A Berlin Trilogy

Band 1: Rosa

Berlin 1919: Die Hauptstadt ist arg gebeutelt von den Irrungen der Nachkriegszeit und den Wirrungen der deutschen „Revolution“ und zu allem Überfluss hat es Kripo-Kommissar Hoffner auch noch mit einem Serienmörder zu tun, der seinen Opfern exzentrische Muster in den Rücken schneidet. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, doch dann nimmt der Fall eine überraschende Wendung, als ein neues Opfer entdeckt wird: Rosa Luxemburg. Die Gründerin und Führerin der Kommunistischen Partei Deutschlands war seit dem gescheiterten Spartakus-Aufstand vermisst und Hoffner wird schnell klar, dass sich dadurch alles verändert. Nun muss er nicht nur einen Mörder suchen, sondern sich auch mit den verschiedenen politischen Strömungen dieser unruhigen Zeit befassen ohne zwischen deren Fronten zu geraten, denn die Polpo (Politische Polizei) wartet nur darauf, dass er einen Fehler macht…

Band 2: Shadow and Light

Berlin 1927: Kommissar Hoffner wird zu den Ufa-Filmstudios in Babelsberg zitiert um einen vermeintlichen Selbstmord zu untersuchen. Doch wie im Film sind die Dinge nicht so wie sie scheinen und Hoffner findet viel mehr Fragen als Antworten: Ist es wirklich möglich, Filme mit Ton zu produzieren? Wer könnte Interesse an Pornos haben? Was genau wollen die Amerikaner aus Hollywood? Und welche Rolle spielt eigentlich der egomanische Regisseur Fritz Lang? So beginnt eine lange Reise, die den Kommissar zu den dunklen Seiten Berlins führt, Drogen, Sex und Dekadenz als scharfer Kontrast zur Ufa-Scheinwelt. Aber er hat auch noch private Angelegenheiten zu regeln, seine Söhne drohen ihm zu entgleiten und besonders der Ältere unterhält ungesund engen Kontakt zu einer neuen politischen Gruppierung und einem kleinen hinkenden Mann namens Joseph Goebbels…

Band 3: The Second Son

Berlin 1936: Die Stadt wird herausgeputzt für die Nazi-Olympiade und Kommissar Hoffner muss den Dienst quittieren, seine Mutter war Jüdin. Er hat auch sogleich Verwendung für die neu gewonnene Zeit, denn er reist nach Barcelona, wo sein Sohn Georg vom Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs überrascht wurde und seitdem als vermisst gilt. Dort angekommen gerät er schnell in einen Strudel aus Misstrauen und Verrat, finstere Machenschaften ausländischer Geheimdienste und natürlich zwischen die Fronten der verschiedenen einheimischen Kämpfer. Tatsächlich findet er Spuren seines Sohnes und er nimmt unter meist chaotischen Umständen die Verfolgung auf. Doch Eile ist geboten, denn die Zeit ist knapp und die faschistischen Franco-Rebellen rücken immer näher…

Jonathan Raabs Romantrilogie wäre mit der Bezeichnung Kriminalliteratur nur äußerst unzureichend etikettiert, bietet sie doch sehr viel mehr. Personen der Zeitgeschichte wie Albert Einstein oder Fritz Lang werden in einer Mischung aus Fakt und Fiktion in den historisch politischen Hintergrund eingebunden und verleihen dem Werk dadurch eine faszinierend dichte Atmosphäre. Kommissar Hoffner ist der tragische Anti-Held, ein einsamer Wolf, stets zum Scheitern verurteilt, vom Leben bestraft durch zahlreiche Nackenschläge, die im letzten Buch allerdings für meinen Geschmack ein wenig zu heftig ausfallen.

Aber zumindest die ersten beiden Romane haben noch eine zweite Hauptfigur und die heißt Berlin. Dem Autor gelingt es überzeugend, die Stimmungen einzufangen, mal melancholisch, mal morbide dekadent, auch düster und bedrohlich, wenn er den sich schon früh abzeichnenden Aufstieg der Nazis und ihrer Helfer beschreibt, Berlin noir in Reinkultur. Die Sprache ist dazu passend dicht und intensiv, beschränkt auf das Wesentliche, befreit von überflüssigem emotionalem Ballast. Wer sich auf diese Art von Literatur einlässt, dem sei die Berlin-Trilogie wärmstens ans Herz gelegt, ich jedenfalls hätte etwas versäumt, wenn ich auf die Lektüre verzichtet hätte.


