Wer war Fritz Mandl?

Wer war Fritz Mandl

Im Zuge des Hypes um die Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamas wurde auch ein gewisser Fritz Mandl wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gespült. Der erste Ehemann des “Ekstase”-Filmstars war selbst aus jüdischer Familie stammend als europäischer „Patronenkönig“ in die Geschichte eingegangen. Er lieferte sein Produkt sowohl an die Heimwehren als auch an die Republikaner Spaniens. Im Exil arbeitete er mit Peron zusammen, später lieferte er auch nach Afrika.

Auf Du und Du mit Mussolini

Mandl hatte aus der Bewunderung für Mussolini keinen Hehl gemacht. Zu seinen besten Freunden gehörte Ernst Rüdiger von Starhemberg und die anderen Heimwehrler des Austrofaschismus, die “Heimwehr-Mandln”. Sein Hass auf den Sozialismus hinderte ihn aber nie daran, auch ihnen seine Patronen zu verkaufen. Die Historikerin Ursula Prutsch hat eine solide Biographie verfasst, die den ganzen Mandl zeigt. Dazu hat sie – nach eigenen Auskünften – nicht nur Zugang zum Nachlass der Familie bekommen, sondern auch Archivbestände in Wien, St. Pölten, Linz, Berlin, Weimar, Bern, London, Washington, Buonos Aires und Rom beackert. Reich bebildert und mit vielen Dokumenten illustriert zeichnet Prutsch das Leben eines typischen Unternehmers nach, der auf dieselbe Schule ging wie Paul Lazarsfeld, Hans Gelsen, Erwin Schrödinger, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Otto Wagner, Lise Meitner oder Elise Richter. 1924 übernahm Fritz die Geschäfte seines Vaters Alexander und wurde Direktor der Hirtenberger AG.

Sozialpartnerschaft einmal anders

Sein Verständnis von Sozialpartnerschaft war durchwegs paternalistisch: als “gerechter und gütiger” Firmenboss brauchten seine Arbeiter keine Gewerkschaft, da er für alle wie ein gerechter Vater sorgen würde. Im Aufsichtsrat der Hirtenberger Patronenfabrik saß nicht umsonst der Bundesparteiobmann der Christlich-Sozialen Partei, die Österreich in einen Ständestaat nach faschistischem Muster umbauten. Die Hirtenberger Waffenaffäre von 1932, bei der gesetzeswidrig Waffen von Italien nach Ungarn geleitet wurden, hätte dieses Projekt beinahe gefährdet. Aber Mandl und die Seinen kratzten nochmals die Kurve. Erst der Nationalsozialismus beendete das muntere, anti-demokratische Treiben der Christlich-Sozialen. Mit ihrer Spielart des Faschismus hatten sie jedwedes patriotische Bewusstsein der Österreicher für einige Jahrzehnte zerstört. 1938 wollte dann niemand mehr für dieses Österreich einstehen. Außer den Kommunisten, die sogar dann noch von einem österreichischen Nationalbewusstsein sprachen, als es illegal und letal war.

Patronen ob Krieg oder Frieden

Es scheint schier unglaublich, wie sich ein Mann durch all die Wirrnisse der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Weltkriegs hindurchlavierte und mehr oder weniger sein Hab und Gut bis in die Siebziger Jahre hinein retten konnte. Obwohl er von gleich mehreren Geheimdiensten beschattet und argwöhnisch betrachtet wurde, hatte er doch immer wieder die richtigen Kontakte, um sich den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Schließlich hatte er ja stets beide Seiten beliefert und war somit stets Geschäftsmann geblieben. Aber gerade dieses Zusammenspiel von Big Business mit Diktaturen nimmt Prutsch exemplarisch ins Korn und versucht zu erzählen, wie skrupellose Rüstungsgeschäfte und die Machenschaften der Geheimdienste das Europa des 20. Jahrhunderts zerrütteten. Fritz Mandl: ein österreichischer Unternehmer.

Ursula Prutsch
Wer war Fritz Mandl
Waffen, Nazis und Geheimdienste. Die Biografie
2022, Hardcover mit SU, 304 Seiten
ISBN 978-3-222-15071-5
Molden Verlag
€ 24,99


Illustrated by Sryria Verlag Graz

Die Imker

Gerhard Roth – Die Imker

Der preisgekrönte Grazer Autor ist Anfang dieses Jahres im Alter von 80 Jahren verstorben. Unter seinen zahlreichen Romanen, Erzählungen, Essays und Theaterstücken ist vor allem der 1991 abgeschlossene siebenbändige Zyklus “Die Archive des Schweigens” und der Orkus-Zyklus zu erwähnen. Zuletzt veröffentlichte er drei Venedig-Romane (Die Irrfahrt des Michael Aldrian, Die Hölle ist leer – die Teufel sind alle hier und Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe).

Imker als Astronauten

Sein nun letzter Roman “Die Imker” ist unter dem Eindruck der weltweiten Corona-Pandemie entstanden und handelt von nichts Geringerem als der Apokalypse, oder dem Weltuntergang. Aber anders als in den geläufigen Erzählungen des Endes der Welt geschieht dieses bei Roth nicht mit einem großen Tata, sondern leise und still. Am Morgen des 1. April zieht ein gelber Nebel auf, der Menschen in Luft auflöst. Franz Lindner, Patient einer Einrichtung für psychisch beeinträchtigte Künstlerinnen und Künstler, und einige andere haben die Katastrophe überlebt. Sie bauen eine Dorfgemeinschaft aus Bienenzüchtern auf und versuchen ihr Über-Leben zu organisieren. Aber es ist schwer, denn “alles ist verschwunden“. “Dann wusste ich mit einem Mal, wo ich Orientierung fand: im meiner Kindheit”, meint Lindner zu sich selbst und entdeckt, dass er sich plötzlich mit den Tieren unterhalten kann. In Gedanken, stumm. Delirierend schreibt oder sagt er auch einige Gedichtzyklen auf, die sich über mehrere Seiten des Romans hinwegziehen. “Die Weintraube ist der Globus der Trinker” heißt es da vielsagend in “Gedichte I”, andere Sätze bedürfen der Reflexion, denn viele stehen für sich alleine und nicht als Teil des sie einrahmenden Gedichtes. So wie das Sanatorium Hoffmann, in dem Franz Kafka gestorben ist. Es befindet sich in der Nähe der (tatsächlich) existierenden Künstler-Kolonie in Gugging, unweit von Wien. Aber auch die Malerei stellt Roth ins Zentrum seiner Betrachtungen. Denn “Die Jäger im Schnee” von Pieter Bruegel dem Älteren wird von ihm aus dem Kunsthistorischen Museum kurzerhand entwendet oder sollte man sagen ausgeborgt? Für Lindner sind Imker “Astronauten, die in ihrer Schutzkleidung in die Welt der Bienen eindringen, um sie zu entdecken, zu erforschen, auszurauben”. Inspiriert wird er auch von den Filmen des Russen Andrej Tarkowski, auch sie handeln zumeist von einer Art Weltuntergang.

Schreiben als Therapie

Auch wenn der Weltuntergang zunächst befremdlich auf die Überlebenden wirkt, beginnen doch einige, ihn auch als große Chance zu sehen. “Waren wir nicht alle Opfer von Normalität gewesen, die über uns bestimmt hatten?, fragte ich mich zum x-ten Mal. Wir durften jetzt sein, wie wir waren, wie wir sein mussten, und das befreite uns.” Und was macht Lindner? Er schreibt. Und dieses Schreiben wird ihm alsbald zum heiligen Ritual, zum Ort, den man wohl Heimat nennt und von wo es nur Gutes zu erwarten gab: “In der Stille, der Einsamkeit wiederum erfahre ich die beseelte Welt. Das Schreiben macht es mir möglich.” Das Schreiben wird zum “Durch-Wände-Gehen” und sogar “Fliegen”, das schreibende Ich zum eigentlich Ich, das immer wieder und wieder in “pausenloser Verwandlung” ein anderes Ich annehmen kann, sich in andere Wirklichkeiten versetzt, Bücher liest. “Ich verspüre beim Schreiben eine Verwandtschaft mit den Bienen. Wörter sind für mich wie Blütenpollen. Ich liebe sie und wünsche, ihren Nektar zu saugen und ihn zu Honig zu verarbeiten.” Ein Imker, der über das Leben eines Schriftstellers nachdenkt wird denn wohl über das Schreiben auch nicht anders formulieren können als so: “Schreiben ist die Metamorphose der Gedanken, von der Erlebnisraupe zur Erinnerungspuppe zum Buchstabenschmetterling.

