinder Brigids sind nicht „normal“: Ihr Anführer Aaron hat wie Maeve das zweite Gesicht – nutzt dieses aber, um andere für seine eigenen Zwecke in Guru- und Sekten-Manier zu manipulieren und auszunutzen.

Fiona hat als Migrantin in zweiter Generation ebenfalls mit Vorurteilen zu kämpfen, die im Buch immer mal wieder angesprochen werden. Alle Hauptpersonen sind also nach eindimensionalen Maßstäben „nicht normal“, finden aber trotzdem einen Weg, in der Gesellschaft zu bestehen. Dieser Weg besteht hier v.a. darin, die Unterschiedlichkeit der anderen anzuerkennen, zu akzeptieren und sich in aller akzeptierten Unterschiedlichkeit zusammenzutun, um etwas gegen Unrecht bewirken zu können. Dabei braucht man sich nur einmal die Natur selbst anzuschauen: Diversität/Artenvielfalt und deren Vernetzung scheint ein grundlegendes Prinzip der Natur zu sein, um Leben zu sichern. Der Weg besteht aber auch darin, die Gegenseite kennenzulernen, um sie besser einschätzen zu können. Parallelen zur irischen Geschichte (die Story spielt in Irland) sind sichtbar. Insgesamt wird aber auch eine gesellschaftliche Haltung hinterfragt, die von Normen und deren starrer Einhaltung ausgeht und die alles, was anders ist, verunglimpft und bekämpft.  Negative Vorstellungen über Kirche und gewisse Parteien drängen sich geradezu auf.

Auch der Titel „All unsere versteckten Gaben“ passt sehr gut zu der erzählten Story. Es müssen nicht immer nur die offiziellen erwünschten Gaben sein, die eine Gesellschaft lebenswert machen. Oft sind es die verschleierten Gaben, die man aufgrund des Unerwünschtseins evtl. selbst erst einmal gar nicht herausfindet, die eine Gesellschaft reich(haltiger) machen.

Verpackt werden all diese Thematiken in eine spannende Story über das Verschwinden eines Mädchens und der Suche nach ihm, mit dem durchgängigen Touch des Mysteriösen und der Anspielung darauf, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als offiziell anerkannt wird. Auch die Selbstfindung ist unter den dargestellten schwierigen Umständen ein zentrales Thema dieses Buches.

Sehr empfehlenswert!


Genre: Jugendbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Redemption – Nachtsturm

Redemption. Nachtsturm (Revenge 3)Von Außerirdischen, Hybriden und einer (nach-)apokalyptischen Erde

Nadja, oder Evie, wie sie lieber genannt wird, findet immer mehr über sich selbst heraus. Nachdem sie ihre Erinnerungen an ihr Leben als Nadja verloren hatte, kann sie das Puzzle ihrer Vergangenheit mühsam wieder zusammensetzen. Sie findet außerdem heraus, dass sie Gene von Außerirdischen hat, eine Mischung von Lux- und Arum-Genen, der beiden außerirdischen Formen, die die Invasion der Erde vorangetrieben und sie ins Chaos gestürzt haben. Und zu allem Übel sind diese beiden außerirdischen Formen miteinander verfeindet. Die ungewollten Gene wurden ihr von der Organisation Daedalus eingepflanzt. Die Köpfe von Daedalus hofften, einen extrem starken Hybriden ohne Selbstwertgefühl zu erschaffen, der sich perfekt kontrollieren und als Waffe missbrauchen lässt: den Trojaner. Bei einigen Hybriden ist ihnen das gelungen. Aber Evie, die stärkste von allen, hat ihr Selbstwertgefühl behalten. Und sie schwört sich, mithilfe der abtrünnigen Lux, Arum und Hybride gegen Daedalus zu kämpfen und diese Organisation, die die Welt beherrscht und den Menschen und anderen Lebewesen neben Lügen unhaltbare Lebensbedingungen auftischt, ein für allemal auszulöschen.

Lesefrust anstatt Leselust – trotz oder gerade wegen der Erotik

Ich habe nur den dritten Band der Reihe vorliegen. Nach dem, was ich in diesem Band gelesen habe, bin ich froh, die ersten beiden nicht rezensieren zu müssen, denn ich fürchte, sie bewegen sich auf dem gleichen low level wie der dritte Band. Eine sehr seichte, durchschaubare Story ohne Spannung, ein für die Hauptfiguren austauschbares Charakterdesign (wer den einen Mann kennt, kennt sie alle; das gilt auch für die Frauen – da gibt es leider nur wenig Abweichungen innerhalb der weiblichen und männlichen Hauptfiguren) und ein penetranntes Pochen auf den erotischen Vorzügen des männlichen wie weiblichen Partners egal von welcher Hauptfigur – selbst in Gefahrensituationen mit sich wiederholender, ausführlicher Beschreibung des perfekten Körpers desselben – töten jeden intelligenten Leser*innengeist. Zuviel ist einfach zuviel! Action, Pseudoerotik und Brutalität wechseln einander ab, wobei die Pseudoerotik jeden anderen Bereich durchdringt. Ehrlich gesagt habe ich seit Jahren nicht mehr ein so schlechtes Buch gelesen! Demzufolge bin ich auch nicht erpicht darauf, mir die Folgebände, die es nach dem offenen Schluss offensichtlich noch geben wird, zu Gemüte zu führen.

Aus dieser Science-Fiction-Dystopie mit Anklang an irdische diktatorische Systeme und mangelndes ethisches Gewissen der Wissenschaften hätte man definitiv mehr machen können. Auch aus der Stärke der Frau, die hier nur anklingt. Schade um die vertane Chance.

Fazit

Eine derart seichte Story, die sogar in Gefahrensituationen  mit Pseudoerotik totgeritten wird, ist des Lesens nicht wert.


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

The Run – Die Prüfung der Götter

The Run Cover

Die Prüfung

Die 18-jährige Sari steht kurz vor ihrer Prüfung “The Run”, die sie zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft machen soll. Vorher sind Kinder und Jugendliche sogenannte Phantome, die sich vollverschleiern müssen und in der Gesellschaft keine Rechte haben. Sari bereitet sich schon seit Jahren auf die Prüfung vor, obwohl niemand den Phantomen verraten darf, wie The Run abläuft. Die Vorbereitungen laufen unter erschwerten Bedingungen: Sie muss nach dem Tod ihrer Mutter vor sieben Jahren sowohl ihren verrückt gewordenen Vater als auch ihren kleinen Bruder versorgen. Sie ist die Ernährerin der Familie und muss ihren Bruder vor den Ordnungshütern verstecken, weil er ein Mutant ist. Mutanten werden ihren Familien entrissen und niemand weiß, was mit ihnen passiert. Unter diesen ungünstigen Voraussetzungen tritt sie The Run an.

Bald merkt sie, dass The Run gefährlich ist und nicht selten tödlich endet. Die Prüfungen, die sie und die anderen bestehen müssen, sind alles andere als leicht und dienen nur dazu, dem despotischen Herrscher gebrochene Untertanen zu sichern. Als Sari das erkennt, beschließt sie, The Run in jedem Fall zu bestehen, um danach den Herrscher zu stürzen. Hilfe erhält sie von Keeran, der aber v.a. seine eigenen Ziele verfolgt. Trotzdem fühlt sie sich zu dem innerlich zerrissenen Mann hingezogen. Während The Run merkt sie aber auch, dass sie selbst Kräfte hat, die das normale Maß übersteigen.

Die Tribute von Panem

Der in sich abgeschlossene Roman erinnert  an “Die Tribute von Panem”. Auch hier gibt es Despoten, die für die Jugend lebensgefährliche Prüfungen ansetzen, um den Untertanen ihre Macht zu demonstrieren. Auch dort wird eine Dystopie beschrieben, in der hierarchisch-despotische Machtverhältnisse für eine nachhaltige Unterdrückung der Bevölkerung sorgen. Hier wie dort werden die Qualen der jugendlichen Protagonistin und die Gewalt ausführlich dargestellt, aber auch der ungebrochene Wille der Heldin, das alles zu überstehen. Außerdem sorgt die Heldin für bahnbrechende Neuerungen. Wer die Tribute von Panem mochte, wird wohl auch diesen Roman mögen.

Mir persönlich gefällt die ausschweifende Darstellung der Gewalt nicht. Das ist mir zu voyeuristisch. Wenigstens wird in diesem Roman durch die Heldin die Gewalt nicht gutgeheißen – sie protestiert bei jeder Gelegenheit und unter Gefährdung ihres eigenen Lebens gegen das unterdrückerische Regime. So wird die Gewalt zumindest hinterfragt.