Genre: Romane
Illustrated by Halban

Familienbande

Familienbande
“Dein Vater wird auch dann noch am Leben sein, wenn längst niemand mehr weiß, dass es Nachkommen von ihm gegeben hat.” *1 Diesen Satz sagt die Mutter nach dem Tod des Vaters zu ihrem jüngsten Sohn Michael. Sie meint das nicht böse, sie sagt es nicht im Streit. Das ist eben ihre Sicht der Dinge, ihre Sicht auf die Bande, die ihre Familie umschlingen. Die Mutter ist Katia Mann und der Vater, das ist Thomas Mann, der Zauberer. Kaum eine Familiengeschichte ist so umfassend dokumentiert wie die der Manns. Doch im Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit stand stets der Zauberer selbst, allenfalls die Söhne Klaus und Golo und die Tochter Erika erfuhren relevantes Interesse.Über den jüngsten Sohn, Michael, liest man meist nur eine Randnotiz wie “Michael ist Musiker und hat ein Programm vorzubereiten.” *2
Michael Degen erzählt in seinem Roman Familienbande von Michaels Leben, seiner zerrissenen Persönlichkeit, seiner Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe im kalten Umfeld einer intellektuellen Familie. Michael war von den sechs Kindern Thomas Manns das ungewollte, das ungeliebte Kind. Ein Kind, dem der große Schriftsteller mit Distanz, zeitweise mit Verachtung und Ekel begegnete. Die Mutter stellte ihren Gatten und sein Ausnahmetalent über alles, auch über ihre Kinder. Michael, Bibi genannt, ist als Kind schon schwierig, früh zeigt sich ein Hang zur jähzornigen Gewalttätigkeit. .Seine Frau Gret, Gefährtin seit Jugendtagen, wird die Einzige sein, der es gelingt, ihn halbwegs in der Spur des Lebens zu halten. In den Kriegsjahren, als die Familie in alle Winde zerstreut wird, erblüht Michael Manns Liebe und Talent zur Musik. Er wird zu einem der besten Bratschisten des letzten Jahrhunderts. Gemeinsam mit Yaltah Menuhin gibt er umjubelte Konzert auf ausgedehnten Tourneen. Doch es reicht nie. Der Vater verweigert die Anerkennung. Ein Musiker sei lediglich reproduzierender Künstler, keiner, der etwas erschaffe. Bis zum Lebensende Thomas Manns schaffen es Vater und Sohn gerade eben, ein Arbeitsverhältnis zu haben, als Thomas Mann Hilfestellung Michaels zum Dr. Faustus annimmt. Michaels ältester Sohn, Frido wird hingegen vom Großvater mit Liebe überschüttet, “für dieses junge Leben trägt er Segenswünsche im alten Herzen” *3
Auch dies löst in Michael Mann äußerst ambivalente Gefühle aus, welche seine eigene kleine Familie zu zerstören drohen. Nach dem Tode des Vaters bricht Michael jäh mit seiner bisherigen Karriere und beginnt eine zweite als Germanist. Auf Bitten der Mutter gibt er schliesslich die unveröffentlichten Tagebücher des Vaters heraus. Doch mit dem, was er darin über sich selbst lesen muss, wird er zeitlebens nicht fertig werden können. Wie Klaus hat auch Michael einen Hang zur Selbstzerstörung, schließlich stirbt auch er in einem Exzess aus Alkohol und Drogen.

Michael Degen ist ein großartiger Roman von bemerkenswerter Dichte gelungen. Man merkt an jeder Stelle des Romans, wie sehr dem Autor Sprache am Herzen liegt und wie virtuos er damit umzugehen versteht. Er beschönigt nichts, er wirbt auch nicht um Verständnis, er erklärt. Doch dem Leser sind die Charaktere stets nah. Darin liegt eine große Stärke dieses Buches. Ganz sicher ist es auch ein großer Verdienst des Autors, das Schicksal Michael Manns aus einer Ecke herausgeholt zu haben, in die es nicht gehörte und Dinge zu beleuchten, die bisher kein großes Interesse fanden. So war mir neu, dass Michael Mann gemeinsam mit Yaltah Menuhin konzertierte. Diese Tatsache alleine ist schon so interessant, dass ich mich ernsthaft frage, warum dies niemand bisher eines Romans für würdig befunden hat. Der Sohn eines berühmten Vaters, die Schwester eines berühmten Bruders – “wir haben beide unser Päckchen zu tragen”. So lässt es Michael Degen die schöne Geigerin sagen. Welch ein Thema. Zwei hochbegabte Künstler, gefeiert, aber nie aus dem übermächtigen Schatten der berühmten Verwandschaft heraustreten könnend. Sie werden bejubelt auf ihren Reisen, doch in den Behelfs-Schaufenstern der Nachkriegszeit hängen nur Plakate des Zauberers.

Dennoch – Familienbande ist ein Roman. Keine Biographie.Ich bin hinlänglich, aber nicht in allen Details mit der Geschichte der Familie Mann vertraut und bin mir nicht sicher, was in diesem Roman Fiktion und was wirklich so geschehen ist. Degen belegt zwar seine Zitate, verweist im Roman selbst auch auf verschiedene Quellen, aber ich hätte es schon gerne etwas genauer gehabt. Ich wüsste gerne, ob Katia Mann den eingangs erwähnten Satz wirklich so gesagt hat. Auch erschien mir die Person Gret Mosers zu verklärt. In Interviews mit Frido Mann liest sich das signifikant anders. Darüber hinaus hat mich irritiert, dass die Adoptivtochter von Gret und Michael, Raju, Degen nicht eine einzige Erwähnung wert war.

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist Familienbande ein tief berührender, aber auch verstörender Roman, der auch abseits der Thomas-Mann-Gemeinde sein Publikum finden sollte. Er zeigt eindrücklich, was Familienbande lebenslang unabänderlich anrichten können Man ist versucht, während der Lektüre zu seinen Kindern zu gehen und zu fragen: Ihr wisst schon, dass ich Euch lieb habe und stolz auf Euch bin?

Der Autor: Michael Degen ist einer der renommiertesten Schauspieler Deutschlands. Seit seiner Autobiographie “Nicht alle waren Mörder” ist er auch als Schriftsteller überaus anerkannt. Als Schauspieler ist er mir vor allem erinnerlich als Meister der leisen Töne und genau diese sind es auch, welche die Familienbande so lesenswert machen.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift.

Quellenangabe: 
*1 S.461, Familienbande
*2 aus Heinrich Breloer, die Manns
*3 aus Briefwechsel Thomas Mann/ Agnes Meyer


 


