Hausmannskost – Die 300 besten Rezepte

Hausmannskost Die besten 300 Rezepte

“Deftig bis süß: bodenständige Küche, tradionsreich und lecker!” (Verlag)

Mit dem Spruch hat der Verlag sicher Recht. Abnehmen wird man mit dieser Küche zwar nicht, dafür bekommt man aber Herzhaftes und Süßes, wie man es von früher gewohnt war. Wer kennt sie nicht, das Bauernfrühstück, den Strammen Max, den Flammkuchen oder den Krautsalat mit Speck? Gar nicht erst zu reden vom Frankfurter Kranz, dem Bienenstich oder der Sachertorte. Das Kochbuch verarbeitet aber nicht nur die klassischen bekannten Gerichte, sondern auch die klassischen, regionalen bekannten Gerichte wie z.B. Muscheln rheinische Art, Pfälzer Winzergeschnetzeltes, badisches Schäufele, Thüringer Rotwickel, Tiroler Speckknödel, Tüften un Plum, Labskaus oder Kalter Hund.

Das große Harcoverbuch redet nicht lange um den heißen Brei herum. Vor und nach einem kurzen Vorwort lassen große bis doppelseitige Fotos als Appetizer den geneigten Leser*innen schon mal das Wasser im Mund zusammenlaufen, bevor es gleich an die Rezepte geht. Die sind zur besseren Auffindbarkeit nach folgenden Kategorien unterteilt: Frühstück, Salate, kleine Gerichte und Snacks, Suppen und Eintöpfe, Beilagen, Teig- und Nudelgerichte, Fisch- und Meeresfrüchte, Fleisch, Kuchen und süßes Gebäck, Süßes und Desserts, Eingemachtes und Rezeptregister (welches man bei so vielen Rezepten dringend braucht). Wohl aus Platz- und Kostengründen sind nicht auf jeder Seite Fotos der einzelnen Rezepte. Manchmal kann man auch nicht gleich das Foto dem passenden Rezept zuordnen. Dafür ist das Ganze aber insgesamt übersichtlich gehalten und als Texthintergrund mit einem dezenten Grauton hinterlegt, der Ruhe in die Rezeptelandschaft bringt. An den Seiten selbst sind noch die Kategorien angebracht, die einem auch hier die Auffindbarkeit erleichtern. Die Zutaten sind im Supermarkt oder Wochenmarkt erhältlich, also gern auch regional.

Insgesamt ist wohl für jeden Geschmack etwas dabei, sofern er Fleisch und Fisch mag. Aber auch vegetarische Rezepte gibt es (wenn auch vermehrt unter den verpönten Beilagen). Die bedienen aber nicht unbedingt für die schlanke Linie, wie man z.B.  an Kartoffelgratin, einfachen Bratkartoffeln, Semmelknödel mit Schwammerlsauce oder Spinatknödel mit Champignon-Rahmsauce sieht.

Fazit

Insgesamt ein übersichtliches Kochbuch mit traditionellen Rezepten, die manchmal etwas aufgepeppt werden mit moderneren Zutaten bzw. neueren Gemacksvarianten. Lecker allemal, für die schlanke Linie aber eher nichts.


Illustrated by Weltbild

Vom Aufstehen

Im Osten nichts Neues

Mit ihrem Buch «Vom Aufstehen» blättert Helga Schubert in 29 Erzählungen ihre ereignisreiche Lebensgeschichte auf. Mit der titelgebenden, hier als letzte abgedruckten Geschichte gewann sie 2020 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Das war für die ziemlich in Vergessenheit geratene Schriftstellerin eine späte Wiederentdeckung. Dieser Band sei eine Hommage an ihre berühmte Kollegin, deren Erzählung «Das dreißigste Jahr» das ‹Aufstehen› thematisiert, erklärte sie in ihrer Klagenfurt-Dankesrede. Morgen werden in Leipzig die diesjährigen Buchpreise verliehen, der vorliegende Erzählband ist unter den nominierten Büchern, – winkt da womöglich eine weitere Auszeichnung?

Die achtzigjährige Autorin hat vieles miterlebt, als Kind die abenteuerliche Flucht vor der anrückenden Roten Armee aus Groß Tychow in Hinterpommern bis nach Greifswald, dann in der DDR das erste Arbeiter- und Bauernparadies auf deutschem Boden, schließlich die Wiedervereinigung und die Jahre danach bis heute. Die Autorin erzählt in einem Mix aus Realem und Fiktivem aus ihrem Leben, wobei sie angemerkt hat, dass sie diesen über viele Jahre hinweg entstandenen Erzählungen wenig Wert beigemessen habe. Nun aber seien sie doch erfolgreich veröffentlicht worden. «Mir ist das unheimlich, und das hängt auch mit meinem Glauben zusammen, dass ich mir sage: Bäume dürfen nicht in den Himmel wachsen. Ich denke dann, wann kommt mein Absturz, also dass die Leute sagen, nun ist es aber mal gut mit der Vergangenheit». Nach dem Mauerfall war es sehr ruhig geworden um die in ihrem Brotberuf als Psychotherapeutin tätige DDR-Schriftstellerin, die sich innerlich mit dem Unrechts-Regime arrangiert hatte. «Ich habe die Regeln des Ostens begriffen und sie beachtet» hat sie dazu angemerkt und ist nicht in den Westen gegangen wie manche ihrer schreibenden Kollegen.

Ihre im Umfang sehr unterschiedlichen Texte sind teils Momentaufnahmen, teils auch längere Rückbesinnungen auf das Erlebte. Gleich die erste Erzählung «Mein idealer Ort» ist ein Beispiel dafür. Sie erinnert sich an das Aufwachen in der Hängematte nach dem Mittagsschlaf bei der Großmutter im Obstgarten, wo sie viele Jahre lang die Sommerferien verbracht hat. Und dann gab es dort immer «Kuchen und Muckefuck», man denkt unwillkürlich an die Madeleines von Marcel Proust. «So konnte ich alle Kälte überleben. Jeden Tag. Bis heute». Ähnlich funktioniert auch die titelgebende, letzte Geschichte in diesem Band, als die Erzählerin morgens wach liegt und sich innerlich auf die Erfordernisse des kommenden Tages vorbereitet, aber auch in kurzen Erinnerungs-Splittern an ihre nicht immer einfache Vita zurückdenkt. Eine dominierende Rolle spielt dabei das problematische Verhältnis zu ihrer Mutter, deren Herzenskälte sie unverkennbar psychisch sehr belastet hat. Die hatte sie jahrelang mit Vorhaltungen gequält und ihr erklärt, es wäre besser gewesen, sie hätte abgetrieben, oder sie auf der Flucht irgendwo allein ausgesetzt, um sie los zu werden, oder sie ganz einfach vergiftet. Dass sie einer solch grausamen Mutter trotzdem vergeben könne, dürfte an ihren religiösen Wurzeln liegen, schließlich habe die Mutter ja ihrem Kind auch vorgesungen.

Neben distanziert beschriebenen Episoden dieser Lebensbilanz finden sich auch emotional berührende. Aber leider auch thematisch unergiebige wie «Eine Wahlverwandtschaft», wo endlos erscheinende Aufzählungen, den Stammbaum hoch und runter, ermüdend wirken mit Sätzen wie: «Und die Tochter meiner Mutter konnte darum auch den Vormittag bei meiner sterbenden Großmutter sein». Der Verwandtschaftsgrad muss reichen, Namen sind Mangelware. Meistens in kurzen Sätzen schon fast lakonisch knapp erzählt, erscheint diese Melange von zu ganz unterschiedlichen Zeiten entstandenen Erzählungen stilistisch äußerst ambivalent. Die inhomogene Zusammenstellung erschwert das Lesen, es fehlt ein innerer Zusammenhang des Erzählten, ein roter Faden, und wirklich Neues wird hier leider auch nicht geboten!

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by dtv München

The Second Princess – Vulkanherz

Von Prinzessinnen und Dämonen

Saphina als drittgeborene ist die jüngste Prinzessin aus dem Hause der königlichen Bell-Dynastie. Damit bleibt sie von Regierungsgeschäften weitgehend verschont, denn die älteste Prinzessin erbt den Thron. Als aber Maylin, die zweitälteste Prinzessin und Saphinas Lieblingsschwester, stirbt, muss Saphina Maylins Erbe antreten. Und das ist ein geheimes und dunkles Erbe, wie sie bald darauf erfahren muss: Sie soll die Insel als Herrscherin über dne Vulkan vor Dämonen schützen. Anders als Maylin wurde Saphina aber  nicht ihr Leben lang auf diese Aufgabe vorbereitet. Jetzt soll Dante, ein Adelssohn und enger Vertrauter der Familie, es richten. Er hat schon mit Maylin trainiert und muss jetzt Saphina auf ihre neue Aufgabe vorbereiten. Aber die Zeit ist knapp, denn Dämonenkönig Zandor lauert nur auf die Chance, wieder frei zu kommen.

