Raketenmänner

Sehr gespannt war ich auf dieses neue Werk und ich wurde nicht enttäuscht. Zum Inhalt muss ich mich nicht auslassen, die hier veröffentlichte vortreffliche Rezension von Britta Langhoff lässt keine Wünsche offen.

Bei Goosen schätze ich es, wie mich seine Protagonisten anrühren, obwohl sie auf den ersten Blick nichts Heldenhaftes oder Bewundernswertes an sich haben; im Gegentum: Man findet mehr Verlierer als Gewinner, aber es sind eben beautiful losers, die -liebenswert lakonisch charakterisiert und gewürzt mit melancholischem Humor (oder umgekehrt)- die allseits bekannten Alltagssituationen mehr oder weniger souverän meistern (müssen).

Auch wenn ich als gebürtiger und wohnhafter Bayer eigentlich ganz anders sozialisiert wurde, fühle ich mich den Raketenmännern auf geheimnisvolle Weise verbunden, und nicht nur wegen der Musik, die immer wieder Leben rettet (mit Grateful Dead konnte ich auch nie was anfangen, dafür finde ich Stevie Nicks toll!). Vielleicht ist das Blut der gemeinsamen Generation eben doch dicker als das Wasser der Regionalität… 😉

Manche werfen Frank Goosen vor, dass dieser Episodenroman nicht mehr exklusiv im Ruhrpott spielt; ich finde ich das engstirnig, denn er muss ja kein Heimatdichter sein und kann das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Mit der ihm eigenen unaufdringlichen Bescheidenheit wird er sicherlich seine Wurzeln weder vergessen, noch verlassen.

Ich liebe einfach die Geschichten, die der Autor in all seinen Werken langsam aber sorgfältig entwickelt und denke dabei dabei stets an eine Liedzeile von Altmeister F.J. Degenhardt:

“Da ist nichts großartig, das soll es auch nicht sein
weil wo was groß ist, ist es drumherum meist klein.”

Zum Schluss eine handwerkliche Anmerkung zu den Raketenmännern: Ein Personenverzeichnis fände ich hilfreich, da ich mir mit den gekonnt verknüpften Verflechtungen der Akteure bisweilen schwer tat, auch weil ich das Buch leider nicht in einem Rutsch durchlesen konnte.


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Copyworld

Michael Szameit (* 1950) zählte zu den viel gelesenen Autoren im Genre wissenschaftliche Phantastik der untergegangenen DDR. Sein veröffentlichtes Werk ist umfangreich und wurde in großen Auflagen verbreitet. Der Roman »Copyworld«, man glaubt es kaum, entstand tatsächlich schon zu einer Zeit, als Hammer und Zirkel noch regierten, und manch ein Leser erkennt darin auch Anspielungen auf das autokratische System des sozialistischen Deutschlands. Nun liegt das Opus nach komatösem Schlummer in einer Schreibtischschublade als E-Book vor, und es ist zu hoffen, dass der Text neue Freunde des Genres erreicht.

Szameit wagt mit seinem Buch einen Spagat. Es versetzt eine klassische Fantasygeschichte mit einer Science-Fiction-Story und lässt beide erst ganz zum Schluss ineinander verschwimmen.

Eine Schwierigkeit beider Genres besteht bekanntlich darin, dem Leser in eine vom Autor erschaffene Kunstwelt zu helfen. Wird zu wenig geliefert, wirkt die Geschichte vielleicht nicht fantastisch genug. Wird zu viel des Guten getan, springt der überanstrengte Leser ab, bevor die Handlung richtig ins Rollen kommt und ihn gefangen nimmt. Szameit beansprucht seine Leser überdurchschnittlich. Zwar wird bereits im ersten Kapitel ein spannendes Kampfgeschehen im Präsenz erzählt, indem er einen jungen Krieger gegen einen mächtigen Gegner antreten lässt, um dessen wertvolles Ei zu rauben, das dazu dient, Macht, Herrschaft und Ansehen zu gewinnen. Aber der Autor konfrontiert seinen Leser auch mit einer Vielfalt von Figuren, Waffen, Kleidungsstücken Zubehör und naturwissenschaftlichen Betrachtungen, die den Einstieg nicht gerade leicht machen.

Nach einem Cliffhanger – der Kampf auf Leben und Tod bleibt vorerst unentschieden – wechselt er in eine andere Welt – eben die titelgebende Copyworld – und lässt den Leser am Leben des Internatsschülers Hyazinth Blume teilhaben, der für eine besondere Mission auserwählt wurde. Es ist die Rolle des Märtyrers, der sich für die reine Lehre opfert und nicht – wie angeblich alle anderen Bewohner – zu ewigem Leben in Form einer digitalen Kopie finden. Dazu sollen sich die Auserwählten nehmen, was sie zu nehmen imstande sind, bis es ihnen zur Qual wird, Reichtum und Besitz hinterherzujagen. Ein »Shoppingdebit« muss erfüllt werden, sie müssen so viel Geld wie möglich ausgeben, die doppelte Summe wird ihnen dann zur Belohnung gutgeschrieben. Allerdings darf ein bestimmtes Tagessoll nicht unterschritten werden, sonst gibt es Strafpunkte. Im Ergebnis soll ein Wohlstand erreicht sein, der jede Sorge um Materielles entbehrt. Wer einen vorgegebenen Kontostand erreicht, empfängt die ersehnte Märtyrerweihe.

Hyazinth Blume erkennt bald, dass sich in seinem Ohr ein Wächter befindet, der im vorgeschriebenen jährlichen Gesundheits-Check eingesetzt wurde. Damit können observierende Instanzen nicht nur alles hören, was um ihn herum vorgeht, sie können sogar seine Gedanken, Fragen und Zweifel lesen. Nichts kann im Verborgenen gedacht, nichts unbeobachtet gesagt, nichts getan werden, was nicht in intellektronischen Impulsen aufgezeichnet worden wäre. Damit öffnet sich die Ebene, wonach der junge Mann selbst lediglich eine Matrix für die Vorstellungen und Phantasien einer anderen Kaste sein könnte, die das wirkliche Geschehen von Copyworld bestimmt.

Diese wiederum gründet auf der Gedankenwelt von Arthur Schopenhauer (1788-1860), einem Philosophen des 19. Jahrhunderts. Der lehrte – im Gegensatz zum Materialismus von Karl Marx (»Das Sein bestimmt das Bewusstsein«) die Erschaffung des Seins aus dem Bewusstsein. Es geht damit um die Schöpfung aus dem Nichts durch das einzelne Subjekt, Schöpfung im Sinne einer veritas aeterna.