Gerhard Roth hat mit “Die Imker” einen philosophischen Roman im Setting einer Dystopie verfasst, eine Art Abschiedsgeschenk an sich selbst. “Die Imker” behandelt nicht nur die Entstehung von Gesellschaft und das Wesen des Menschen, sondern vor allem auch die Bedeutung des Unbewussten und das Rätsel des Todes. Ein Spätwerk, das in einem parabelartigen Gedankenspiel noch einmal alle Motive von Rohts Denken und Schreiben versammelt und so auch die Apokalypse erträglicher und jedenfalls nachvollziehbarer macht.

 

Gerhard Roth
Die Imker. Roman
2022, Hardcover, 560 Seiten
ISBN: 978-3-10-397467-6
Verlag: S. FISCHER


Genre: Gesellschaftsroman, Roman
Illustrated by S. Fischer

Lerne lachen ohne zu weinen

Kurt Tucholsky – Lerne lachen ohne zu weinen

Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter oder Kaspar Hauser waren nur einige der Pseudonyme von Kurt Tucholsky. Wie die Herausgeber in der editorischen Bemerkung zu vorliegender Ausgabe anführen, handelt es sich bei “Lerne lachen ohne zu weinen” um Tucholskys letztes Buch, das 1931 beim Rowohlt Verlag in Berlin erschienen war. Kaum zwei Jahre später wurde es neben vielen anderen Werken der deutschen Weltliteratur von den Nazis am Scheiterhaufen verbrannt.

Von der “Schaubühne” zur “Weltbühne”

Tucholsky galt vielen als scharfsinnigster und gleichzeitig unterhaltsamster politischer Journalist der Weimarer Republik. Dennoch nahm er sich weitere zwei Jahre später – also 1935 – in Göteborger Exil das Leben. Die Themen über die Kurt Tucholsky sind ebenso allgegenwärtig und aktuell, wie sein Kampf gegen den Nationalsozialismus und Faschismus. Denn auch mehr als 100 Jahre später, ist dieser Schoß noch fruchtbar, aus dem das kroch. In sieben Kapiteln finden sich in vorliegender Ausgabe schriftstellerische Interventionen zu allen wichtigen Themen unserer Zeit. “Kapitalismus, Klassenkampf, Kriegstreiberei, Nationalismus, Lebensfallen, Neurosen und Geschmacklosigkeiten der bürgerlichen Kultur und Sexualität, die Idiotie des Klerus und der Presse, über die Bücher und das Büchermachen selbst.” Aber auch zärtliche Zeilen, etwa über die Hände von Muttern in starkem Berlinerisch: “Heiß warn se un kalt. Nu sind se alt. Nu bist du bald am Ende. Da stehen wa nu hier, und denn komm wir bei dir und streicheln deine Hände”.

Europa als Vision einer besseren Welt

Neben Gedichten finden sich auch kurze Prosatexte oder ein “Interview mit sich selbst”. In diesem begegnen sich der junge und der alte Peter Panter, ersterer ratsuchend. Beugen will er sich nicht, aber genau das rät ihm der ältere Panter, denn ohne das gäbe es kein Weiterkommen. “Sie werden sich beugen. Sie müssen sich beugen. Eines Tages werden Sie auch Ihrerseits Geld verdienen wollen, und Sie beugen sich. Es ist so leicht.” Aber die Pointe am Schluss, macht klar, dass auch der Erzähler Position bezieht, denn er ist eindeutig der jüngere Peter Panter und urteilt über den alten: “Ein ekelhafter Kerl”. Aber wer weiß, in dreißig Jahren? An anderer Stelle nimmt Kurt Tucholsky das vorweg, was sich zumindest nach rund 100 Jahren gebessert hat. In “Wahnsinn Europa” schreibt er nämlich (schon 1935!): “Wir in Europa sind kapitalistisch längst eine große Familie, und die Einteilung in Staaten, wie sie heute sind, ist eine anachronistische Kinderei, eine gefährliche und eine unehrliche dazu.” Erstaunlich visionär kritisiert und charakterisiert Kurt Tucholsky die politischen Geschehnisse am Vorabend der Machtergreifung durch Hitler und deren mögliche Konsequenzen. Tucholsky empört sich auch in seinem letzten Buch öffentlich über die unwürdigen Vorgänge seiner Zeit und setzt sich im Kampf für die Demokratie und Menschenrechte ein. Vor allem aber für die Wahrheit.

Kurt Tucholsky
Lerne lachen ohne zu weinen
2017, 416 S., gebunden in feines Leinen, 12,5 x 20 cm.
ISBN: 978-3-7374-0980-3
Marix Verlag


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Marix

Neulich im Beet: Alles dauert ewig, und die Hälfte misslingt. Aber es gibt nichts Schöneres als Gärtnern

Zu jedem der 26 Kapitel gibt es ein passendes Bild, gemalt von Monika Dietrich-Bartkiewiecz, der Klappentext berichtet, dass sie eine naturverbundene Architektin sei. Die kleinen Bilder sind großflächig angelegt, mit auffallenden Farben und sehr stimmig, obwohl sie gar nicht vorhaben, naturgetreu zu sein.

Kennengelernt habe ich die Artikel aus der ZEIT, wo die beiden eine Kolumne füllen, die ich mit Vergnügen lese. Das Vergnügen nahm beim Buch noch zu, sind die Texte doch länger und können deshalb auch Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigen.

Frau Flamm hat als Berlinerin in der Uckermark für die fünfköpfige Familie ein altes Haus mit viel Land gekauft und lässt uns teilhaben an den Freuden, aber auch ihren Leiden als Anfängerin.
Schon im Vorwort werden wir vorbereitet: Ein Garten ist kein Balkon (wo es reicht, Pflanzen zu kaufen und dann zu gießen) es wird viel gestorben, ein Baum kann von einer Krankheit „hingerafft“ werden. “Und dann fängt man wieder von vorne an.” Aber: “Und aus der Erkenntnis, dass man die Dinge hier nicht vollständig im Griff haben muss, weil man sie gar nicht vollständig im Griff haben kann, erwächst eine große Freiheit und ein großes Glück.”

Da ist die Bestandsaufnahme in einem Garten, in dem die Vorbesitzer immer die Weihnachtsbäume ausgepflanzt hatten, nun ist der Boden sauer und nicht alle Pflanzen mögen das. Überhaupt die Erde: die Uckermark ist nicht sehr fruchtbar, also bestellt sie eine Wagenladung (5,2 t!) Dünger, der aber noch nicht verrottet ist und nun mühselig verteilt wird. Der angelegte Komposthaufen trägt, fast aus Versehen, riesige Kürbisse, die sich in der Nachbarschaft herumsprechen und großzügig verteilt werden. Auch das ein Schritt, dass die Nachbarn nicht mehr von den Berliner Buletten sprechen, sondern sie wie Nachbarn behandeln.

Nutzgarten oder Ziergarten? Frau Flamm versucht beides und weiß viel zu berichten. Tomaten können mit Basilikum zusammen gepflanzt werden, sie sind beide Pegeltrinker, Letzteres mag Kaffeesatz als Dünger, Borretsch ist nicht nur bitter, auch giftig, und man sollte Kindern erlauben, es wieder auszuspucken, wenn es nicht schmeckt. Sie schreibt, wie ich es mag, von ihren Erfahrungen, wo das Schwarze unter den Fingernägeln noch durchschimmert und uns noch ahnen lassen, wie Gartenarbeit sich anfühlt.

Für mich als Ziergärtnerin hätte es mehr zu Blumen sein können. Aber, was bilde ich mir da ein, mich als “Gärtnerin” zu bezeichnen? Als Frau Flamm das tat, hat eine Profigärtnerin sich das verbeten, wir seien “Menschen, die sich im Garten aufhalten”. MDSIGA macht sie daraus, weil das Schaffen langer Abkürzungen so in Mode ist.