Um erst einmal etwas Positives zu sagen: Der Roman ist flüssig geschrieben, liest sich also gut. Auch die Idee, dass eine reine Frauendynastie herrscht und sich die Prinzessinnen ihren Gatten selbst auswählen können, ist prima; ebenso die Idee, dass es letztlich einzig in der Hand einer Frau liegt, die lebensbedrohliche Gefahr abzuwenden. Damit wird dem weiblichen Geschlecht mehr Macht und Stärke zugestanden als in manch anderen Fantasy- oder Mysteryromanen. Aber leider schlägt trotzdem das Klischee zu. Auch Saphina braucht eine Art Beschützer, in dem Fall Dante, der die hitzköpfige und unüberlegte Prinzessin einweist und und vor Gefahren retten muss. Der Charakter Dantes ist ebenfalls klischeebeladen: sarkastisch, düster, extrem selbstbewusst. Die Liebesgeschichte der beiden ist dementsprechend durchschaubar, weil schon in anderen Romanen sattsam erzählt. Es wimmelt von gutaussehenden Frauen und Männern mit wenig ausgefeilten Charakteren.  Neue Ideen oder Tiefsinnigkeit sind rar gesäht. Damit hebt sich der Roman kaum vom Mainstream ab, weil er Altes eigentlich nur wiederkäut. Wem das genug ist, kann sich eine seichte Feierabendlektüre gönnen, die kaum zum Nachdenken anregt. Mir persönlich reicht das allerdings nicht.

Fazit

Gut geschriebenes, aber seichtes Lesefutter, dass es in ähnlicher Art schon hundertfach zu kaufen gibt.


Genre: Jugendroman
Illustrated by Carlsen Hamburg

Rettet die Elementarwesen!

Elementare und Elementale

“Auch wenn es uns nicht bewusst ist: Wir leben alle im Reich der Elementarwesen. Immer und überall durchdringen sie unsere Seele. Die ganze Welt um uns herum ist von Elementarwesen duchseelt. An allem, was in der Natur geschieht, sind Elementarwesen beteiligt. – Auch unsere Innenwelt, die Welt unserer Gefühle und Gedanken, besteht aus Elementarwesen. In fast allen Lebenslagen haben wir es mit Elementarwesen zu tun. Die Elementarwesen der Natur warten sehnlichst darauf, von uns Menschen bewusst ergriffen zu werden. Ihre zukünftige Existenz ist von uns abhängig. Es geht um die Rettung der Elementarwesen.” (Inhaltsangabe des Verlags)

Da ich selbst gern Elfen-, Feen- und sonstige Märchen und Mythen lese, außerdem Fan der Fantasy bin, ist mir dieses Buch ins Auge gesprungen. Meiner Meinung nach haben Mythen immer irgendwo einen wahren Kern, v.a. wenn sie sich hartnäckig halten. Mythen sind meines Erachtens, wie die Religionen auch, Glaubenserfahrungen von Menschen, die sie mit einer anderen Dimension (die die Naturwissenschaft (noch) nicht nachweisen kann – die Quantenphysik scheint hier anzudocken) gemacht haben.  Der Autor spricht von seinen Erfahrungen dieser Dimension.

in seinem lebendig geschriebenen Buch gibt er durch einen Erlebnisbericht während seines Urlaubs Einblicke in die Art und Weise, wie er die andere Dimension wahrnimmt. Er sieht das Meditieren als gutes Mittel an, sich selbst innerlich frei zu machen und so die Elementare und Engel wahrzunehmen.Er verhehlt dabei aber auch nicht, dass es ihm je nach Verfassung schwer fallen kann (er also kein Naturtalent in der Wahrnehmung anderer Dimensionen ist) und er selbst immer wieder darauf achten muss, welche Wahrnehmungen von ihm selbst kommen und welche von der anderen Dimension. Die Unterscheidung scheint nicht immer einfach zu sein. Durch seine Beschreibungen seiner eigenen Zweifel, der Schwierigkeiten und der Andeutung der Diskriminierung von Leuten, die weitere Dimensionen wahrnehmen, macht seinen Erfahrungsbericht annehmbarer als der von Leuten, die nichts in Frage stellen und ihr eigenes Kredo als das einzig Wahre darstellen. Er sagt auch, dass die Wahrnehmung bei jeder/jedem anders sein kann.

Er nennt die von ihm wahrgenommenen Energiewesen Elementare (welche wohl v.a. für die Natur zuständig sind, aber auch für unseren Körper, und aus Engeln hervorgegangen sein sollen) und Elementale (diese werden durch die Menschen und auch deren Gefühle erzeugt). Dabei sind diese Wesen nach unserem Sprachgebrauch nicht nur gut, es gibt auch Widersacherwesen, die sich zur Verfügung gestellt haben sollen, um die Menschen zu prüfen. Wenn diese die Prüfung bestehen, werden die Widersacherwesen erlöst. Das erinnert sehr an den christlichen Teufel, der laut der Bibel (s. z.B. Hiob) von Gott als Widersacher eingesetzt worden ist, um Menschen zu prüfen. Die Auswirkungen von “guten” oder “schlechten” Taten kennt sowieso jede*r, auch wenn man nicht an Elementare oder Elementale glaubt.

Er benutzt seine Wahrnehmungen dazu, auf den schlechten Zustand der Welt hinzuweisen, v.a. was die Umwelt betrifft. Damit trifft er, obwohl sein Erfahrungsbericht schon einige Jahre alt ist, den Nerv der Zeit. Ob man jetzt an Elementarwesen glauben mag oder nicht (vielleicht hilft hier schon das Bild der beseelten Natur, also alle Lebewesen als beseelt zu sehen) – mit dem schlechten Zustand unserer Umwelt hat er Recht, mit dem schlechten Zustand des Seelenlebens der Menschen und der Abgeschnittenheit der Menschheit von den eigenen Bedürfnissen und denen der Umwelt ebenso. Ausbeutertum und Radikalismus in welcher Form auch immer tun niemandem gut. Sollte man also mit Elementarwesen absolut nichts anfangen können, verfängt immer noch der Appell zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu mehr Umweltbewusstsein bzw. Sensibilität für die Vernetzung aller Lebewesen und der Umwelt auf diesem Planeten. Diese Vernetzung ist zur Not auch durch die Biologie nachweisbar.

Fazit

Der Erlebnisbericht schildert anschaulich und mit Beispielen die Erfahrungen des Autors mit einer anderen Dimension. An diese mag man glauben oder nicht – mit der Botschaft, dass es dieser Welt schlecht geht und dringend etwas gegen Ausbeutung jeglicher Art unternommen werden muss und mehr Sensibilität für die Vernetzung des Menschen mit seiner Umwelt nötig ist, hat er definitiv Recht. Wenn es die Elemenare geben sollte, profitieren sie zumindest indirekt von einem Einsatz für mehr Umweltbewusstsein und soziale Gerechtigkeit.


Genre: Esoterik und Grenzwissenschaften
Illustrated by Neue Erde

Schnelle Feierabendrezepte mit Fertig-Blätterteig

Schnelle Feierabend Rezepte mit FertigblätterteigRezepte mit Blätterteig

Das handliche Hardcoverbuch ist unterteilt in Vorwort, Einleitung, Rezepte für den kleinen und großen Hunger und Süßspeisen. Damit ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Einleitung informiert verständlich über die Herkunft des Blätterteigs, die Vielfalt desselben, wie man den Teig am besten verarbeitet bzw. vielfältig zubereitet. Außerdem gibt sie Tipps für eine Vorratshaltung mit dem Anspruch einer schnellen Küche.

Die (herzhaften) Rezepte für den kleinen Hunger sind quasi als Fingerfood gedacht, könnten aber auch als Hauptmahlzeit durchgehen, wenn man sie in der entsprechenden Menge macht. Die Rezepte gehen von Teigtaschen über Tartes und Törtchen bis hin zu Würstchen im Blätterteig. Die Rezepte für den großen Hunger verpacken gern mal das komplette Rinderfilet in Blätterteig oder Hähnchen in einen Hähnchen-Gemüse-Pie. Auch interessante exotische Rezepte wie Cranberry-Wurstbraten findet man hier. Die Rezepte unter “Süßer Abschluss” ummanteln den Inhalt (z.B. Bananen), werden als Füllung präsentiert oder als eine Art Kuchen/Schnitten.