Dasjenige, das alles erkennt, aber von keinem erkannt wird, ist das Subjekt. Nur für das Subjekt ist alles, was Gegenstand seiner Erkenntnis ist – also auch der eigene Körper – Objekt. Objekte liegen in Raum und Zeit, das Subjekt hingegen liegt außerhalb von Raum und Zeit, daher sind Subjekt und Objekt zwei unzertrennliche Hälften, eines kann ohne das andere nicht existieren. Die Welt der Objekte aber ist und bleibt Vorstellung, sie hat transzendentale Identität, weil die ganze Wirklichkeit nur durch den Verstand und im Verstand ist.

Copyworld nun ist ein Projekt, bei dem jedes Subjekt sich seine Welt aus Wille und Vorstellung erschaffen kann, und die Akteure träumen einen vom Autor als »Schopenhauerwelt« bezeichneten Traum, der gleichzeitig real ist. Das Projekt Copyworld ist nicht schlechthin der Übergang von einer Existenzsphäre in die andere – Unsterblichkeit wird zu etwas qualitativ vollkommen anderem als die Bannung des physischen Todes. Als Schöpfer der Realität werden Subjekt und Copyworld eins, Bewusstseinsinhalte sind der Stoff, aus dem die Welt geschaffen wird.

So ist die Fantasygeschichte, die Szameit erzählt, eine derartige Schopenhauerwelt, die erträumt und durch subjektiven Willen gesteuert wird. Aber auch die Welt des Hyazinth Blume könnte eine Ebene sein, die aus Träumen, Phantasien und möglicherweise bösen Absichten geschaffen wurde. Und so fiebert der Leser, der sich auf die streckenweise hochphilosophischen Gedankengänge Szameits einlässt, der Lösung des Rätsels entgegen: Wer kontrolliert eigentlich wen, wozu und mit welchem Interesse …

Auf Position 8324 seines E-Books hilft der Autor dem Kritiker zu dessen Entlastung beim Abfassen seiner Rezension: »Nur der Stümper braucht Kritiker, die seinem Publikum erklären, was Sinn und Anliegen seines Werkes war.« Erleichtert seufze ich auf und danke Michael Szameit, der mir eine Last von den Schultern nimmt, denn es ist wahrlich keine ganz leichte Aufgabe, seinen Roman angemessen zu interpretieren.

Unter dem berühmten Strich schenkt das immer wieder an eine Melange aus Tad Williams »Otherworld« und »Shadowmarch« erinnernde Szameit-Epos Erkenntnis über die Funktion der Gesellschaft: »Gib dem Volk eine Ideologie, ein Ziel und einen Weg. Kontrolliere damit ihre Sehnsüchte und Ängste, ihr Fühlen und Denken«, meint einer der Protagonisten. »Dann wirst du frei sein, um wie ein Gott schaffen und wirken zu können, denn sie selbst werden dich zu ihrem Gott machen«.

Ob es dem Buch insgesamt wirklich dient, die Fantasyebene mit hineinzuheben, – und damit komme ich auf den Ausgangspunkt zurück – bezweifele ich, zumal diese unvermittelt an einer wirklich spannenden Stelle abbricht. Letztlich zerfällt das Werk in zwei Geschichten, eine spannende erzählte, klassische Fantasy-Story und ein anspruchsvolles existenzphilosophisch angehauchtes Stück Science-Fiction-Literatur.

PS. Bekannt wurde Schopenhauer nicht nur durch sein Hauptwerk »Die Welt als Wille und Vorstellung«, sondern auch durch seinen leidenschaftlichen Kampf gegen Setzfehler. Vor diesem Hintergrund sei dem Autor empfohlen, noch einmal Korrektur lesen zu lassen und vor allem die massenhaft auftretenden doppelten Leerzeichen zu beseitigen, die den Lesefluss auf einem Reader beeinträchtigen.


Genre: Science-fiction
Illustrated by Kindle Edition

F

F. Ein einziger Buchstabe. So viele Interpretionsmöglichkeiten. So viele Fehlinterpretationsmöglichkeiten. So viele wie das Leben. F – mit diesem simplen Buchstaben ist Daniel Kehlmanns neuer Roman betitelt.

F wie Familie? Wie Fatum (lateinisch für Schicksal)? Wie Fälschung, wie Fiktion oder doch F für das berüchtigte, mittlerweile aber selbst in US-Diplomatinnen-Kreisen gebräuchliche Fuck? Vielleicht aber auch nur für den Namen Friedland, den Namen der Familie, die im Mittelpunkt des Romans steht.

Daniel Kehlmann jedenfalls steht nach seinem Sensationserfolg “Die Vermessung der Welt” sofort im Mittelpunkt des Interesses, wenn er einen neuen Roman veröffentlicht. Die Ansprüche, die an ihn gestellt werden, sind immens. Man möchte nicht in seiner Haut stecken, wenn man liest, wie sich die Kritikerszene mit ihm auseinandersetzt. Für die Feuilletonisten muss es bei Kehlmann ja unbedingt der ganz große Wurf sein, der nächste Welterfolg, die nächste Sensation. Dass auch Daniel Kehlmann vielleicht einfach nur erzählen möchte, wird nicht goutiert. Umso bemerkenswerter, dass er es tut. Einfach nur erzählen.

In F erzählt er zunächst von Arthur Friedland, einem bisher glücklosen Autor, der auf den ganz großen Wurf wartet. Erst die Begegnung mit einem Hypnotiseur verändert sein Leben und das seiner Söhne gleich mit. Arthur entzieht sich allen Erwartungen und Verantwortlichkeiten und schafft fernab von diesen seinen großen Wurf. Doch um Arthur geht es in F nur am Rande. Erzählt wird im weiteren Laufe des Romans die Geschichte seiner Söhne.

Diese treffen wir im Sommer vor der Wirtschaftskrise wieder. Jeder der drei Brüder ist auf seine eigene Weise ein Betrüger, Lügner, Fälscher. Wirklich Großes werden sie nicht leisten in ihrem Leben. Weder der ungläubige Priester Martin, weder Eric, der als Vermögensberater den Versuchungen eines Schneeballsystems erliegt und dem die Krise als willkommene Ausrede dient, noch Iwan, der Kunstkenner, der das Falsche im Echten verwaltet.

Kehlmann erzählt vom üblichen Leben, vom Mittelmaß, über das so viele nicht hinauskommen. Und wenn, dann nur in seltenen Momenten wie der Hypnotiseur, der auch noch ausgerechnet den Namen Lindemann trägt. Ein Name, der seit Loriot der Inbegriff spießigen Mittelmaßes ist. Dieser Hypnotiseur ist eigentlich der sprichwörtliche Ritter von der traurigen Gestalt. Einzig im Zusammentreffen mit Arthur und seinen Söhnen läuft er zur Hochform auf und so bleibt wenigstens ihm in fremden Leben der zweifelhafte Ruhm des Schicksal-Auslösers.