Heldin mit Vorbildcharakter

Die Heldin ist in ihrem Handeln und ihrem Hören auf ihren eigenen Gerechtigkeitssinn Vorbild. Sie nimmt  die Gegebenheiten nicht einfach hin wie die meisten anderen, sondern versucht, etwas an ihrer Situation zu verändern. Auch ihre Funktion als Basis der Familie ist vorbildhaft, allerdings mit dem Einwand, dass auch in der Realität Frauen durch die Umstände oft genug gezwungen sind, die Basis der Gesellschaft zu sein und alles schultern zu müssen – ob sie wollen oder nicht. Anerkennung dafür gibt es keine. Auch das verdeutlicht der Roman. Frauen entwickeln durch die permanente Belastung und Unterdrückung aber etwas, das die Psychologie als “diamantene Fähigkeiten” bezeichnet: Durch den Druck werden sie zu dem stärksten und edelsten aller Edelsteine. Diese Fähigkeiten hat Sari ebenfalls entwickelt und setzt sie zu ihrem Vorteil ein. Im Roman wird ihre Stärke (interessanterweise von den Männern) immer wieder betont: Sie wird bewundert von Keeran und gefürchtet vom Despoten.

Verdrehung der Wahrheit

Despotische Regime verändern, verdrehen und beschneiden gern die Wahrheit, um sie zu ihren eigenen Zwecken zu benutzen. Im Roman wird das durch die Göttersagen deutlich, die der Bevölkerung nur in Teilen zugänglich und damit von ihrem Kern entfremdet sind und einen neuen Sinn erhalten. Sari findet während The Run eine Ausgabe mit dem vollständigen Text, der sie bei ihrem Vorhaben unterstützt. Auch hier gilt: Bildung schützt vor Manipulation. Deshalb die Bücherverbrennungen despotischer Regime und die Kontrolle der Literatur, Kunst und Presse. Nachdem Sari die Wahrheit über ihr Land und ihre Abstammung erfahren hat, ist sie bestrebt, für eine bessere Welt zu kämpfen.

Verschleierung

Die vollständige Verschleierung der Phantome erinnert an die Verschleierung von Frauen in der realen Welt. Im Roman sind weibliche und männliche Charaktere betroffen, die für die Gesellschaft durch das Symbol der Verschleierung unsichtbar und ohne Wert sind.

Schwächen im Ausdruck und der Charakterzeichnung

Die Figuren im Roman können anscheinend nicht normal sprechen. Im ganzen Buch gibt es keine Wörter wie “sagen”, “antworten” usw., dafür aber ausschließlich “knurren” (mit Abstand am häufigsten), “raunen”, “zischen”, “fauchen”. Das stört den Lesefluss irgendwann sehr, zumal diese Begriffe nicht immer zu dem, was die Figuren sagen, passen wollen.

Die männliche Hauptfigur Keeran erinnert an männliche Hauptfiguren von Schnulzenromanen, die pseudogeheimnisvoll und -gefährlich sind. Er hat keine wirklich erkennbare Charaktertiefe.

Fazit

Wer “Die Tribute von Panem” mochte, könnte auch an diesem Roman Gefallen finden. Allerdings verhindern ein paar Schwächen ein rundum gelungenes Leseerlebnis.


Genre: Dystopie, Fantasy, Jugendroman
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Geek Girls forever! Handbuch für Nerds, Geeks & Fangirls

Selbstbewusstsein stärken

Das vorliegende Buch ist als kleiner Kompass für  weibliche Geeks gedacht. Die sind in der Nerd-Szene egal welchen Couleurs meist immer noch unterrepräsentiert und damit selbst dort, wo man es eigentlich nicht erwarten würde, Repressalien durch Jungen und Männer ausgesetzt. Es stellt Themen wie Nerd-Partys, Challenges, Conventions, Autorendasein und die Selbstbestimmung als Frau in einer immer noch als männlich angesehenen Domäne in den Vordergrund. Der weiblichen Selbstbestimmung widmet die Autorin demnach ein ganzes Kapitel. In diesem Kapitel geht es hauptsächlich um die Verteidigung in brenzligen Situationen wie Mobbing, Sexismus, sexueller Belästigung und die Abwertung weiblicher Fans durch männliche Nerds. Denn auch unter Nerds und Geeks steht leider immer noch der Sexismus hoch im Kurs. Die Autorin stellt Maßnahmen gegen solche “Trolle, Dementoren, Daleks” vor und spricht Frauen und Mädchen Mut zu, sich nichts, aber auch gar nichts gefallen zu lassen. Sie gibt praktische Tipps im Umgang mit den leider allzu alltäglichen negativen Situationen. Allein damit ist dieses Buch den Kauf für Fangirls wert.

Außerdem stellt es das Fandasein in positiver Art und Weise dar, sodass die Fangirls mehr Selbstbewusstsein tanken können. Dazu passend ist die Sprache insgesamt sehr energetisch und pusht damit das Geekgirl auf. (Ich habe mir automatisch eine Frau vorgestellt, die mich wie ein Cheerleader enthusiastisch anfeuert, das Fangirldasein so richtig zu genießen.) Ein Beispiel: Sie nennt Fangirls “GLOW” (Glorious Ladys of Weirdness). Glow hat u.a. die Bedeutung “glänzen, schimmern, leuchten, glühen” – eine sehr positive Bezeichnung und zudem sehr treffend! “Wir sind glow” heißt es dementsprechend. Selbstbewusst darf das Fangirl seltsam und verrückt sein! Wo sonst, wenn nicht hier kann frau ihre Träume ausleben und  mit ihren Talenten glänzen? Dementsprechend neutral sind die Definitionen für die Begriffe: “Geek = Eine Person, die in großes Interesse für ein oder mehrere bestimmte Themen hat. Nerd = Eine Person mit speziellem Interesse und Wissen zu einem oder mehreren Themen. Fangirl = Eine Person (übrigens egal, welchen Geschlechts), die sich für ein oder mehrere Themen begeistert.” (Aufgefallen? Wenn das Weibliche für beide Geschlechter gelten soll, muss frau das extra erwähnen…) Diese neutrale Definition trifft somit auf egal wen zu. Denn jede*r hat so ihre/seine speziellen Interessen.

Die Autorin hat das Buch für alle Fangirls egal welchen Alters geschrieben. (Ich musste bei der Lektüre auch an Mangas wie “BL-Metamorphosen – Geheimnis einer Freundschaft” und “Akihabara Shojo” denken.) Allerdings merkt frau doch, dass es v.a. auf die Jugend zugeschnitten ist. Viele der Tipps zielen auf jüngere Fangirls ab. Die älteren wissen das meiste schon. Oder: Die älteren wissen manches, wie für sie neue Begriffe, nicht. Bezeichnungen wie “NOTP”, “Twihard”, “Con-Hon”, “BSOD”, “SUB” oder “Binge-Watching” sind an mir vorbei gegangen. Das Mutterdasein vereinnahmt einen doch (viel zu) sehr. Wie gut, dass es einen Glossar im Anschluss an den Haupttext gibt, wo solch rätselhafte Abkürzungen ihre Auflösung finden.

Um noch weiter positive Stimmung zu verbreiten, sind die einzelnen Kapitel farbig gehalten. Da braucht frau an einem schlechten Tag einfach nur das Buch aufzuschlagen, um bessere Laune zu bekommen.

Außerdem gibt es Tipps, wo frau Gleichgesinnte finden kann. Wobei sich das durch das Internet doch deutlich einfacher gestaltet als zu meiner Zeit, als noch stapelweise Briefe, Faxe, Videokassetten, Kopierer und die Kontaktanzeigen der AnimaniA herhalten mussten, um die hiesige Fangemeinschaft kennenzulernen und sich gegenseitig mit Futter der Manga- und Anime-Art in sämtlichen damals zur Verfügung stehenden Sprachen zu versorgen.  Immerhin hat frau so ihr Englisch, Französisch und Italienisch aufgebessert. Die älteren Fans wissen, wovon ich spreche… Deutschland ist halt in Bezug auf Comics und Mangas Entwicklungsland, wobei es seit “Dragonball” und “Sailor Moon” deutlich einfacher geworden ist, an das begehrte Material heranzukommen.