Genre: Romane
Illustrated by Rowohlt

Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit Henry Ingram verdient sein Brot im London unserer Tage mehr schlecht als recht mit der Schauspielerei. Nach langer Durststrecke bekommt er endlich ein ordentliches Engagement. Er gibt den Captain Macheath in der “Bettleroper”, zu der schon Brecht anmerkte, dass sie richtig “des Bettlers Oper” heißen müsse. Die Premiere ist umjubelt, doch dann verlässt ihn sein Glück. Am Tag nach der Premierenfeier wacht er reichlich verkatert im verlotterten Keller von “Mother Blake’s Gin Shop ” auf. An viel kann er sich nicht erinnern. Irgendetwas war da mit einer Eisenstange, mit Blut und mit leidenschaftlichen Küssen seiner Freundin, die nur dummerweise nicht ihm galten. Als er noch benommen auf die Straße tritt, ist seine Verwirrung komplett. Er steht nicht zwischen Wolkenkratzern, sondern zwischen windschiefen Häusern auf einer kopfsteingepflasterten Strasse, er hat zwar noch sein Smartphone, aber kein Netz. Und die ihn umgebenden Menschen sehen mit ihren Perücken, ihren Miedern und Kniebundhosen auch nicht so aus, als ob sie gerade die News of the World in den Orbit twittern würden. Dummerweise ist auch die Suche nach der versteckten Kamera gänzlich erfolglos, dafür darf Henry sogleich eine rühmliche Rolle bei der Befreiung von Londons berühmtesten Dieb Jack Sheppard spielen. Als Hirngespinst haben Zeitreisen sicher etwas unbestreitbar Reizvolles. Henry aber, plötzlich ins London des Jahres 1724 versetzt, hat mit Gefahren zu kämpfen, aus denen ihn mehr als einmal nur sein schauspielerisches Talent zu retten vermag. Plötzlich findet er sich inmitten von Macheath’ Umfeld wieder, er gehört zur Bande von Sheppard, arrangiert sich notgedrungen mit dem Gauner Blueskin, verliebt sich in die Hure Bess und wird ins berüchtigte Irrenhaus Bethlem Royal eingewiesen. Schließlich lernt er gar die Schöpfer der Bettleroper kennen, nicht ohne ihnen seinen Captain Macheath ans Herz zu legen, damit dessen Rolle auch ja eine bedeutende werden wird. Sein Schicksal verwebt sich immer mehr mit der Handlung der Bettleroper, ein Ausweg scheint ungewiss…..

“Gegen alle Zeit ” ist ein gewagter Genre Mix aus historischem Roman, Krimi, Fiktion und Milieustudie, gewürzt mit ein wenig Romantik und einem guten Sinn für Situationskomik, insbesondere wenn Henrys Verständnis der Welt und seine ungewohnte Situation kollidieren. Der Roman spielt in den heruntergekommenen Vierteln Londons, seine Helden sind die gewitzten Diebe und die durchtriebenen Huren jener Zeit. Die Geschichte entwickelt sich rasant, Atempausen sind dem Leser nur vergönnt, wenn die Erzählperspektive wechselt. Der Leser erlebt das Geschehen meist aus der Sicht Henrys, einige Kapitel sind jedoch aus der Sicht anderer Protagonisten erzählt, was einem besseren Verständnis durchaus dienlich ist. Der Roman ist nicht nur sorgfältig recherchiert und von Anfang bis Ende gut durchdacht konzipiert, sondern auch atmosphärisch überzeugend. Als Leser fühlt man sich zurückversetzt in ein dreckiges, lautes und verruchtes London des frühen 18. Jahrhunderts. Die grundlegenden Zusammenhänge sind schnell durchschaut, doch sich entwickelnde Widersprüche führen dazu, dass man selbst als mit dem Hintergrund der Bettleroper vertrauter Leser nicht immer weiß, wo die Historie aufhört und Fiktion anfängt. Die vorherrschende Sorgfalt wird unterstrichen durch die sehr ansprechende Gestaltung des Buches. Großartige, teils ganzseitige Illustrationen von Tina Dreher untermalen die Handlung trefflich, darüberhinaus finden sich in den Klappendeckeln Stadtschnitte und Pläne der britischen Hauptstadt des 18. Jahrhunderts.

Der Autor: Hinter dem Pseudonym Tom Finnek steht der im Westfälischen recht bekannte Autor Herbert “Mani” Beckmann, der sich mit münsterländischen Krimis und der historischen Moor Trilogie aus dem Book on Demand Bereich heraus bereits einen Bekanntheitsgrad erarbeitet hat. Sein Pseudonym setzt sich aus den Vornamen seiner Söhne zusammen und soll einen Leserkreis über lokale Verbindungen hinaus ansprechen. Gegen alle Zeit ist bereits der zweite historische Roman unter dem Namen Tom Finnek. Der erste “Unter der Asche” spielt ebenfalls im historischen London, im ausgehenden 17. Jahrhundert. Der dritte ist in Arbeit und soll die London-Trilogie abschließen. Für die große Fangemeinde historischer Romane dürfte Tom Finnek dank seiner detailgetreuen, aber rasanten Erzählweise eine echte Bereicherung sein.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Historischer Roman
Illustrated by Ehrenwirth München

Die Blechschmitts – Abenteuer Familie

Kinder sind ein Segen. Schon klar. Sie bereichern uns und machen viel Spaß. Sehr viel Spaß. Väter und Mütter können ein Lied davon singen, wie sie sich über ihre Kinder amüsieren. Meistens. Wenn die kleinen Sonntagmorgen um 7 Uhr krähen (nach einer unruhigen Nacht), wenn sie gar nicht schlafen wollen. Oder wenn sie so begeistert trocken werden, dass sie sich die Klobürste schnappen und sie in Papas Bett werfen. Zack. Das ist ein Riesenpaß und macht Laune.
Ein wunderschönes Buch
Und weil das vielen so geht, ist es tröstlich, ein Buch mit Geschichten zu haben, die vom ersten Kind erzählen. Jeremias Blaumilch hat die Geschichten aufgeschrieben, damit wir alle viel Spaß an der Familie Blechschmitt haben. „Die Blechschmitts: Abenteuer Familie“ heißt dann auch das Buch aus dem Schutterwälder Testudoverlag.
Es ist in der Tat ein Abenteuer. Für Fritzmann, den Sprößling der Blechschmitts ebenso wie für die Eltern. Da offenbart sogar das Vorlesen aus Kinderbüchern Untiefen, die ein normaler Mensch nicht für möglich hält. Und wer hätte gedacht, dass Frösche den ganz besonderen Schutz von couragierten Betschwestern stehen? Blechschmitt und Fritzmann mussten es erfahren – als sie versuchten, die kleinen glitschigen Kerle im Naturschutzpark aus ihrem Teich zu locken. Ganz waidgerecht und nur, um sie zu beobachten. Großes Ehrenwort!
Oder – ein Klassiker – der Besuch eines Kinderspielplatzes; vom Weg dorthin auf dem Dreirad ganz zu schweigen. Das alles liest sich süffig und wärmt die Seele.
Köstlich. Und für alle wärmstens zu empfehlen – als Trostbüchlein für andere Eltern. Als stilles Amüsement für die Großeltern. Und als Sehnsuchtsfetzen für alle Singles; auf dass sie endlich merken, welche Abenteuer ihnen entgehen, wenn sie sich abends in Kneipen, Diskotheken oder Kinos langweilen, weil sie keine Familie haben.
Man sollte das Buch vom Bundesministerium für Familie fördern lassen.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Testudo Schutterwald