Mir ist bei manchen Artikeln aufgefallen, dass ich mein Buch vor zehn Jahren schrieb, und ich lasse mich gern auf den aktuellen Stand bringen, etwa bei Rosen, wo wir nun die nicht-gefüllten bevorzugen, weil sie bienenfreundlicher sind.

Oder die Diskussion mit dem selbsternannten Naturgärtner, der sie überreden will, einen Garten ganz ohne Dünger zu entwickeln. Er ist, übrigens, auch ein MDSIGA, der sein Geld als Banker in Frankfurt verdient. Und ganz zum Schluss kommen die Schottergärten. Ich fühle mich als Gartenoma nicht nur gut informiert über das Gärtnern heutzutage, vor allem auch gut unterhalten.


Genre: Garten, Natur
Illustrated by Knaur München

Abby: Mit Butch Cassidy auf dem Outlaw Trail (Erster Band der Reihe)

Frauen als Outlaws

 

Die 16-jährige Abigail (Abby) Clearwater ist mit ihrem Leben unzufrieden: Als Mormonin aufgewachsen, soll sie nun als 5. Frau an einen alten Mann verschachert werden, um diesen den heiß ersehnten Sohn zu gebären. Also nutzt sie die Gelegenheit zu fliehen, als sich diese mit dem Outlaw Fynn Johnson ergibt. Abby ist von der Vorstellung fasziniert, ebenso frei, wild und ungebunden leben zu können wie die Outlaws und macht sich mit Beharrlichkeit und Selbstbewusstsein daran, von den Männern akzeptiert zu werden. Das gelingt ihr auch und sie ist nicht nur bei mehreren Überfällen dabei, sondern überfällt sogar allein eine Bank. Abby genießt ein paar Jahre lang die Freiheiten und den Geldsegen. Sie hat sich z.B. die Freiheit erkämpft, ein ähnliches Liebesleben wie die Männer zu führen, die wechselnde Liebschaften haben, ohne dass sich die Gesellschaft daran stört. Außerdem lernt sie ausgezeichnet schießen, reiten und die unwirtlichen Lebensbedingungen in den Verstecken auszuhalten. In ihren Freiheitsbestrebungen wird sie nicht nur von Fynn unterstützt, sondern auch von Butch Cassidy und Elzy Lay. Es bleibt aber bei der Unterstützung, denn Abby will sich selbst Respekt verschaffen. Auch das gelingt ihr, denn Elzy lehrt sie Verteidigungstechniken, die Abby ohne zu zögern anwendet, wenn ihr Gefahr droht. Aber irgendwann stellt sie fest, dass dieses Leben ohne Weiteres mit dem Tod enden kann und sie will auch nicht mehr die Unbequemlichkeiten der Verstecke auf sich nehmen. Eine Auszeit in San Franzisco verschafft ihr Klarheit über ihr weiteres Leben: Sie will sich niederlassen und heiraten.

 

F*ck you, Patriarchat!

 

Wer jetzt aber denkt, dass damit Abbys mühsam erkämpfte Freiheiten wieder für den Teufel sind (wie oft in der nicht nur historischen Literatur immer wieder propagiert), der irrt: Sie sucht sich ihren künftigen Gatten genau aus und geht offen mit ihrem Liebesleben und ihrer gesetzlosen Vergangenheit um. Außerdem steht sie finanziell auf eigenen Füßen, sodass sie ihren Gatten jederzeit verlassen kann.

Claudia Fischer stellt hier eine Frau vor, die ihr Leben unter schwierigsten Umständen in die eigenen Hände nimmt, und verweist dabei auf historische Frauenfiguren, denen ihre erfundene Abby nachempfunden ist. Abby und ihre historischen Vorbilder sind in jedem Fall Vorbilder, denn sie zeigen Frauen, wie frau sich aus allen toxischen Beschränkungen befreit, die das Patriarchat ihnen auferlegen will.

Was Abby hier auch zeigt, ist nach dem Buch „Die Wahrheit über Eva“ genau das, was Jäger*innen und Sammler*innen schon in der Steinzeit gelebt haben: Frauen waren angesehene Mitglieder der Gesellschaft, die ihr Liebesleben frei leben konnten (sich dabei aber ihre Männer – wie Abby auch – genau aussuchten) und sich damit sogar Vorteile sicherten. Denn da die Männer nicht genau wussten, wer der Vater der Kinder ist, versorgten mehrere Männer den Nachwuchs mit und ermöglichten damit weit bessere Überlebenschancen der Kinder – und sogar die Entwicklung des Gehirns über den Affenstatus hinaus zum Menschen! Die patriarchale Erfindung der lebenslangen Ehe hatte dagegen nur einen Zweck: Die Frau in ihrer Sexualität einzuschränken, so ihre Kraft zu schwächen und dem Mann sicherzustellen, dass der Nachwuchs nur von ihm allein ist – während der Mann selbst so viele Liebschaften haben konnte, wie er wollte. Aber selbst unter diesen Bedingungen suchten sich Frauen ihre Liebhaber aus und die so entstandenen Kinder waren dann eben Kuckuckskinder. Patriarchale Beschränkungen funktionieren nicht und haben nie wirklich funktioniert, denn Frauen suchen sich und finden immer ihre eigenen Wege (entweder offen oder heimlich), um die für sie toxischen Regeln zu umgehen. Abby rebelliert offen, muss dafür aber überstark sein, um das auch durchzusetzen. Das ist leider ein Preis, den auch heute noch viele Frauen zahlen müssen, um im Leben zu bestehen.

Die Gemeinschaft, die in dem Buch beschrieben wird, hat mich noch weiter an die Traditionen der Jäger*innen und Sammler*innen erinnert (denn auch Frauen jagten damals und waren in ihrem Alltag besser trainiert als weibliche Olympioniken): Die Gemeinschaft sichert das Überleben. Und da kann man(n) sich unnütze Beschränkungen der Frau schlicht nicht leisten, zumal Frauen ganzheitlich denken und das als Qualität für Führungspersönlichkeiten nachgewiesen ist. Auch Abby sorgt mit ihren Ideen und ihrer Vorgehensweise immer wieder für eine Verbesserung der Situation und sichert sogar an einigen Stellen das Überleben der Gruppe in brenzligen Situationen. Und ein weiteres Merkmal der Jäger*innen und Sammler*innen hat Abby als Überlebensstrategie (wieder-)entdeckt: die Vernetzung mit anderen Frauen. Frauennetzwerke sind extrem stark und effizient, deshalb wurden und werden sie vom Patriarchat immer wieder attackiert. Abby nutzt die wenigen Freundschaften mit Frauen, die sie in der Zeit des gesetzlosen Weges und später in der Ehe mit James hat, optimal, um Rückhalt zu gewinnen, wenn sie diesen braucht.

 

Ein paarmal bin ich über Ungereimtheiten gestoßen, die sich aber meist im Laufe der Lektüre geklärt haben. Ich habe mich z.B. gefragt, warum Abby bei all ihren Liebschaften keine Kinder bekommen hat. Fischer erklärt das mit mehreren Fehlgeburten, die plausibel klingen, wenn man bedenkt, welch hartes Leben Abby hat führen müssen. Warum Abby sich aber trotzdem in die Rolle der Hausfrau bei den Outlaws hat drängen lassen, obwohl sie sonst so durchsetzungsstark ist und alle Rollenklischees gesprengt hat, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, den Männern den Kochtopf und den Putzlappen vor die Füße zu knallen und zu sagen: „Macht doch euren Scheiß allein – ach ja und wenn wir schon dabei sind: Ich will Eintopf zum Mittagessen, aber pronto!“

 

Wunderbar an dieser Reihe ist auch, dass in dem sonst so männer- und testosterondominierten Western-Genre eine Frau die Hauptrolle spielt. Frauen wurden in der Geschichtsschreibung immer wieder absichtlich ausradiert, was allmählich mehr und mehr ans Tageslicht kommt. Eine logische Konsequenz ist die Sichtbarmachung der Frau nicht nur in einer gendergerechten Sprache, sondern auch in der Geschichtsschreibung und darüber hinaus in der Belletristik. Ein weitere Sichtbarmachung gerade in angeblich männerdominierten Genres ist also sehr wünschenswert und Claudia Fischer trägt mit ihrer Reihe ihren Teil dazu bei.

 

Empfohlen!


