Mentale Fürze seien die Albträume seines Patienten, behauptet Dr. Ballesteros, als Salomón Rulfo, ein arbeitsloser Literaturagent, ihm einen stets wiederkehrenden Traum erzählt, der ihn quält: in einer weißen Villa mit einem grünen Aquarium wird eine Frau ermordet, die um Hilfe fleht. Dumm nur, dass der mentale Furz Wirklichkeit wird: die Villa und den Mord gibt es tatsächlich. Schnell entspinnt sich ein kunstvolles Geflecht von Menschen, die durch Träume aufeinander stoßen und sich einer geheimnisvollen literarischen Sekte ausgeliefert sehen.
Dreizehn Musen berühmter Dichter haben einen geheimen Hexenbund geschlossen und binden Menschen mit der Macht des Wortes. Sie wissen genau, dass ein Gedicht ein Wald voller Fallgruben sein kann. Bisweilen lauert nur ein einziger Vers mit scharfen Krallen darin. Er braucht nicht schön zu sein, er braucht weder literarisch wertvoll noch gänzlich wertlos zu sein: er ist einfach da, mit seiner geballten Ladung aus Tod bringendem Gift, und die Hexen nutzen ihn, um Menschen zu binden und mit blutiger Gewalt zu zwingen.
Somozas bizarrer Kriminalroman verlangt den hart gesottenen Leser. Er kommt im Gewand eines Mystik-Thrillers daher und entpuppt sich doch als feingliedriges literarisches Kunstwerk eines raffinierten Erzählers. Der spannende Roman ist surreal, phantastisch, stockfinster und dabei extrem blutrünstig. Das Buch erzeugt bereits nach wenigen Seiten unbestimmten Ekel, aber er weckt auch die Sucht, bis zur letzten Seite durchzuhalten, um das ungewöhnliche Geheimnis des höchst vertrackten Plots zu enthüllen.
Ist Mord eine erwähnenswerte kulturelle Leistung? Trägt das bewusste Beseitigen von friedlichen und ahnungslosen Mitmenschen zur Entwicklung unserer Kultur bei? Jörg von Uthmann, Autor der vergnüglichen und zugleich informativen Kulturgeschichte des Mordes, bejaht diese Fragen. Aus seiner Sicht sind Morde zwar unerquicklich für das jeweilige Opfer, sie haben aber auch ihre guten Seiten, denn sie beflügeln Kunst und Wissenschaft — die Mediziner, die den Kommissaren dabei helfen, die Killer zu fassen, die Schriftsteller, welche die Jagd in Krimis beschreiben, und die Filmemacher, die sie verarbeiten.
Mord und Totschlag gibt es, seitdem sich Menschen beneiden und miteinander in Streit geraten. Waren im Mittelalter die Richter noch auf Feuerprobe und Folter angewiesen, bei der nahezu jeder alles gestand, zählte es zu den Errungenschaften der letzten Jahrhunderte, wissenschaftliche Methoden zur Beweissicherung und Tatortuntersuchung gefunden zu haben. Mit den Möglichkeiten der Medizin, Gifte nachzuweisen, entwickelte sich die Spurensicherung über die Fingerabdrucktechnik bis hin zur modernen DNA-Analyse, mit der erstmals 1987 ein Mörder überführt werden konnte. Parallel dazu formten sich Kriminalpolizei und Gerichtsmedizin.
Jörg von Uthmann versteht es, die tatsächlichen Verbrechen mit ihren Widerspiegelungen in Literatur, Drama, Oper und Film in Bezug zu setzen und entwirft en passant eine Geschichte der Kriminalliteratur und ihrer Autoren ohne sich auf Theorienstreit einzulassen. Dass er konzentriert auf unseren westeuropäischen Kulturkreis blickt und im wesentlichen französische, britische, amerikanische und deutsche Fälle und Autoren schildert, mag als Manko der Skizze gelten. Interessant wäre es schon, die Entwicklungen in anderen Kulturkreisen vergleichend heranzuziehen, waren es doch beispielsweise die Chinesen, denen sehr viel früher als den Europäern die Einzigartigkeit des Fingerabdrucks bekannt war.
Der literarische Spaziergang ist mit leichter Hand geschrieben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er bietet aber eine vielseitige Einführung ins Thema und empfiehlt sich jedem, der ein wenig tiefer in die Welt der Kapitalverbrechen und ihrer künstlerischen Verarbeitung einsteigen möchte.