Die Rezepte sind übersichtlich aufgemacht mit ansprechenden Fotos, Nährwertangaben, Back- und Vorbereitungszeit. Letztere sind ein wenig optimistisch, man sollte schon mehr Zeit einkalkulieren. Für die schlanke Linie empfehlen sich die Rezepte allerdings eher nicht, aber dafür schmecken sie.

Bei wenigen Rezepten fragt man sich allerdings, wo im Anleitungsteil Zutaten sein sollen, die im Zutatenteil noch aufgeführt sind (z.B. “Pikante Blätterteig-Quadrate”, da fehlt die Salami).

Im Prinzip ist für jede*n etwas dabei, da es sowohl Herzhaftes als auch Süßes und Fleischiges wie Vegetarisches gibt.

Fazit

Insgesamt gesehen zeigen die Rezepte, wie vielseitig Blätterteig ist und dass  man fast alles mit Blätterteig kochen oder backen kann (solange es nicht zu flüssig ist). Egal, was man letztlich hineinfüllt, drauflegt oder ummantelt – es schmeckt tatsächlich mit Blätterteig prima. Wer also Blätterteigfan ist, die/der darf getrost auf dieses Büchlein zurückgreifen, um sich Rezeptanregungen zu holen. Ansonsten kann man alles in Blätterteig packen, was einer oder einem so schmeckt.


Illustrated by Weltbild

Kollateralschaden

Am Puls der Zeit

Die österreichische Schriftstellerin Olga Flor hat in ihrem dritten Roman mit dem deskriptiven Titel «Kollateralschaden», dem Unwort des Jahres 1999, eine sozialkritische Abrechnung mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der urbanen Konsum-Gesellschaft vorgenommen. Ort des Geschehens ist ein Supermarkt, der hier als Allegorie auf das heutige Leben dient. Das Cover des Buches deutet auf die Vereinzelung der vom Konsumterror manipulierten Menschen hin. Die Erzählzeit beträgt exakt eine Stunde, von 16:30 bis 17:29 Uhr, der Roman ist dementsprechend in Minuten getaktet, die den 60 Kapiteln ihre Überschrift geben. Man kann all das, was in dieser Dämmerstunde geschieht, schon fast in Echtzeit mitverfolgen.

Ein nacherzählbarer Plot ist nicht vorhanden, es passiert hier praktisch nichts, sieht man von einem die normale Geschäftigkeit erheblich störenden Zwischenfall ganz am Ende ab. Dieser Roman lebt von einem Dutzend bunt zusammen gewürfelter, alltäglicher Figuren, er bildet quasi einen soziologischen Querschnitt ab. Angefangen bei der als Zigeunerin erkennbaren Bettlerin am Eingang des Konsumtempels und dem Obdachlosen, der dort als Flaschensammler sein Glück sucht, bis hin zur toughen PR-Beraterin und zu einer ehrgeizigen Politikerin der Rechtspartei. Da ist ferner die kalorienbewusste 29Jährige, eine Stammkundin, die hier sehr gezielt einkauft, oder der früher beim Stadtbauamt tätige Pensionär, der zuhause eine krebskranke Frau hat, die in Kürze operiert wird, ferner der erfolglose Lokalreporter, der wohl keine Karriere machen wird, aber auch die Frau, die froh ist, ihrem Ekel von Ehemann beim Einkaufen wenigstens für eine Weile entkommen zu sein. Enfant terrible dieses bunt zusammen gewürfelten Roman-Personals ist Mo, ein orientierungsloser Jugendlicher, der einen von seinem Freund aufgezeichneten, als Mutprobe geltenden und eine Spur der Verwüstung hinterlassenden Sturmlauf durch den Supermarkt absolviert, als praktizierter Frust-Abbau quasi. Bei alldem mischt natürlich auch die Belegschaft des Supermarktes als begleitende Akteure kräftig mit.

Die sozusagen im Minutentakt wechselnde Perspektive verbindet das durch kaum mehr als den Konsum miteinander verbundene Figuren-Ensemble jeweils nur für einen kurzen Moment, den flüchtigen Augenkontakt, eine knappe Frage, eine kleine Bitte, eine mehr oder weniger unwirsch vorgebrachte Aufforderung. Die Interaktionen der Figuren sind zufällig, ungewollt, was in geradezu groteske, teilweise irreale Situationen und Momente mündet. Es scheint sich allesamt um Zu-kurz-Gekommene zu handeln, deren Ängste sich in der hektischen Atmosphäre mit all den überquellenden Warenregalen im grellen Neonlicht manifestieren. Der Ort wird neben seiner Funktion zur Befriedigung menschlicher Grund-Bedürfnisse auch als Schauplatz einer unterschwellig vorhandenen Konkurrenz untereinander wahrgenommen. Jeder will schneller, cleverer sein als der andere! Schnäppchenjagd heißt der gemeinsam praktizierte Volkssport in diesem Milieu, gesteuert von einer skrupellosen, schon längst den Alltag beherrschenden Werbung.

Als scharfe Beobachterin einer durch und durch ökonomisch orientierten Gesellschaft seziert Olga Flor die psychischen Befindlichkeiten ihres lose verbundenen Figuren-Ensembles. Sie legt dabei ohne Häme tief verborgene Ängste und hartnäckige Traumata frei. Ihre beißende Kritik richtet sich an die einfallslose Politik und die sensationsgeilen Medien gleichermaßen. Sie selbst hat angemerkt, ihrem Roman liege eine «unterschwellig gegenwärtige Terrorangst zugrunde. Der Supermarkt drängt sich mit der Zeit als Bild auf». Hektisch wie unser Leben ist auch ihr fast durchgängig in Form des Bewusstseinsstroms der Figuren geschriebener Roman. Dass hier reichlich Klischees bemüht werden, stört allerdings ebenso wie die Langeweile, die sich beim Lesen schon bald einstellt angesichts all der Banalitäten, die da frohgemut ausgebreitet werden. Immerhin aber liegt dieser Roman am Puls der Zeit.

Fazit: mäßig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Zsolnay München

Drei Tage bei meiner Mutter

Intelligente Unterhaltung

Der in französischer Sprache schreibende belgische Schriftsteller François Weyergans hat für seinen letzten Roman «Drei Tage bei meiner Mutter» 2005 den Prix Goncourt erhalten. Er hat sich selbst mal als Cineasten bezeichnet, der keine Filme dreht. «Ich ziehe den Roman als Ausdrucksmittel vor. Er ist genauer, subtiler und reichhaltiger als ein Film». Kennzeichnend für seinen Stil ist die Selbstironie, mit der er sich virtuos als Alter Ego seiner Protagonisten in den Mittelpunkt stellt.

Als Ich-Erzähler leidet der Schriftsteller François Weyergraf an einer totalen Schreib-Blockade, für die er immer wieder neue Ausreden findet. Zu vieles lenkt ihn ständig ab, er kann seinen Roman, dessen Titel «Drei Tage bei meiner Mutter» von Anfang an feststand, einfach nicht fertig schreiben. Der Verleger sitzt ihm im Nacken, das Buch ist schon lange angekündigt, seine Stammleser warten ungeduldig darauf. Außerdem wird er wegen seiner aufgelaufenen Steuerschulden auch noch vom Finanzamt bedrängt, eine Zwangsvollstreckung droht. Er ist in einer misslichen Lage, weil er sich nicht mehr aufs Schreiben konzentrieren kann. Der Sechzigjährige flüchtet sich regelrecht in Erinnerungen, seine Gedanken drehen sich ständig um sein ereignisreiches Leben. «Du machst aller Welt angst» wirft ihm Delphine vor, die Frau, mit der er seit dreißig Jahren zusammen ist, sie haben zwei erwachsene Töchter. Er hat immerhin fünf Filme gedreht und zehn Romane veröffentlicht, ist hoch angesehen und mit vielen Größen aus Literatur und Kunst befreundet. «Du solltest veröffentlichen. Die Leute werden glauben, du bist tot» mahnt ihn auch seine hochbetagte Mutter, die er viel zu selten besucht. Sie erscheint als die eigentliche Heldin des Romans, eine sehr selbstbewusste Frau bis in hohe Alter hinein, die außer François noch sechs Töchter geboren hat. Auch seine Schwestern aber trifft er eher selten.