Daniel Kehlmann erzählt manchmal lakonisch, manchmal empathisch von den Schicksalen seiner Protagonisten, immer aber elegant, leicht und kraftvoll zugleich. Manchmal funkelt listige Bosheit durch, gehässig aber wird er nie. Wie sein Titel ist der Roman vielfältig deutbar, nur zwei Dinge sind am Ende des Romans klar: Das Leben ist und bleibt ein unlösbares Rätsel und Daniel Kehlmann ist ein Autor, der Unterhaltung auf höchstem Niveau bietet.

F wie Familie? Wie Fatum? Wie Fälschung, wie Fiktion, wie Fuck? Letztendlich ist es völlig egal, wofür das F nun steht. Jeder mag in diesen kleinen Buchstaben selbst hineinprojezieren, was ihm wichtig ist. Genauso wie in sein eigenes kleines Leben. Und mit etwas Glück bleibt jeder selbst von all diesen Projektionen so unbeeindruckt wie Daniel Kehlmann. Ihm und seinen Lesern ist es zu wünschen.


Genre: Romane
Illustrated by Rowohlt

Raketenmänner

Raketenmänner

Bei Elton Johns Song “Rocket Man” heisst es : “I’m not the man they think I’m at home”. Frank Goosen selbst sagte in einem Interview*, diese Zeile sei ihm die Inspiration für seinen Buchtitel gewesen. So erzählt er in seinem neuen Buch Geschichten von Männern, die die Rakete starten wollten, aber mit diversen Fehlzündungen hadern. Er erzählt von geschiedenen Vätern, von Chefs, die in Konferenzen von einem Haus am Meer träumen, von alten Schulfreunden, die in grauer Vergangenheit leidenschaftlich gemeinsam in einer Band schrammelten, von Männern, für die das Leben eine einzige Spätpubertät ist.

Es sind kleine Geschichten, die doch von den großen Lebensthemen handeln: Wehmut, Ernüchterung, die Macht von Vergangenheit und Erinnerung, Träume, Pläne und was am Ende davon übrig bleibt. So erzählen Goosens Raketenmänner vom Leben und vom Tod sowie dem Frieden, den man damit machen kann – oder eben nicht. Geschichten, jede für sich stehend, aber doch zusammengehörig. Manche Männer treffen wir in einem anderen Umfeld, einer anderen Geschichte wieder. Manch loser Faden fügt sich wieder zusammen, so dass das Buch am Ende keine Sammlung von Kurzgeschichten ist, sondern ein in sich gut abgerundeter Episodenroman.

Im Buch ist “Raketenmänner” der Titel einer vergessenen, unbekannten Schallplatte (für die jüngeren Leser unter uns: Das sind diese runden, schwarzen Dinger aus Vinyl). Die Raketenmänner tauchen aus dem Dunkel eines alten Plattenladens auf und stehen für das einzig Perfekte, das ein Musiker mit dem bezeichnenden Namen Moses je hervorgebracht hat. Wie ein roter Faden zieht sich diese Platte durch die Geschichten und spielt im Leben mehrerer Männer eine wichtige Rolle.

Goosens Stil in diesen Geschichten ist wie die Musik auf der Platte: “schlicht, ohne Show und Schnörkel. Da trifft einer, ohne zu zielen.” Mit feinem Sprachwitz und trockenem Humor lässt Goosen zeitweilig auch Melancholie und Nostalgie zu. Rechtzeitig findet er aber immer wieder zurück zu ironischer Distanz, so dass Sentimentalität gar nicht erst aufkommt. “Raketenmänner” ist ein wesentlich reflektierteres Buch als die beiden letzten des vor allem im Ruhrgebiet äußerst beliebten Autors.

Nach dem kommerziell völlig zu Unrecht nicht so erfolgreichem Roman “So viel Zeit” konnte man bei Goosen ja die Befürchtung hegen, er würde sich mit Büchern wie “Radio Heimat” oder “Sommerfest” auf eine Art ruhrischen Heimatroman beschränken. Die “Raketenmänner” nun zerstreuen diese Befürchtung, sie sind sozusagen die Quintessenz des lachenden Pokorny mit So viel Zeit. Die beliebten Gassenhauer legt Goosen nun klugerweise seinen Protagonisten in den Mund, der Erzähler selbst gönnt sich schöne einfühlsame Bilder wie die “vom Himmel über den abgeschlossenen Geschichten” oder “vom Irgendwann, dem Land, in dem die schönsten Dinge passieren“. Sätze, für die man manche Geschichten schon vom ersten Absatz an mag, auch wenn man noch gar nicht weiß, worum es geht. Sätze, die so für sich alleine stehen bleiben könnten, eine ganze Geschichte, ein ganzes Leben, in einem Satz erzählt. (Er sollte twittern.)

Natürlich sind es wie immer Geschichten mit hohem Wiedererkennungswert. Eins der größten Talente des Autors ist seine exzellente Beobachtungsgabe. Der Tonfall eines jeden Charakters ist wunderbar getroffen, man hat sie sofort vor Augen: den schnöseligen Unternehmensberater, den träumerischen Schallplattenverkäufer, die Frau, die Mann nur noch als Frau Dingenskirchen in Erinnerng hat. Und so manche Szene – man fragt sich, wie kann der wissen, was bei uns zuhause abgeht? War er dabei? Dann fällt einem ein, ach ja, der Goosen, er hat auch zwei Söhne, wie tröstlich zu wissen, dass wir alle die gleichen Probleme haben. Woanders iss eben auch scheisse.