Happy Family

Eine schrecklich nette Monsterfamilie

In seinem neuen Roman „Happy Family“ schickt David Safier eine desperate Durchschnittsfamilie nach Transsilvanien

Eine verflucht nette Familie Familie Wünschmann ist nicht wirklich glücklich miteinander. Mama Emmas Buchladen geht den Bach runter, Papa Frank steht kurz vor dem Burnout, die pubertierende Fee dreht in der Schule am Rad und eine Ehrenrunde, und Nesthäkchen Max wird von dem Mädel, das er anhimmelt, ins Schulklo getunkt. Wenn die Familie Zeit miteinander verbringt, hacken sie generell aufeinander herum. Kurz, die Wünschmanns stehen kurz vor der Auflösung. Um das familiäre Desaster perfekt zu machen, werden sie allesamt nach einem Kostümfest auch noch von einer Hexe verzaubert: Plötzlich sind sie Vampir, Frankensteins Monster, Mumie und Werwolf. Gemeinsam jagen die frischgebackenen Monster um den halben Erdball, der Hexe hinterher, damit diese den Fluch wieder rückgängig macht. Dabei treffen sie auf jede Menge echte Ungeheuer: Vampire, Riesenechsen und schwäbische Pauschaltouristen. Sogar auf Dracula höchstpersönlich, der mit seinem unwiderstehlichen Charme Mama Emma verführen will.

Das Grundproblem wird schnell klar; in dieser Familie nervt jeder jeden, Tochter Fee mit ihrem pubertären Genöhle die Mutter, der kleine Klugscheißer Max seine Schwester mit Besserwissereien und der lethargische Ehemann Frank seine Frau. Kurz nachdem Emma es ausspricht, dass sie keine richtige Familie mehr sind, werden sie von der Hexe verzaubert. Damit macht Safier sie auch äußerlich zu den Schatten ihrer selbst, die sie als Familie geworden sind. Die Jagd nach der Hexe ist der Überlebenskampf, den sie nur gemeinsam gewinnen können und er relativiert einerseits die vormals hochgeschaukelten familiären Problemchen, außerdem wachsen alle dadurch über sich hinaus.

Auf der humoristischen Ebene läuft Safier zu gewohnter Höchstform auf:
„Emma: ‚Mir war es schon immer schleierhaft gewesen, warum einige Teenager in der Pubertät anfingen, Gras zu rauchen. Eigentlich müssten das doch die Eltern tun, um diese Phase des Lebens durchzustehen.‘“

Angesichts der immer wieder drohenden Gefahr, dass die Familie unrettbar auseinanderbricht, mischt sich dazwischen beim Lesen aber auch immer wieder ein Gefühl von Traurigkeit, gerade in den Momenten, wenn Emma befürchtet, den Schlüssel zu den Herzen ihrer Familie nicht mehr zu finden.

Insofern liegen hier absurder Humor und drohende Familientragödie eng beieinander.
Was Happy Family jedoch stilistisch ganz besonders auszeichnet, ist die Erzählerhaltung: Safier verzichtet auf eine Monoperspektive und erzählt abwechselnd aus Sicht aller Familienmitglieder. Dadurch wird deutlich, wie sehr die vormals familiären Querelen auf dem jeweiligen Beharren des eigenen Standpunktes beruhen. Je mehr sich alle Familienmitglieder mit der Zeit davon lösen und versuchen, den jeweils anderen Standpunkt zu verstehen, desto mehr nähern sie sich ihrer Rettung, nicht als Monster zu enden: „Emma: ‚Auch wenn die Lage hoffnungslos war, wir uns nicht retten konnten und bald sterben würden, war es doch nicht zu spät, meine Familie endlich richtig zu sehen. Nicht in dem Licht des Alltags, des Frustes und der Überforderung. Sondern im Lichte ihrer Möglichkeiten. So schaute ich sie mir alle an. Zum ersten Mal mit anderen Augen.‘“

Happy Family ist Safiers groteske und witzig-schräge Abhandlung eines wichtigen Themas; wie man die Liebe zur eigenen Familie über die Wirrnisse des Alltags rettet Eine vergnügliche Monstertragödie, die dem Leser durch die verschiedenen Erzählperspektiven die Augen öffnet.

David Safier: Happy Family
Roman Kindler
Hardcover, 320 S.
2011
18,95 €
ISBN 978-3-463-40618-3


Genre: Romane
Illustrated by Kindler bei Rowohlt Reinbek

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Die Poesie der irrsinnigen Liebe
Daniela Krien erzählt in ihrem Romandebüt von einer Liebesgewalt zur Wendezeit.
Wir schreiben das Jahr 1990, ein heißer Sommer irgendwo im Osten. Die DDR ist Vergangenheit, die Vereinigung steht kurz bevor. Die Ich-Erzählerin Maria ist sechzehn und wohnt mit Johannes auf dem Bauernhof seiner Eltern, dem Brendel-Hof. Sie schwänzt die Schule und verkriecht sich lieber mit den „Brüdern Karamasow“ in ihr Spinnenzimmer. Gleichzeitig möchte sie von Johannes‘ Familie angenommen werden, schaut ihnen zunächst dabei zu, wie sie Vieh, Haus und Hof bewirtschaften, Gemüse anbauen, in der Küche schaffen und bringt sich zunehmend helfend im Hofalltag ein.