Die Selbstreflexionen des an seiner Schreibhemmung leidenden Protagonisten beschäftigen sich intensiv mit seiner literarischen Tätigkeit, er hat sich neben seinen epischen Werken auch mit Biografien und Essays über Literatur einen Namen gemacht. Auch mit Musikern, Malern und anderen Künstler tauscht er sich gedanklich aus, er ist gut vernetzt und als intellektueller Kopf weithin bekannt. Das prägende Thema seiner permanenten Rückbesinnung aber sind in Wirklichkeit die Frauen, er ist ein Womanizer durch und durch. Glaubt man seinem machohaften Geprahle, fallen ihm die Frauen zu wie die reifen Äpfel vom Baume. Sex also spielt die entscheidende Rolle in seinem Leben. Er legt die Frauen meist schon beim ersten Treffen flach, es gibt dementsprechend so manche deftige Szene in diesem Roman. Eine seiner spontanen Gespielinnen fasst ihr Verhältnis sehr treffend in die Worte: «Was wir miteinander haben, ist keine Liebesgeschichte, es ist eine Fickgeschichte». Das im Buchtitel suggerierte Thema ‹Mutter› ist in der Tat eher nebensächlich dagegen. Als typischer Neurotiker erinnert François stark an Woody Allen, er hat seine diversen Spleens, die er regelrecht zu kultivieren scheint.

Das Vexierspiel dieses zweifach verschachtelten Romans, in dem ein gewisser François Weyergraf über die Entstehung seines Romans berichtet, der von einem an Schreibhemmung leidenden Schriftsteller namens Francois Weyerstein handelt, ist weder neu noch originell. Die ständigen Rücksprünge und das thematische Mäandern des Erzählstoffs gemahnen an Konfuzius. «Der Weg ist das Ziel» lautet also die Devise, und tatsächlich sind die Tage bei der Mutter ganz am Schluss dann schon beinahe nebensächlich. Man kann dieses Resümee eines Lebens als Sinnfrage eines in der Midlife-Crisis steckenden Schriftstellers interpretieren. Er drückt hier sein lähmendes Entsetzen aus über das Vergehen der Zeit, ähnlich wie Marcel Proust es so grandios zu seinem Thema gemacht hat. Mit seiner üppigen Intertextualität bietet dieser amüsante Roman intelligente Unterhaltung, – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Fazit: lesenswert

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by DuMont

Daheim

Artifizielle Unbehaustheit

Sieben Jahre nach dem Erstling ist kürzlich unter dem Titel «Daheim» der zweite Roman von Judith Hermann erschienen. Die für ihre Kurzgeschichten hoch gelobte Schriftstellerin erzählt hier von einer Frau, die alles hinter sich lassend von der Stadt in die Einsamkeit Nordfrieslands zieht. Auf die Interview-Frage, was ‹Daheim› denn eigentlich sei, hat die Autorin geantwortet: «Ein utopistischer, märchenhafter Ort», das Wort tauche übrigens im Text nur ein einziges Mal auf, fügte sie noch hinzu.

Die namenlose, 47jährige Ich-Erzählerin erinnert sich im Rückblick an ihre dreißig Jahre zurückliegende Begegnung mit einem Zauberer. An der Tankstelle wurde sie von einem älteren Herrn angesprochen, der sie als Assistentin für seine Show mit der zersägten Jungfrau auf einem Kreuzfahrtschiff nach Singapur engagieren wollte. Aber sie hatte sich damals anders entschieden, hat Otis geheiratet, eine Tochter bekommen und sich, nachdem Ann das Elternhaus verlassen hat, von ihrem Mann getrennt. Nun lebt sie einsam in einem kleinen Haus an der Küste gleich hinterm Deich, kellnert bei ihrem Bruder in einer schäbigen Touristen-Kaschemme und versucht, in der Fremde heimisch zu werden. Ihre Tochter, die mit ihrem Freund irgendwohin unterwegs ist, meldet sich nur ganz selten mal per Skype und sagt nicht von wo. Mit ihrem Ex-Mann tauscht sie sich ab und zu brieflich aus. Allmählich freundet sie sich mit ihrer burschikosen Nachbarin Mimi an, der ehemaligen Freundin ihres Bruders. Der lebt jetzt mit der vierzig Jahre jüngeren, chaotischen Nike zusammen. Auf dem benachbarten Bauernhof betreibt Mimis wortkarger, eigenbrötlerischer Bruder Arild eine Schweinezucht, die Beiden haben schon bald ‹unverbindlich› Sex miteinander.

Von einer Handlung kann man eigentlich kaum sprechen in diesem Roman, der von psychotischen Sonderlingen bevölkert ist, die als typische Einzelgänger kontaktarm und emotional verkümmert neben einander her leben. Der lebensuntüchtige, aber angeberische Bruder der Erzählerin ist Kneipier geworden, seine Mesalliance mit Nike endet tragisch. Der Ex-Mann ist ein Musterexemplar von einem Messi, der in seinem angesammelten Müll zu ersticken droht. Arild lebt geradezu asketisch allein auf dem von seinen Eltern übernommen Bauernhof, in einer schon fast pathologisch peniblen Ordnung und Sauberkeit. Gemeinsam sind dem ambivalenten Figuren-Ensemble die Versagensängste und ihre verschiedenartig ausgeprägte Unbehaustheit. Die verhaltensgestörte Nike wurde von der Mutter oft tagelang in eine Kiste eingesperrt, ein Leitmotiv dieses Romans. Es findet sich in der Kiste des Zauberers, aber auch in einer Marderfalle wieder, die Arild aufstellt, als es nachts im Dachgestühl der Erzählerin andauernd rumort. Sie und ihr Bruder hatten als Kinder keinen Wohnungs-Schlüssel und mussten im Treppenhaus warten, bis die alleinerziehende Mutter nach Hause kam, manchmal bis zum frühen Morgen.

Leere und Fülle, Nähe und Distanz sind die bestimmenden Pole dieses erzählerischen Kosmos. Sprachlich suggeriert die für Judith Hermann symptomatische Parataxe zusammen mit den spröden Dialogen ein Bild unbedingter Realität, Seelisches wie Emotionen, Träume, Leidenschaften und Lebensfreude haben da partout keinen Platz. Die als Handlungsort gewählte, karge Landschaft ‹hinterm Deich› betont diese Intention wirkungsvoll. Auch Klimawandel und Massentierhaltung werden am Rande thematisiert in diesem Roman. Vieles aber bleibt offen, wird nur angedeutet und der Fantasie des Lesers überlassen, so auch der kryptische Schluss. Ein Effekt dieses artifiziellen Stils ist zudem, dass man schon wenige Tage später kaum noch weiß, worum es denn überhaupt ging in diesem Buch, es hinterlässt keine Bilder, die sich eingeprägt hätten, und keine Figuren, die einem ans Herz gewachsen wären. Dieser Roman dürfte für viele Leser eine herbe Enttäuschung sein, sie werden das Buch am Ende erleichtert zur Seite legen, wenn sie denn überhaupt so lange durchgehalten haben!

Fazit: miserabel

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Genre: Roman
Illustrated by Fischer Verlag

Erzählende Seelen – Die therapeutische Rückführung (Fallgeschichten)

https://www.xine.de/wp-content/uploads/2014/02/Cover-Erz.Seelen-Teil-1-220x300.jpgBeruf und Berufung

In einem gelungenen Mix und plausibler Verzahnung aus eigenem Lebenslauf, Tipps, Weitergabe von eigenen Erfahrungen und ihren Fallgeschichten erzählt die Autorin, wie sie zu ihrem jetzigen Beruf kam. Dabei ist ihr maximale Transparenz wichtig, was man als Leser*in durchweg in dem Buch spüren kann.

Früher als erfolgreiche Unternehmerin in der Textilbranche tätig führte sie eine Wendung des Schicksals  in Form eines  in einem Kosmetiksalon aufgestellten Buddhas zu ihrer jetzigen Tätigkeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie und daraus resultierend als Autorin. Sie erzählt anschaulich von ihrer ersten eigenen Rückführung in ein früheres Leben, verzahnt das mit ihrem heutigen Wissen über gelungene und individuell an Klient*innen orientierte Rückführungen, schildert dabei auch die Fallen, in die man als Klient*in geraten kann und wie man diese vermeidet. Sie verhehlt nicht, dass auch eine Berufung nicht immer geradlinig und ohne Hindernisse verläuft. Dazu zitiert sie ein altes, chinesisches Sprichwort, das da lautet: “Umwege erhöhen die Ortskenntnis”. Der Erfahrungsschatz ist durch diese Umwege durchaus gewachsen und kommt laut Buch ihrer Arbeit zugute.