Wie so oft bei Frank Goosen werden viele Geschichten von Musik begleitet. Die lautlosen Geschichten, die keinen Soundtrack haben sind auch die hoffnungslosen. In den anderen Geschichten ist es die Musik, die Leben retten, begleiten und beenden kann. Wie in der letzten Geschichte, die ein würdiger Schlusspunkt geworden ist. Eine Geschichte wie ein Traum von einem Rockkonzert, einem Konzert von “einfachen Leuten” für “Raketenmänner” oder umgekehrt. So sind die Raketenmänner ihre eigene Hymne geworden: Auf die Freundschaft, für die Verwirklichung von Träumen und eine verständnisvolle Liebeserklärung an die Männer mit all ihren Bemühungen und all ihrem Scheitern. Kurze Geschichten, geschrieben von einem Mann über Männer, bei weitem aber kein Buch nur für Männer. Schließlich wollen auch wir Frauen gerne wissen, wie Männer ticken. Vor allem die, die so gerne Raketenmänner wären

Erstveröffentlichung von Teilen dieser Rezension am 13.02.2014 in den Revierpassagen.de


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Kiepenheuer & Witsch Köln

Zauberkunst lernen mit Thommy Ten

Thomas Höschele war zehn Jahre jung, als es das erste Mal im Wohnzimmer der elterlichen Wohnung eine selbst gebastelte Bühne erklomm, um sein Publikum zu verzaubern. Er hatte von seinen Eltern einen Zauberkasten bekommen und führte die Tricks vor, die er daraus gelernt hatte. Schnell bemerkte der kleine Magier, dass sehr viel mehr dazu gehört, um Zuschauer zu verzaubern, als lediglich Tricks zu zeigen. Er erfand Geschichten rund um seine Kunststücke und begriff, dass die Magie tatsächlich im Kopf des Publikums stattfindet.

Mittlerweile ist Höschele unter dem Künstlernamen »Thommy Ten« mehrfacher deutscher und österreichischer Meister der Zauberkunst und wurde 2012 zu den Top-Mentalmagiern bei den Weltmeisterschaften der Magie erwählt.

In diesem Buch nun verrät der Zauberkünstler seinem jugendlichen Nachwuchs, der ebenso gern die Herzen der Zuschauer gewinnen will, seine zehn besten Tricks. Er erklärt anhand detaillierter How-to-do-Fotos, wie aus zwei Bindfäden einer gemacht werden kann, wie ein aufgemalter Punkt von einem Fingernagel auf den anderen springt, wie man mit Gummibändern zaubert und wie Münzen auf geheimnisvolle Art verschwinden.

Ansprechend an diesem Buch ist, dass jeder Trick mit einer kleinen biografischen Erinnerung von Eltern, Freunden und Verwandten eingeleitet wird. So wird deutlich, dass jeder große Zauberer einmal klein angefangen hat und nur durch ständiges Üben und immer neue Auftritte zur Meisterschaft kommt.

Das Buch empfiehlt sich für den Zauberernachwuchs ab acht Jahre. Wer die zehn vorgestellten Tricks beherrscht und – angespornt von begeisterten Zuschauern – Lust verspürt, tiefer in die Thematik einzutauchen, hat dann vielleicht Lust zur Kontaktaufnahme mit einem Magischen Zirkel, den es in jedem Land gibt. Und – Abrakadabra – vielleicht findet durch die Lektüre dieses Buches der größte Zauberkünstler kommender Jahrzehnte seinen Weg in die Welt der Magie.


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Holzbaum Wien

Pines

Ethan Burke vom Secret Service wird nach Wayward Pines geschickt um dort nach zwei verschwundenen Kollegen zu suchen. Direkt nach Eintreffen wird er in einen schweren Autounfall verwickelt und als er später (ohne Geld, Papiere oder Handy) zu sich kommt, muss er feststellen, dass etwas nicht stimmt in dieser malerischen Kleinstadt; es ist eine trügerische Idylle und hinter der aufgesetzten Freundlichkeit der Bewohner verbergen sich Abgründe.

Agent Burke gelingt es dennoch, die vermissten Kollegen zu finden, allerdings ist der eine tot und die andere um 20 Jahre gealtert. Spätestens jetzt wird ihm klar, dass es an der Zeit ist, Fersengeld zu geben, nur ist das nicht so einfach, denn es scheint kein Weg nach draußen zu führen…

Der Autor schreibt in seinem Nachwort, dass es dieses Buch ohne “Twin Peaks” nie gegeben hätte und über seine Frustration, als diese geniale Fernsehserie viel zu früh endete. Natürlich finden sich (besonders zu Beginn) Parallelen, doch die Handlung entwickelt sich dann eher in Richtung “Lost” (jedoch ohne die Komplexität der TV-Protagonisten); ebenfalls ein Favorit von Blake Crouch, der dann noch eine Prise Science Fiction einstreut.

Der Roman ist originell und spannend geschrieben, auch wenn die ständigen Torturen, denen der Held ausgesetzt ist den Leser bisweilen mehr ermüden als bei ihm Sympathie erzeugen; weniger wäre hier eindeutig mehr. Dennoch ist dieses Buch nicht nur für die Fans der o.g. TV-Serien eigentlich unverzichtbar, auch alle anderen Freunde gepflegter Thriller-Unterhaltung kommen hier auf ihre Kosten.

Die gesamte Trilogie ist mittlerweile auch in deutscher Übersetzung erhältlich.

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Genre: Thriller
Illustrated by Thomas & Mercer

Die Self-Publisher-Bibel

Dieses Buch hat eine spannende Entstehungsgeschichte: Ursprünglich war im Sommer 2012 angedacht, den Erfahrungsschatz für das noch junge Medium E-Book zu sammeln und einen kleinen Teil der dafür erforderlichen Arbeitskraft quasi im Subskriptionsverfahren via Crowdfunding zu finanzieren. Dieser Plan wurde spontan von bereits erfolgreichen Self-Publishern wie Emily Bold, Michael Linnemann und Jonas Winner unterstützt. In der Masse der Indie-Autoren fand er jedoch kaum Zuspruch, weil die Gratis-Mentalität des Internets vorherrschte. Man brauchte nur in einschlägigen Foren oder in der Facebook-Gruppe der Self-Publisher Fragen stellen, und schon kamen mehr oder weniger hilfreiche Antworten aus allen Richtungen. Weiterlesen


Genre: Lexika und Nachschlagewerke
Illustrated by Kindle Edition

The October List

Gabriela ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Als Büroleiterin eines Finanzberaters, der sich bei Nacht und Nebel mit den Mandantengeldern aus dem Staub gemacht hat, muss sie Angriffe von allen Seiten abwehren: Nicht nur die Cops sind hinter ihr her, sondern auch zwielichtige Klienten und einer von denen hat ihre Tochter entführt. Gefordert werden eine Menge Dollars und ein geheimnisvolles Dokument, jetzt läuft das Ultimatum ab…

Das Besondere an diesem Roman ist, dass Autor und Leser sich auf eine Zeitreise zurück begeben, man beginnt mit dem letzten Kapitel und endet mit dem Vorwort. Das klingt kompliziert und ist es auch, gerade beim Lesen wird einem mehr abverlangt als bei einem normalen Thriller, um nichts zu verpassen oder zu verwechseln sind die Kindle Markier- und Suchfunktionen hier recht hilfreich.