Fazit

Kunterbuntes, fröhliches, Mut machendes, die wichtigsten Bereiche umfassendes Handbuch über das weibliche Fansein! Inklusive Tipps gegen männliche Trolle, Dementoren und Daleks! Definitiv empfohlen!


Genre: Handbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Alles ganz normal

Alles ganz normal?

Camillas Leben gefällt ihr gerade gar nicht: Ihr Vater hat eine neue reiche Freundin, zu der die Familie ziehen muss. Camilla findet ihre neue Stiefmutter zu oberflächlich und beziehungsunfähig. Ihre Stiefschwester ist ein echter Stinkstiefel. Der Vater kümmert sich nicht mehr um seine eigenen Kinder, hält dafür aber zu seiner neuen Familie. Überhaupt wirkt er sehr überfordert: Es kümmert ihn nicht, dass sein Sohn die Schule dauerhaft schwänzt oder seine Tochter in der neuen Schickimicki-Klasse gemobbt wird. Camillas alte Freundinnen wenden sich von ihr ab.

Dagegen scheint es bei Luna alias Lunatika viel besser zu laufen: Die beliebte Tiktokerin fährt immer neue Follower-Rekorde ein, bekommt Angebote für Verträge. Sie scheint immer auf alles eine Antwort zu wissen und ihren Follower*innen Trost spenden zu können. Aber auch hier ist nicht alles so, wie es scheint. Lunas Vater glänzt seit Jahren aufgrund seines Forschungsprojektes durch Abwesenheit. Die Mutter ist praktisch alleinerziehend und musste daher auf die Verwirklichung ihrer Träume verzichten. Sie versucht es dennoch, nachdem ihre Tochter aus dem Gröbsten heraus ist, aber mit wenig Erfolg. Das Mutter-Tochter-Verhältnis ist angespannt.

In all der Misere startet Camilla einen letzten Versuch, die Freundschaft zu ihren alten Freundinnen zu retten: Sie nimmt ein Video auf, in dem sie über ihre erste Periode spricht. Was eigentlich nur für ihre Freundinnen gedacht war, gerät in die falschen Hände – auf einmal ist Camillas Video für alle zugänglich. Das beschert ihr übles Mobbing, aber auch eine langsam wachsende Solidarität zwischen den Mädchen.

Mobbing, Tabuthemen, Feminismus, Social Media, Familienmodelle, Politik

Das rote Tuch verbindet die verschiedenen Themen des Buches: Es steht zum einen für die Periode, die von der Gesellschaft anstatt gefeiert tabuisiert wird. So sind Frauen und Mädchen gezwungen, so zu tun, als gäbe es die Periode  und alles, was damit zusammenhängt, nicht. Sie müssen sie verstecken, verheimlichen, dass sie sie haben. Sie erdulden still die allmonatlichen Schmerzen und das Unwohlsein und müssen so tun, als wäre alles ganz normal. Bis vor kurzem waren Hygieneartikel für die Periode sogar mit einer Luxussteuer (!) belastet. Das führt dazu, dass sie sich für ihre Regelblutung schämen und nicht wissen, wie sie mit dem Natürlichsten der Welt umgehen sollen. Sie haben keinerlei Kenntnisse über sie und werden von ihr überrascht, wenn sie kommt. Und das führt wiederum zu peinlichen Situationen.

Die Periode ist ein rotes Tuch für eine Gesellschaft, die patriarchal geprägt ist. Sie steht für das Frausein, für die Fruchtbarkeit der Frau. Denn nur die Frau ist in der Lage, Leben zu schenken. Die Frau und alles, was mit dem Frausein zusammenhängt, wird durch das Patriarchat negiert, angefeindet, ins Lächerliche gezogen, ignoriert, tabuisiert, dämonisiert. Im Buch wird das durch das üble Mobbing Camillas verdeutlicht. Sie muss jeden Tag in der Schule eine wahren Spießrutenlauf absolvieren durch Häme, Tuschelei, Stichelei und Angriffe in Form von Tampons, die feucht rot bemalt sind, oder überlebensgroße Graffiti am Schulgebäude, die sie und ihr Bedürfnis, über die Periode zu reden, in den Dreck ziehen. Nutznießer sind in dem Buch die notgeilen, frauenfeindlichen Politiker, gegen die sich Widerstand auch in der Schule regt.

Das Buch verschweigt nicht, dass auch Frauen bewusst oder unbewusst den patriarchalen Interessen dienen. Dafür steht die Lehrerin, die von den Kindern verlangt, einen Aufsatz über eine normale Familie zu schreiben. In der Klasse – alles privilegierte Jugendliche – herrscht Ratlosigkeit darüber, was als normal gilt. Denn die Familienmodelle sind völlig unterschiedlich: Allereinerziehende Eltern, Patchworkfamilien, abwesende Väter usw. Das gutbürgerliche Modell der Kleinfamilie mit Vater, Mutter, Kind(ern) wird von kaum einer Familie erfüllt. Das bringt die Lehrerin aus dem Tritt, was sie aber mit Ignoranz und Strenge überspielt. Der Besuch des frauenfeindlichen Senators löst nur bei ihr Begeisterung aus, in der Klasse aber nicht. Der Senator ist lebensfremd, sodass er die Kids und deren Lebenswirklichkeit weder interessiert noch berührt.

Das rote Tuch steht weiterhin für Solidarität und das Kämpfen für eine bessere Welt – die wiederum für den Senator/ die Herrschenden, der/die sich in Privilegien und Frauenfeindlichkeit eingerichtet hat/haben, ein rotes Tuch ist. Die Mädchen und ein paar der Jungen tragen das rote Tuch in der Schule und während des Besuchs des Senators. Vor der Schule demonstrieren Feministinnen, unter anderem Lunas Mutter, für mehr Gerechtigkeit. Lunas Mutter ist leidenschaftliche Comiczeichnerin, die in ihren Comics feministische Themen aufgreift, auch weil sie selbst die Erfahrung gemacht hat, in einer patriarchalen Welt zu kurz zu kommen und benachteiligt zu werden. Sie hat für den Traum ihres Mannes ihren eigenen aufgegeben und das gemeinsame Kind großgezogen – nur um festzustellen, dass er sie wahrscheinlich betrügt.

Luna und Camilla, die am Anfang alles andere als Freundinnen sind, entdecken, dass es sehr wohl Gemeinsamkeiten gibt und sie voneinander lernen können. Sie entwickeln während des Besuchs des Senators aus dem Stehgreif eine neue Rede, die live gestreamt wird und das alte, feindliche System bloßstellt – so wie Camilla bloßgestellt worden ist.

Die Männer kommen in dem Roman meist nicht gut weg. Sie sind entweder überforderte Väter, vor der Familie geflüchtete und egoistische Väter oder Jungen, die sich dem Mainstream anpassen. Der Senator steht für Machtmissbrauch und Frauenfeindlichkeit. Einzig ein Lehrer an der Schule besitzt Empathie und das Geschick, Mobbing und Tabuthemen für die Schüler*innen so aufzubereiten, dass daraus fruchtbare Einsichten entstehen. Auch Außenseiter Valerio entpuppt sich als tiefsinnig und fortschrittlich und steht so im Widerspruch zu den angesagten, aber empathielosen Jungen seiner Klasse, bei denen das tumbe Ramboverhalten und rücksichtslose Machtstreben als Ideal gilt.

Das rote Tuch als roter Faden schlingt sich auch um Social Media. Am Beispiel Lunas und Camillas werden die Gefahren aufgezeigt, die Social Media mit sich bringen kann. Die junge Tiktokerin versteht diese Gefahren noch nicht und ist überfordert mit ihrer Beliebtheit und deren Konsequenzen. Camilla spürt die Gefahr am eigenen Leib (s.o.). Aber Social Media bietet auch die Chance, sich zu wehren. Luna nutzt ihre Beliebtheit, um positive Änderungen in Gang zu setzen und auf Missstände aufmerksam zu machen.

By the way: Luna ist lateinisch und bedeutet “Mond”. Der Mond steht für die Mondzyklen und ist eng mit dem Weiblichen und der Periode der Frau verbunden. Frauen menstuieren oft im Mondzyklus. Der Mond in diesem Zusammenhang steht auch für weibliche, mächtige Gottheiten. Lunatica dagegen bedeutet “launisch, sprunghaft…” und ist negativ konnotiert. Das passt ins Bild, wie ursprünglich positive Weiblichkeit vom Patriarchat ins Negative verkehrt wird. Der Autorin, selbst Feministin, dürften diese Zusammenhänge bekannt sein. Sie setzt sie wohl sehr bewusst ein und verkehrt z.B. den negativ besetzten Begriff Lunatika wiederum ins Positive durch eine ihrer Protagonistinnen.