Des Weiteren schildert sie ihre Aus- und Weiterbildungen, u.a. nach Michael Newton, sodass sie neben Rückführungen in frühere Leben auch LBL-Reisen anbieten kann: Reisen in die geistige Welt bzw. das Jenseits, die heilende Wirkungen haben und Hinweise zur Lösung von Problemen geben können. Sie erzählt insgesamt sehr ausführlich über ihre Erfahrungen und unterfüttert diese mit ihren (anonymisierten) Fallbeispielen, um den Leser*innen ein detailliertes Bild von ihrem Beruf zu vermitteln. Sie betont auch ihren Wunsch, dass es für ihren Beruf eine anerkannte Ausbildung geben sollte, um Scharlatanerie vorzubeugen. Ihrem eigenen Anspruch, Sachinformationen spannend an die Frau oder den Mann zu bringen, wird sie hierbei gerecht, denn das Buch ist nicht nur informativ, sondern auch kurzweilig. Allerdings ist der Titel evtl. etwas irreführend, weil die Fallgeschichten nicht das Hauptthema des Buches sind, sondern in ihren Erfahrungsbericht eingebaut werden.

Sehr sympathisch gerade für Kritiker*innen dürfte folgende Einstellung der Autorin sein: “Ich habe nichts mit Esoterik am Hut. Ich bezeichne mich selbst als spirituelle Exoterikerin. Esoteriker neigen dazu, nichts zu hinterfragen […]. Natürlich ist es gut, auf sein Herz und/oder die Seele zu hören, aber es ist auch immer gut, wenn man sich noch eine 2. Meinung einholen kann. In dem Falle vom Verstand.” Deshalb darf der Verstand auch immer mit auf Reisen gehen und wird bei ihr ernstgenommen. Die Hypnose ist auch so angelegt, dass die Klient*innen sie jederzeit verlassen können.

Der Verstand fragt oft hinterher, ob man sich das alles nicht bloß aus den Fingern gesaugt hat. Hierzu meint die Autorin: “Jeder Mensch mit einem gesunden Verstand fragt sich das nach seiner RF. Das ist ganz normal und auch gut so. Ich finde es immer wichtig, dass meine Klienten alles (selbst)kritisch betrachten und auch dazu in der Lage sind. Das ist etwas, was Esoterikern bspw. komplett abhandengekommen ist, wie ich finde. Und in diesem Falle drehen wir den Spieß dann auch um und holen uns eine 2. Meinung vom Bauchgefühl oder dem Herz […] Es sind letztendlich aber immer die mit einer RF verbundenen Emotionen, die den Klienten darin bestärken, sich nicht bloß alles aus den Fingern gesaugt zu haben.”

Überhaupt ist es ihr wichtig, Fragen in dem Buch zu beantworten, die mit ihrer Arbeit zusammenhängen, z.B. Fragen darüber, was passiert, wenn man in ein traumatisches früheres Leben eintaucht. Oder was passiert, wenn heutige Kindheitserfahrungen alles andere als positiv waren. Diese Fragen und auch die dazu gehörigen Fallbeispiele sind der Grund dafür, dass sie eine Ausbildung als Heilpraktikerin in Psychotherapie gemacht hat, um ihren Klient*innen mit diesem Handwerkszeug besser zur Seite stehen zu können. Sie empfiehlt ebenfalls, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn man an psychischen Krankheiten leidet.

Das vorliegende Buch vom Schirner-Verlag allerdings weist sehr viele Tippfehler auf. Diese seien aber in ihrem E-Book nicht mehr vorhanden, versichert Weitzels. Das sei einer der Gründe gewesen, warum sie die Rechte an ihrem Buch zurückgekauft habe und es jetzt selbst anbietet.

Selbstrückführungen mithilfe von CDs

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Nach dem erfolgreichen Verkauf ihres o.g. Buches kam ihr die Idee, CDs zur Selbstrückführung anzubieten. In mittlerweile 6. Auflage ist die CD “Deine Seele erzählt – Eine Anleitung zur Selbstrückführung” 2020 erschienen, 2021 die CD “Deine Seele erzählt Teil 2 – Eine Anleitung zur Selbstrückführung in die geistige Welt”. Dazu gibt sie auf ihrer Webseite, deren Internetadresse auch in ihren CDs zu finden ist, eine ausführliche Anleitung und Beratung; sie kommentiert auch Rückmeldungen zu ihren CDs. Ihr ist es wichtig, dass die Selbstrückführungen sicher sind, weshalb sie Ausstiegsmöglichkeiten und Möglichkeiten zum Überstehen von unangenehmen Situationen eingebaut hat. “Das A und O einer jeden RF, egal ob geführt oder mit CD, ist immer, dass man dabei ein gutes Gefühl hat.” Die Anleitung hat sie allerdings aus Kostengründen nicht in die Booklets der CDs integriert.

Wie im Buch beschrieben, ist es ihr bei Rückführungen wichtig, dass die Wahrnehmungen, die die Klient*innen durch die Tranceinduktionen erhalten, nicht verfälscht werden. So legt sie Wert auf offene und neutrale Formulierungen. Das ist auch in ihren CDs so. Ein Beispiel: Wenn man an sich herabsieht und sein Äußeres in einem früheren Leben beschreiben soll, verwendet sie nicht den Begriff “Schuhe” – schließlich ist es nicht abwegig, dass man damals gar kein Schuhwerk an den Füßen hatte. Außerdem nehmen nicht alle Klient*innen visuell wahr, sondern viele mit anderen Sinnen bzw. bei vielen sind die Antworten auch ohne Sehen einfach da. Deshalb verwendet sie nicht den Begiff “sehen”, sondern “wahrnehmen”.

Da ich die CDs persönlich ausprobiert habe, kann ich zumindest für mich sagen, dass sie funktionieren. Die Stimme der Autorin ist angenehm, die Pausen soweit in Ordnung (diese kann sie nur pauschal setzen, weil sie die Hörer*innen ja nicht persönlich vor sich hat). Unangenehme Situationen erlebt man aus der Distanz. Bei der Rückführung in ein früheres Leben kam ich tatsächlich in ein solches – als Mann. Das allein würde schon das ein oder andere erklären. Das Erleben war zudem emotional mit Körperreaktionen. Bei der 2. CD war ich emotional nicht ganz so beteiligt. Aber das Gefühl hinterher war ein gutes und ich empfand mich als etwas mehr mit mir im Frieden als vorher. Meine Freundin hat die erste CD ausprobiert, kam aber nicht weit, weil die Tanceinduktion für sie so entspannend war, dass sie dabei einschlief – und das, obwohl sie Schlafstörungen hat.

Die CDs gehören nicht zum Buch; man kann sie einzeln erwerben. Sie sind für je knapp 20 Euro günstig – v.a. wenn man sich die Preise anschaut, die eine “normale” Rückführung kostet.

 

Fazit

Das Buch ist informativ und spannend geschrieben, wobei der Fokus aber entgegen des Titels auf dem Werdegang der Autorin liegt. Die Fallbeispiele sind in diesen Werdegang eingebaut. Da Kristine Weitzels nicht als Esoterikerin bezeichnet werden will, ist ihr ausdrücklich der Verstand als 2. Meinung wichtig, sodass sie Kritiker*innen verstehen kann und es sogar begrüßt, wenn sie nachfragen.

Die CDs funktionieren zumindest für mich; ich kann hier aber auch nur für mich sprechen. Die Stimme der Autorin ist angenehm und sie achtet tatsächlich auf größtmögliche Sicherheit in einer Situation, in der sie die Hörer*innen nicht persönlich begleiten kann.


Genre: Sachbuch
Illustrated by Schirner Verlag

LTB Sonderedition 2021 “Film ab!” Film 1

Lustiges Taschenbuch Sonderedition Film Nr. 01

Entnet, Park der Monster, Kampf der Piraten

“Der legendäre Huntron”: Goofy verschlägt es nach einem Stromschlag ins Entnet. Dort geht er mit Mickybyt, einem Antivirusprogramm der neuen Generation, gegen die Virusprogramme von Verbrecherorganisationen vor.

“Die große Reise”: Micky und Donald reisen wegen der dringenden die Bitte eines hasenfüßigen Zauberers in die magische Mittelwelt, in der sie einen Drachen vertreiben sollen.

