Nordkorea, das Land, in dem die rote Sonne Kim Jong Ils ohne Unterlass scheint, ist eine der wenigen unerforschten Flecken unserer Erde. Sagenumwoben wird einer der letzten Bastionen des Personenkults alles Mögliche unterstellt und angedichtet: vom Kannibalismus seiner ausgehungerten Landsleute bis zum Größenwahn des geliebten Führers, der mit Drogen handeln, wüste Partys feiern und diversen Lastern frönen soll. Der amerikanische Präsident wittert inzwischen sogar den Achselschweiß des Bösen von Pjöngjang bis ins Oval Office und möchte gern sein tödliches Deo versprühen. Da kommt der erste Bildband mit Fotos aus dem Inneren des kommunistischen Landes gerade recht, um sich zumindest einen optischen Eindruck zu verschaffen. Weiterlesen
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Die totale Erinnerung
Das Gottesspiel
Über Kleinanzeigen sucht und findet ein namenloser Schriftsteller Menschen, die lebensüberdrüssig sind. Er hört sich gegen gutes Honorar ihre Geschichte an, er spricht mit ihnen und gibt ihnen Empfehlungen für ihren Freitod, den er persönlich begleitet. Als Clou verspricht er den Kandidaten, sie als Romangestalt wieder auferstehen zu lassen, wenn sie ihn denn faszinieren. Dies ist Gegenstand des in Südkorea als Skandal gefeierten Romans »Das Gottesspiel«, der jetzt in deutscher Sprache vorgelegt wurde.
Der im Original »Der Sterbehelfer« betitelte Roman wurde in der deutschen Übersetzung in „Das Gottesspiel“ umgetauft, weil sich der schriftstellernde Geburtshelfer des Todes selbst als eine Art Gottheit fühlt, der sich als Herr über Leben und Tod aufschwingt, zumal er seine Gestalten literarisch wieder erweckt. Er identifiziert sich mit dem von Eugène Delacroix 1827 gemalten »Tod des Sardanapal«, einem blutrünstigen Bild, auf dem der König von Babylon vor der Kapitulation die Königin, seine Konkubinen und sein Lieblingspferd grausam abschlachten lässt, während er dem Festschmaus des Todes auf seinem Diwan liegend zuschaut.
»Das Gottesspiel« spiegelt das Empfinden einer Generation, die satt und orientierungslos auf der Suche nach sich selbst ist und dabei auch bereit ist, die Grenze zwischen Leben und Tod zu übertreten. Dazu gehört Judith, die an der Welt und dem Leben kein Interesse mehr hat und deshalb den Tod als Abwechslung in ihrem als dumpf empfundenen Dasein erlebt.
Kim Young-ha gilt als Vertreter der neuen Generation von südkoreanischen Schriftstellern, die den dynamischen, coolen Stil der jüngeren Bewohner der Zehn-Millionen-Stadt Seoul spiegeln. Ging es in der düster und schwermütigen Literatur des diktatorisch regierten Landes bisher vorrangig um die Teilung des Landes, um den Korea-Krieg, um Schmerz und Leiden der Menschen, gibt es inzwischen auch Literatur, die mehr Leichtigkeit besitzt und globale Themen aufgreift. Denn ob junge Leute in Berlin, New York, Paris oder auch in Seoul leben, sie sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert: das Individuum ist isoliert, und die Kommunikation zwischen den Menschen funktioniert nur noch oberflächlich. So verschwimmen Grenzen, und der Kitzel im Umgang mit dem eigenen Leben beginnt bereits dort, wo Bleifüße im Rausch von Geschwindigkeit und brüllender Musik mit aufgemotzten Blechschüsseln ziellos durch die Nacht rasen.
Vergessene Stimmen
Geradlinig und schnörkellos berichtet der Autor, wie der Held seiner erfolgreichen Thriller, Detective Harry Bosch vom Los Angeles Police Department, durch einen neuen Polizeichef aus dem selbst gewählten Ruhestand zurück geholt und mit der Aufarbeitung eines seit siebzehn Jahren ungelösten Mordfalls betraut wird. Dabei kommt ihm und seiner Partnerin Kiz Rider die Entwicklung der Technik zugute: es gibt eine DNA-Spur an einer Tatwaffe, mit der das Verfahren neu aufgerollt wird. Damit scheint es endlich möglich, den Mord an einer 16jährigen Schülerin aufzuklären.