Das Ereignis, das als »Der Puls« bekannt werden sollte, erlebt der Comic-Zeichner Clayton Riddell, als er sich in Boston ein leckeres Softeis spendieren will: Teenager fallen übereinander her und beißen sich die Kehle durch, Geschäftsleute werden zu blutrünstigen Bestien, Busfahrer jagen und überrollen Passanten; kurz: ein infernalisches Chaos, in dem jeder jedem ans Leben geht, beginnt. Ohne lange Vorrede lässt King gleich zu Beginn seines von der ersten bis zur letzten Zeile atemberaubend spannenden Buches unfassbaren Horror über Land brausen, der von Handys ausgelöst wird, die einen unheimlichen Befehl aussenden.
Clayton denkt an seinen Sohn und hofft, dieser möge kein Handy benutzen und vor dem sich ausbreitenden Wahnsinn fliehen. Er zieht mit zwei Gefährten los, ihn zu suchen und stellt auf seiner Wanderung durch ein apokalyptisch verwüstetes Land fest, dass die Handy-Verrückten telepathische Fähigkeiten entwickeln und sich in die Gedanken der wenigen Nicht-Infizierten einloggen können. Diese sollen gezwungen werden, sich in einem angeblich funkstreckenfreien Gebiet zu sammeln. — Doch welches Grauen erwartet sie dort?
Genre: HorrorIllustrated by Heyne München
Ein Mord ist geschehen: im Country Club Lone Star liegt ein alter Kumpel von Kinky ermordet in der Garderobe. Wer, zum Teufel, kann so etwas nur getan haben, fragt Cleve, der Manager des Lone Star Clubs. Das fragt sich auch Kinky, der vom Manager herbeitelefoniert wurde und nun vor dem Eintreffen der Polizei einen Blick auf den toten Freund werfen kann. In der Hemdtasche des Opfers entdeckt der Privatdetektiv einen verknitterten Zweidollarschein, und sein Erstaunen ist groß, als er am folgenden Tag einen anonymen Brief erhält, in dem sich ein Notenblatt befindet. Es ist der alte Hank Williams Song »Hey Good Lokin« mit dem Text: »I got a hot rod Ford and a two-dollar bill. And I know a spot right over the hill …«.
Nachdem kurze Zeit später eine weitere anonyme Nachricht mit einem Song von Hank Williams eintrifft und ein neuer Mord im Lone Star Club geschieht, versucht Kinky mit Hilfe seines Kumpels Ratso und weiterer Freunde dieses Puzzle zusammen zu setzen. Schon bald hat er eine Spur, und es folgt eine spannende, bizarre Kriminalgeschichte, die uns zudem einen Einblick in die Welt der Countrymusik und in die multikulturelle Vielfalt New Yorks gewährt.
Elizabeth George gilt als begnadete Krimiautorin, die mit großem psychologischem Einfühlungsvermögen Spannungsbögen schlägt und damit eine internationale Fangemeinde um ihre Figuren schart. Mit dem vorliegenden Sachbuch reiht sie sich in die Traditionslinie amerikanischer Bestsellerautoren, die Schreiben als solides Handwerk verstehen, das vermittelbar und erlernbar ist.
Wer Elisabeth George Wort für Wort folgt, erhält zuerst einmal tiefen Einblick in ihren schriftstellerischen Handwerkskasten! George ist eine Autorin, die wenig dem Zufall überlässt und jedes spontane Sprudeln der Ideen bei der Niederschrift für sich selbst ablehnt. Sie feilt ausführlich an den Ideen ihrer Romane sowie an den Figuren, die diese bevölkern. Sie ist überzeugt, dass Figuren die Geschichte und Dialoge wiederum Figuren erschaffen. Sie schildert, wie sie ihre Figuren und Schauplätze modelliert, wie sie in einem Stufendiagramm Szenen zu Papier bringt und die Handlung entwirft. Sie betont die Bedeutung des Konflikts, um Geschichten spannend, interessant und kunstvoll erzählen zu können und erläutert die möglichen Erzählweisen. Die Autorin verrät ihre Technik und schildert ihren Umgang mit der Rohfassung des Manuskriptes und den notwendigen Schritten zur Überarbeitung bis zur Fertigstellung.