“Der verschwundene Regisseur”: Micky und seine Freund*innen spielen in den Filmen von Alfred Mitchcock mit. Am Tag der Filmvorstellung ist der bekannte Regisseur allerdings verschwunden. Micky und die anderen machen sich auf die Suche nach Hinweisen.

“Kampf der Piraten”: Daniel Düsentrieb hat einen flüchtigen Stoff namens Belebdvidum erfunden. Der soll den Mars wieder in seinen fruchtbaren Urzustand zurückversetzen, damit Onkel Dagobert aus dem Planeten Kapital schlagen kann. Aber die Rakete mit dem Belebdvidum stürzt ab und landet im späten 17. Jahrhundert. Die Ducks wollen durch die Zeit reisen, um den kostbaren Stoff zurückzuholen. Daisy geht durch Donalds Verschulden versehentlich vorzeitig auf Zeitreise und endet als Piratin, die sich an ihre Vergangenheit als Daisy Duck nicht mehr erinnern kann. Schaffen es die Ducks, sowohl Daisy als auch das Belebdvidum zu retten?

“Der Park der Monster”: Dagobert Duck hat eine neue Geschäftsidee, die er seinem Neffen Donald vorstellt. Er hat einen Monsterpark mit lebensechten Roboter-Monstern kreiert, die die Besucher*innen das Gruseln lehren sollen. Aber bei der Besichtigung des Parks spielen die Monster verrückt.

Vergnügliche Anspielungen auf bekannte Filmklassiker

10 Abenteuer bietet der erste Band der Sonderedition, davon sind die Hälfte deutsche Erstveröffentlichungen. 4 Bände der Sonderedition werden insgesamt veröffentlicht. Die Geschichten selbst sind von der Thematik her abwechslungsreich: Western, Piraten, PC, Historienfilme, Aliens sorgen für immer neue Spannung. Natürlich gibt es auch Anspielungen auf Filmklassiker wie z.B. auf “Piraten der Karibik” (ebenfalls Walt-Disney-Produktion), Westernklassiker, Jurassic Park, Der Hobbit u.a., die aber wie meist nicht 1:1 übernommen, sondern amüsant und mit neuen Blickwinkeln versehen durch den Entenhausener Fleischwolf gedreht werden.

Insgesamt eine gelungene, kurzweilige Unterhaltung für Groß und Klein.


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Ehapa

Der Prozess

Jahrhundertwerk

Aus dem «nächtlichen Gekritzel» von Franz Kafka sind drei unvollendete Romane hervorgegangen, einer davon ist «Der Prozess». Anfang 1915 hatte er notiert «Ich kann nicht mehr weiter schreiben» und die Arbeit resigniert abgebrochen. Nach dem frühen Tod des Autors hat der von ihm eingesetzte Nachlaßverwalter, sein Freund Max Brod, 1925 das unvollendete Manuskript posthum veröffentlicht, gegen Kafkas ausdrücklichen Willen. Mit diesem Vertrauensbruch hat er der Literatur jedoch einen nicht hoch genug einzuschätzenden Dienst erwiesen. Im Nachwort zur Erstausgabe hatte Brod angemerkt, dem publizierten Roman fehle nichts Wesentliches. Das inzwischen längst kanonische Werk erlangte im deutschen Sprachraum aber erst in den fünfziger Jahren seine bis heute andauernde Bedeutung, sein Autor gehört zu den weltweit meistgelesenen Schriftstellern in deutscher Sprache.

«Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet». Bereits im ersten Satz dieses Romans ist vieles von dem enthalten, was seine bedrückende Thematik ausmacht. Der Prokurist einer Bank erhält am Morgen seines dreißigsten Geburtstags Besuch zweiter Männer, die ihm erklären, dass er verhaftet sei. Er sieht sich plötzlich in den Fängen einer ominösen Gerichtsbarkeit, die nur in einer Schattenwelt zu existieren scheint, kann aber weiter seiner Arbeit nachgehen. Während der gesamten Prozessdauer, und damit während des gesamten Romans, erfährt Josef K. nicht, wessen er beschuldigt wird. In einem surrealen Szenarium wird er dann sonntags ohne Zeitangabe telefonisch zu einer ersten Untersuchung geladen, die im Dachboden einer schäbigen Mietskaserne stattfindet. Nach einem unergiebigen Palaver verlässt er mit der unbestimmten Ladung zu einer weiteren Untersuchung diese skurrile Sitzung. Mit allen Mitteln versucht er nun, mehr über das rätselhafte Gericht zu erfahren. Als sein Onkel von dem Verfahren erfährt, bringt er ihn zu einem Advokaten, der in seiner Angelegenheit tätig werden soll. Dessen Hausmädchen macht ihm eindeutige Avancen und bietet sich ihm zudem als Informantin an. Von einem anderen Klienten mit langjähriger Erfahrung bekommt er wichtige Hinweise, ein «Gerichtsmaler» will ihm ebenfalls zur Seite stehen mit seinen Kenntnissen der Gerichts-Interna, und die Frau eines Gerichtsdieners schließlich ist ihm ebenfalls gewogen und will helfen. Trotz aller Bemühungen aber gelingt es ihm nicht, irgendeinen Zugang zu diesem äußerst merkwürdigen Gericht zu finden oder auch nur einen Hinweis über den Stand seines Verfahrens zu erhalten. Zuletzt stellt sich ihm ein Geistlicher im Dom als Gefängniskaplan vor, der von seinem Prozess weiß und ihn über seine hoffnungslose Situation mit Hilfe einer Parabel aufzuklären versucht. In der kann Josef K. allerdings keine Parallelen zu seinem Fall erkennen.

Die verstörende Problematik des Romans lässt vielerlei Deutungen zu, Kafkas absurde Geschichte beschäftigte diverse Interpreten, die sich intensiv damit auseinandersetzten und verschiedenste Erklärungsmuster zu erkennen glaubten. Besonders einleuchtend als Intention ist die harsche Kritik an einer unmenschlichen, die Freiheitsrechte missachtenden Bürokratie. Leitmotivisch wird dementsprechend in diesem Roman das Bett verwendet als Rückzugsort vieler der Figuren, aber auch Türen spielen als behütende Barriere häufig eine wichtige Rolle.

Kafkas absurde Geschichte wird in nüchterner Sprache aus der Perspektive des Protagonisten in der dritten Person erzählt. Diese durchgängige Sachlichkeit gibt dem absurden Geschehen einen täuschend realen Anstrich, dem Leser wird somit das Mysteriöse, Unerklärliche als Tatsache suggeriert. Eine derart rätselhaft bedrohliche Thematik wird heute allgemein als kafkaesk bezeichnet, ihr Schöpfer hat somit literarisch eine nach ihm benannte, eigene Form geschaffen. Für Fachleute zählt er unangefochten zu den Jahrhundert-Schriftstellern, sein Werk dürfte die Zeiten überdauern.

Fazit: erstklassig

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Anaconda

Identitti

Die erste Überraschung war, dass das Buch auf Deutsch geschrieben ist, mit vielen originellen Einschüben auf Englisch. Die Romanheldin Niveditha Anand ist in Essen aufgewachsen und studiert nun in Düsseldorf an der Heinrich Heine Universität „postcolonial studies“, bei Saraswati, einer indischen Professorin, ein TV-Promi, die von ihr angehimmelt wird. Die Sympathie wird erwidert, Niveditha fühlt sich endlich angenommen und verstanden. Als Tochter eines indischen Mathematikstudienrates und einer polnischen Sozialarbeiterin, die zwar in Deutschland aufgewachsen ist, war ihr das bisher nicht in den Schoß gefallen, zu oft fühlte sie sich fremd hier.

Sie lebt mit dem Smartphone in der Hand, denn sie hat einen Blog, Identitty, wo sie gerne Dinge postet, die sie bei Saraswati gelernt hat. Außerdem wird sie immer und überall begleitet von Kali, einer Göttin mit vielen Armen, die ihr Alter Ego ist, aber auch gerne mal den inneren Schweinehund gibt. Dann meldet sich noch die Kusine Prity, deren Eltern auch aus Indien kommen, die aber in England aufgewachsen ist, inzwischen studiert sie auch bei Saraswasti. Aber eigentlich glaubt sie bei jedem Ton ihres Smartphones, dass sich Simon zurückmeldet. Er hat sie nun schon zum dritten Mal verlassen. Als der Skandal losgeht, ist sie froh, dass sie Simon wenigstens für eine gewisse Zeit vergessen kann.