Camilla kommt ebenfalls aus dem Lateinischen und bedeutet “die Ehrbare”. Die Kamille wird oft als Zeichen der Hoffnung gedeutet. Muss man dazu noch mehr sagen?

Das Cover

Das Cover ist gut gewählt. Es weist, ohne zu viel zu verraten, auf den Inhalt des Buches hin. Die vorherrschenden Farben sind Rot und Rosa. Rot, das rote Symbol der Weiblichkeit und die Blutstropfen deuten auf die Periode, die kein Tabuthema sein sollte, sondern etwas ganz Natürliches ist, für das sich Mädchen nicht zu schämen brauchen. Sie sollten im Gegenteil stolz auf dieses ureigenste Merkmal der Frau sein dürfen. Rosa ist die kleine Schwester von Rot. Sie war früher Farbe der Männer, die mit Rot den Kriegsgott Mars verbunden haben. Rosa galt als das kleine (kriegerische) Rot, bevor es für Mädchen verharmlost und verniedlicht wurde. Rote Wangen, rote Lippen, rote Tücher, rote Blutstropfen, roter Pulli… Frau pur! Und durchaus kämpferische Frau, denn die Mädchen und Frauen auch im Buch kämpfen für sich und ihre Bedürfnisse. Und Schwarz ist nicht nur die Farbe der Trauer (der Trauer darüber, wie die Verhältnisse für Frauen und Mädchen immer noch sind), sondern auch für die fruchtbare, schwarze Mutter Erde, aus der Leben und Neues erwächst. In diesem Fall positive Veränderungen.

Fazit

Das Buch ist extrem lesenswert, weil es auf mehreren Ebenen in die Tiefe geht. Es spricht nicht nur ein, sondern gleich mehrere kritische Themen an, verbindet sie, reflektiert sie und bietet Lösungsvorschläge an. Diskriminierung ist meist auch nicht ein- sondern mehrdimensional. Die verschiedenen Schichten müssen erst einmal durchschaut und konstruktiv aufgearbeitet werden. Das bietet das Buch ebenfalls. Die Schreibe ist verständlich und spannend. Damit ist “Alles ganz normal” auch als Schullektüre mehr als geeignet.


Genre: Jugendbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Krähenzauber (Die zwölf Kasten von Sabor) 2

Krähenzauber (Die zwölf Kasten von Sabor 2)Politik gegen das Volk zum eigenen Nutzen

Nachdem Pah, der alte Anfüher der Krähenrotte, Schreinwächter geworden ist, führt Stur ihre mittlerweile stark geschrumpfte Rotte als Krähenhexe an. Prinz Jasimir hat sich derweil mit den Militärs seiner Tante, der Oberbefehlshaberin Draga, auf den Weg zum Palast gemacht, um Rhusana zu stürzen. Rhusana hat inzwischen Jasimirs Vater, den König, ermordet, um selbst den Thron zu besteigen. Und damit haben die Oleander-Junker freie Bahn, die Krähen zu verfolgen und ungestraft zu töten. Rhusana will die Krähenkaste auslöschen und gießt zusätzlich Öl ins Feuer, indem sie  Lügen über die Sündenseuche verbreitet. Stur erkennt, dass ihre besonderen Fähigkeiten gefragt sind, um Schlimmers abzuwenden und Jasimir zum Thron zu verhelfen. Denn die von Rhusana erschaffenen Haut-Ghoule dezimieren die Armee und sind auch den Krähen auf der Spur. Mit ihren Phönix-Zähnen kann Stur das Phönix-Feuer wirken, das als einziges die Ghoule aufhält und ihr auch bei der Bekämpfung der sich stark ausbreitenden Sündenseuche hilft. Aber dann verliert sie ihre Zähne ausgerechnet an einen anderen betrügerischen Rottenführer.

Erkennen und Ausbau eigener Fähigkeiten

Stur wird immer selbstsicherer und lernt ihre Fähigkeiten als Anführerin immer besser und realistischer einzuschätzen. Außerdem baut sie ihre Fähigkeiten als Hexe aus und entdeckt, dass sie (weil sie neue, kreative Ideen hat, die vom Althergebrachten abweichen) ihre Magie den Gegebenheiten anpassen kann, sodass Stur auch ohne die Sicherheit der Phönix-Zähne auskommt. Dabei ist sie keineswegs ohne Angst und Zweifel, aber sie lernt, diese zu überwinden, um ihre Ziele zu erreichen. Ihr Antrieb ist die fürchterliche Zukunft, die ihre Kaste erwartet, sollten sie und Jasimir scheitern.

Dabei werden ihr allmählich auch ihre Vergangenheit in gescheiterten vergangenen Leben bewusst und sie erkennt die Zusammenhänge ihres Schicksals mit den Schicksalsfäden der Korona. Dieses Wissen wiegt schwer, hilft ihr aber auch, ihre Aufgabe zu meistern. Außerdem kommt sie der ursprünglichen Bestimmung der Krähen auf die Spur, die den Krähen eine verloren gegangene Fähigkeit zurückgibt.

Stur sprengt somit althergebrachte Traditionen und Grenzen, um nicht nur für ihre eigene Kaste eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Sie wagt Neues und weiß, dass das Neue nicht gern gesehen und deshalb für sie gefährlich ist. Sie beweist Mut, indem sie sich dieser Herausforderung stellt. Damit hat sie Vorbildfunktion. Wie schon in meiner Rezension zum ersten Band ausgeführt, kommt der Antrieb für eine bessere Zukunft von unten, denn die oberen Kasten haben kein Interesse, etwas an ihrem (ausbeuterischen) System zu ändern. Die Revolution kommt nicht nur von unten, sie kommt von einer Frau. Und diese Frau ändert fast im Alleingang eine ganze Welt. Damit klingt an, dass man sich mit einem vermeintlich vorgegebenen Schicksal nicht abfinden muss. Stur tut es nicht, trotz Lebensgefahr.

Fantasy- oder SF-Literarur reagiert oft auf und verarbeitet politische vergangene oder aktuelle Ereignisse. Kastensysteme und Hierarchien, sowie deren Misswirtschaft und Unterdrückung der Menschen gab es seit der Sesshaftwerdung mehr oder weniger durchgängig. Immer dort, wo Menschen Besitz anhäufen, muss dieser verteidigt werden und oft wird er ungleich verteilt. In Kombination mit einem patriarchalischen System haben v.a. die Frauen das Nachsehen. Beides wird in dieser mit zwei Bänden abgeschlossenen Reihe aufgenommen und verarbeitet. Die Autorin setzt den Fokus v.a. auf die unterste Kaste, die Krähen, und zeigt, dass jeder Mensch wertvoll ist, egal, wo sie/er/divers herkommt, egal, welches Geschlecht sie/er/divers hat. Der besondere Fokus allerdings liegt auf der Hauptfigur, die weiblich und ganz und gar sie selbst ist.

Fazit

Spannnende, 2-bändige Reihe mit sozialer Botschaft und einer Frau, die allen Widrigkeiten zum Trotz ganz sie selbst ist und damit nicht weniger als die Welt verändert.


Genre: Fantasy, Jugendroman
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Road Princess

Unterschiedliche Welten

Tara und Jay leben beide in Boston, aber ihre Lebenswirklichkeit könnte nicht unterschiedlicher sein. Tara genießt als Tochter des Bürgermeisters viele Privilegien, muss dafür aber ihre Interessen zugunsten der Karriere ihres Vaters opfern. Jay, Enkel eines Steakhouse-Betreibers und Mitglied einer berüchtigten Motorradgang, den Road Kings, hat sich ein Stipendium erkämpft. Mit dessen Hilfe will er Jura studieren, um armen Mitmenschen ein gerechter juristischer Beistand zu sein. Als beide sich am Campus zufällig über den Weg laufen, sind sie sich sofort sympathisch. Mit Jay kann Tara zwanglos reden, ohne sich vor Neidern oder Speichelleckern in Acht nehmen zu müssen. Jay gefällt Taras nette und zielstrebige Art. Aber als Jay herausfindet, dass Tara die Tochter des Bürgermeisters ist, geht er auf Abstand. Auch Taras Vater ist alles andere als erfreut darüber, dass sie Kontakt zu einem Road King aufgenommen hat. Er verbietet ihr den Umgang mit Jay. Tara wird misstrauisch, weil weder ihr Vater noch ihr Großvater über den Grund reden wollen, warum Taras  mit Jays Familie verfeindet ist. Sie beschließt, Nachforschungen anzustellen und kommt trotz aller Widerstände einem alten Familiengeheimnis auf die Spur, das ihr komplettes Leben völlig umkrempeln wird.