Genre: Emanzipation, Western
Illustrated by Bogner

Love and Fortune 4 und 5

Love and Fortune 4

Love and Fortune 5Ältere Frau, jüngerer Mann

 

Wako hat sich von Fu getrennt und baut sich ein neues Leben auf. Sie fühlt sich befreit von Fus Schuldzuweisungen und seinen Forderungen. Während Wako noch mit Wohnungs- und Jobsuche beschäftigt ist, gelingt es Yumekai endlich, soziale Beziehungen zu seinen Klassenkameraden aufzubauen. Besonders zu einem Mädchen hält er engeren Kontakt. Und dieses Mädchen ist nicht nur freundschaftlich an ihm interessiert.

Wako dagegen wird von ihrer Verwandtschaft damit konfrontiert, dass sie endlich heiraten und Kinder bekommen soll – sonst sei der Körper zu alt dazu. Ihr wird Sorglosigkeit vorgeworfen. Wako weiß das alles, aber sie will in Ruhe entscheiden und von niemandem gedrängt werden. Am Schulfest von Yumeakis Schule trifft sie ihn endlich wieder und verlebt einen schönen Tag mit Yumeaki. Mit ihrem neuen Zeitarbeitsjob will sie v.a. Geld verdienen, um sich außerhalb der Arbeitszeit ein schönes Leben zu machen. Aber nach anfänglichen Schwierigkeiten gewinnt sie in ihren Arbeitskolleginnen auch neue Freundinnen.

In ihrer Beziehung mit Yumeaki will sie die Fehler, die sie bei Fu gemacht hat, nicht wiederholen und arbeitet an sich. Yumeaki hat sich derweil vorgenommen, einen Film zusammen mit seinen neuen Freund*innen zu drehen. Wako unterstützt ihn. So bleibt aber weniger Zeit für ihre Paarbeziehung und er verbringt mehr Zeit mit seiner Klassenkameradin. Dabei kommen die beiden sich näher.

Wako fühlt sich derweil einsam. Bei einem abendlichen Spaziergang durch die Stadt trifft sie ihren Ex Jo wieder und bemerkt, dass dieser sich zum Besseren gewandelt hat. Es folgen noch einige Treffen mit ihm, in denen sie sich angelegentlich überlegt, wie eine jetzige Beziehung mit Jo aussehen würde. Die Treffen mit ihrem Ex verheimlicht sie Yumeaki.

Dieser überlegt sich mittlerweile ebenfalls, ob eine Beziehung mit einer Älteren gut gehen würde, zumal er seiner Klassenkameradin seine Liebe zu Wako gestanden hat. Diese reagiert mit Ekel und Unverständnis. Und Yumeaki selbst bemerkt, dass Wako ihn manchmal wie ein Kind behandelt und hegt Zweifel an Wakos Treue, denn sie war ja schon einmal untreu und könnte auch ihn betrügen. Daraus resultiert eine für Wako unangenehme Eifersucht Yumeakis, die sie in ihrem Sozialleben beschränkt. Deshalb sucht sie Trost bei Jo, der ein offenes Ohr für sie hat. Und sie fällt wieder in ihr altes Muster des Sich-Zurücknehmens zurück, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden.

Als sie wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus muss, soll ein anderer Erwachsener für sie bürgen. Da sie momentan niemanden hat, fällt ihr nur Jo ein. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf, denn nachdem sie das Krankenhaus wieder verlassen hat, macht ihr Jo einen Heiratsantrag – was Yumeaki unfreiwillig mitbekommt.

 

Toxische Rollenklischees

 

Die beiden Bände führen die Geschichte um das altersmäßig ungewohnt ungleiche Liebespaar weiter. In den Bänden wird deutlich, womit Frauen in der Gesellschaft zu kämpfen haben: Bei älteren Männern und jüngeren Frauen zuckt man nur mit den Schultern, aber bei der umgekehrten Paarung ist der Widerstand, der Ekel und das Entsetzen groß. Außerdem wird Frauen eingetrichtert, dass sie sich zugunsten anderer (v.a. der Männer und Kinder) in ihren Bedürfnissen zu beschränken haben. Das verursacht aber letztlich nur Unzufriedenheit, die sich auf die Umgebung überträgt, denn es ist von der Natur nicht vorgesehen, dass man sich permanent beschränkt. Das geht nur eine kurze Weile gut. Und den Frauen geht dieses permanente Opferdasein an die geistige und körperliche Gesundheit. Frauen werden immer noch als opferbereite Mutter und Gebärmaschine betrachtet, denen es in diesem Zuge nicht zugestanden wird, allein glücklich zu werden, keine Kinder bekommen zu wollen oder sich eine*n ungewöhnliche*n Partner*in auszusuchen.

Wako spürt all dies, kann aber ihre Einschränkungen nicht benennen. Sie ist dem ganzen Druck gegenüber sprachlos. Aber sie wehrt sich auf ihre eigene Art, indem sie schweigt und dann macht, was sie für richtig hält. Dabei lernt sie, was sie glücklich macht, was sie nicht haben will und woran sie noch arbeiten muss. Damit ist sie weiter als ihre Schwester, die die Rollenklischees nicht hinterfragt und ihr zusammen mit ihren Eltern vorschreiben will, was Wako zu tun hat. Und noch eine weitere Ungerechtigkeit deckt dieser Manga, allerdings mehr nebenbei, auf: Frauen wird es übelgenommen, wenn sie fremdgehen, während es bei Männern als Kavaliersdelikt gilt.

Die Männer in dem Manga kommen nicht so gut weg, wobei aber zumindest Jo eine Entwicklung in die richtige Richtung durchmacht. Fu dagegen sieht seine Fehler in der Beziehung nicht wirklich ein – es bleibt bei leeren Versprechungen. Und Yumeaki macht sich keinerlei Gedanken darüber, wie sich Wako fühlt, die allein den Druck der ungewöhnlichen Beziehung schultert und dabei – weil sie eine Frau ist – doppelt schlecht wegkommt. Sie weiß, was sie alles verlieren kann, wenn die Beziehung öffentlich wird. Yumeaki dagegen wird ungeschoren davonkommen und als Opfer angesehen werden.

Yumeaki ist letztlich nur mit sich selbst und seinen eigenen Gefühlen beschäftigt, die zwar nachvollziehbar sind, sich aber in eine für Wako ungesunde Richtung entwickeln. Auch das spürt Wako, kann es aber wieder nicht richtig fassen. Sie handelt instinktiv richtig, indem sie sich wiederholt neue Möglichkeiten eröffnet und diese in Gedanken durchspielt. Die Erwartungen an Männer und Frauen kommen in diesem Manga zwar nur teilweise deutlich heraus, aber sie spielen im Hintergrund immer eine fundamentale Rolle und beeinflussen Beziehungen negativ. Auch wenn Frauen oft nicht benennen können, warum sie nicht glücklich sind oder es ihnen nicht gutgeht, spüren sie doch, dass etwas ganz und gar nicht stimmt – und handeln entsprechend. Das wird kein Patriarchat der Welt je abstellen können, denn es liegt in der Natur des Menschen, Ungerechtigkeiten, die einem widerfahren, zu bekämpfen. Das kann explosiv oder still geschehen, aber es geschieht. Und auch das macht der Manga deutlich.

 

Empfohlen.


Genre: Manga, ungewöhnliche Beziehungen
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

Avengers, Assemble!

Avengers, Assemble!” (Rächer, sammelt Euch!). Dieser Lockruf erfolgte erstmals Anfang der Sechziger. Nachdem sich die meisten Superhelden als Einzelhelden schon etabliert hatten, war es endlich auch Zeit für ein Super-Team: die Avengers. Stan Lee und Zeichner Jack Kirby versammelten den Iron Man, Ant-Man, The Wasp, Thor und Hulk, um die erste Super-Group im Kampf gegen das Verbrechen zu gründen. Die ersten 20 Geschichten in einem Band plus viele Hintergrundstories, Fotos und Insiderinfos für Fans.

Avengers: Superhelden und Superschurken

The Avengers: die Rache ist unser!