Auf dem benachbarten Hof lebt der vierzigjährige Henner allein. Ein komischer Kauz, den die Leute aus dem Dorf misstrauisch beargwöhnen, weil er trinkt, manchmal in die Stadt fährt und Bücher liest. Die unbeschwerte Landidylle ändert sich schlagartig, als Henner und Maria, die sich gegenseitig magisch anziehen, in einem wollüstigen Gewaltakt das erste Mal übereinander herfallen. Während ihr nichtsahnender Freund Johannes die Welt fast nur noch durch den Sucher seiner neuen analogen Kamera sieht und davon träumt, an der Kunstakademie Fotografie zu studieren lebt Maria ihre erotische Obsession zu dem viel älteren Henner mit einer Wucht der Leidenschaft aus, in der Lust und Schmerz nahe beieinander liegen. Immer mehr wird sie von der Macht des schieren Begehrens nach der Liebesgewalt beherrscht, die nur Henner ihr geben kann. „Sein Wollen hatte etwas Tierisches, Unberechenbares, etwas, das mich an Dinge erinnerte, die lange vor meiner Zeit Geschehen sind.“ Da steuern Zwei auf ihr unentrinnbares Schicksal zu, das aufgrund des libidinösen Wahnsinns beider eigentlich nur in der Katastrophe enden kann. Heimlich still und leise wird zudem in Rückblenden mehr und mehr Henners Vergangenheit deutlich, die ihn zu dem gebrochenen Menschen gemacht haben, der er ist. Was die beiden außerdem verbindet, ist ihre Liebe zur Literatur, die in ihrer intellektuellen Haltung jedoch der Körperlichkeit nachgeordnet ist.

Die heimlichen Treffen mit Henner wechseln sich ab mit Szenen, die poetisch einen Mikrokosmos des Landlebens im Osten ausbreiten. Die Beschreibung des Dorfes und der Höfe, der Räume darin, sowie des Mobiliars, dem alten Küchenofen, dem großen Esstisch und dem wuchtigen Küchenbuffet atmen die Nostalgie einer stehengebliebenen Zeit. Das ursprüngliche Kochen auf dem Hof, das Maria sich selbst mehr und mehr aneignet und detailliert beschreibt, sowie ausgedehnte Szenen der gemeinsamen Mahlzeiten bis zu Momentaufnahmen der Bewirtschaftung des Brendel-Hofs spiegeln dabei den Rhythmus des Landlebens im Osten, das auf eine wunderbare Art und Weise antiquiert wirkt, so dass man sich als Leser fragt, ob die Figuren des Romans sich eigentlich darüber im Klaren sind, was sie durch die Vereinigung verlieren. Johannes‘ Eltern sind pragmatische, anpackende Menschen, die sich eher Gedanken darüber machen, wie sie ihren Hof umstrukturieren können, um im neu gewonnenen Kapitalismus als biodynamischer Demeterhof zu überleben. Was sie an Freiheit gewinnen wird durch den Knecht des Brendel-Hofs Alfred deutlich, der Maria bespitzelt und eine Atmosphäre diffuser Furcht schafft. Ein Verweis auf die Stasi in der DDR, mit deren Existenz auch Henners Schicksal eng zusammenhängt.

Sprachlich amorph und in einer auf das Wesentlich reduzierten Sprache, wird die antiquierte bäuerliche Welt zum Greifen nah spürbar, die Gerüche erlebbar und die Landschaft mit Dörfern, Höfen, Maisfeldern, Weiden und Wäldern vor dem inneren Auge des Lesers sichtbar. Maria wird meist distanziert in der dritten Person von den anderen Familienmitgliedern angesprochen. Die Zusammenkünfte der beiden Liebenden werden nie explizit geschildert, sondern behutsam und zart angedeutet. Die Triebhaftigkeit ihrer Wollust kippt deshalb nie ins obszön-vulgäre sondern bleibt auf einer Ebene poetischer Sanftheit, die erotische Obsession wirkt so sinnlich, dass einem dagegen Johannes in seiner langweiligen Sexualität leid tut.

Das tragische Ende der Liaison begründet Krien im Gespräch: „Die Obsession ihrer Leidenschaft sollte und konnte nicht ins Alltägliche übergehen. Sie treffen sich auf eine absolute, eine kräftezehrende und auch zerstörerische Weise, wie sie höchstens einmal im Leben vorkommt und wie kein Mensch sie über längere Zeit aushalten würde.“ In dem Moment, in dem Maria dazu bereit ist, einen Schlussstrich unter ihr bisheriges Leben zu ziehen und dauerhaft mit Henner zu leben, erkennt der genau dieses Dilemma und handelt konsequent bis zum bitteren Ende..

Die 1975 geborene Daniela Krien legt mit „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ ein fulminantes Romandebüt vor, dessen Thema der amour fou durch ihre kraftvolle und zärtliche Sprache für den Leser sinnlich erlebbar wird, der Mikrokosmos des Landlebens vibrierend spürbar. An einer Stelle resümiert Maria die Zeit mit Henner: „Noch nie habe ich so wenig gebraucht und so sehr mir selbst genügt wie an den Tagen mit ihm. Essen, schlafen, lieben, lesen, arbeiten. Mehr ist es nicht. Und es ist doch alles.“
Zum Lesen wünscht man ihr viele weitere Romane von Daniela Krien.


Genre: Romane
Illustrated by Graf-Verlag München

Versteh mich nicht falsch! Gesten weltweit. Das Handbuch

Jeder, der schon mal unvorsichtigerweise in einer sizilianischen Eisdiele „drei Kugeln“ bestellt hat, kenn das Verständigungsproblem zwischen verschiedenen Kulturen. Das setzt sich im abstrakten Bereich der Gestik fort, weil die noch viel mehr von den regionalen Übereinkünften abhängt.

