Mein Lied geht weiter

Eine Schwalbe macht noch keinen – wie bitte?

Der kahle Lindenbaum vor det Museum,
Is -haste Worte- wieda jrien belaubt.
Die Amseln üben wieda ihr „Te deum“,
Der Friehling kommt. Wer hätte det jejlaubt!
Ick laß mia von´ Aprilwind nicht vaschrecken
– Von wejen „Volksmund“, ick bleib fest dabei:

Eene Schwalbe macht eenen Sommer!
Eene Rose macht eenen Mai!

In meinem Blumentopp blieht schon een Krokus
– Na, und mein Emil is so jut wie neu!
Nachts im Park jibts wieda Hokuspokus.
Aus eins und eins wird zwei. Und späta drei!
Det een Mal keen mal sein soll, is een Märchen.
Man hat oft Pech, doch bleib ick fest dabei:

Eene Schwalbe macht eenen Sommer,
eene Rose macht eenen Mai.
Ei wei!

Wenn die ersten Schneeglöckchen blühen und die letzten Schneeflocken fallen, draußen die Sonne scheint, es aber noch a…kalt ist, kann man drinnen noch getrost seinen Leidenschaften frönen, z.B. ein Gedichtbuch zur Hand nehmen…
Dies tuen wahrscheinlich nur wenige Menschen, denn man musste in der bereits verflossenen Schulzeit andauernd Gedichte auswendig lernen und interpretieren…
Aber es gibt auch eine stets wachsende Fangemeinde, die in Gedichten etwas ganz anderes findet, z.B. Humor…
Und den feinen Humor, trotz aller ernsthaften Lebensangelegenheiten, atmen die meisten Gedichte von Mascha Kaleko ein und aus…

Der vorliegende kleine Band ist eine Auswahl von einhundert Gedichten aus Mascha Kalekos Nachlass, der sich in sieben „Kapitel“ gliedert…
Das Gute daran ist, dass man die Kapitel nicht, wie in einem Roman, nacheinander lesen muß, sondern man einfach irgendeine Seite aufschlagen und loslesen kann…
Aber Vorsicht, alles in Maßen und nicht in Massen! Auch für Mascha Kalekos Kleinode gilt: Weniger ist mehr!
Man kann den kleinen Band schon jetzt „durchkämpfen“, aber er liest sich bestimmt auch genauso schön unter einem sommerlichen Apfelbaum…

Zum Schluss noch etwas in Hochdeutsch für alle Fans dieser Internetseite, natürlich von Mascha Kaleko (1907-1975):

Ansprache eines Bücherwurms

Der Kakerlak nährt sich vom Mist,
Die Motte frißt gern Tücher,
Ja selbst der Wurm ist, was er ißt.
Und ich, ich fresse Bücher.

Ob Prosa oder Poesie,
Ob Mord – ob Heldentaten –
Ich schmause und genieße sie
Wie einen Gänsebraten.

Ich bin ein belesner Herr,
Nicht wie die andern Viecher!
Daß Bücher bilden, wißt auch ihr,
Und ich – ich fresse Bücher.

Die Nahrung, sie behagt mir wohl,
Verleiht mir Grips und Stärke.
Was andern Wurst mit Sauerkohl,
Das sind mir Goethes Werke.

Ich fraß mich durch die Literatur
So mancher Bibliotheken;
Doch warn das meiste, glaub es nur,
Bloß elende Scharteken.

Das Bücherfressen macht gescheit.
So denken sich´s die Schlauen.
Doch wer zuviel frißt, hat nicht Zeit,
Es richtig zu verdauen.

Drum lest mit Maß, doch lest genug,
Dann wird´s euch wohl ergehen.
Bloß Bücher fressen macht nicht klug!
Man muß sie auch verstehen.


Genre: Lyrik
Illustrated by dtv München

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