Der vorliegende Avengers-Sammelband des Marvel Age (Avengers-Hefte 1–20 im XXL-Format) zeigt die mächtigsten Helden der Welt in ihren Anfangstagen, von 1963–1965. Ihre Gegner – allesamt Superschurken – waren damals zum Beispiel Loki, Kang der Eroberer, Wonder Man, Count Nefaria, Baron Zero und die Meister des Bösen und Immortus. Oder ehemalige Mitglieder wie The Hulk, der sich in einem Abenteuer mit dem Submariner gegen die Avengers stellt. Aber es konnten auch Schurken wie Hawkeye, Quicksilver, Swordsman, Hercules, Black Panther, Vision, Black Knight und die Scarlet Witch zu Helden werden, genauso wie Hulk das Team verließ, Captain America beitrat und Ant-Man zu Giant-Man wuchs. Die Zusammenstellung der Avengers wurde immer wieder verändert bis schließlich nur noch Captain America alleine übrig blieb, um die letzte Generation der neuen Helden um sich zu scharen und anzuführen. Auch Spiderman-Fans kommen in vorliegendem Band auf ihre Kosten. Es war The Wasp, die der Gruppe ihren bis heute einträglichen Namen verlieh. Das Headquarter der Avengers stand schon damals in New York City, einem Gebäude namens Avengers Mansion. Dort regierte allerdings vorerst Edwin Jarvis, der Butler der illustren Truppe mit dem fünfmotorigen Quinjet.

Die ersten 20 Stories in XXL

The Avengers im Taschen Verlag mit vielen Extras

Die Sechziger waren das erste Jahrzehnt, in der sich die fünf Gründer-Avengers zu einer starken Truppe formierten und den Kampf gegen das Böse gemeinsam aufnahmen. In enger Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company wurden die makellosesten Ausgaben der Serie neu abfotografiert. Jede Seite wurde genau so reproduziert, wie sie vor mehr als einem halben Jahrhundert gedruckt wurde. Mit modernster Retusche-Technik gelang das digitale Remastern in einer Qualität, die den minderwertigen Druck der Zeit ausgleichen konnte und nun – rundumerneuert – wie frisch aus einer der besten Druckmaschinen der 1960er-Jahre wirkt. Das Vorwort stammt von Kevin Feige, Präsident der Marvel Studios. Eine ausführliche historische Darstellung von Kurt Busiek – Autor und Eisner-Award-Gewinner –, der mit Originalzeichnungen, selten gezeigten Fotos und Dokumenten bebildert ist, folgt darauf (“History”). Ebenfalls erhältlich ist eine Deluxe-Ausgabe (Collector’s Edition von 1.000 nummerierten Exemplaren. Auch erhältlich als XXL Famous First Edition) mit einem Aluminiumeinband mit Kunstlederrücken und Folienprägung. Sie wird ebenfalls in einem Schuber geliefert.

 

Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963–1965
Famous First Edition: Nummerierte Erstauflage von 5.000 Exemplaren
Kurt Busiek, Kevin Feige, Stan Lee, Jack Kirby
Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,44 kg, 630 Seiten
ISBN 978-3-8365-8234-6
Ausgabe: Englisch
Famous First Edition: Nummerierte Erstauflage von 5.000 Exemplaren.
taschen.com


Genre: Comics, Marvel
Illustrated by Panini Comics

Das Politikverbot in der Schlaraffia

Der Künstlerbund Schlaraffia hatte sich mit seiner Gründung anno 1859 ein Politikverbot auferlegt. Mitglieder sollten sich Freundschaft, Kunst und Humor widmen können, ohne von profanen Themen wie Politik und Religion auseinandergebracht zu werden. Doch das bedeutet nicht, dass die Schlaraffia tatsächlich stets unpolitisch war. Eher das Gegenteil ist der Fall wie eine Arbeit des Schlaraffen Christian Säfken akribisch nachweist. Weiterlesen


Genre: Kulturgeschichte, Sachbuch
Illustrated by Selbstverlag

Yakuza goes Hausmann 7

Yakuza goes Hausmann 7Hausmann, Katzen-Café und Yakuza

 

Tatsu wird vom Nachbarschaftsverein gebeten, 500 Yen Gebühren einzutreiben. Seine Yakuza-Ausstrahlung ist da eindeutig von Vorteil. Allerdings jobbt er auch im Katzen-Café, das für seine Niedlichkeit bekannt ist. Haustiere spielen aber auch bei seinem Boss eine Rolle: Dessen Hundedame hat Geburtstag. Was ihr schenken? Gut, dass Tatsu nähen kann. Aber auch im Krankenhaus tut Tatsu Gutes – als Bösewicht verkleidet. Auf einem Camping-Ausflug liefert er sich ein Kochduell mit einem Rivalen. Aber auch der Haiku-Club und ein bekannter Clan, der ebenfalls lyrisch interessiert ist, liefern sich Duelle – in der Dichtkunst. Um seinen Bro zu finden, trotzt Tatsu sogar einem Taifun. Aber auch ein Hexenschuss stellt ihn vor Herausforderungen. Selbstgebranntes ist eigentlich illegal. Aber Tatsu kennt da so seine Schlupflöcher.

 

Allerlei Klischees durch den Kakao gezogen

 

Der 7. Band der Reihe spielt erneut mit Yakuza-Klischees und der Hausfrauenrolle, die der ehemalige Yakuza Tatsu als Hausmann einnimmt. Das generiert immer wieder Situationskomik, wenn diese beiden so unterschiedlichen Welten aufeinanderprallen, und garantiert, dass Rollenklischees, egal welcher Art, immer wieder durch den Kakao gezogen werden. Ist ein Mann weniger männlich, wenn er Hausarbeit verrichtet? Der Manga sagt eindeutig: Nein! Rollen werden neu definiert und der Manga regt durch seinen speziellen Humor zum Nachdenken an. Und Frau seufzt am Ende der Lektüre: Gäbe es doch nur mehr solcher echten Männer!

 

Weiterhin empfohlen!


Genre: Manga, Rollenklischees
Illustrated by Carlsen Manga!

LTB 558: Das Zeitportal

 

 

Kreuz und quer nicht nur durch die Zeitnews 558

„Das Zeitportal“: Beim Spielen finden Tick, Trick und Track eine seltsame Box, die sich nach mehreren Versuchen als Zeitportal herausstellt. Dieses will ein Spiel mit den Ducks spielen. Die Ducks machen gezwungenermaßen mit, denn es geht um nichts Geringeres als um die Rettung der Welt. Dafür erfindet Daniel Düsentrieb eine Zeitmaschine, damit Donald die von der Box geforderten Dinge einsammeln kann.

„Besondere Fundstücke“: Dussel hat eine auf den ersten Blick verrückte Geschäftsidee – aber sie funktioniert. Zumindest vorerst.

„Die Legende des ersten Phantomias (16) – Der Dieb und der Milliardär“:  Dankmar ist zwar genial, aber ein Lügner und Betrüger. Er hat sich bei Dagobert Duck eingeschmeichelt, um an dessen Rubin zu kommen. Deshalb hat er für ihn ein unüberwindbares Sicherheitssystem entwickelt. Aber Dankmars Bruder will auch ein Wörtchen mitreden. Er und Phantomias wollen dem Maulhelden eine Lektion erteilen.

„Zeitreisen ist relativ“: Auf einem bekannten Foto mit anderen Berühmtheiten ist Albert Einstein verschwunden. Micky vermutet, dass er gekidnappt wurde. Deshalb reist er mit Goofy in die Vergangenheit, um die Entführung zu vereiteln.

„Die Hexe aus dem All“: Gundel Gaukley will einen neuen Angriff auf Dagobert Ducks Geldspeicher starten. Dabei kommen ihr zwei Ufo-Forscher gelegen, die sie für ihre Pläne einspannt.

„Reale virtuelle Realität“: Die Drillinge Tick, Trick und Track geraten aus Versehen in ein virtuelles Spiel und müssen Aufgaben lösen, um wieder in die Realität zurückzufinden.

„Schweigen ist Gold“, gerade in einer Bibliothek. Aber selbst dort ist Daniel Düsentrieb nicht vor Störungen sicher.

„Das Verkaufstalent“: Dolly Duck soll für Dagobert Duck einen unrentablen Küchenroboter verkaufen. Mit viel Optimismus und unermüdlichen Einsatz gelingt ihr das Unmögliche: Sie bringt die Charge an die Käufer*innen. Aber damit tauchen neue Probleme auf.

„Die Heimwerkerprofis“: Eigentlich ist es nicht so schwer, einen Zaun zu reparieren. Es sei denn, man heißt Goofy. Da fällt sogar dem sonst so einfallsreichen Micky bald nichts Hilfreiches mehr ein.