Auch für den Autor war das Schreiben in dieser Form eine Herausforderung, er hat sich ihr gestellt und sie gemeistert; selbst Cliffhanger lassen sich rückwärts einbauen und die bei Deaver typischen überraschenden Drehungen und Wendungen im Plot natürlich auch. Ich hätte nach dem Lesen des ersten (letzten) Kapitels nie gedacht, dass dies tatsächlich der Schluss sein kann, aber es funktioniert, Respekt!

Die Bücher von Jeffery Deaver sind auf meinem Kindle im Ordner “Lieblingsautoren” abgelegt und auch dieser Thriller ist dort bestens aufgehoben, enttäuscht wurde ich vom Autor noch nie. “The October List” ist ein stand alone-Roman, außerhalb der Reihen um die beliebten Protagonisten Lincoln Rhyme oder Kathryn Dance, aber ebenso originell und spannend und garantiert erstklassiges Lesevergnügen.


Genre: Thriller
Illustrated by Hodder & Stoughton

Träume gehen nie in Rente

Aufgrund seiner liebevollen gestalteten Aufmachung springt dieses im Espresso-Table-Format produzierte Büchlein dem Leser sofort ins Auge. Dazu tragen vor allem die farbenfohen Collagen der DaDa-Künstlerin Ursula Bachmann bei, die der Publikation ein unverwechselbares Gesicht geben und sie zum Augenschmaus machen. Sie umspielen die Kurzprosa von KarlHeinz Karius, der sich mal als Aphoristiker, mal als Verseschmied präsentiert

Auf einem dem Buch beigefügten – ebenfalls grafisch perfekt gestalteten – Lesezeichen erfährt der geneigte Leser mehr über das vom Autoren ersonnene »Karius-Rating«. Damit sollen die einzelnen Aussagen des Buches hinsichtlich ihres Nutzens bewertet werden. Lege ich diese Latte an, dann bewegt sich der Band insgesamt zwischen »3 K« = »Olala! Schaun wir mal, dann sehn wir schon: prüfenswert!« und »Mega K« = »Hallelujah! PremiumErkenntnis! Kaum zu toppen!«


Genre: Kurzprosa
Illustrated by WortHupferl Leonberg

Mama, jetzt nicht!

Dass ein Autor wie Daniel Glattauer, der in der Hochliteratur mit »Gut gegen Nordwind« brilliert, in den Niederungen des Tagesjournalismus alles andere als erstklassig auftritt, beweist die vorliegende Veröffentlichung, die seine Glossen aus der österreichischen Tageszeitung »Der Standard« sammelt.

Angesprochen werden Leser zwischen Wien, Salzburg und St. Pölten, die des österreichischen Idioms mächtig sind, denn viele der Texte enthalten Begriffe, die dem hochdeutschen Leser kaum geläufig sein dürften. Wer sich indes als deutscher Leser dafür interessiert, was »Gackersackerl« oder »Grantprofis« sind, wer wissen will, ob man sich in Österreich mit »Grüß Gott« oder »Mahlzeit« begegnet, ob die SPÖ Musil liest, was ein »Röster« oder ein »Pantscherl« ist, der erfährt in den 165 ultrakurzen Texten Neues und Wissenswertes.

Wie Glattauers Verlag den eher unverschämten Preis von € 8,99 für die E-Book-Ausgabe des Buches rechtfertigt, hat sich mir während der Lektüre des Werke nicht erschlossen.


Genre: Kolumnen
Illustrated by Goldmann München

Das Leben ist ein Baumarkt

Wer hat nicht schon mal in einem Baumarkt nach der Lösung eines kleinen Problems im eigenen Heim gesucht, für das ein entsprechendes Utensil, eine Schraube, ein Verschluss, ein Werkzeug oder was auch immer fehlte. Den Nicht-Handwerker stellt bereits die Suche nach dem richtigen Regal auf eine harte Probe und just aus dem Grund begibt der Hilflose sich gern in die Hände eines fachkundigen Beraters. Dieser ist indes oft noch schwieriger zu finden als der gesuchte Gegenstand selbst, er befindet sich scheinbar ständig auf der Flucht oder wird bereits von anderen Ratsuchenden umlagert, die auf weise Worte warten wie die Gläubigen am Petersplatz in Rom.

Das vorliegende Buch verschafft nun der anderen Seite Gehör. Der Autor, nach eigenem Bekunden Abteilungsleiter eines Baumarktes, durchbricht das Klischee des Fachberaters. Er tritt sachkundig, intelligent und serviceorientiert auf, kennt die Schwächen seiner Kollegen ebenso gut wie die seiner Chefs. Vor allem kennt er aber seine wichtigsten Pappenheimer, die Kunden, denen der überwiegende Teil seiner oft sarkastischen Betrachtungen gewidmet ist. Dabei ärgert er sich besonders über die »Vollpfosten« in Internetforen, die irgendwelche Produkte empfehlen, »die es einfach nicht gibt« und damit den Kunden desinformieren.

Trompetter schildert seine Klientel in allen denkbaren Schattierungen. Er typisiert die Menschen, die sich in seinem Fachgebiet »Fliese« einfinden und teilweise zu bescheuert sind, die erforderliche Menge Steingut für eine vorgegebene Raumgröße zu berechnen. Er rächt sich dann damit, dem Kunden die teuerste Fliese zu empfehlen und freut sich diebisch, wenn dieser darauf hereinfällt. Schadenfreude ist dem Fachberater alles andere als fremd, es wäre für Psychologen ein interessantes Unterfangen, den Charakter des Autors anhand seines Buches eingehend zu analysieren.

Gleichwohl vermag sich der Leser mit dem Fachberater zu solidarisieren, wenn der erraten soll, was König Kunde meint, wenn er »Beton für untendrunter« (Fliesenkleber) oder »Was Rotes, wenn einem mal was raushängt« (rote Fahne zum Markieren überstehender Ladung) sucht. Clever und geschäftstüchtig geht er mit Leuten um, die reklamieren wollen. Kommt ein Kunde mit einer unbrauchbaren Silikonkartusche aus einem anderen Baumarkt, macht er ihn nicht etwa auf seinen Fehler aufmerksam, sondern lässt ihn geduldig Regalreihen durchstreifen und nach dem Produkt suchen, bis dieser selbst seinen Irrtum erkennt und entnervt Silikon samt Kartuschenpresse bei ihm kauft. Hätte er ihm gleich gesagt, wo die Kartuschen her sind, wäre er straks dorthin gegangen, um sich zu beschweren. So hat er wenigstens bei ihm gekauft.