»Wort für Wort« ist ein unterhaltsam geschriebener, leicht nachvollziehbarer Lehrgang für Romanautoren und solche, die es werden wollen. Systematisch und mit vielen Leseproben nimmt Elizabeth George den Leser an die Hand und führt ihn sicher durch den Dschungel des literarischen Schreibens. Sie verlangt von ihren Lesern Leidenschaft und Disziplin, um sich die handwerklichen Techniken anzueignen und sagt sehr deutlich, dass Kunst ohne Handwerk undenkbar ist und stets darauf fußt, dass andererseits aber bei aller handwerklichen Meisterschaft auch zusätzlich Talent erforderlich ist, um ein wirklich gutes Buch zu schreiben.
Ros Taylor erwacht nach einer durchfeierten Nacht in blutigen Laken, kann sich an nichts erinnern und findet zu allem Überfluss auch noch ihre Mitbewohnerin tot im Bad auf. Auf Ros Rücken findet sich das Datum des Tattages eingeritzt. Bill Thomson übernimmt die Ermittlungen des Falls und kümmert sich sehr intensiv um Ros. Es stellt sich heraus, dass beide Frauen vergewaltigt worden sind, nur wer der Täter war, ist aufgrund des Gedächtnisverlustes zunächst nicht zu ermitteln. Die Indizien der Polizei sprechen für den Freund der Toten und Ros lässt sich durch Bill zu einer Falschaussage überreden. Der mutmaßliche Täter wird verurteilt, alles scheint geregelt, doch dann findet Ros täglich mysteriöse Briefe vor ihrer Tür, die darauf schließen lassen, dass der wahre Täter noch auf freiem Fuß ist, was Ros und Bill in Erklärungsnot gelangen lässt.
Die Geschichte wird immer abwechselnd aus der Sicht von Ros oder Bill erzählt, wodurch sich vieles wiederholt, trotzdem aber nicht langweilt, weil immer neue Details dazukommen, die dem Leser die Lösung des Falls näher bringen. Der Roman beruht auf wahren Begebenheiten, was schon nachdenklich stimmt, wenn man bedenkt, wie schnell ein Mensch aufgrund eines Meineids verurteilt werden kann. Insgesamt spannend zu lesen, mit einem überraschenden und blutigen Ende.
Genre: ThrillerIllustrated by Rowohlt
Buchmessen sind immer wieder inspirierend. In diesem Jahr aber habe ich den wichtigsten Buchtipp erst bekommen, als die quirlige Leipziger Messe gerade hinter mir lag. Eher zufällig — oder doch schicksalhaft? — fiel mir das Buch einer Frau in die Hände, die ebenso wie ich sorbische Wurzeln hat. Erstes Interesse war geweckt, aber dann: Vom ersten Satz an entfaltet sich ein Feuerwerk an Worten, Bildern und Gedanken. Ein lakonischer Sturmwind fegt durch die Seiten, überfliegt das Leben der eigenwilligen Heldin, das tragisch zu nennen wäre, trüge seine Eigentümerin nicht ein hieb- und stichfestes Fell, das sie vor einem Teil der ihr zugefügten Verletzungen schützt. Als Tochter einer überforderten dreizehnjährigen Mutter im Auffanglager für danebengegangene Kinder aufgewachsen, absolviert sie diverse chaotische Stationen zwischen Ostsee und Niederlausitz, bringt mit ihrer ungebärdigen Art ihre sorbische Großmutter aus der Ruhe und versetzt die jeweiligen Entwicklungshelfer regelmäßig in Aufregung. Wo sie ist, bleibt sie Außenseiterin, behauptet sich tapfer gegen alle Anfechtungen von Gruppenzwang und öffentlicher Meinung. Fieberhaft sucht sie nach Halt. Nervös setzt sie die Segel, kaum dass der Anker ausgeworfen ist. Ruhelos strebt sie in die Ferne. Beharrlich reizt sie die Grenzen der allzu engen DDR aus. Auf dem Rad erobert sie sich sorbisches Minderheitenland, froh, endlich ein Stück Identität errungen zu haben. Doch sie bleibt zerrissen, sucht die Liebe und stößt sie weg, findet hie und da Anschluss bei anderen Außenseitern, die sich in den Nischen der sozialistischen Realität eingerichtet haben. Immer wieder bricht sie auf, auch wenn sich Wetter und allgemeine Lage erkältet haben. Die Wende eröffnet ihr Unglaubliches, aber die vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten bleiben ihr verwehrt, denn auch die Haut, in der sie steckt, ist von Vorurteilen gesprödet. Die atemlosen Leser in irdischeren Gefilden zurücklassend, gelingt der Ausbruch am Ende auf eine irrsinnig konsequente Art …
»Drachentochter« — ein großartiger, verstörender Roman einer bemerkenswerten Debütantin, die über einen unerschöpflichen Fundus an Sarkasmus, Wortwitz und Sprachspielen zu verfügen scheint und hoffentlich aufs neue zu Atem und Schöpferkraft kommen wird, um weitere literarische Werke hervorzubringen. Wir dürfen gespannt sein.