„Klub gegen Klub“: Klaas Klever hat für den Milliardärsclub eine neue, extrem luxuriöse Bleibe gekauft und mit allen Schikanen renovieren lassen. Dabei gründet er auch gleich einen neuen Club und gräbt so dem alten die Mitglieder ab. Das will Dagobert Duck nicht auf sich sitzen lassen.

„Freund und Leid“: Daisy und Donald verbringen ihre Freizeit regelmäßig mit Freund*innen. Aber diese sind eher eine Last denn eine Bereicherung, v.a. für Donald. Eines Tages aber scheinen die beiden Glück zu haben: Die neuen Nachbarn erweisen sich als wahrer Traum – der allerdings schnell zum Alptraum wird.

Jubiläum für Daniel Düsentrieb

70 Jahre wird Daniel Düsentrieb dieses Jahr alt. Deshalb hat der Verlag zwei LTBs mit Daniel-Düsentrieb-Geschichten herausgegeben. Das vorliegende LTB ist eines davon, das andere habe ich hier schon rezensiert. 12 Geschichten bietet das vorliegende LTB rund um Daniel Düsentrieb. Aber nicht nur das Geburtstagskind hat hier seine Auftritte, sondern auch andere bekannte Protagonisten.

Da Düsentrieb v.a. für Technik steht, kommt in seinen Geschichten auch vorwiegend diese zum Tragen, aber auch die Naturwissenschaften und ihre Gesetze bzw. deren Aushebelung. Damit sind ein paar der Geschichten der Science-Fiction zuzuordnen, inklusive Themen wie Zeitreisen und virtuelle Realität – beliebte Sujets der SF. Auch die Probleme, die in der SF angesprochen werden, kommen hier zum Tragen: die Gefahr einer Veränderung der Zeit oder der Einbruch der virtuellen Realität in das normale Leben. Manche Geschichten warten auch mit weiteren hintersinnigen Gedanken auf, z.B. dass Geld nicht alles ist im Leben und andere Werte durchaus mehr zählen oder dass man sich seine Freund*innen sehr genau aussuchen und im Notfall auch Tacheles mit ihnen reden sollte.

Lustige, spannende Geschichten, oft mit mehr Tiefsinn, als der leichtfüßige Erzählstil es vermuten lassen würde. Aber: Es werden wieder einmal v.a. die männlichen Protagonisten in den Fokus gestellt, die weiblichen sind eher Beiwerk, das sich wenig zum Identifizieren für Leserinnen eignet. Einzig Dolly Duck bekommt neben Dussel eine Funktion als Protagonistin und einmal Daisy neben Donald. Das ist deutlich zu wenig.


Genre: Comic
Illustrated by Egmont Ehapa Media

Die Tschechow-Leserin

Traumverlorene Selbstreflexion

Der Titel des Debütromans der italienischen Literatur-Wissenschaftlerin Giulia Corsalini lässt aufhorchen, «Die Tschechow-Leserin» dürfte zumindest die an gehobener Literatur interessierten Leser neugierig machen. Die vierzigjährige Ich-Erzählerin und Protagonistin Nina stammt aus Kiew. Sie hat einen Ruf als Spezialistin für Tschechow, lebt aber mangels beruflicher Chancen mit ihrem pflegebedürftigen Mann und der achtzehnjährigen Tochter Katja in prekären Verhältnissen. Um ihre finanzielle Lage zu verbessern und vor allem der Tochter ein Medizinstudium zu ermöglichen, verlässt sie die Ukraine und nimmt in Italien eine Stelle als Pflegerin bei einer alten Dame an.

Die gleichförmige, wenig erfreuliche Arbeit und ihre Einsamkeit in der Universitätsstadt Macerata weckt in ihr wieder die Leidenschaft für Literatur, die lange Zeit unter dem Druck der widrigen Lebensumstände verdrängt war. Sie sucht in ihrer freien Zeit die Universitäts-Bibliothek auf, beginnt sich wieder intensiv mit Tschechow zu befassen und lernt im Institut für Slawistik den Professor De Felice kennen. Der bietet ihr schon bald einen befristeten Lehrauftrag an, den sie neben ihrem Putzfrauenjob in einem Supermarkt ausüben kann. Mit den Studenten untersucht sie in ihren Vorlesungen den Einfluss Tschechows auf die italienische Erzähl-Literatur und erfüllt zur Zufriedenheit aller die Erwartungen an ihre Dozentur. Ihre Beziehung zu dem zwanzig Jahre älteren Russisch-Professor bleibt, obwohl sie sich auch privat etwas näher kommen, rein intellektueller Natur, man zollt sich gegenseitig höchsten Respekt, auch wenn es manchmal scheint, als wäre da mehr. Als sie die Nachricht erhält, dass es ihrem Mann deutlich schlechter geht, beschließt sie, endgültig nach Kiew zurückzukehren. Dabei vertraut sie dem Freund ihrer Tochter, der Arzt ist, dass mit einem schnellen Ableben aber nicht zu rechnen sei, und schiebt ihre Abreise um zwei Wochen hinaus. Ihr Mann stirbt jedoch überraschend schon drei Tage später, sie ist also nicht mehr rechtzeitig an sein Sterbebett gekommen, was ihr die Tochter sehr übel nimmt.

Im zweiten Teil des Romans erzählt die Autorin, dass Nina in Kiew geblieben ist, dort eine Stelle am Institut für russische Sprache und Kultur angenommen und sich allmählich auch mit ihrer Tochter ausgesöhnt hat, die inzwischen selbst Mutter geworden ist. Acht Jahre nach ihrer überstürzten Abreise erhält sie aus Macerata die Einladung, auf einer dreitägigen Tschechow-Konferenz den Einführungs-Vortrag zu halten. Innerlich zerrissen widmet Nina sich dort aber einer ukrainischen Pflegekraft, die junge Frau ist im Umgang mit den Behörden völlig hilflos. Die Veranstaltung endet im Fiasko, sie lässt sich bei der Konferenz nicht blicken. Im Epilog wird geschildert, wie sie ein halbes Jahr später die Tochter besucht und die Nachricht erhält, dass De Felice gestorben ist. «Ich war eine leidenschaftliche Tschechow-Leserin: Es ist, als hätte ich dies alles schon immer vorausgeahnt», heißt es am Schluss.

Neben dem Thema Migration, welches im zweiten Teil einen breiten Raum einnimmt und ja auch die Protagonistin selbst betrifft, steht in diesem distanziert erzählten Roman aber vor allem Ninas innere Abkehr von ihrem ursprünglichen Leben im Blickpunkt. Ihr entgleiten die Dinge, sie tut nicht das, was sie eigentlich tun wollte und befindet sich am Ende in einer seelischen Vorhölle. Ein schicksalhafter Auflösungs-Prozess, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Es ist die permanente Selbstreflexion, die hier im Blickpunkt steht, als Romanfigur bleibt Nina auffallend blass, ihre Gefühle sind kaum zu entschlüsseln. Über allem liegt stilistisch die für Tschechow typische, traumverlorene Melancholie, und wie dieser belässt auch Giulia Corsalini vieles im Ungefähren und verzichtet auf psychologische Deutungen. Unpassend jedoch ist leider der Schluss des Romans, bei dem alle Dissonanzen zwischen Mutter und Tochter kurzerhand weggebügelt werden.

Fazit: lesenswert

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by nonsolo.Verlag

Zukunftsmusik

Aus der Kommunalka

Als Roman einer Zeitenwende beschreibt «Zukunftsmusik» von Katerina Poladjan den Beginn einer neuen Ära in Russland, die sich in diesem Fall ungewöhnlich exakt auf ein genaues Datum fixieren lässt, den 11. März 1985. Aber ebenso exakt lässt sich mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine der Tag für das Ende dieser Ära benennen, der 24. Februar 2022. Natürlich konnten die Menschen im Roman nicht ahnen, was sich mit der Wahl von Michail Gorbatschow zum ZK-Generalsekretär für sie verbessern würde, sie haben es allenfalls gespürt. So wie wir Heutigen noch nicht ahnen, was Putins Wahn letztendlich bedeutet.