Mit spürbarer Detailkenntnis über interne Strukturen des LAPD schildert der ehemalige Polizeireporter, wie die Ermittler das Puzzle Stück für Stück zusammensetzen. Der rätselhafte Fall entwickelt sich zu einem »High Jingo«, einer Ermittlung, in die auch Polizisten verstrickt sein könnten. Verbissen graben sich Bosch und Rider durch die Fakten und ermitteln Tag und Nacht, um relativ rasch durch Intuition, Erfahrung und eine gute Portion Glück zu einer unerwarteten Lösung des Mordfalles zu kommen.
Der Autor erweist sich als sorgfältiger Handwerker und reiht die Ereignisse sachlich und minutiös auf. Durch das Tempo der Handlung lässt er eine subtile Spannung entstehen, die eine durchaus fesselnde Lektüre beschert.
Frank Sinatra ist erkältet
Gay Talese und seine Kollegen Tom Wolfe und Hunter S. Thompson gehören zu den bekanntesten Vertretern des sogenannten New Journalism. Talese beschrieb seine Art der Recherche einmals als »the fine art of hanging around«. In dem vorliegenden Band werden Stories aus vier Jahrzehnten vorgestellt, mal ist es eine Geschichte über die Stadt New York, in der wir unter anderem etwas über die umherstreunenden Katzen der Großstadt erfahren. Eine andere Geschichte entführt uns nach Kuba, als der Boxer Muhammad Ali mit großem Gefolge der Insel und Fidel Castro »an einem warmen, windigen Winterabend« einen Besuch abstattet.
In der Titelgeschichte »Frank Sinatra ist erkältet« versucht Talese wochenlang, an den bekannten Sänger heranzukommen, was aber immer wieder scheitert, da Sinatra tatsächlich erkältet oder einfach schlecht gelaunt ist. Stattdessen erfährt der Leser Erstaunliches über Freunde und Umfeld von Sinatra und deren Milieu.
Eine großartig recherchierte Reportage ist »Die Brücke«. Hier erfährt man die wichtigsten Dinge über den amerikanischen Stahl- und Hängebrückenbau. Wir erfahren etwas über Boomer und Punks, über die Hierarchie und Rivalität der Arbeiter bei ihrer äußerst gefährlichen Tätigkeit.
Der Band »Frank Sinatra ist erkältet« besteht aus zehn großartig erzählten, unaufgeregten Geschichten, in denen sich der Erzähler im Hintergrund hält, und deren Lektüre ein einziges Vergnügen ist.
Der weiße Neger Wumbaba
In dem kurzen Text »Der weiße Neger Wumbaba« geht es um das »Verhören« bei Gedicht- und Liedzeilen.
Axel Hacke widmete sich in mehreren Kolumnen in der »Süddeutschen Zeitung« dieser vergnüglichen Thematik und erhielt daraufhin zahlreiche Zuschriften mit Beispielen aus allen Bereichen. So fußt der schmale Band, der von dem Berliner Maler und Zeichner Michael Sowa herrlich illustriert wurde, wesentlich auf den Beiträgen, die aus dem Leserkreis des Kolumnisten beigesteuert wurden.
Der Buchtitel fußt auf dem Hörfehler eines Musikenthusiasten. Der verwandelte die vertonten Gedichtzeilen »und aus den Wiesen steiget / der weiße Nebel wunderbar« aus »Der Mond ist aufgegangen« von Matthias Claudius folgendermaßen: »und aus den Wiesen steiget / der weiße Neger Wumbaba«. Es entstand damit eine poetische Traumgestalt.
Hacke hält das für den besten Beweis seiner im Buch aufgestellten These, »dass die besseren Liedtexte in den Köpfen der Hörer entstehen«.
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Otherland 2 • Fluss aus blauem Feuer
Im zweiten Band der vierteiligen Cyberspace-Saga entdecken die Gefährten, die in das virtuelle System von »Otherland« eingedrungen sind, die verbindende Bedeutung des Flusses. Dieser Fluss aus blauem Feuer ist die einzige stabile Nahtstelle zwischen den verschiedenen Welten der virtuellen Realität, die sie durchqueren. Weiterlesen
Freaks
Fünf extreme Typen leben für ein paar Wochen den Traum einer Band, die Jung und Alt von den Stühlen reißt und sich nach der Eigenart benennt, die sie eint: sie sind »The Freaks«. Joey Goebel, der 1980 geborene Leadsänger der Punkrockband »The Mullets«, erzählt in seinem collageartigen Kurzroman die amüsante Geschichte ihrer Begegnung und schildert ihren ersten und letzten furiosen Auftritt.