Genre: RomaneIllustrated by Rowohlt
Der Mord an Rosemarie Nitribitt ist der Einstieg in die »Kaiserstraße«. Der Junge Leo Böwe wird von nun an von dem Klang des Namens Nitribitt verfolgt. Er setzt sich fest in sein Gehirn. Leo Böwe beginnt eine Karriere als Waschmaschinenvertreter in der Wirtschaftswunderzeit der 50er Jahre. Er lernt, dass »der Verkauf erst dann beginnt, wenn der Kunde NEIN sagt«. Jule, seine zehnjährige Tochter, entstanden in einer enttäuschenden Ehe, sieht im Fernsehen den erschossenen Benno Ohnesorg und beschließt: Papi, wenn ich groß bin, erschieße ich dich auch.
Dieses Buch, gedacht als Streifzug durch das bundesrepublikanische Deutschland, ist an verschiedenen geschichtlichen Daten jüngster deutscher Vergangenheit festgemacht: 1957, 67, 77, 89, 99 und zeigt eigentlich sehr schön die Veränderung seiner Bürger, die Waschmaschinen verkaufen lernen müssen und schließlich sich selbst.
Leo Böwe, die zentrale Figur in den parallel erzählten Geschichten, beginnt seinen Aufstieg im Adenauerdeutschland und vertritt gewissermaßen die Träume aller (wahrscheinlich hofft die Autorin es). Es ist eine knappe Prosa, gut und flott erzählt, nur die Personen gehen doch farblos durchs Leben und könnten besser mit Stoff ausgefüllt werden. Hinter den flotten Sprüchen mancher Personen zeigt sich eigentlich nur stumme Resignation. So ist es doch bestimmt nicht gelaufen — in der BRD. Interessant ist das Buch auch in anderer Hinsicht noch, es zeigt doch dem ehemaligen DDR-Bürger ein bisschen die Lebenssituationen im anderen Deutschland.
Genre: RomaneIllustrated by dumont Köln
Soll ich wirklich einen Roman lesen, der sich Thriller nennt und bereits auf den ersten 25 Seiten 27 verschiedene Personen als schwer verdauliche Vorspeise einführt? Tu es, ermuntert der Klappentext, denn die Autorin konnte mit dem Werk »ihren lang gehegten Wunsch« verwirklichen, »vor dem Erreichen des dreißigsten Lebensjahres einen Thriller zu schreiben«. Nun, das ist ein umwerfend starkes Argument!
»Schattenturm« erzählt von einem New Yorker Polizisten, der im Dienst einen Mörder erschossen hat und sich von diesem Trauma eine einjährige Auszeit mit seiner bezaubernden Frau und seinem pubertierenden Sohn in Irland schenkt. Doch sein Opfer hat einen ihn im tödlichen Schwur verbundenen Kumpel, der nicht nur ein grässlicher Serienkiller ist sondern sich darüber hinaus furchtbar an dem ehemaligen Cop rächen will. Auf verschiedenen Erzählebenen werden die Schicksale der guten und der bösen Parteien gegeneinander gestellt, und dann kommt es, wie es kommen muss: der clevere US-Polizist kollidiert in dem irischen Dorf, in dem er wohnt, mit tumben Lokalpolizisten. Dabei ist er wirklich ein schlauer Kerl, er stellt praktisch aus der Erinnerung sämtliche Zusammenhänge her und deutet auch instinktsicher das teuflische Muster, das hinter den bizarren Sexualmorden lauert. Es kommt zum Showdown, doch der eigentliche Bösewicht entkommt … und damit deutet alles auf eine Fortsetzung hin, die uns die Autorin vermutlich rechtzeitig zu ihrem vierzigsten Geburtstag schenken wird.
In »Nacht des Orakels« schildert der Ich-Erzähler Sidney Orr Ereignisse seines Lebens. Der nach schwerer Krankheit Genesende berichtet über Liebe, Freundschaft, Tod sowie über seine Schwierigkeiten als Schriftsteller, dem es nicht gelingt, seine Gedanken in Worte zu fassen. Als er aber im Papierladen des geheimnisvollen Mr. Chang ein blaues Notizbuch erwirbt, scheint die Schreibhemmung zu verschwinden …
Mehrere Geschichten, die manchmal etwas konstruiert wirken, verbinden sich zu einem lesenswerten Buch, das außerdem durch eine schöne handwerkliche Ausstattung auf sich aufmerksam macht.