Handlungsort ist eine unbenannte Stadt tausend Werst östlich von Moskau, wo sich in einer aus unterschiedlichsten Mitgliedern bestehenden, WG-ähnlichen Kommunalka mit sechs Mietparteien die Protagonisten des Romans eine Wohnung teilen. Da leben in einem der Zimmer auf engstem Raum Großmutter Warwara, pensionierte Hebamme, die aushilfsweise noch in der Klinik arbeitet und an diesem Tag einem Kind auf die Welt hilft. Mutter Maria arbeitet als Aufseherin im Museum und ist in Matwej verliebt. Ihre Tochter Janka schließlich arbeitet in Nachtschicht in der Glühlampenfabrik und will am Abend in der Küche ein Kwartirnik veranstalten, ein zur Umgehung der Zensur von jungen Leuten einfach in den Privathaushalt verlegtes Konzert. Der Ingenieur Matwej von nebenan hat einen schlechten Tag, denn einer der Probanden bei den von ihm betreuten Versuchen zur Aufhebung der Schwerkraft stirbt. Er hat die Marotte, alles aus seinem Leben in kleinen Kästchen aufzubewahren, deren Inhalte er geradezu zwanghaft ständig umsortiert. Der hoch angesehene alte Professor ist selten zu sehen, bei der Feier zu dessen letztem Geburtstag nutzte Ippolit, Schaffner bei der Eisenbahn, die Gelegenheit und flüsterte Warwara zu, «er sei schon lange hinter ihr her, ihre Verbindung sei durch die Vorsehung bestimmt, und nun sei es an der Zeit, sich dem Schicksal zu ergeben. Warwara ließ ihn wissen, sie werde über sein Ansinnen nachdenken und ihn bezüglich ihrer Entscheidung in Kenntnis setzen». Sie hat ihn erhört!

Bezeichnend für die Verhältnisse ist eine Szene, in der sich Maria an diesem 11. März spontan in einer Schlange mit anstellt, die bis weit auf die Straße hinaus reicht. «Was glauben Sie, was uns erwartet»? fragt sie den Mann vor ihr. «Am Anfang dieser Schlange erwarten uns feine, rosa glänzende Krakauer Würstchen, und wenn wir Pech haben, erwartet uns das Nichts. Und bis wir an der Reihe sind, ist uns die Möglichkeit gegeben zu überlegen, ob wir das, wofür wir anstehen, überhaupt brauchen». Zwischen Resignation und Aufbruch in bessere Zeiten strahlen die Figuren des Romans eine innere Unruhe aus, die sich bereits von der Gegenwart gelöst zu haben scheint und einem Gefühl Platz gibt, das vielleicht ja doch alles besser werden könnte. Wobei die Befreiung aus den beengten Wohnverhältnissen auf ihrer Prioritätenliste ganz oben steht.

Der für den Leipziger Buchpreis nominierte Roman enthält viele Anspielungen auf die russische Literatur, wobei besonders Zitate von Tschechow teils wörtlich übernommen werden. Deutliche Bezüge gibt es aber auch auf Bulgakow, dessen ins Surreale weisender Stil sich bei Katarina Poladjan in ihrem ins Fantastische übergehenden Schluss wiederfindet. Da öffnet sich der Flur plötzlich ins Freie, ohne das sich jemand daran stört. In der kleinen Küche tummeln sich unglaublich viele Leute, obwohl Janka selbst gar nicht auftritt. In Anspielung auf den «Kirschgarten» werden jede Menge kleine Bäumchen aus der Küche durch den Flur getragen, Menschen steigen aus dem Fenster und fliegen davon. Auffallend ist auch die Diskrepanz zwischen den geschliffenen Dialogen aller Bewohner, man siezt sich natürlich, und dem eher proletarisch anmutenden Leben in der beengten Wohnung. Dieser im Stil des Magischen Realismus ohne Larmoyanz geschriebene Roman aus einer Kommunalka ist eine bereichernde, aber auch amüsante Lektüre.

Fazit: lesenswert

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Fischer Verlag

The Scumbag – Kokainfinger

The Scumbag – ein Antiheld wie deadpool

The Scumbag. “Frische Helden braucht das Land!” Jedoch ist Ernie Ray Clementine weder noch ganz “frisch” noch ein Held. In den Siebzigern hängengeblieben, ist Ernie ein abgehalfterter Biker, der seine Jugend im im Nebel von Sex, Drugs and Rock’n’Roll verlebt hat. Doch dann erhält Ernie durch Zufall Superkräfte und plötzlich reißt sich die halbe Welt um ihn. Oder eher die Halbwelt?

Mit Formula Maxima vom Looser zum Winner

“Scumbag” könnte man sowohl mit Drecksack als auch Abschaum übersetzen. Fans von Deadpool und Wanted werden auch mit dem selbstsüchtigen Junkie mit Superkräften, der als Spion die Welt retten soll ihren Spaß haben. Im Auftakt zur neuen Historie von Bestsellerautor Rick Remender (DEADLY CLASS, UNCANNY AVENGERS) geht es um nicht weniger als die Rettung der Welt. Aber nicht vor Bösewichten, sondern vor solchen “Relikten einer anderen Zeit” wie Ernie. Sein Dealer Spanish Larry ist sein bester Freund, was nur beweist, dass er keine Freunde hat. Bei einem Zweikampf zwischen zwei Superschurken, greift sich ausgerechnet Ernie die Spritze mit der Formula Maxima und kommt so unverhofft zu Superkräften. Er wird nun von einer extraterrestrischen Polizistin für “Vater Zeit” gehalten, der allerdings längst das Zeitliche gesegnet hat. Erstere arbeitet dann doch für die hiesige Regierung und verspricht ihm einen vollen Drogenkoffer wenn er von nun an kooperiert. Was könnte Ernie mehr überzeugen? Schließlich lautet sein Codename nicht umsonst “Scumbag”. Da passt der General für der amerikanischen Flagge mit dem Skorpion-Emblem ganz gut, denn auch Scumbag trägt einen Scorpions-Schriftzug auf seiner Jeansjacke. Der General wettert bei seiner Ansprache gegen PC und Cancel-Culture und den Untergang der weißen Kultur in Amerika, während Scumbag auf den Auftritt einer seiner Lieblingsbands wartet. Aber die spielen nicht.

Scumbag: Kooperation für Korruption

Aber die Regierung scheut keine Mühen Ernie auf ihre Seite zu bringen: ein flugfähiger 1978er Thunderbird mit Mach4 Antrieb, eine Sexdoll als Pilotin sowie ein Handschuhfach vollgepackt mit Sachen zum Dröhnen überzeugen den abgehalfterten Biker dann doch sehr schnell. Die Zeichnungen sind der Zeit in der sie spielen angepasst, will heißen: ganz schön bunt und psychodelisch. Wenn sich Ernie Ray Clementine nicht schon als Jugendlicher das Hirn so zugedröhnt hätte, wäre er vielleicht doch ein Megaspion geworden. Aber so fehlt ihm doch etwas die Richtung, gut dass er bei seinem ersten Abenteuer eine attraktive Pilotin mit K.I. hat, so kann sie das Denken für ihn übernehmen. Sollte etwas schief gehen, gibt es immer noch das Handschuhfach…

Ein überraschendes Debüt eines Anti-Helden, wie ihn die Comic-Welt wohl noch nie gesehen hat. Sieht man von Deadpool und Wanted einmal ab. Die Biker-Klamotten Ernies sind auf jeden Fall ausstellungswürdig und gehören zu Recht ins Museum. Oder in einen Comicserien wie diese, die vermag, auch eine Looser wie Scumbag von seiner besten Seite zu zeigen!

Rick Remender
The Scumbag – Kokainfinger
Zeichner: Andrew Robinson, Darick Robertson, Lewis Larosa, u.a.
Original Storys: The Scumbag Vol. 1: Cocainefinger
2022, Softcover, Genre: Science-Fiction, 156 Seiten
ISBN: 9783741627828
18,00 €
Panini


Genre: Comic
Illustrated by Panini Comics

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe.