Romeo und Julia

Der in sich abgeschlossene Roman erinnert vom Thema her an eine neue Version von Romeo und Julia. Zwei verfeindete Familien, deren Kinder sich ineinander verlieben und diese Liebe trotz aller Widerstände leben wollen. Im Gegensatz zu Romeo und Julia hat dieser Roman zumindest für die Liebenden ein Happy End.

Mit diesem Thema verflochten ist auch das der Motorradgang, das für meinen Geschmack etwas zu romantisch verklärt wird. Auf der anderen Seite drücken Motorräder den Hang zur Freiheitsliebe aus. Die verspürt auch Tara, wobei ihre Freiheit durch die Erwartungen ihres Vaters und der Familie nicht zum Ausdruck kommen darf, die sie sich aber im Laufe der Geschichte erkämpft.

Überhaupt ist sie eine sehr starke Julia, die mit Beharrlichkeit und dem Willen zur Selbstfindung schließlich die Freiheit gewinnt, über ihr eigenes Leben und Lieben zu bestimmen. Durch diese Beharrlichkeit erkämpft sie auch die Wahrheit und ein besseres Leben für die Familie ihres Herzensmannes. Der ist im Vergleich zu ihr eher passiv und mitunter durch die Stärke der Frau ein wenig überfordert, weil er noch durch das alte Rollenbild geprägt ist – zumal Tara, klein und blondhaarig, zunächst dem Bild einer folgsamen Tochter und Frau zu entsprechen scheint. Durch ihren Mut, ihre Intelligenz, ihre Willensstärke und ihr stark ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit und Soziales widerspricht sie allerdings jedem Blondinenklischee (das interessanterweise nur für Frauen gilt, inklusive der diskriminierenden Blondinenwitze). Auf der anderen Seite ermutigt Jay sie aber auch bzgl. der Berufswahl nicht auf ihren Vater, sondern auf ihr Herz zu hören. Er hat durch seine Empathie für Tara und andere und seine Intelligenz also mehr zu bieten als nur ein hübsches Äußeres und Muskeln.

Sozialkritisch ist der Roman ebenfalls, wenn er die sichtbaren und unsichtbaren Schranken anspricht, die die High Society von den normalen Menschen und erst recht von der “Unterschicht” trennt.

Trotzdem ist der Roman in erster Linie ein Liebesroman, der sich flüssig lesen lässt und durch die Detektivarbeit Taras und den Konflikten zwischen Arm und Reich immer den Spannungsbogen aufrecht erhält.

Fazit

Flüssig zu lesender Liebesroman für junge Erwachsene mit einer starken und doch sanften Julia.


Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Der Weltenexpress 2: Zwischen Licht und Schatten

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“Kohle, Dampf und Magie”

“Endlich ist Flinn Nachtigall offiziell Schülerin im Welten-Express, dem magischen Internatszug. Doch dass sie eines Tages die Welt verändern soll, mag sie kaum glauben. Auch ihre Freunde Pegs, Kasim und Fedor reagieren mit gemischten Gefühlen. Denn der gesamte Zug ist in Gefahr: Ein geheimnisvoller Schatten treibt sein Unwesen und Maskierte sorgen für Chaos und Angst. Was ist los an Bord des Welten-Expresses? Auf der Suche nach Antworten steht Flinn plötzlich ihrem vermissten Bruder Jonte gegenüber. Doch etwas stimmt nicht mit ihm…” (Inhaltsangabe des Verlags)

Spannungsbogen, retardierendes Moment

Der 2. Band der Reihe wartet mit einer spannenden Fortsetzung auf. Ein paar der Geheimnisse des ersten Bandes (Was ist mit den verschwundenen Schülern, den Phantompfauen, passiert? Wo steckt Jonte? Bleibt Mme Florett weiterhin verschollen?) werden gelüftet, wobei die Spannung durch neue Fragen, die die Beantwortung dieser drängenden Fragen aufwerfen, erhalten bleibt. Ein retardierendes Moment trägt ebenfalls zur Spannung bei: Die zart erblühende Liebe zwischen Flinn und Fedor stagniert. Und sie stagniert wegen etwas Beziehungstypischem, nämlich einer Reihe von Missverständnissen. Ähnliches lässt sich bei Pegs und Kasim beobachten. Auch hier sind Missverständnisse die Hauptursache für ihre Beziehungsprobleme. Damit ist Identifikationspotential für jugendliche Leser*innen gegeben, die ebenfalls in dem Alter sind, in dem sie ihre erste Liebe erleben.

Diese im Buch anklingenden Missverständnisse zwischen den Geschlechtern setzen sich aber auch in der Realität und in den Beziehungen zwischen Erwachsenen fort. Hauptursache dessen sind systembedinge Abgrenzungen der Geschlechter voneinander, bedingt durch Rollenklischees, die zu (falschen) Mythen über das jeweils andere Geschlecht führen. Mehr echtes Interesse für das jeweils andere Geschlecht, vorurteilsfreie Haltung und viel, sehr viel ernst gemeinte Kommunikation würden das Gros dieser Probleme lösen. Genau das geschieht auch im Buch erst einmal nicht, sodass sich die Beziehungsprobleme zuspitzen. Natürlich trägt auch das zur Spannung bei, denn man fragt sich automatisch: Wie geht es mit Flinn und Fedor, Pegs und Kasim weiter?

Das Cover

Man könnte auf den ersten Blick meinen, dass das Cover wie das Cover des ersten Bandes aussieht. Tatsächlich ähnelt es diesem im Hauptaufbau des Bildes. Wieder stehen die Hauptpersonen an der Brücke, auf dem der Welten-Express fährt. Wieder sieht man die magischen Tiere, wieder die Hauptgegenstände, die im Buch eine Rolle spielen. Mit dieser Ähnlichkeit wird die Verbindung zum ersten Band auch über das Bild hergestellt.

Die Unterschiede sieht man auf den zweiten Blick. Der auffälligste ist der der Farbe. Das erste Cover hat die Farbe der Nacht, die runde Scheibe ist der Mond, die runden, glitzernden Sprengsel die Sterne. Das zweite Cover hat den gleichen Aufbau, aber durch den Farbunterschied ist die runde Scheibe die Sonne, die Sprengsel das Sonnenlicht. Die Gegenstände wechseln zum Bild von Mme Floretts Schwester, zu den Schulschals und zur Rabenmaske, die alle im Roman immer wieder vorkommen. Anstelle von Mme Florett sieht man in der Heldengruppe Jakub und seine Koffergeige, der ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Bezeichnend der Untertitel des zweiten Bandes: “Zwischen Licht und Schatten”. Das Cover unterstützt also optimal den Inhalt.

Diverses

Ansonsten sind natürlich auch hier wieder Anklänge an Harry Potter zu finden, da der Express Hogwards ähnelt. Steampunk-Fantasy wird durch die Verbindung von Technik, Magie und dem namengebenden Dampf angedeutet.

Die Hauptaussage des Buches scheint zu sein: “Glaube an dich selbst.” Flinn zweifelt an ihrer Bestimmung als weltveränderndes Tigerkind, sie zweifelt an der Beziehung zu Fedor, sie zweifelt an ihren Freunden, sie zweifelt an ihrem Bruder. Die Überwindung dieser Zweifel gehört bei ihr zur Charakterentwicklung.

Fazit

Eine gelungene Fortsetzung, die Lust auf den dritten Band macht.


Genre: Fantasy, Jugendroman
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Knochendiebin 1 – Die zwölf Kasten von Sabor

Knochendiebin (Die zwölf Kasten von Sabor 1)Verrat, Hierarchien, Durchbrechen alter Strukturen

“Stur, die junge Hexe aus der Krähen-Kaste, kennt nur ein Gesetz: Beschütze die deinen! Denn von den übrigen Kasten im Königreich werden die Krähen geschmäht. Dabei versorgen sie Sterbende und Tote, ein wichtiger Dienst in einem Land, in dem seit Generationen die Sündenseuche wütet.