Jean Baptist Warnke lebt mit Frau und Kindern als zweiter Mann der niederländischen Botschaft im peruanischen Lima und pflegt das diplomatische Nichtstun. Täglich sieht man ihn in einem kleinen Café, wo er »Newsweek« liest. Dort begegnet er Marlena, einer Studentin, die Englisch lernt und in einem geheimnisvollen Chor singt. Schnell verzaubert ihn die aparte junge Frau und macht ihn zu ihrem »chunquituy«, ihrem Hündchen. Für den Diplomaten, der nur gelernt hat, sich überall heraus zu halten, gerät eine Welt aus den Fugen, als es sich auf das Abenteuer einlässt und sich abgöttisch in das Mädchen verliebt.
Warnke genießt seine neue Liebe, widmet ihr Sonette und fühlt sich wie im siebten Himmel. Ins Rutschen kommt die Sache, als Den Haag wissen will, warum er dem Weihnachtsempfang der japanischen Botschaft fernblieb, bei der er zu einer blutigen Geiselnahme kam. Bald tauchen auch Fotos auf, die den Vertreter der Königin mit seiner Flamme im Zoologischen Garten von Lima zeigen …
Grünberg erzählt mit viel Witz und trockenem Humor die Geschichte vom verliebten Repräsentanten des niederländischen Königreichs, der Kontakt zur Bevölkerung eines Landes sucht, von dem er herzlich wenig weiß. Er schildert eine naive Beziehungsgeschichte, die im wahrsten Sinne des Wortes explosiv endet.
Genre: RomaneIllustrated by Diogenes Zürich
Rechtzeitig zu ihrem 50. Geburtstag am 14. Juni 2006 legt die italienische Rocklady Gianna Nannini ihre Autobiographie vor. Die Musikerin präsentiert sich darin als eine von vielen Seiten getriebene, in einem bunten Mix von zufälligen und geplanten Begegnungen geformte Persönlichkeit auf dem Weg zum Olymp der europäischen Rockmusik.
Früh rebellierte der Spross einer reichen Konditorenfamilie aus dem toskanischen Siena und versuchte, aus vorgezeichneten Bahnen auszubrechen. Sie ging nach Mailand, tingelte durch Kneipen und lernte dabei immer wieder Menschen kennen, die ihren Weg bestimmten: Musiker, Texter, Journalisten, Produzenten, Schallplattenbosse. Wer die im Stakkato geschriebene und sich gern in Andeutungen und Sprachbilder fliehende Lebensgeschichte liest, gewinnt den Eindruck, dass Gianna Nannini in einem Wirbelsturm aus Drogen, Depressionen und Desaster zum Erfolg flog und davon selbst äußerst wenig bewusst wahr nahm. Eher zufällig promovierte sie nebenher und schuf musikalische Welterfolge. Erst spät scheint sie sich zu besinnen und auf die Suche nach sich selbst zu gehen.
»Ich« orientiert sich im Aufbau an den Songs der Künstlerin, die in den letzten dreißig Jahren entstanden. Das Buch empfiehlt sich damit vor allem denjenigen Fans, die mit den rebellischen, oft bitteren und impulsiven Songs der Schöpferin von »Latin Lover« und »Notti magiche« vertraut sind.
Beim Stichwort »Fußballdeutsch« denken Freunde gepflegter Sprache an begriffliche Blutgrätschen deutscher Kommentatoren, an Eindeutschungen aus dem Sturmtank, an Sprechblasen an der Kotzgrenze sowie an schillernde Stilblüten in Form einer Weizenbierdusche. Dass es noch schlimmer geht, beweist Ulf Geyersbach mit seiner Zusammenstellung von Sprechblasen der Kicker, Phrasen der Journalisten, und Worthülsen der Vereinsmeier und Politiker. Aus den lieblichsten Sprachverzierungen stellte er das Wörterbuch neudeutscher Fußballhöhen und -tiefen zusammen. Freunde intelligenter Sprachkritik sowie neugierige Sportfreunde werden gleichermaßen neugierig wie fassungslos reagieren.