Der Skandal findet statt, nachdem sie vom Deutschlandfunk interviewt wird, natürlich zu Saraswati. Die Moderatorin fragt sie als Erstes, wo sie herkommt, und sie, die diese übliche Frage hasst, straft sie, indem sie sagt: „ich lebe im Internet“. Dann erklärt sie, was „Weißsein“ bei Saraswati bedeutet, und dass „jeder ernst zu nehmende Intellektuelle einen Shitstorm überstanden haben“ muss.

Und der kommt: Saraswati ist eine Deutsche aus Karlsruhe, die ihre Farbe gewechselt hat, mit verschiedenen Eingriffen, eine Op der Augenlider ist dabei und Sprachunterricht. Die Studenten fühlen sich betrogen, Niveditha eigentlich auch, aber sie steht zu Saraswati, erstmal will sie sie verstehen und zieht bei ihr ein, Prity kommt nach, denn in der gemeinsamen WG werden sie nun als Verräterinnen an der Schwarzen Sache gedisst. Es gibt sogar eine Demo, organisiert von Oluchi, die auch in der WG wohnt. Sie ist besonders entrüstet über Saraswatis Betrug. Obwohl, oder vielleicht gerade, weil sie eigentlich mal Nivedithas Freundin war (und auch mal was mit Simon hatte!), ist sie besonders scharfzüngig in ihren Blogbeiträgen, wo sie als Zadie@Outside Sisters auftritt. (Zadie von Zadie Smith und Outside Sisters ist eine Sammlung von feministischen Essays von Audrie Lorde.)

Im Internet sagen alle möglichen Menschen, viele von ihnen real-existierende Internet-Promis, Journalisten, Soziologen, Feministinnen, PoCs ihre Meinung dazu, etwa: Wenn man seine geschlechtliche Identität selbst bestimmen kann, warum nicht auch die Rasse?

Und das ist die zweite Überraschung, für mich als alte weiße Frau, dass viele der Beiträge in der Tat von mir bisher unbekannten Internet-Promis sind, im Nachwort klärt die Autorin darüber auf, wie viele sie angeschrieben hatte, die dann an diesem Buch mit ihrem Klarnamen beteiligt wurden.

Was ist so besonders an Saraswati? Sie kann zu allem, was angesprochen wird, etwas Schlaues sagen. Und sie hat immer das letzte Wort. Während wir viel über indische Mythologie lernen, etwa, dass Kali bei Bedarf auch das Geschlecht wechseln kann, gibt sich Saraswati eher als weiblichen Jesus, nimmt das Opfer der Schwarzwerdung auf sich, um den mühseligen und beladenen PoC Mut zu machen. So kann Narzissmus auch aussehen. Sie tut das, um ihre Schützlinge, „zum Leuchten zu bringen“, und es hat funktioniert, nicht nur bei Niveditha.

Nebenbei gibt es viel zu erfahren über die Geschichte des Rassismus, etwa wie unterschiedlich er sich in den USA oder Europa zeigt. Dazu ein Beispiel: Obama war kein Schwarzer, weil nur Sklaven Schwarz sein können, sein Vater aber Kenianer war. In der DNA seiner Mutter fand man dann einige Prozente Sklavenanteil, von einem John Paul, der im 17. Jahrhundert lebte. Und wir lernen, dass Rasse anders ist als race, und Rasse ein Konstrukt.

Dann habe ich beim Googeln einige dieser mir bisher unbekannten Menschen kennengelernt, weiß nun mehr über die heutigen Feministinnen, sie gaben mir wichtige Denkanstöße, allen voran die Autorin, Mithu Sanyal, der ich gerne zusehe beim Reden, da sie so schön eindringlich mit Händen und Armen spricht. Vor diesem Roman hatte sie Sachbücher zu den Themen Vulva und Vergewaltigung geschrieben.

Dies alles lerne ich als Alte zusammen mit den jungen Frauen, die Saraswati an den Lippen hängen, fühle mich woke und bin gefesselt von der Situationskomik und den überraschenden Dialogen.

Und wozu taugen Männer? Da wäre Nivedithas Vater, der nicht nachvollziehen konnte, wie sie sich vom alltäglichen Rassismus gekränkt fühlte, das sei „Sonnenscheinrassismus“ im Gegensatz zu dem, was er erlebt hatte. Von Typen wie Simon hält frau schon mal gar nichts, und dann ist da noch Saraswatis großer Bruder, der aber schwer zu verstehen ist.

Wozu auch, das Leben geht weiter, für die wieder vereinten WG-Frauen mit gemeinsamen Schauen einer Satire Show mit Shappy Khorsandy aus Großbrittanien. Over the rainbow geht es weiter: beyond-race statt trans-race. Für Saraswati war das Ganze nur ein Sprungbett, sie baut jetzt an einer Eliteuni einen Studiengang zu Whiteness Studies auf. Viel Erfolg!

Fazit: erhellend und amüsant


Genre: Liebesroman, Politische Romane
Illustrated by Carl Hanser München

Blue Flag 1-8
by Kaito

Bild 1 - Blue Flag 1 - 7 komplett Carlsen Manga - deutsch NEU

Schwierige Selbstfindung

Oberschüler Taichi ist klein, mäßig hübsch, wenig selbstbewusst und völlig verschusselt. Dementsprechend steinig verläuft sein Alltag. Dagegen ist sein Sandkastenfreund Thoma hübsch, groß, muskulös, sportlich und intelligent. Die Mädchen schwärmen für ihn und die Jungen sehen ihn als Vorbild. Thoma setzt sich trotz des Widerstandes seiner Freunde für Taichi ein, weil er den freundlichen, kleinen Jungen mag. Eines Tages erfährt Taichi von seiner Klassenkameradin Futaba, dass sie in Thoma verliebt ist. Futaba ist ebenso wie er schüchtern und schusselig, hat aber in ihrer besten Freundin Masumi eine große Stütze im Alltag. Taichi beschließt, Futaba zu helfen, Thoma für sich zu gewinnen. Irgendwann merkt Taichi, dass er Futaba nicht nur mag, sondern sich in sie verliebt hat. Das macht die Sache kompliziert. Was beide nicht wissen: Die Sache ist noch komplizierter als gedacht, denn Thoma ist schwul und seit jeher in Taichi verliebt. Auch Masumi verbirgt ein Geheimnis: Sie ist lesbisch und liebt Futaba. Beide wollen ihre Freundschaft mit Taichi und Futaba nicht gefährden, deshalb outen sie sich nicht. Stattdessen fokussieren sie das Glück der beiden liebenswerten Schussel. Da aber sowohl Taichi als auch Futaba sehr schüchtern sind, verläuft die Annäherung ziemlich schleppend. Beide wollen an ihrer Schüchternheit arbeiten, um so mehr Chancen im Leben zu haben. Auch dabei werden sie von Thoma und Masumi unterstützt.

Um noch mehr Schwung in die Liebesbeziehungen zu bringen, gesteht auch Mami Thoma ihre Liebe. Das sehr hübsche und forsche Mädchen ist schon lange in ihn verliebt, blitzt aber ab. Trotzdem gibt sie nicht auf. Über Taichi will sie einen neuen Versuch starten, Thomas Liebe zu gewinnen. Dabei ärgert sie sich sehr über die Vorurteile, die ihr entgegengebracht werden. Da sie eine Schönheit ist, laufen ihr die Jungen hinterher und verlassen für sie sogar ihre Freundinnen – was Mami gar nicht recht ist. Denn die eifersüchtigen Freundinnen rächen sich, indem sie Mamis Ruf ruinieren wollen. Auch Futaba ist eifersüchtig, als sie merkt, dass Mami Taichi belagert. Aber Mami kann die Sache klären.

Als Mami Thoma erneut ihre Liebe gesteht, trifft Thoma eine schwerwiegende Entscheidung. Er gesteht seinerseits dem völlig perplexen Taichi seine Liebe. Taichi kann mit diesem Liebesgeständnis nichts anfangen und geht Thoma fortan aus dem Weg. In der Schule hat Thoma jetzt aufgrund der Gerüchte einen schweren Stand. Irgendwann beschließt Thoma, die Schule nicht mehr zu besuchen und anstatt eines Studiums eine Ausbildung zu beginnen. Als Taichi Thomas Abwesenheit bemerkt, ringt er sich nach Gesprächen mit dessen Freunden dazu durch, wieder mit Thoma zu sprechen.