Als Sturs Krähen-Rotte für eine Bestattung zum Palast gerufen wird, geschieht Unerwartetes: Der angeblich tote Kronprinz verlangt ihre Hilfe! Um eine Intrige zu verhindern, müssen er und sein Leibwächter heimlich Verbündete treffen – unter Sturs Obhut. Aber kann sie dem Prinzen und seinem besten Freund wirklich trauen?” (Inhaltsangabe des Verlags)

Kastensystem, Monarchie, Einforderung von Rechten und Wertschätzung

Wie bei Fantasy-Romanen meist der Fall, ist auch hier die Monarchie als Herrschaftssystem eine gute Ausgangsbasis, um Spannung durch  systembedingte Probleme aufzubauen. Verschärft werden diese Probleme noch durch das Kastensystem, das – wie das reale indische – in seiner Undurchlässigkeit Ungerechtigkeiten zementiert.

Die Autorin wendet hier einen Kniff an: Sie macht die unterste, rechtlose Kaste zum Hauptakteur der Handlung und hier wiederum eine Frau (die Frau ist hier nicht das Opfer, sondern die Akteurin – auch eher in von Frauen geschriebener Fantasy anzutreffen). Das garantiert ein Maximum an Spannung, denn Veränderung von unten ist immer schwierig und damit eine dankbare Ausgangsbasis für eine gelungene Geschichte.

Sie stellt außerdem die Stärke der Frau in dieser untersten und rechtlosen Schicht heraus. Die Frau ist es, die letztlich die Veränderung einleitet und am Laufen hält. Das erinnert sehr an die Realität, in der Frauen die existentielle Basis am Laufen halten, aber mitnichten die (auch finanzielle) Wertschätzung erhalten, die sie eigentlich notwendig und gerechterweise dafür verdient hätten. Wie im realen Leben müssen die Entrechteten selbst für ihr Recht sorgen.

Stur fordert diese Wertschätzung ein, schlägt das Maximum an Bezahlung heraus und weist immer wieder auf ihren eigenen Wert und den ihrer Kaste hin. Damit weist die Autorin indirekt einen Lösungsweg auch für die Realität auf: Frauen müssen immer wieder auf ihren eigenen Wert hinweisen, diesen vehement einfordern und – nicht zuletzt – das Maximum an finanzieller Entlohnung ihrer Leistungen fordern und für dessen Einhaltung kämpfen.

Schlimm genug, dass das überhaupt notwendig ist. Aber da dürfen sie sich ruhig am Mann orientieren, der sich selbst wie selbstverständlich wertschätzt (dabei spielt keine Rolle, ob er diese Wertschätzung tatsächlich verdient hat), das auch immer wieder lautstark kommuniziert und seinen Wert definitiv nicht unter den Scheffel stellt. Schon gar nicht finanziell.

Frauen sind auch da leider immer noch zu leise (systembedingt: eine Frau ist immer noch die bessere, weil besser kontrollierbare Frau, wenn sie wenig bis kein Selbstbewusstsein hat)  und halten ihre Leistungen (siehe Dreifachbelastung Haushalt, Kind, Arbeit – in der Pandemie mehr denn je) für selbstverständlich, obwohl sie es nicht sind.

Stur zeigt, dass man nur dann gehört wird, wenn man lautstark, mit Druck (sie erpresst die Königskaste) und nachhaltig, sowie hartnäckig und nachdrücklich den Mund aufmacht. Veränderung kommt nicht von oben, sie kommt von unten. Die Oberen wollen natürlich nicht, dass sich etwas ändert, denn dann gehen ihre Privilegien verloren. Im Fall von Stur ermöglicht die Frau durch die Abhängigkeit des Prinzen von ihrer Kaste Zugeständnisse und wirkt an forderster Front und mit Einsatz ihres Lebens mit, dass diese erfüllt werden.

Mythen und Seuche

Die Autorin nimmt Mythen auf und verarbeitet sie. Zunächst zu den Protagonisten, den Krähen. Die Krähen im Roman stellen die unterste Kaste dar, die im Gegensatz zu den anderen Kasten keinerlei Rechte haben und vogelfrei sind. Außerdem besitzen sie im Gegensatz zu allen anderen keine angeborenen Zauberkräfte, ausgenommen die Hexen der Krähen. Sie benennnen sich mit Schimpfnamen, haben wie Landstreicher kein eigenes Zuhause und sind zuständig für die im Reich am niedrigsten angesehene Arbeit: die Betreuung der Sterbenden und Toten. Sie leisten, weil sie immun gegen die Seuche sind, tatsächlich aber die existentielle Arbeit im wahrsten Sinn des Wortes, denn kommen die Krähen nicht, dann sterben die Menschen dorf-, städte- und landstrichweise. Die Krähen haben ihre eigenen Traditionen und Sagen, für die sich die anderen Kasten allerdings nicht interessieren, weil sie die Krähen nicht als Menschen betrachten. Da sie vogelfrei sind, werden sie von einer Ku-Klux-ähnlichen Organisation systematisch gejagt und getötet. All das will Stur nicht nur für ihre eigene Krähen-Rotte ändern.

Wie die Krähen im Roman wird der Krähe als Vogel eine Neigung zum Diebstahl nachgesagt. Sie steht mythisch auch mit dem Tod in Verbindung. Feen sollen sich in der keltischen Mythologie in Krähen verwandeln, um Botschaften aus der Anderswelt zu überbringen. Die Unterwelt- und Kriegsgöttin Morrigan tauchte oft in Gestalt einer Krähe am Schlachtfeld auf, um die Seelen der Verstorbenen zu sich zu holen. Damit setzen auch die Figuren in diesem Roman Krähen v.a. mit negativen Eigenschaften in Bezug. Man sagt den Tieren aber auch nach, dass die am Wegrand sitzenden Vögel prüfen, wie mutig die Helden sind, die vorbeigehen. Stur prüft die Gesinnung und den Mut des Prinzen und seines Lebwächters immer wieder. Sie sollen auch hellserherische und schicksalhafte Kräfte haben und mit den Nornen die Schicksalsfäden weben. Stur nutzt die Zähne und Knochen der anderen Kasten, um deren Zauberkräfte anzuzapfen und sie für ihre Kaste zu nutzen. Außerdem ist sie dabei, das Schicksal der Krähen, aber auch das der anderen Kasten grundlegend zu ändern. Dazu passt, dass die Krähe einen zentralen Status in Bezug auf Transformation und Veränderung hat. Dabei ändert Stur nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst. Krähen als Tiere sind sehr anpassungsfähig. Auch das trifft auf diese Kaste zu. Die Krähen im Roman müssen anpassungs-und widerstandsfähig sein, um zu überleben. Das macht hartgesottene Menschen aus ihnen, die mit allem, was das Leben ihnen zumutet, zurecht kommen. Die Krähe lüftet Geheimnisse und durchschaut Geheimniskrämerei. Stur ist dabei, die Machenschaften der herrschenden Kasten aufzudecken und zu durchkreuzen. Die Krähe gilt als Hüterin der heiligen Gesetze. Stur und die Krähen hüten die mythischen Schätze ihrer Kaste. Als Indianerstamm gibt es den Stamm der Absarokee (veraltet: Crow), die einer der bedeutensten Stämme der norwestlichen Plains waren. Die Krähen im Roman sind wichtig, aber ihre Bedeutung wird von den anderen Kasten marginalisiert und abgewertet. Perchta, die Vogel- oder Steinfrau, die mit großer Nase dargestellt wird (Hinweis auf einen Vogelschnabel), steht für die klare Sicht der Dinge und Wahrheit. Beides nennt Stur ihr eigen und trifft mit ihren Aussagen den Nagel auf den Kopf.

Die Hexe galt in der christlichen Vergangenheit als böse, alte Frau mit magischen Kräften, die sie zum Schaden anderer nutzte. Lüftet man den Schleier der christlichen Dämonisierung des sogenannten Aberglaubens, kommt eine kraftvolle, weise, alte Frau zum Vorschein, die mit ihrem Wissen über Kräuter und der Magie der Göttinnen Menschen hilfreich zur Seite stand. Der Kessel und der Mörser, sowohl Gegenstände der alten Frau im Alltag als auch Göttinnensymbole, wurden durch das Christentum verunglimpft. Sie dienten dazu, Essen zu kochen und Heiltränke herzustellen. Der Besen, mit dem die alte Frau ihr Heim auskehrt und reinigt (und der damit auch im spirituellen Sinn Reinigungsfunktion hat), wurde ebenfalls dämonisiert. Die Katze ist eines der heiligen Tiere der Göttin, z.B. Begleiterin der Freya, und wurde zusammen mit den anderen heiligen Göttinnensymbolen verdammt. Stur wird sich ihrer magischen Fähigkeiten bewusst und nutzt sie wie eine weise Greisin, die sich vor nichts und niemandem mehr rechtfertigen und sich nichts mehr gefallen lassen muss. Auch Stur ist, wie die weise Alte, verschroben und tut im Ernstfall, was getan werden muss. Das heißt in ihrem Fall, dass sie als barmherzige Krähe auch Leben nimmt.