Diese Verschiedenheit des gestischen Ausdrucks erklären die Autorinnen Julia Grosse und Judith Reker in „Versteh mich nicht falsch! – Gesten weltweit. Das Handbuch“ auf hervorragend anschauliche, bebilderte und gut kommentierte Art und Weise. Es ist doch sehr hilfreich zu wissen, dass das erhobene „V“ von Mittel- und Zeigefinger, das bei uns sowohl je nach Situation als „Sieg“ (Ackermann, Deutsche Bank) oder „Peace“ (Friedensbewegung) gedeutet wird, in Australien als doppelter „Stinkefinger“ gewertet wird. Insofern ist das Handbuch für alle Globetrotter und Jet-Setter unbedingt zu empfehlen. Darüber hinaus gibt es außerdem interessante Hinweise auf die gestische Emythologie und globale Verbreitung, wie zum Beispiel, dass das „L“ von Daumen und Zeigefinger gebildet, für „Looser“= Versager steht und durch Jim Carrey 1994 im US-Film „Ace Ventura“ international bekannt gemacht wurde. Ein unterhaltsames Buch, überaus nützlich für die produktive Verständigung zwischen den Kulturen und eine gute Investition in die eigene Gesundheit, damit man vorher weiß, welche Geste man besser wo unterlässt, um nicht anschließend eins auf die Nase zu bekommen. Von ihrem Arzt, Apotheker und von mir daher dringend zur Lektüre empfohlen!


Genre: Ratgeber
Illustrated by Bierke

Die gelben Augen der Krokodile

Pancol_KDie_gelben_Augen_der_Krokodile_111265Es ist schon einige Zeit her, dass ein Bericht im Sonntags-Feuilleton über eine französische Neuentdeckung und eine nicht nur in Frankreich Erfolge feiernde Trilogie meine spontane Neugier weckte. Die Rede war von einem fein gezeichneten, mitreißenden Familienroman, einem echten Schmöker – genau das, was ich zu gerne lese und was mir allzu oft als übersteigerte, intellektuelle Selbstbeweihräucherung oder als Kitsch pur serviert wird. Zum Ende des Bücherjahres 2011 ist es soweit. Teil eins der Trilogie ist übersetzt und enttäuschte mich nicht. Auch in Deutschland kann man sich nun mit den gelben Augen der Krokodile in eine französische Sippe verlieben. 

Witzig und anrührend erzählt die Autorin Katherine Pancol ein modernes Märchen über eine Pariser Familie. Im Mittelpunkt stehen zwei Schwestern, die schöne Iris und die komplexbeladene Josephine. Iris mit den vorstellbar blauesten Augen der Welt wird zwar von einem zwanghaften Geltungsbedürfnis getrieben, hat aber weder Lust noch Disziplin, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Josephine, frisch verlassen von ihrem nichtsnutzigen Ehemann, der mit einer Jüngeren skurrilen Selbstverwirklichungsideen hinterher jagt, ist Historikerin am Küchentisch, Expertin für das 12. Jahrhundert und schlägt tapfer die Alltagsschlachten einer alleinerziehenden Mutter. Die Geschichte der Schwestern dreht sich um einen Roman im Roman. Iris behauptet auf einer Soiree aus einer Laune heraus, einen Roman über das 12. Jahrhundert in Arbeit zu haben und kommt aus der Nummer nicht mehr heraus. Josephines Geldsorgen lassen sie ein unmoralisches Angebot ihrer Schwester annehmen. Sie schreibt den Roman, Iris veröffentlicht ihn unter ihrem Namen und vermarktet ihn erfolgreich nach allen Regeln medialer Kunst. Für Josephine ist das Schreiben zunächst nur ein Mittel zum Zweck, doch ihre neu entdeckte Kreativität verändert sie. Sie wird selbstbewusster, aufbegehrender, verliebt sich sogar und bekommt ihr Leben in den Griff. Iris aber erkennt im Strudel der nachfolgenden Ereignisse, dass es für sie schon zu spät könnte, um aus ihrem Leben mehr als eine Farce zu machen.

In diese Kernhandlung sind diverse Nebenhandlungen eingeflochten, nach und nach werden immer mehr Figuren und ihre Geschichten eingeführt  Ein gewagtes Unterfangen, doch dank der leichten, aber klaren Sprache der Autorin verliert der Leser nie den Überblick über die ganze Sippschaft und ihren eigenwilligen Dunstkreis. Katherine Pancol nutzt die Aschenputtel-Thematik, um mitreißend über Erfolg, Demut, Lüge, Verrat, Familien und das Leben zu erzählen. Ihre Charaktere und Geschichten sind gelegentlich so surreal und abstrus überzeichnet, dass man sich unwillkürlich fragt: Ist das nun wirklich so kitschig, fantastisch absurd oder spielt die Autorin hier gekonnt mit Klischees? Ihr sprachliches Niveau, der Wechsel zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit, der immer wieder aufscheinende bissige Humor, all dies führt mich zu der Meinung: Katherine Pancol jongliert geschickt mit Klischees und Stilmitteln. Auf hohem Niveau gelingt es ihr, eine besondere Atmosphäre zu verdichten und ihre Charaktere tief emotional zu begleiten. Sie beweist augenzwinkernden Sinn für Alltagskomik – etwa, wenn es um Josephines Kinder geht, den schlussendlich nur noch trotteligen Ex-Ehemann oder um den liebenswerten Stiefvater und seine junge Geliebte. Die Schilderung französischer Lebensart und der boshafte Blick auf die Pariser High Society tun ihr Übriges, um dieses Buch zu einem besonderen Lesevergnügen werden zu lassen. Der Stilmix weckt Erinnerungen sowohl an den Filmklassiker “eine einfache Geschichte” als auch an “die fabelhafte Welt der Amelie”.
Ich habe dieses Buch gerne gelesen. Endlich mal wieder ein Schmöker, der diesen Namen verdient, mit dessen Charakteren ich so mitgefühlt habe, dass ich gelegentlich der Versuchung nicht widerstehen konnte, vorzublättern, um wenigstens grob den Fortgang der Geschichte zu erfahren, bevor ich das Buch abends aus der Hand legen musste. Aber auch ein Buch, welches den an vielen Fronten kämpfenden Frauen unserer Zeit durchaus kathartische Erlebnisse beschert. Wenn nämlich genau die Frauen vom Karussell des Lebens fallen, die anderen schon immer auf die Nerven gingen und deren Leben unnötig noch schwerer machten.