Die Lektüre dieser Veröffentlichung schenkt Spaß, denn sie birgt die Gefahr, sich selbst zu erkennen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Riva Verlag München

Der andere Frühling

Ein hochwertig gearbeitetes Hardcover, das mir der glückliche Zufall in die Hände spielte, kündigt einen lyrisch-musikalischen Spaziergang durch Riddagshausen an. – Riddagshausen? – Wikipedia, ohne dessen Hilfestellung ich verloren wäre, weiß, dass es sich um ein historisch gewachsenes Naturschutzgebiet im Osten von Braunschweig handelt, dessen Kern ein altes Teichgebiet bildet.
Hier spaziert der Autor also offensichtlich gern; hier fotografiert und verdichtet er im wahrsten Wortsinn seine Eindrücke in Gedichte nach klassischem Versmaß. Zwölf Lieder sind auf diese Weise entstanden. 43 vollfarbige Fotos illustrieren großzügig die Texte und verstärken sie damit in ihrer Wirkung.
Thematisch geht es um die Erwartung des Menschen nach dem Licht, das auf die kalte Zeit folgt. Der Autor spiegelt die Hoffnung auf die Befreiung von eisigen Fesseln wie die Sehnsucht nach Ablösung von winterlichem Trübsinn und Schwermut durch des Frühlings farbenversprühenden Frohsinn. Er beschreibt den Aufbruch der Natur in neues Leben als Aufforderung an den Menschen, sich aufzurichten und neue Wege einzuschlagen.
Die Sammlung beginnt mit dem Klanggedicht »Winterüberdruss«, einem klassisch gearbeiteten Sonett mit 14 metrisch gesetzten Zeilen. Diese Gedichtform beherrscht Eberhard Kleinschmidt formvollendet, wie er bereits mit seinem Band »Stationen – Sonette um Freundschaft und Liebe – Ein Zyklus« bewiesen hat.
Kleinschmidts lyrischer Bilderbogen ist insgesamt klangbetont gearbeitet und in unterschiedliche Reimschemata gefasst. Der Dichter verwendet als Versilbungsprinzip konsequent Endreime, die mal männlich stumpf, mal weiblich klingend, mal dreisilbrig reich auftreten.
Einen Höhepunkt des Buches bildet die Ballade »Der neue Pygmalion«. Hier schildert der Autor die Kraftlosigkeit des sagenhaften Bildhauers, der verzweifelt am Boden liegt, als sich ein Fenster öffnet und der hereinströmende Frühling ihn und seine Leidenschaft neu erweckt. Pygmalion schafft aus einem Marmorblock eine Traumgestalt, die ihm den knospenden Frühling verkörpert und die durch die Macht der Götter schließlich zum Leben erweckt wird.
Dieser ursprüngliche auf Ovid basierende Stoff wurde von George Bernard Shaw zu einer Komödie verarbeitet, die wiederum Grundlage für das Broadway-Musical »My Fair Lady« war. Damit schließt sich der Bogen zum Lied »Es grünt so grün …« und Klavierimprovisationen, mit denen Peer Kleinschmidt auf einer beiliegenden CD die Texte rahmt und klangmalerisch nachzeichnet. Auf der CD werden die zwölf Gedichttexte vom Autor selbst vorgetragen, der sich in der gelungenen Vater-Sohn-Präsentation auch nach als Rezitator profiliert.
So entstand im Ergebnis ein kleines Gesamtkunstwerk, das Freunden klassischer Dichtkunst Anregung und Freude beschert.


Genre: Lyrik
Illustrated by Unbekannter Verlag

Hurenehre

zack_hurenehreTreibt in Zürich eine Organmafia ihr Unwesen? Die Mädels, die im Kreis 4 auf den Strich gehen, bangen um ihr Leben. Aus der Perspektive eines ehemaligen sizilianischen »Vollstreckers«, der als Barmann arbeitet, wird aus dem Leben der Bordsteinschwalben berichtet.

Luigi, der Ich-Erzähler, erzählt seine Story: Seine erste Station in Zürich ist das »Rialto« an der Rosentalbrücke. Dort ist er tätig, bis an einem Abend drei PKW langsam am Lokal vorbeifuhren, in denen jeweils vier Männer sitzen. Er entkommt durch einen Hinterausgang. In der Zeitung steht später, die Polizei habe einen Drogenring zerschlagen.

Im nächsten Club, in dem er tätig ist, kümmert er sich um die Prostituierten, die von ihren Freiern teilweise böse misshandelt werden. Doch er entwickelt auch eigene Bedürfnisse und kuschelt mit Chantal aus Brasov, in die er sich schließlich verliebt …

Eine Hure sei wie ein Schmetterling, dem das Leben die Flügel gebrochen hat, meint der Verfasser dieses Romans. Eddy Zack, das Alter Ego von Autor Detlef Crusius, erzählt seine Geschichte unprätentiös und dicht. Da ist nichts Überflüssiges, Crusius beschränkt auf das Wesentliche ohne hypotaktischen Verschraubungen. Es dominiert die Parataxe. Der Leser wird klar und leicht von einem Ereignis zum nächsten geführt.

Eddy Zack ist ein Lesevergnügen!


Genre: Kriminalliteratur
Illustrated by Kindle Edition

Montags sind die Eichhörnchen traurig

Eichhörnchen Montag Happy End. Die Guten haben ein verdient gutes, die Bösen ein verdient böses Ende bekommen. Alle sind glücklich.
Bis auf die Eichhörnchen und den Leser.

Nachdem wir 2011 die Welt mit den gelben Augen der Krokodile sahen und 2012 den langsamen Walzer der Schildkröten tanzten, ist der Leser in diesem Jahr nun mit den Eichhörnchen traurig. Traurig aus nur einem einzigen Grund: Weil er sich mit dem dritten Band der Josephine-Trilogie, mit der sich die französische Überraschungs-Erfolgsautorin Katherine Pancol in die Herzen von Millionen Lesern geschrieben hat, von liebgewonnenen Charakteren und wundersamen Geschichten verabschieden muss.

Aber vor die Trauer hat die Autorin das Lesen gestellt. Und zum dritten Mal in Folge enttäuscht sie nicht, wird den mittlerweile hoch geschraubten Erwartungen gerecht. Die ersten Rezensionen des dritten Teils, die im letzten Jahr aus Frankreich rüberschwappten, waren nicht eindeutig positiv. Keine Ahnung warum, vielleicht ist auch einfach mein Französisch zu schlecht. Ich für meinen Teil habe auf jeden Fall wiederum keine 20 Seiten Lektüre gebraucht, um vollends in den Bann der Geschichte gezogen zu sein und am liebsten die ganzen 823 Seiten in einem einzigen Rutsch zu lesen. Eichhörnchen sind zwar keine Schildkröten, aber Walzer tanzen können sie auch.