Genre: SpracheIllustrated by Ullstein Berlin
Holm wird mit 37 Jahren aus dem elterlichen Nest geschubst und zieht auf die Couch zu Tante Hede, mit der er ein autistisches Zusammenleben zwischen Pantoffeln, Staubsauger und Kaffeetasse pflegt. Er begegnet in kleinen, vorsichtigen Schritten dem Leben, lernt Supermärkte und andere Herausforderungen des Alltags kennen. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nimmt er sogar eine Verkaufstätigkeit in einem Zigarrengeschäft auf. Schließlich drängt ihn die Tante, eine Damenbekanntschaft zu machen. Nach einem missglückten Treff mit einer Kontaktanzeige begegnet er Ulrike, Verkäuferin in der Herrenkonfektionsabteilung des Berliner KaDeWe. Tapsig und stets auf der Lauer vor den vielen Risiken im Umgang mit dem anderen Geschlecht schleicht Holm um die junge Frau herum, bis er schließlich mit seiner bescheidenen Habe vor ihrer Tür steht und einzieht.
»Ein Mann wie Holm« ist die kuriose Skizze eines sympathisch-schrägen Spießers, der sein Dasein und vor allem den Umgang mit dem anderen Geschlecht als Erkundung eines unwirtlichen Planeten erlebt. Das Buch ist skurril, amüsant und unterhält die Lachmuskulatur.
Wer schlägt mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende noch einen dickleibigen Roman auf, der haarklein und bis in blutige Details das Grauen entbehrungsreicher amerikanischer Entscheidungsschlachten gegen Hitlers Armeen schildert? Scott Turow schafft es, mit einem literarischen Kunstgriff sowie einer packenden Story den Leser in das verheerende Kriegsgeschehen längst vergangener Zeiten hinein zu ziehen: Ein Journalist findet ein autobiographisches Manuskript, das sein verstorbener Vater aus den letzten Kriegsjahren hinterlassen hat. Anhand dieser Unterlagen folgt der Sohn der Spur des Vaters bei dessen Heereseinsätzen. Sein Auftrag als Militäranwalt in den Ardennen lautet, einen im Auftrag westlicher Geheimdienste in vorderster Front tätigen Major festzunehmen, der sich der Befehlsverweigerung schuldig gemacht haben soll und von einem mit ihm im Clinch liegenden General sogar als Gegenspion betrachtet wird.
Anhand des nachgelassenen Manuskriptes sowie einiger Feldpostbriefe wird die Entwicklung des jungen Anwaltes vom Sesselpupser zum Frontschwein deutlich. Träumte er anfangs schwärmerisch davon, für sein Land zu kämpfen, wird er nun durch seinen Auftrag Schritt für Schritt in die allererste Frontlinie gezwungen. Dort lernt er die ungeschminkte Seite des Krieges kennen. Er muss mit dem Fallschirm über einer belagerten Stadt abspringen und sieht, wie nahe Tod und Leben beieinander liegen. Er führt in Ermangelung erfahrener Frontoffiziere eine verzweifelt ums Überleben kämpfende US-Kompanie, die unter deutschen Beschuss gerät und nahezu vollständig zerrieben wird. Er erfährt den Wert des menschlichen Lebens sowie den Widersinn des Völkermordens, vor dem die Soldaten im Angesicht des Todes zittern. Er lernt aber auch abzuwägen zwischen hölzernen Kommissköpfen und menschlich empfindenden und mitdenkenden Vorgesetzten und macht dadurch einen inneren Reifungsprozess durch.
Der Militäranwalt findet den Geheimdienstoffizier und lernt ihn genauer kennen. Er unterstützt ihn sogar bei einem Sabotageakt auf deutscher Seite und erlebt dessen Mut und Opferbereitschaft. Zu allem Überfluss verliebt er sich auch noch in eine polnische Partisanin, die an der Seite des Angeklagten kämpft. Bald zweifelt der Jurist am Sinn des ihm übermittelten Befehls, den bei den kämpfenden Truppen hoch angesehenen und beliebten Offizier zu inhaftieren und vor ein Kriegsgericht zu bringen, doch er befolgt den Auftrag. Allerdings lässt er seinen Gefangenen letztlich entkommen und bekennt sich schuldig, um dafür selbst eine langjährige Haftstrafe verbüßen zu müssen.
Wer sich nicht scheut, durch Schlammpfützen zu robben und zerfetzte Körperteile im Kugelhagel regnen zu sehen, der findet in Turows fesselnd geschriebenem Kriegsroman die differenzierte und nachvollziehbare Zeichnung eines Helden, der zu selbständigem Denken und Handeln gelangt, sich als Rädchen in der Maschine verweigert und dem Herzen folgt.
Genre: RomaneIllustrated by Blessing München