Fazit: Wer gerne ohne Verzicht auf geistreiches Niveau in Familiengeschichten schmökert, ist mit den gelben Augen gut beraten. Ich jedenfalls freue mich sehr auf die sich laut Verlagsinformation in Vorbereitung befindlichen Teile zwei und drei der Trilogie, um schnellstens zu erfahren, wie es mit Josephine und ihren Lieben weiter geht.
Die Frage, was dies alles mit Krokodilen zu tun hat, werde ich hier übrigens nicht beantworten. Dieser Einfall ist viel zu skurril, fantastisch, überraschend und wirklich witzig, als dass ich ihn in einer Rezension vorwegnehmen werde.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Romane
Illustrated by C. Bertelsmann München

Die Bluträcherin

Ein neuer Colt, eine neue Winchester, und der Besuch einer bezaubernden Lady: Kann sich Al Thomas, der Sheriff von Alamosa mehr wünschen?

Doch Jennifer “Jenny” Parker stattet Sheriff Al keinen Höflichkeitsbesuch ab. Sie kommt von Fort Garland und will in Alamosa County das Amt für Indianerangelegenheiten führen. Jemand verkauft den Yuta-Indianern, die in der Gegend leben, Waffen und Munition. Vor allem Spencer-Gewehre. Schon etwas älter und nicht ganz so gut wie eine Winchester, aber immer noch tödlich genug.

Jenny will den Waffenhändlern auf die Schliche gekommen, und sie hat auch noch höchst persönliche Motive, sich an den Verbrechern zu rächen. Dabei ist die Methode der Dealer simpel: Für jedes alte Gewehr, das sie den Indianern billig verkaufen, können Smith & Wesson, Colt oder Winchester drei neue Waffen für teures Geld an die Siedler verkaufen, die Angst vor Indianerüberfällen haben.

Berichte von Indianer-Überfällen schrecken die Siedler. Die Indianer haben unter anderem Ranches und Farmen angegriffen, außerdem zwei Postkutschen und einen Siedlertreck überfallen. Ein Kavallerieschwadron wollte daraufhin für Ruhe sorgen, doch die Soldaten gerieten in einen Hinterhalt. Von 150 Mann überlebten nur 67. Es gelang ihnen gerade einmal, zwölf der Angreifer zu töten, bevor die sich zurückzogen. Es waren Yuta-Krieger, und neun von ihnen hatten Spencer-Gewehre, die so neu aussahen, als seien sie eben erst aus der Fabrik gekommen. Aber es waren ganz eindeutig Modelle aus dem Bürgerkrieg.

Kein leichter Job für Sheriff Al Thomas. Die Situation spitzt sich zu, als er einem Betrunkenen, der auf unbewaffnete Indianer schießen will, die Kniescheibe zertrümmert.

Dirk Bongardt legt einen aktionreichen Western vor, der mich an die vielen spannenden Romane erinnert, die ich als Junge verschlungen habe. Ohne die zufällige Entdeckung dieses speziell für den Kindle geschriebenen Romans wäre ich wohl nie wieder an den Fuß der blauen Berge geritten …


Wie veröffentliche ich ein E-Book auf amazon.de?

In einem Interview habe ich von Frieling mal den Satz gelesen: \”Es ist die große Kunst, Sachbücher so populär zu schreiben, dass der Leser gar nicht merkt, wie er lernt.\” Den Satz habe ich mir notiert, weil ich die meisten Sachbücher schrecklich langweilig finde und daraus nur ein oder zwei Informationen ziehen konnte. Und als ich dieses E-Book auf meinem frisch erworbenen Kindle-Reader las, musste ich an Frielings eigene These denken und wollte ihn daran messen.

Ich mache es kurz: Mir ist noch kein Sachbuch vor die Flinte gekommen, das ich mit derartigem Gewinn gelesen habe! Der Autor nimmt seinen Leser an die Hand und erklärt mit Engelsgeduld Schritt für Schritt den Weg vom Manuskript zum eigenen E-Book. Ich habe es anfangs überhaupt nicht bemerkt, wie geschickt er das anstellt. Denn Frielings Trick ist, im Plauderton zu schreiben und dabei sowohl essentielle Informationen einzustreuen und haufenweise Tricks zu verraten. Gleichzeitig unterhält er prächtig und behandelt alle Fragen, bevor man sie überhaupt stellen kann.

Wenn man nun noch berücksichtigt, dass dieses umfangreiche Buch zum Schleuderpreis abgegeben wird, dann ahnt man, dass Frieling das Thema E-Books wie kein Zweiter beherrscht: Er setzt auf massenhafte Verbreitung von Wissen zum Niedrigpreis. Kein Wunder, dass in wenigen Monaten mehr als zehntausend Exemplare dieses Werks abgesetzt wurde und Frieling sich damit in die Top-Verkaufslisten von Amazon katapultierte. Ein verdienter Erfolg für ein Spitzenbuch!


Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Der Bücherprinz

Dieses Buch hat mich vom ersten Kapitel an gefesselt, und ich kann mich nicht erinnern, eine mit derartig schonungsloser Offenheit geschriebene Selbstbiografie zuvor gelesen zu haben.

Was müssen das für Eltern gewesen sein, die ihren Sprössling in eine Nervenklinik steckten, weil er sich die Haare lang wachsen ließ und Beatmusik hörte? Die Eindringlichkeit, mit der Frieling seine Erlebnisse als blutjunger Gefangener im “dunklen Turm” beschreibt, haben mich so aufgewühlt, dass ich nächtelang davon träumte und mehrmals schweissnass aufwachte. Gleichzeitig versucht der Autor, Verständnis für seine Peiniger zu entwickeln, er vergibt ihnen sogar in einem gewissen Sinne, waren sie doch Gefangene ihrer Zeit (der konservativ-katholischen Adenauerära).