Einmal noch dürfen wir ein Wiedersehen mit der ganzen verrückten Sippschaft feiern. Diesmal steht kein einzelner Protagonist im Vordergrund, allen Charakteren wird gleichberechtigt Raum gegeben, alle Handlungsstränge werden zusammengeführt – schließlich ist es ja auch eine erkleckliche Menge an Geschichten, die zu Ende erzählt werden wollen, auf deren Inhaltsangabe hier aber aus Gründen des Lesevergnügens weitestgehend verzichtet wird.

Zu Beginn des dritten Teils spürt man die Nachbeben der schrecklichen Ereignisse, mit denen Band zwei endete. Die Wogen sind noch lange nicht geglättet, aber sie sind dabei, abzuebben. Josephine durchquert noch einmal ein Tal der Tränen, bevor sie zu sich selbst und ihren Bedürfnissen findet, als Vorbild dient dabei durchaus ihre ehrgeizige Tochter Hortense, der der Erfolg Recht gibt. Shirley muss sich von ihrem Sohn Gary abnabeln und umgekehrt, ihre verrückte Geschichte und das, was diese Geschichte mit ihr gemacht hat, bekommt breiten Raum. Nicht fehlen darf natürlich auch der naseweise Junior, seine knuddeligen Eltern und schon mal gar nicht die abgrundtief böse Mutter Josephines.

Es bleibt beim Charakter eines modernen Märchens. Ausgiebig wird wieder Stellvertreter-Gerechtigkeit geübt, die böse Hexe wird zwar nicht auf den Scheiterhaufen, aber immerhin aus ihrer Wohnung gezerrt. Einige wenige neue Figuren werden sparsam eingeführt, gerade diese tragen aber zur Katharsis bei. So wie Josephines ehrgeizige Tochter Hortense unermüdlich auf der Suche nach dem gewissen Etwas ist, so ist es auch die Autorin. “Manche Menschen leben wie hinter einem Nebelschleier und dieser Schleier muss sich erst heben. Aber alle haben – auch ohne es zu wissen – einen Platz hinter dem Nebel.”

Katherine Pancol hat ihren ganz eigenen, sehr besonderen Stil. Sie liebt Sprache und behandelt diese genauso sorgfältig wie ihre Charaktere und Geschichten. Man merkt, dass die Autorin sich viel Arbeit mit ihren Büchern macht. Bei aller Phantasie sind ihre Bücher immer sorgfältig recherchiert, die Geschichten an keiner Stelle hingeschludert. Wohlgemerkt, viel Arbeit! Keine Mühe. An den Worten, die sie Josephine über das Schreiben in den Mund legt, merkt man deutlich, wie viel Freude die Autorin an ihren Figuren und ihrer Erzählung hat. Genau dieses Fehler jeglicher Last zeichnet Pancols Schreibstil aus. Die Bücher – insgesamt fast zweieinhalbtausend Seiten – wirken an keiner Stelle bemüht, ihre Sätze sind mit leichter, froher Feder geschrieben. An keiner Stelle gibt sie dem heute üblichen Drang, alles zu verdichten, nach und gibt ihrer Geschichte Raum und Zeit. Ich bleibe dabei: eine Scheherazade im besten Sinne.

Fazit: Alle drei Bände dieser außergewöhnlichen Trilogie sind ein seltener Glücksfall für alle, die Schmöker lieben. Selten noch hat man so mitreißend über Erfolg, Demut, Lügen, Verrat, Familien, die Liebe und das Leben gelesen.

Kleine Bemerkung am Rande: Meiner Meinung nach eignen sich alle drei Bände außerordentlich gut für Lesekreise. Ich habe alle Bände zeitgleich mit einer Freundin gelesen und sich über die verschiedenen Charaktere und ihre Entwicklung auszutauschen, war noch einmal ein Extra-Vergnügen für sich.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Romane
Illustrated by Bertelsmann München

Abaton – Im Bann der Freiheit

Abaton Teil drei

Der Kreis ist geschlossen, das Gute hat gesiegt. Allerdings nur um Haaresbreite. Der finale Band der Abaton-Trilogie des Autorenduos Christian Jeltsch/Olaf Kraemer ist erschienen und zieht den Leser tief in den Bann der Freiheit. Nach dem spannungsgeladenen ersten beiden Teilen muss sich im dritten Teil der Jugendbuch-Trilogie nun das Rätsel um Abaton klären.

Rückblick: Edda, Simon und Linus sind drei ganz unterschiedliche Jugendliche. Sie lernen sich in einem Feriencamp kennen, entdecken seltsame Gemeinsamkeiten und bilden gemeinsam eine “kritische Masse”, die Erstaunliches bewirken kann. Vom im zweiten Weltkrieg kaltgestellen Wissenschaftler, der eine erstaunliche, die Welt zu ändern vermögende Entdeckung machte bis hin zu Fragen von brennender Aktualität – Stichwort Prism – spannt sich der Bogen der Abaton-Trilogie. Im Bann der Freiheit nun müssen die Autoren beweisen, dass sie die vielen gesponnenen Fäden wieder zusammen und die Welt in eine wie auch immer geartete Balance zurück führen können. Es gelingt ihnen, wenn auch teils unter Zuhilfenahme sehr “lostiger” Erzählstränge und Ideen. An manchen Stellen sieht man Damon Lindelof (Drehbuchautor der Serie Lost) förmlich freundlich winken.

Edda und Simon, die im Cliffhanger von Band zwei mit Kurs auf ein unbekanntes Ziel verschwanden, finden sich auf einer Plattform mitten im Meer wieder. Dort haben sich auf Hochtechnologie spezialisierte Rebellen versammelt, die den ultimativen Schlag gegen GENE-SYS und die Macht des Geldes planen. Edda, Simon und Linus sind mit ihrer Fähigkeiten der wichtigste Teil des Planes. Doch Linus bleibt verschwunden und so mißlingt der erste Versuch eines großen Showdowns. Die Rebellen werden bis auf wenige vernichtet, das Böse droht unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen. Die Chance, Linus und mit ihm Abaton noch zu retten, ist erschreckend gering.