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Vindings Spiel
Wenn die Not der Pubertät mit dem Tod der Mutter zusammentrifft, kann dies nur in eine Katastrophe münden. Doch der fünfzehnjährige Aksel Vinding nennt eine starke Kraft sein eigen, die einzige Hinterlassenschaft seiner Mutter: die Liebe zur Musik. Wie viele Stunden haben sie gemeinsam dem alten Bechstein-Klavier himmlische Musik entlockt, wie viele Tage und Nächte vor dem Radiogerät gesessen und den Konzerten großer Musiker gelauscht. Nun ist die Musik alles im Leben des Aksel Vinding, die Musik und jenes unnahbare Mädchen, das sich schließlich als virtuose Pianistin mit dunklem Geheimnis offenbart …
Der norwegische Schriftsteller Ketil Bjornstad ist selbst von Haus aus Musiker. Sein psychologisch raffinierter und tiefgründig ausgefeilter Roman hat die Rezensentin zwei Urlaubsnächte lang völlig vereinnahmt und einen wirklich starken Eindruck hinterlassen. Liebe, Leben und Musik prägen den steinigen Weg seines eigenwilligen Protagonisten, einer starken Persönlichkeit, die beharrlich und kompromißlos nach Höherem strebt.
»Vindings Spiel« – ein zuweilen unbequemes, beinahe sprödes Buch, das sich intensiv und voller Spannung ins Bewußtsein der Leser drängt.
Die Frühreifen
Gibt es ein Geheimnis um den Tod von Lisa Trendel, die bei einem gemeinsamen Bootsausflug mit ihrem Bruder Evy ins Wasser fiel und ertrank? Warum verfolgt und bedrängt Lisas beste Freundin Anais den frühreifen Vierzehnjährigen? Wie finanziert Gaby, die für Evy eine unberührbare Göttin ist, ihren enormen Drogenkonsum, und warum brennt sie schließlich mit seinem Vater durch?
Temporeich und mit pornographischem Einschlag beschreibt der französische Autor Generations- und Selbstfindungskonflikte der sich selbst als »happy few« verstehenden amerikanischen Oberschicht, in der es hinter den prächtigen Kulissen alles andere als vorbildlich abgeht. Zermartert von der Sucht nach Anerkennung versucht sich Evys Vater, ein langjähriger Junkie, an der Wiederbelebung seiner Schriftstellerkarriere, während seine dem Alkohol zugetane Mutter ein Comeback als Filmstar betreibt. Der Junge ist früh allein gelassen und lebt mit seinen Kumpels in einer eigenen Welt aus Drogen, Sex und Streichen. Das Gespräch zwischen den Generationen scheint ausgeschlossen, auftretende Probleme werden mit Einfluss und Geld kaschiert.
Djians 1985 erschienener Erfolgsroman »Betty Blue. 37,2 ° am Morgen« war eines der Bücher, das man in den 80er Jahren gelesen haben musste. Geschult an amerikanischen Vorbildern wie Henry Miller, Hemingway oder Kerouac erzählte der Autor darin die Geschichte von einer Wahnsinnsfrau und einem Klempner, Pizzakellner und Klavierverkäufer, getränkt mit viel Sex und Alkohol.
»Die Frühreifen« portraitiert die in die Jahre gekommene Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll-Generation und deren Kinder, die eigene Ideale leben wollen und dabei doch häufig wieder in Klischees zurückfallen. Djian spiegelt in dem Roman die Sprachlosigkeit der Generationen und die Erfolglosigkeit, mit der eine Elterngeneration versucht, Werte zu vermitteln.