Ana, die Knochenfrau, ist die Todesgöttin. Sie ist weiß wie die ausgebleichten Knochen. Wie die Knochen ihres Fleisches entledigt sind, enthüllt Ana den Kern der Dinge. Stur nutzt die Knochen der Lebenden und Toten der anderen Kasten, um ihre Magie zu wirken, und ihre Scharfsicht, um die Wahrheit in einer intriganten und den Krähen feindlich gesonnenen Welt von allem Schleier zu entkleiden.

Spannend wäre auch, die anderen Kasten auf ihre mythologischen Ursprünge zu untersuchen, würde hier aber zu weit führen.

Durch die im Buch beschriebene Seuche ist auch die Aktualität (Corona) gegeben. Und wie im Buch sind es die Pflegekräfte, die eine wichtige Basisarbeit leisten, die dafür aber nicht wertgeschätzt werden (schon gar nicht finanziell). Und wie sollte es anders sein: Der Großteil der Pflegekräfte ist weiblich.

Fazit

Das Buch ist spannend geschrieben und präsentiert – wohl auch, weil eine weibliche Autorin die Urheberin ist – keine in der passiven Opferrolle gefangene, schwache Frau, sondern eine, die weder hübsch sein, noch Männern in irgendeiner Art und Weise gefällig sein und gefallen muss. Stur ist, wie ihr Schimpfname sagt, willensstark, verschroben, scharfsichtig, klug, mutig, gerissen, stahlhart, widerspenstig, kann auf sich selbst und andere aufpassen und tut, was getan werden muss. Damit spiegelt sie reale Frauen wider, die sich in einer sie dikriminierenden Welt diamantene Eigenschaften erwerben mussten, um zu überleben. Denn auch heute noch werden diese diamantenen Eigenschaften mitnichten geschätzt, aber kräftig ausgenutzt. Wird sich die Frau dieser diamantenen Eigenschaften bewusst, wird sie so selbst-bewusst und brandgefährlich wie Stur in diesem Roman. Auch andere Frauen, wie die Tante des Prinzen, werden in mehrerer Hinsicht als starke Menschen dargestellt.

Die Mythologie stützt die Aussagen des Buches und verleiht ihnen Tiefe. Sie stützt auch und gerade die Rolle der Frau als starker, unabhängiger Mensch, der sich von nichts und niemanden in die Knie zwingen lassen muss.

Gern mehr davon!


Genre: Fantasy, Jugendroman
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Sketch every day – Einfach mit dem Zeichnen loslegen

(Fast) jeden Tag zeichnen

Das “fast” ist Simone Grünewald wichtig. Denn ohne das “fast” wird Zeichnen zum Zwang. Und wenn der Zwang da ist, geht der Spaß, geht die Kreativität. Zeichnen kommt aus der inneren Motivation heraus, und diese soll erhalten werden. Aus dieser inneren Motivation heraus entsteht auch die Lust, fast jeden Tag zu zeichnen. Aber Angst vor Unvollkommenheit hemmt die Motivation. Deshalb plädiert die Autorin dafür, einfach loszulegen und damit der Entwicklung seines Zeichnens Raum zu geben.

Mutterschaft und Beruf – schwierige Kombination, aber machbar mit eingehaltenen Versprechen und Absprachen!

Um den angehenden Künstler/innen Mut zu machen, beginnt sie mit ihrer eigenen Geschichte und rundet das Buch mit ihrem Mutter- und Künstlerinnendasein ab. Sehr gut gefallen hat mir, dass sie unangenehme Dinge nicht verschweigt; v.a. die schwierige Verbindung von Beruf und Elternschaft einer Frau. Sie gibt zu, dass sie das nicht geschafft hätte, wenn ihr Mann nicht seine 50% an Haushalt und Kindererziehung leisten würde. Sie machte zwar von Anfang an klar, dass sie nur dann ein Kind will, wenn der Mann seinen Teil der Arbeit tut. Aber: Das wird viel versprochen und genauso viel gebrochen, wenn das Kind erst einmal da ist und der Mann merkt, dass für ihn überhaupt kein Raum mehr bleibt. Dann ist es bequem, in alte Rollenklischees zu verfallen und zu sagen, das könne die Frau doch viel besser, um sich so aus der Affaire zu ziehen.

Im Fall Grünewalds scheint es funktioniert zu haben. Ihr zeichnerisch dargestellter Alltag mit Kind sollte für die Männer, die Vater sind und sein wollen, ein Vorbild sein. So funktioniert Beruf, so funktioniert Ehe, so funktioniert Elternschaft – in respekt- und liebevoller Absprache und v.a. dem Einhalten dieser Absprache! Schlimm genug, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass zum Mannsein mehr dazugehört als nur das Kind zu zeugen und danach der Frau das meiste bis alles weitere aufzubürden. So entsteht erst das Dilemma, in dem Frauen stecken: Sich entweder zwischen Beruf und Mutterschaft entscheiden oder bei beidem Abstriche machen zu müssen – und dann die (nicht nur finanziellen) Konsequenzen dafür bis ans Lebensende zu spüren. (Männer, für die es selbstverständlich ist, nach Hause zu kommen und – ohne dass die Frau das hundertmal sagt – z.B. die Wäsche richtig sortieren und das richtige Waschmschinenprogramm anschmeißen und alles aus der Waschmaschine räumen und aufhängen und später wieder abhängen und zusammenlegen und sogar in die richtigen Fächer des richtigen Schranks einräumen und nebenei das Kind wickeln und erneut die Waschmaschine bedienen, weil das Kind alles in erstaunlich großer Reichweite beim Wickeln vollgepullert und später in ebenso großer Reichweite auf das Sofa gebrochen hat, brauchen sich nicht angesprochen zu fühlen! ^^) Oder anders ausgedrückt: Die Autorin ist um ihren Mann, der immer noch ein seltenes, aber mindestens genauso begehrtes Exemplar darstellt, zu beneiden.

Übersichtlichkeit

Die Künstlerin gestaltet ihr Buch sehr übersichtlich, indem sie es in überschaubare thematische Kapitel und Unterkapitel einteilt und untergliedert. Innerhalb der Kapitel dominieren die Zeichnungen zur Veranschaulichung ihrer Tipps. Der Text ist kurz und in einfachen Sätzen gehalten. Trotzdem fällt es mir an manchen Stellen schwer zu verstehen, was genau sie meint. Aber ich schätze, das ist meiner zeichnerischen Nichtbegabung geschuldet. Grünewald teilt die Kapitel folgendermaßen ein: Einleitung (in der sie von vorneherein klarstellt, wie sie ihr Buch aufbaut und verstanden wissen will), Meine kreative Reise, Künstlerische Grundlagen (die sie trotz allen Spaßes für wichtig und v.a. hilfreich hält), Charakterdesign (mit umfassenden Tipps und Anschauungsmaterial von Menschen in allen Alltersstufen und Lebenslagen über Tiere bis hin zu Pflanzen), Familienleben.

Die Frau als Künstlerin

Dass in diesem Buch eine Künstlerin am Werk ist, merkt man allenthalben. Schon das Cover zeigt den weiblichen Aspekt des künstlerischen Daseins – und der wird immer und immer wieder im Buch deutlich. Das spiegelt sich nicht nur in Motiven aus weiblicher Perspektive, sondern v.a. auch daran, dass Grünewald als Referenzfigur nicht – wie sonst überlich – den männlichen, sondern den weiblichen Körper benutzt. V.a. dann, wenn explizit Männer und Jungen dargestellt werden sollen, rückt der männliche Körper in den Fokus. Ansonsten dominieren kleine Mädchen in Mechas, Frauen und Mütter in Berufs-, Alltags- und Fantasysituationen. Dabei stellt sie ganz nebenbei heraus, wie vielgestaltig der weibliche Körper ist. Das alles ist eine wohltuende Abwechslung zu dem meist eher eindimensionalen Frauenbild der Comicwelt, das in Bezug auf Frauen nicht nur (unrealistische) Männerträume ausdrückt, sondern viel zu oft sogar noch konservativer als der real gelebte Alltag ist.