Dieser erste Teil auf der Plattform ist spannend, rasant und teilweise atemberaubend. Danach jedoch droht die Geschichte zu kippen, nur mühsam fängt sie sich wieder. Alle Protagonisten tauchen noch einmal auf, alle Geschichten werden geklärt. Das Gute siegt. Allerdings nicht, ohne dafür einen hohen Preis zu bezahlen. Damit bleiben die Autoren ihrer bewusst ehrlichen Erzählweise treu. Wie immer verkneifen sie sie sich auch Anbiederung und Oberlehrer-Gehabe. Das Buch bewirkt sicher eine Sensibilisierung für die Gefahren des Internet, eine moralische Instanz hingegen will es dankenswerterweise nicht sein. Edda, Simon und Linus dürfen Fehler machen, die Autoren gestehen ihnen sogar Aggressivität zu. Dabei werten sie das Verhalten ihrer Protagonisten nie oder versuchen, diese in Schutz zu nehmen. In Band zwei war der Unterton sehr düster, auch Band drei nimmt diesen ernsten Ton auf, allerdings schimmert Hoffnung durch. Vielleicht auch, weil Band drei stärker noch als die beiden anderen in der Erlebniswelt jugendlicher Leser verankert ist.

Wie alle Teile ist auch der dritte wieder aufwändig gestaltet, hochwertige typographische Illustrationen ergänzen das Lesevergnügen. Anders aber als in den ersten beiden Teilen haben die Autoren das Stilmittel Drehbuch weitestgehend verlassen und begeben sich mehr in die traditionelle Romanform. Die offizielle Altersangabe lautet ” für Jugendliche ab 14, aber wie jedes gute Jugendbuch auch für Erwachsene”. Dazu bleibt zu sagen, dass der Ton der Erzählung gleich dem Älterwerden seiner Protagonisten erwachsener wird. So ist es sicher gut, wenn man mit der Trilogie im gleichen Alter wie Edda, Linus und Simon (14) anfängt und dann mit ihnen Jahr für Jahr erwachsener wird. So wie Malte, der Abaton von Anfang an begleitet hat. So auch diesmal, gute Tradition in der Literaturzeitschrift: Das Wort hat der Vertreter der Zielgruppe 

Malte, 16 Jahre

Wie bereits erwähnt, habe ich die beiden vorangehenden Teile gelesen und rezensiert. Während der erste Teil mich beeindruckte, kränkelte der zweite Teil an zähen Passagen, besonders im ersten Teil des Buches.

Doch wie hat sich der dritte Teil geschlagen? Es fängt mit vielen Erzählsträngen an, die am Anfang noch etwas zusammenhangslos dastehen, sich mit der Zeit aber immer mehr verdichten und am Ende hat man eine Vereinigung dieser verschiedenen Handlungen zu einer. Die Art und Weise, wie die Autoren dies bewerkstelligt haben, hat mich sehr beeindruckt und an das Buch gefesselt, ebenso wie die grundsätzlich spannende Handlung, die aus dem Erscheinen neuer Figuren und dem Wiederauftauchen von alten Bekannten besteht.

Das Buch nimmt ein bißchen Abstand vom “Wir machen die Welt perfekt”, gibt diese Thematik jedoch nicht ganz auf und schafft es so, dieses in vorher schon zwei Büchern behandelte Thema aufzufrischen und in eine neue Art zu verwandeln. Dass das Buch ein bisschen “lostig” wirkt, kann ich nicht bestätigen, was vielleicht daran liegen mag, dass ich mir Lost noch nie angetan habe, aber andererseits daran, dass wenn man das Buch aufmerksam verfolgt und sich an die beiden vorhergehenden Bücher erinnert, die Thematik klar und kein Stück verworren wirkt. (Vielleicht lässt bei der erwachsenen Rezensentin da schon partielle Amnesie grüßen……..)

Genug gescherzt, ich möchte mich zum Abschluss mit einem ganz anderen Thema beschäftigen. Seit ich die erste Rezension verfasst habe, hat auch mich das Schicksal des Alterns ereilt und so möchte ich mich damit beschäftigen, ob das Buch auch noch für einen 16-jährigen lesenswert ist und ob die Autoren es geschafft haben, in Ausdrucksweise und Schreibstil mit ihrer Zielgruppe zu gehen. Edda, Linus und Simon werden in diesem dritten Teil durchaus als junge Erwachsene dargestellt, die zum einen wie Erwachsene handeln, in anderen Situationen aber wie der typische pubertierende Jugendliche wirken.

Die Ausdrucksweise der Charaktere ist zwar noch nicht perfekt, aber im Gegensatz zum ersten Teil, wo man sich als Jugendlicher teilweise dachte “So würde ich niemals reden”, schafft das Buch es, die Charaktere wirklich als Jugendliche von heute darzustellen, zumindest in der Ausdrucksweise. Jetzt aber genug des Applauses an die beiden Schreiberlinge, man muss halt auch leider sagen, dass man den dritten Teil nicht unbedingt einem 12-jährigen geben würde. Nicht aufgrund der Ausdrucksweise und sexuellen Handlungen, die Jugend ist ja aufgeklärt, aber das Buch ist in seiner Thematik eben auch sehr komplex und so eher für ältere Jugendliche zu empfehlen. Für ein Jugendbuch ist es keine leichte Kost und ich kann mir vorstellen, dass jüngere Leser Schwierigkeiten haben, allem zu folgen.

Mein persönliches Fazit: Die Abaton Reihe hat mich gefesselt, sie hat mich gefordert und sie war eine Abwechslung zu anderen Jugendbüchern, die teilweise so simpel waren, dass ich Jugendbüchern eigentlich schon den Rücken zugewandt hatte. Doch Abaton zeigt, dass man auch für Jugendliche ein spannendes, gut geschriebenes und anspruchsvolles Buch schreiben kann. Um nicht weiter auszuschweifen, zitiere ich mich einfach selbst
“Bevor ich vor lauter Schwärmerei noch einen Roman über den Roman verfasse, komme ich zu meinem persönlichen Fazit, welches,[…],kaum noch überraschend, sehr positiv ausfällt. Eine grandios inszenierte Geschichte”

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Unser Beider Fazit: Die Abaton-Trilogie ist ein außergewöhnliches Buchprojekt, nicht nur für Jugendliche spannend, dazu professionell virtuell begleitet. Wir waren über alle drei Bände hinweg prima unterhalten und von der Handlung gefesselt. Und das ist doch immer noch das Beste, was man über ein Buch sagen kann, oder?

(Nach der Lektüre dieses kryptischen Gesamtkunstwerkes sei mir als Bloggerin, der man gerne das Etikett “Queen of Kryptik” anheftet, eine persönliche, kryptische Mitteilung an die Autoren gestattet: Das Easter Egg im Epilog, Absatz 7: Ganz grosses Kino! Sehr gelungen. Chapeau.Mein persönliches Highlight aus Band Drei. )

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift 

Rezension Teil eins: Abaton – Vom Ende der Angst 
Rezension Teil zwei: Abaton – Die Verlockung des Bösen 


Genre: Kinder- und Jugendbuch
Illustrated by Mixtvision München