Identitätssuche, Schein und Sein

Diese Manga-Reihe ist wunderbar tiefgründig. Sie behandelt das Thema der Selbstfindung, das schon unter normalen Umständen für Jugendliche eine Herausforderung ist. Für Jugendliche mit Besonderheiten wie der des Außenseiterstatus im Falle von Taichi und Futaba und Homosexualität wie bei Thoma und Masumi ist es nochmal so schwer, seine Identität zu finden. Die Auseinandersetzungen mit sich und anderen sind sehr intensiv und werden im Manga sehr detailliert, psychologisch und philosophisch beschrieben. Die Gespräche, die die Jugendlichen führen, sind eigentlich schon Erwachsenengespräche, da sie die Komplexität der Situation, in der sie stecken, schon fast hermeneutisch beleuchten. Es ist interessant und lehrreich, diese Gespräche als Leser*in zu verfolgen. Aber auch die Gespräche der Jugendlichen mit den Erwachsenen und der Erwachsenen untereinander sind erhellend. Sie verdeutlichen, dass jede*r sein Päckchen zu tragen hat, mit diesem Päckchen versucht, ihr/sein Bestes zu geben, versucht, Verletzungen zu heilen, Missverständnisse auszuräumen, Vorurteile und Verurteilungen aufzudecken und abzubauen.

Niemand ist perfekt, auch wenn der Schein etwas anderes sagt. Und im Fall von Mami ist der schöne Schein sogar schädlich für sie. Hübsche Frauen sind (oft ungewollt), dem männlichen Interesse ausgesetzt, was wiederum Eifersucht bei deren Freundinnen auslöst. Mami hat deshalb keine echte Freundin und findet es schrecklich, dass sie keine kumpelhafte Beziehung zu Jungen aufbauen kann, ohne gleich in die Verliebtheitsfalle zu geraten. Sie verkriecht sich aber nicht in sich selbst, sondern prangert diesen Missstand immer wieder offen an und fordert Verständnis für ihre Situation. Überhaupt fallen die Figuren durch den Mut auf, sich verändern zu wollen, für sich selbst einstehen zu wollen, die eigene Komfortzone zu überschreiten, den eigenen Ängsten ins Auge zu blicken, gegen den Strom  zu schwimmen. Sie haben damit eine Vorbildfunktion!

Der Manga spricht in diesem Zusammenhang auch über das Thema Entscheidungen. Jede Entscheidung, die man im Leben trifft, hat Auswirkungen auf die Zukunft. Damit einher geht die Unsicherheit, wie und für was man sich entscheiden soll – ist die Entscheidung, die man getroffen hat, die richtige oder war es letztlich doch die falsche? Und das gilt nicht nur für die großen, sondern auch für die kleinen Entscheidungen des Lebens. Das Leben ist voller Entscheidungssitationen, was der Manga sehr schön darstellt.

Fazit

Wunderbar tiefgründiger, philosophischer und psychologischer Manga über das Thema der Selbstfindung auch unter schwierigen Umständen.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Jim Morrison. 100 Seiten

Jim Morrison. 100 Seiten: Am 3. Juli 2021 jährt sich der Todestag des Leadsängers der amerikanischen Rockgruppe The Doors zum 50. Mal. Der Poet, Regisseur und Rockstar würde Ende dieses Jahr aber auch seinen 78. Geburtstag feiern. Hätte er nur jenen verhängnisvollen 3. Juli 1971 überlebt. Oder doch Mojo Risin‘?

Jim Morrison lebt!

Einem unbestätigten Gerücht zufolge, das Morrison zu Lebzeiten lancierte, würde er nur für die Außenwelt sterben und dereinst als Mr. Mojo Risin‘ zurückkehren. Dabei hatte er in einem der längsten Lieder der Doors („When the music’s over“) einst sein Abonnement für seine Wiedergeburt storniert: „cancel my subscription to the ressurrection, baby“, sang er damals und wollte damit doch nur sagen, dass er lieber hier im Jetzt leben würde: „We want the world and we want it, NOOOOWWWW!“. Nun, Jim Morrison muss gar nicht auferstehen, damit er im Gespräch bleibt. Denn seine Platten verkaufen sie nach wie vor und haben längst die 50 Millionen Grenze überschritten. Die 6 Studioalben wurden längst Platin und auch die Gerüchte über seinen Tod ebben nicht ab. Vielleicht gibt es dieses Jahr, am Père Lachaise Friedhof, wo er seit 50 Jahren angeblich liegt, doch noch eine Überraschung?

100 Seiten über den größten Rockstar

Birgit Fuß schreibt nicht nur über die Studioalben der Doors, sondern auch eine kleine Biographie des Sängers einer Rockgruppe, die den Psychodelic Sound der Sechziger wesentlich beeinflusste. Ihre Teenagerliebe beruhte u.a. „auf freiem Oberkörper, wallendem Haar, dunkler Stimme, Ekstase auf der Bühne“, denn auch das war Jim Morrison. Sie stellt ihn aber auch als Dichter und Regisseur vor, denn Jim Morrison hatte durchaus noch Pläne für sein Leben nach dem Rockstardasein. Birgit Fuß‘ Themenschwerpunkte: Light My Fire, die Sieben Alben und mehrere Filme, Die Liebe, Der Dichter und der Spirituelle, Die Skandale, Der Abschied. Außerdem befindet sich eine Zeittafel „Sechs wilde Jahre“ im Fließtext sowie eine Bibliographie am Ende des Bandes. Birgit Fuß ist Redakteurin beim deutschen Rolling Stone und hat Bruce Springsteen, Bono und mehr als 400 andere interessante Menschen interviewt.

Birgit Fuß

Jim Morrison. 100 Seiten

Originalausgabe

2021, broschiert. Format 11,4 x 17 cm

100 S. 19 Abb. und Infografiken

ISBN: 978-3-15-020576-1

10,00 €

Reclam Verlag


Genre: Biographie, Jubiläum, Rockmusik
Illustrated by Reclam Verlag

Spider-Man Noir. Berlin bis Babylon

Spider-Man Noir: Berlin bis Babylon. In einer alternativen Wirklichkeit in den 1930ern wird Peter Parker zum Gehilfen des Reporters Ben Urich und folgt – unauffällig – den Angestellten des Gangsterbosses Norman Osborn in ein Lagerhaus. Dort entdeckt er afrikanische Artefakte und wird von einer exotischen Spinne gebissen. Auch die vorliegende in fünf Teilen abgeschlossene Geschichte folgt dieser Wirklichkeit und wirft Peter Parker in ein neues Abenteuer, das ihn in einem Luftschiff bis nach Berlin bringt. Und später sogar nach Babylon.

Spider-Man Noir: Berlin bis Babylon

Spider-Man hat ein etwas anderes Erscheinungsbild und tritt immer im Trenchcoat mit Schlapphut auf, wenn er nicht gerade im stürmischen Einsatz ist. Auch die Zeichnungen des Comics sind natürlich der Atmosphäre der Dreißiger Jahre angepasst und selbst Mary Jane trägt ein altes Luftwaffe-Kostüm. Als die Leiche von Holly Babson entdeckt wird, macht sich der junge Peter Parker auf die Suche nach deren Mördern und landet prompt selbst in einer Mördergrube. Vorerst jedoch nur im Metropolitan Museum of Modern Art. Zeichnerisch beeindruckend ist vor allem die Doppelseite gegen Ende der Geschichte, in der ein Einblick in ein Kabarett (damals beliebte Unterhaltungsstätte, bevor es TV und Kino gab) als Längsschnitt gewährt wird und die Akteure sich innerhalb der Handlung mühelos über eine Treppe in die nächste Bild-Panel-Reihe eingliedern, ohne den Verlauf der Geschichte zu trüben.

Berlin bis Babylon und zurück

Die Auftritte von Electric und den anderen Superbösewichten kann Spider-Man dank der Hilfe von Huri, der Wächterin der Gruft, gut abwehren. Aber die „Beschützerin des verlorenen Schatzes unter dem Sand“ verfolgt natürlich auch eigene Interessen. Schließlich kommt es in Babylon selbst zu einem storygemäßen Showdown, der alles hineinwirft, was die Geschichte bis dahin aufbot: Action, Horror und eine Menge Spaß für Comic-Fans. Kurzum: Spider-Man gone Indiana Jones mit Berlin Dreißiger Atmo.

Stohl/Ferreyra

Spider-Man Noir. Berlin bis Babylon

(Original Stories: Spider-man Noir (2020) 1-5)

2021, Softcover, 120 Seiten

ISBN: 978-3-741-621956

Panini

 


Genre: Comics
Illustrated by Panini Comics