Bernhardine Evaristo hat 60 Jahre an sich gearbeitet, um eine erfolgreiche Autorin zu werden. Zuvor hatte ich das Buch Mädchen, Frau, etc. gelesen, das 2019 den Booker Preis gewonnen hat. Ihren Weg beschreibt sie ehrlich und mit Humor. Sie nennt ihre Selbstreflexionen „ein Memoir und eine Meditation.“

Das Buch ist in sechs Kapitel eingeteilt, deren Zahl in allen Sprachen angegeben werden, die mit ihrer Herkunft zu tun haben. Dazu mehr am Schluss, wenn es um die Übersetzung geht. Für dieses Manifest, es werden anderthalb Seiten am Ende des Buches, hat sie viel recherchiert, angefangen mit ihren Vorfahren: Die Mutter war der Stolz der Familie, die erste Akademikerin, mit englischen, irischen und auch deutschen Wurzeln. Und so wird es für die Großmutter eine Enttäuschung, als sie ihre Liebe, einen nigerianischen Einwanderer, heiratet. Bernhardine wird das vierte von acht Kindern.

Die Nachbarn im armen Süden Londons werfen Scheiben ein, oder legen tote Ratten vor die Tür. Der Vater, sie nennt ihn Yorubakrieger, geht dagegen vor, verklagt Angreifer, als Betriebsrat tritt er auch für Gerechtigkeit Anderer ein. Zu Hause ist er sehr streng, die Wärme und Geborgenheit, die die Mutter schafft, wird durch seine Anwesenheit nur gestört.  Die Mutter ist streng katholisch, Bernhardine beobachtet schon als Kind, wie Priester von der Gemeinde, die Mutter einbegriffen, verherrlicht werden, obwohl sie von denen als „Schokos“ abgewertet werden.

Sie beschreibt sich selbst als Schulkind, erst in einer katholischen Grundschule, kommentiert Zeugnisse, die ihr ausgestellt wurden. In der Mittelschule lernt sie noch Handarbeiten und ist stolz, darin nie gut gewesen zu sein. Als Schwester hat sie die jüngere, mit der sie das Zimmer teilte, dominiert. Als Teenager wollte sie so schnell wie möglich die Familie verlassen. Sie taucht in das aufregende Leben in London ein, das Anderssein wird ihre Rolle.

Sie sucht Beziehungen zu anderen Frauen, sie nennt es ihr „lesbisches Zeitalter“, macht One-Night-Stands, bis sie dauerhafte Beziehungen sucht und findet. Später beschreibt sie, wie sie unter DDD, das steht für die durchgeknallte Domina, leidet. Hier macht es Spaß, die Vorbilder für den Roman zu erkennen.

Sie verbringt viel Zeit in Theatergruppen, initiiert solche, später konzentriert sie sich auf das Schreiben, über Jahre nimmt sie Kurse, Lyrik wird ihr Ding und sie gründet Gruppierungen, mit denen der Nachwuchs gefördert wird, zunehmend für People of Color.

In Kapitel fünf: Lyrik, Roman, Versroman, Fusion Fiction sehen wir, wie sie systematisch die Entwicklung ihrer Stärken betrieben hat, wie sie nach Scheitern immer weiterarbeitet, manches fünfmal umschrieb, bis es zu dem wurde, was sie vorhatte. „Wer Geschichten erzählt, muss alle inneren und äußeren Hürden überwinden und der Hingabe an Ehrgeiz, harte Arbeit, Handwerk, Originalität und Unaufhaltsamkeit immer den Vorrang geben.“

Besonders originell fand ich die Phase, als sie ihr lesbisches Zeitalter beenden wollte, und detailliert beschreibt, was sie am Outfit ändern musste, um auf Männer zu wirken. Es half: Seit einigen Jahren lebt sie mit David, dem Großen, zusammen, wie er in der Danksagung genannt wird.

Ein wichtiger Aspekt ist ihr der Platz, den wir in der Ahnenreihe einnehmen. So endet das Manifest mit folgenden Absätzen:

„Was wir wissen, müssen wir an die nächste Generation weitergeben und denen, die uns helfen, müssen wir unseren Dank aussprechen — kein Mensch kommt je allein ans Ziel.

Und hinter uns schwanken schweigend die Ahnen, die toten ‚Seelen der Verblichenen, die der Grund dafür sind, dass es uns gibt — an sie müssen wir immer denken.“

Sie tut es auch, in dem jedes Kapitel in allen Sprachen nummeriert wird, die von ihren Ahnen gesprochen worden waren. Ich habe das Buch auf Englisch gelesen. Die Übersetzung war stimmig. Leider hat die Übersetzerin in der deutschen Fassung die Nummerierungen in Deutsch weggelassen. Ob das im Sinne von Bernhardine ist?


Genre: Gesellschaft, Multikulti, Rassismus
Illustrated by Tropen Verlag

Moon Knight: Mitternachtssonne

Moon Knight Collection von Charlie Huston

Moon Knight: Mitternachtssonne. Die komplette Serie in einem Band trägt auch den irreführenden Titel “Moon Knight Collection von Charlie Huston”. Tatsächlich handelt es sich aber um eine knallharte Saga des Roman- und TV-Autors Charlie Huston (WOLVERINE, Joe Pitt, Powers) und Zeichner-Superstar David Finch (AVENGERS: HELDENFALL, BATMAN) in einem Band.

Khonsu, Gott der Rache

Die vorliegende Geschichte entstand parallel zum Marvel-Event Civil War. Damals standen sich als Wortführer Iron Man und Captain America gegenüber und spalteten die Superheldengemeinde in Registrierungs(un)willige. Das Debüt hatte der düstere Moon Knight schon 1975 im Comic “Werewolf by Night 32” von Doug Moench und Don Perlin. Moon Knight bekam bald eine eigene Serie und stritt an der Seite der kalifornischen West Coast Avengers mit Hawkeye für das Gute in der Welt. Dabei ist Marc Spector nicht wirklich ein “guter” Superheld, denn er leidet unter Persönlichkeitsspaltung und Wahnsinn. Das mag damit zusammenhängen, dass der Söldner Marc vor einer altägyptischen Statue des Mondgottes Khonshu starb und als dessen Avatar wiederkehrte. Einmal war Marc der wohlhabende Steven Grant, ein andermal ein Taxifahrer namens Jake Lockley und lieferte sich Fights mit seinen einstigen Kameraden vom Komitee, Midnight und Bushmaster. Aber Moon Knight hat auch Freunde, z.B. Jean-Paul “Frenchie” Duchamp, seine große Liebe Marlene Alraune, sein obdachloser Informant Bertrand Crawley, sein Butler Samuels und der Diner-Besitzer Gena Landers.

Über 30: die Hölle!

Oh es tut so weh. Jedes Jahr über Dreißig ist die Hölle.” In den ersten Kapiteln der vorliegenden Mega-Saga (356 Seiten!) sieht Marc Spector noch seinem Kumpel Bertrand Crawley, dem Obdachlosen, ähnlich. Denn er ist nicht nur unrasiert, langhaarig und im Rollstuhl, sondern auch gebrochen und von seinem Gott und seinen Freunden verlassen. Moon Knight am Ende? Mitnichten. Denn das Artwork von Superstar David Finch alleine ist schon alleine so beeindruckend, dass sich spätestens bei der in Pink getauchten Kussszene mit Marlene das Herz auftut. Die Anspielung auf permanenten Sex (“Ich tu es immer wieder“) zeigt elegant, dass auch Superhelden Gefühle haben. Aber leider möchte der “lunare Legionär” unbedingt ein Held sein und das gestaltet sich mitunter schwierig. “Er ist kein Söldner und Mörder. ER ist ein reicher Menschenfreund. Arbeiter. Mann des Volkes. Held.”, meint zumindest sein alter ego. Und zudem Sohn eines Rabbis, der ägyptische Gottheit verkörpert. Khunshu.

Moon Knight: Mitternachtssonne

Nichts bleibt geheim. Alles ist sichtbar. Was wir sein können. Was wir sind. Es ist alles da. Wenn man die Zeichen lesen kann.” Ein prächtiges Abenteuer mit beeindruckenden, düsteren Zeichnungen, die selbst einen Batman blaß aussehen lassen würden. Gastauftritte von Spiderman und Punisher inklusive.

Charlie Huston/David Finch
Moon Knight: Mitternachtssonne
Original Storys: Moon Knight (2006) 1-13
2022, Hardcover, 356 Seiten
ISBN: 9783741626296
Panini
42,00 €


Genre: Comics, Graphic Novel, Marvel
Illustrated by Panini Comics