Fazit

Sehr anschauliches und übersichtliches Buch über den Spaß am Zeichnen und die Grundlagen des Zeichnens, das wohltuend nicht den männlichen, sondern den weiblichen Körper als Referenz benutzt – aus weiblicher Sicht! Gerne mehr davon; die Comicwelt braucht dringend mehr Comics aus weiblicher Sicht und Hand!

 


Genre: Hobby, Sachbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg

Elektrische Fische

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Umzug, Heimweh und ein Fluchtplan

Von der irischen Hauptstadt Dublin ins verschlafene mecklenburg-vorpommerische Velgow: Der Unterschied könnte für Emma und ihre beiden Geschwister nicht größer sein. Nach der Trennung von ihrem trunksüchtigen Vater zieht die Mutter mit ihren drei Kindern zurück in das Haus ihrer Eltern, mit denen sie seit 20 Jahren kein Wort mehr gewechselt hat. Keine guten Voraussetzungen für einen Neustart. Der geht auch genauso holprig weiter, wie er begonnen hat: Die deutschen Großeltern sind Fremde, die geliebten irischen weit weg, ebenso die irischen Freunde, die sich einfach nicht durch deutsche ersetzen lassen wollen. Und Emmas kleine Schwester Aiofe verstummt vollständig, nachdem sie in ihrer neuen Schule gemobbt worden ist.

Emma ist sich sicher: Hier will sie nicht bleiben! Also fasst sie heimlich den Plan, wieder in ihre alte Heimat zurückzukehren. Unerwartete Hilfe bekommt sie von Levin, einem Klassenkameraden, der wie sie ein Außenseiter ist. Der dünne, langhaarige Junge ist ausgewiesener Metal-Fan, schüchtern und ein guter Beobachter. Obwohl er selbst große Probleme zuhause hat, bietet er Emma seine Hilfe an. Aber damit sein Plan klappen kann, müssen die beiden komplexen Charaktere erst einmal zueinander finden.

Entwurzelung

Die Geschichte stellt schön heraus, wie es ist, völlig fremd zu sein und seine Wurzeln verloren zu haben. Das immense Heimweh, das die Kinder plagt, der mühsame Neubeginn und eine Mutter, die immer Heimweh nach Deutschland hatte, sich jetzt aber nach all den Jahren verloren fühlt und wie ihre Kinder im Nirgendwo feststeckt.

Auch die finanzielle Lage ist angespannt, da die Mutter zumindest anfangs nichts verdient und später “nur” einen Aushilfsjob hat. Die dadurch entstandene Abhängigkeit von den Großeltern und der mangelnde Platz im Haus machen die Lage nicht besser.

Nur allmählich wachsen winzig kleine Wurzeln und finden fruchtbaren Boden zum Verwurzeln. Im Fall der Mutter ist es der Aushilfsjob, der ihr Spaß macht, und der Kontakt zu einer alten Klassenkameradin. Aber auch dieser Kontakt ist durchwachsen, da die Klassenkameradin, Levins Mutter, geistig erkrankt ist.

Emma findet in Levin einen neuen Freund, wobei aber auch diese Beziehung nicht unbelastet ist. Außerdem entflieht sie dem Alltag, indem sie in der Ostsee schwimmt, die aber, wie sie immer wieder anmerkt, nicht das Meer Dublins ist. Erschwert ist auch die Hinfahrt zum Meer, denn sie hat nur das alte DDR-Klappfahrrad als Vehikel.

Ihre Schwester Aoife findet in der alten Nachbarin jemanden, der ihr beim Schweigen zuhört, die die anderen aber eher seltsam finden. Und die deutschen Großeltern tun sich mit der Empathie für ihre irischen Verwandten schwer, zumal sie ihrer Tochter nachtragen, dass sie sie wegen ihres Mannes verlassen hat.

Aber auch hier wachsen erste zarte Wurzeln, als z.B. der Großvater für Emma ein Bett baut, sodass sie nicht länger nur auf ihrer Matratze schlafen muss. Diese kleinen gegenseitigen Annäherungsversuche an das jeweils Fremde sind zwar steinig, aber mit Erfolg gekrönt, sodass sich langsam ein Sog in Richtung eines neuen, nicht mehr so schlimmen Alltags entwickelt. Natürlich denkt man als LeserIn dabei an die diversen Flüchtlingskrisen, die zur Menscheitsgeschichte immer schon dazugehört haben. Und an die Entwurzelung, z.T. auch die Entwertung der geflüchteten Menschen, die oft nicht willkommen waren und es dadurch noch schwerer als ohnehin schon hatten. Vielleicht will das Buch u.a. Empathie wecken für solche Entwurzelten, weil es das mühsame Verwurzeln so ausführlich beschreibt.

Schwierige Familienverhältnisse

Dass es immer mal wieder Schwierigkeiten, auch gerne in diversen Abstufungen, in Familien gibt, ist wohl jedem bekannt. Emma trifft es allerdings härter, weil sie einen Alkoholiker in ihrer Familie hat. Und sie ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihrem Vater und v.a. zu ihren irischen Großeltern und der Liebe zu ihrer Mutter, die von Frust und Wut bgleitet wird, weil die Mutter unerreichbar weit von der irischen Verwandtschaft wegzieht. Auf der anderen Seite zeigt sie aber auch Ansätze, ihre Mutter und deren Entscheidung zu verstehen. Die Entfremdung zu ihrer deutschen Verwandschaft trägt allerdings nicht dazu bei, ihre Situation zu verbessern.

Auch Levins Familienverhältnisse sind schwierig. Die Mutter, vorher eine hoch dotierte Biologin, ist schwer psychisch erkrankt und belastet die Familie sehr. Ihr Selbstmordversuch am Schluss des Buches ist die Spitze vom Eisberg, unter dem die Familie schon seit Jahren leidet. Die beiden Brüder leiden aber auch an der Unfähigkeit des hilflosen Vaters, mit der Situation umzugehen. In dieser Familie ist praktisch jeder auf sich allein gestellt mit seinem Kummer.

Mit schwierigen Situationen umgehen lernen

Das Buch bietet keinen perfekten Lösungsweg. Es beschreibt eher, wie sich die Figuren an schwierige Situationen herantasten, stolpern, versuchen, damit umzugehen, wieder stolpern usw. bis es irgendwann erträglich und vielleicht sogar besser wird. Es gibt nicht den einen Weg, sondern ein ständiges Tasten und try and error – wie auch im echten Leben. Trotzdem sind immer wieder gute Lösungsansätze zu sehen wie z.B. Hilfsbereitschaft, die Bereitschaft zuzuhören, Schweres gemeinsam auszuhalten, denken und ausprobieren, miteinander kommunizieren, erste Schritte aufeinander zugehen, den anderen in seiner Entscheidung respektieren. Dass es dabei auch immer wieder Meinungsverschiedenheiten und Streit gibt, ist normal. Der Weg zueinander wird aber ebenso oft gesucht, auch wenn es manchmal dauert.

Sonstiges

Das Buch stellt sich den Schwierigkeiten, die es vor den LeserInnen ausbreitet. Aber vielleicht ist es zu überfrachtet mit all diesen Schwierigkeiten, die mal eher angedeutet, mal ausformuliert werden. Ich persönlich fand es etwas sperrig zu lesen, was nicht an der Satzlänge liegt. Die ist in Ordnung. Mir macht eher die Distanz zu schaffen, denn ich bin nicht wirklich warm geworden mit den Figuren, auch nicht mit der Hauptfigur. Vielleicht liegt es daran, dass Emma für einen Teenager viel zu erwachsen wirkt, trotz der Schwierigkeiten. Für mich ist die Darstellung der Figuren insgesamt zu gedeichselt, um noch plausibel zu wirken. Das Buch mutet wie eine typische Schullektüre an, die man als Teenager gezwungen ist zu lesen, weil sie so viel Lehrreiches vermittelt, danach aber nie mehr anrührt. Da ändert auch die Tatsache nichts, dass die Autorin u.a. schon für Preise nomminiert war und diese z.T. auch gewonnen hat.

Fazit

Das Thema Entwurzelung ist nach wie vor sehr aktuell, das Thema familiäre Schwierigkeiten sowieso und diese Themen werden im Buch gut herausgearbeitet und beleuchtet. Trotzdem ist eine Distanz vorhanden, die es LeserInnen schwer macht, mit den Figuren warm zu werden.


Genre: Jugendbuch
Illustrated by Carlsen Verlag Hamburg