Wacht auf! Wir sind gleich da
Chandler Brossard (1922-1993) zählt stilistisch zur Beat-Generation, ohne bislang über den Rand des amerikanischen Sprachraums bekannt zu sein. In seinem, jetzt erstmals in deutscher Sprache vorliegenden 764 Seiten starken Monolog mäandert der Autor wortgewaltig durch den sozialen Untergrund. Das exquisite Werk liest sich wie ein Trip einer multiplen Persönlichkeit der 60er Jahre auf Droge, der immer wieder der Erzählfaden zu reißen scheint und die ihn dann doch geschickt wieder aufgreift. Es ist eine farbenprächtige Assoziationskette, die Brossard aufzieht, und die ihn immer wieder selbst begeistert: da war doch noch dies, und das, und dort…
Der Protagonist erzählt vom unerträglichen Leben mit seiner Frau: Sie fressen einander auf — und zwar pausenlos. Täglich haben sie den Geschmack von Blut im Mund, fügen sich Schmerzen zu wie Stromschläge, reißen sich das Fleisch vom Leib, denn erst das gibt ihrer Existenz Form und Substanz. Dann wechselt er jäh die Identität und schlüpft in die Haut eines Negers, ins Kostüm eines Homosexuellen, in Frauenkleider. Bald ist er im Vietnamkrieg, dann raubt er eine Bank aus, und immer wieder gestaltet er atemberaubende Orgien mit. In seiner dichterischen Phantasie spielt zügelloser Genuss eine bestimmende Rolle, und so enthält das Buch viele Stellen, die von ordentlichen Müttern unter Wachschutz gestellt sind. Zugleich wird im Rollenwechsel das unvergleichliche Talent des Autors deutlich: sich in bizarre Identitäten hineinzufühlen und diese prall und lebensnah zu beschreiben.
Brossard ist ein Autor, der sich zum sprachlichen Milieu des gesellschaftlichen Auswurfs hingezogen fühlt und der alles hasst, was gesellschaftlichen Konventionen und Verpflichtungen entspricht. Damit bereichert der Sprachschamane die Beat-Generation um eine Note, die dem deutschen Sprachraum bislang verschlossen blieb.
Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt
Einhundert persönliche, minutenkurze Texte, Tagebuchbemerkungen und Kolumnen geben Einblick in das Denken des zwischen Brasilien und Frankreich pendelnden Erfolgsautors. Dabei spricht aus nahezu jeder Zeile eine missionarisch anmutende Religiösität, die Coelho selbst Spiritualität nennt.
Paulo Coelho wurde in einer Jesuitenschule streng katholisch erzogen, bis er sich als Jugendlicher verweigerte und zum Hippie mit lendenlangem Haar wurde. Seine verzweifelten Eltern wiesen ihn dreimal in eine Nervenheilanstalt ein, wo er mit Elektroschocks traktiert wurde, die Jahrzehnte später die gewünschte Wirkung zeigten: da glaubte der Autor, eine Vision gehabt zu haben und trat in einen erzkatholischen Orden ein. Seitdem predigt er Gottes Wort in Schriftform.
Die in dem Band versammelten Kurztexte lassen Coelho in jeder Blume das Werk des Allmächtigen beschreiben. Auf den weniger esoterisch angehauchten Leser wirken die literarisch anspruchslosen Texte mitunter hausbacken, doch es lässt sich unter persönlichen Aspekten durchaus der eine oder andere Gewinn ziehen. Coelho selbst fasst die Zielstellung seiner literarischen Motivationsarbeit so zusammen: »Es gilt, alles zu unterlassen, was uns zu lebenden Toten macht, und alles auf die Dinge zu setzen, von denen wir immer träumten, und alles für sie zu riskieren. Denn, ob wir wollen oder nicht, der Todesengel erwartet uns schon«.
Tiefer Schmerz
Tiefsten Schmerz müssen verschiedene Opfer empfinden, die auf die jeweils gleiche bestialische Weise hingerichtet werden: an den Füssen aufgehängt, damit das Blut in den Kopf strömt und den Schädel mit einem eigenartigen Drahtinstrument durchbohrt. Der eine Tote ist ein brutaler Zuhälter, der andere ein betagter jüdischer Gehirnforscher, und bald stellen sich rund um den Globus weitere ähnliche Morde dar, die jedoch keinen erkennbaren Zusammenhang haben.
Grund genug für die Sonderermittlungsgruppe der schwedischen Reichspolizei um Kerstin Holm und Paul Hjelm, europaweit auszuschwärmen und zu ermitteln. Mit Hilfe von viel Gespür, unglaublichen Zufällen und einem funktionierenden Europolsystem finden sie nach langen Mühen den gemeinsamen Nenner, der die brutalen Morde eint. Dazu müssen sie weit in die Vergangenheit zurückgreifen.
Dahls Talent liegt in der lebensnahen Zeichnung von Personen, die er differenziert und kantig schildert. Die blutige Story selbst ist in hohem Masse konstruiert, doch die intensive Dramatik des Romangeschehens zwingt zum Weiterlesen. Schleppend wirkt, wenn der Autor immer wieder seine bisherigen drei Bücher, also die anderen Fälle der Ermittlungsgruppe, zitiert und damit Zeilen schindet. Die detailgetreue Beschreibung von zerfetzten Leichen ist dem Leser skandinavischer Krimiliteratur inzwischen vertraut, davor muss in diesem Fall also kaum gewarnt werden. »Tiefer Schmerz« bietet spannende Lektüre und Arne Dahl präsentiert sich als Autor, von dem bestimmt noch weitere Krimis zu erwarten sind.
Otherland 1 • Stadt der goldenen Schatten
Die wohl umfangreichste Erzählung über ein Leben im virtuellen Raum ist Tad Williams Monumentalwerk »Otherland«. In dem Werk geht es darum, dass immer mehr Kinder Opfer ihrer Netzsucht werden und nicht mehr offline gehen können. Um diese Kinder zu retten, beschließen Jugendliche und Erwachsene aus unterschiedlichen Kulturen, sich in den virtuellen Raum zu begeben und nach ihnen zu suchen. Sie erleben eine atemberaubende Weltenschöpfung und geraten in gefährliche Auseinandersetzungen. Weiterlesen
Dämon
Dämon erzählt mehrere Handlungen zur gleichen Zeit und führt nach und nach die einzelnen Handlungsstränge zu einem Ganzen zusammen. So finden Meeresforscher auf dem Grund des Meeres ein im Zweiten Weltkrieg gesunkenes Schiff, von dem sie einen Teil bergen können. Sie ahnen nicht, welches Unheil sie damit an die Oberfläche bringen. Denn in dem Wrackteil befindet sich ein uralter Dämon, dessen Ziel es ist, zu töten. Mit der Überführung des Schiffsteils nach Boston beginnt für die Einwohner der Schrecken einer Mordserie. Merkwürdig verstümmelte Leichen und Spuren, die auf ein wildes Tier deuten, machen es den Bostoner Polizisten nicht einfach, den Fall zu lösen. Alles scheint auf eine Verbindung zwischen dem Wrackteil und den Morden hinzudeuten. Doch die ermittelnden Polizisten ahnen nicht, dass sie es mit einem uralten, bis tief in die Vergangenheit zurückreichenden Geheimnis zu tun haben, in das sie sogar selbst verwickelt sind.
Wer sich auf »Dämon« einlässt, bekommt es mit viel Blut, aber auch einer spannend aufbereiteten Geschichte zu tun. Da die Handlung stellenweise sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Kosovo spielt, geht es manchmal ordentlich zur Sache. Für zarte Gemüter wird das auf Dauer etwas belastend, ist für den Verlauf der Geschichte aber entscheidend. Der Wechsel in den Zeitebenen und den verschiedenen Strängen ist zu Anfang gewöhnungsbedürftig, wenn man aber langsam versteht, was die einzelnen Personen und Aktionen miteinander verbindet, wird das Lesen richtig spannend. Insgesamt hätte man die Story gut und gerne um 100 Seiten kürzen können und auch das Ende ist leider nicht befriedigend, im Großen und Ganzen sorgt »Dämon« aber für ein spannendes Lesevergnügen und für immer neue kleine Rätsel, die es zu lösen gilt.
Die Elfenbeinschatulle
Ein Unternehmer beauftragt einen Auftragskiller, als Detektiv seine Tochter zu finden, die vermisst wird und dabei jedes Aufsehen zu vermeiden. Der in die Jahre gekommene Berufsmörder trifft auf eine Lehrerin, der sich das gesuchte Mädchen anvertraut hat und die ihre starke Bindung zur Literatur kennt. Das ungleiche Gespann begibt sich auf die Suche und findet sich bald in der verschwiegenen Welt der Hersteller von Gewaltfilmen wieder, die junge Mädchen für ihre Zwecke brutal ausbeuten und dann verschwinden lassen.
In der Verschiedenartigkeit der beiden Ermittler liegt der besondere Reiz des ungewöhnlichen Romans, den der Autor mit psychologischem Einfühlungsvermögen geschickt inszeniert. Jeder der bislang in deutscher Übersetzung vorliegenden Somoza-Romane atmet eigenen Stil. Der Autor baut atemberaubende Spannung auf, ohne in den Trivialitäten des klassischen Kriminalromans zu versinken und ist schon deshalb eine Entdeckung!