Wer den Lebensweg dieses unkonventionellen Mannes liest, der sein Leben lang träumte und dabei eine Karriere vom Gammler zum Garagenmillionär aus dem Hut zauberte, der ahnt, welche verborgenen Kräfte in jedem von uns stecken. Es ist letztlich nur die Frage, ob wir sie entdecken, nutzen und etwas daraus machen. Frieling hat viel daraus gemacht. Ich ziehe den Hut vor seiner Leistung und diesem einzigartigen Zeitdokument.


Genre: Biographien, Erinnerungen
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Wie die Germanen den Tanga erfanden

Der Autor verpackt furztrockene Geschichte in knallbunte Geschichten, die sich spannend wie ein Krimi lesen.

Persönlich gefiel mir Kulturgeschichte des Teetrinkens in Deutschland am besten. Jetzt weiß ich, dass der 1610 aus Asien importiere Aufguss aus schwarzen Blattspitzen nur unter großen Schwierigkeiten zum Salongetränk wurde und verstehe die konkreten Auswirkungen des “praktischen” Kolonialismus besser.

Aber auch die spannende Geschichte der Freimaurerei und die Titelgeschichte, die der Entwicklung der Bademode gewidmet ist, habe ich in dieser Form noch nirgendwo gelesen.

Frieling schenkt dem Leser großes Kino!


Genre: Kulturgeschichte
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Von Küchenpunk und Oberelend

Egidius Rosenzweig hatte in seinen knapp sechzig Jahren schon so einiges gesehen, doch dieses halbnackte Wesen mit den spitzen Ohren und den dünnen Beinchen unter dem runden Bauch, das auf seinem Bett saß, war ihm bisher noch nie begegnet. Mit dieser Szene beginnt Andreas Dresen seine Kurzgeschichte „Herr Rosenzweig trinkt Tee“.

Verzweifelte Vampire gehören zum Alltag des freundlichen älteren Herrn, aber auch Hexen und Kobolde sind keine Seltenheit. An einem ruhigen verregneten Nachmittag war sogar einmal ein Einhorn vorbeigekommen und hatte seinen Rat gesucht. Nun soll Rosenzweig einem Ocko auf der Flucht helfen, und schon dringen brutale Häscher in seinen Laden, die ausssehen wie eine Kreuzung aus Schäferhund und verfaulten Lederlappen …

In Dresens zweiter Geschichte beäugen zwei Küchenkobolde einen jungen Mann, der seine Wochenenden mit immer neuem Damenbesuch versüßt. Diese One-Night-Stands werden allerdings ausschließlich zur Nachtschicht ohne Frühstück gebeten. Doch eine Besucherin ist hartnäckiger als ihre Vorgängerinnen und lässt sich nicht so leicht abwimmeln. Das ist der Punkt für die Heinzelpunks, einzuschreiten …

Auf den ersten Blick haben die beiden lustigen und angenehm lesbaren Kurzgeschichten lediglich den Auftritt außergewöhnlicher Wesen miteinander gemein. Auch der Titel der Sammlung erschließt den literarischen Kern nur bedingt. Denn unter „Küchenpunk“ und „Oberelend“ hatte ich mir schon etwas ganz anderes vorgestellt. Die Geschichten sind auf der anderen Seite aber wieder so launig und amüsant, dass dies dem Lesevegnügen keinen Abbruch tut.


Genre: Kurzprosa
Illustrated by epospresse

Dat Schönste am Wein is dat Pilsken danach

\"datPilskendanach\"Wie das Leben manchmal so spielt, müssen zwei im Ruhrgebiet geborene und sozialisierte Journalisten erst an die Alster ziehen, um sich kennen und schätzen zu lernen. Die Spiegel-Online Autoren Frank Patalong und Konrad Lischka stellten beim Feierabend-\”Pilsken\” fest, \”dass man den Ruhrie in sich nie ganz ablegen kann.\” Die beiden entdeckten viele Gemeinsamkeiten, aber auch einen entscheidenden Unterschied. Frank Patalong (Jahrgang 1963) wuchs im von der Stahlindustrie geprägten Duisburg auf. Er erlebte die Zeit, in der es Konsens war, Ruß, Dreck und Gift im Tausch gegen Arbeitsplätze in Kauf zu nehmen und den heimischen \”Monte Schlacko\”* als größtmöglichen Abenteuerspielplatz zu akzeptieren. Konrad Lischka (Jahrgang 1979) hingegen wurde Anfang der achtziger Jahre in Essen mit dem Strukturwandel groß. Er erlebte Zechen und Stahlwerke oftmals nur noch als Kulisse für postapokalyptische Foto-Szenarien oder als einzigartige Räume für die durchlässige Subkultur des Ruhrgebiets. Seine Halden waren schon die von Menschen gemachten Landschaftsparks, die viele heute für Natur halten.

Grund genug für die beiden, zu ihrem journalistischen Rüstzeug zu greifen und gemeinsam ein ehrliches Buch über das Ruhrgebiet und ihre Bewohner zu schreiben. Ihr Blick auf die \”wunderbare Welt des Ruhrgebiets\” ist oft kritisch, immer aber auch liebevoll. Sie erzählen persönliche Geschichten aus dem (Er-)Leben ihrer Familien und damit über zwei völlig unterschiedliche Zeiten und zwei völlig unterschiedliche Ruhrgebietswahrnehmungen. Ihr Buch ist aber bei weitem nicht nur eine Anekdoten- und Geschichtensammlung. Ihre Berichte bilden den Rahmen für eine subjektive und spannende Analyse des Ruhrgebiets. Es sind erstaunliche, manchmal auch schmerzliche Erkenntnisse, die die beiden da zu Tage fördern. Viele Gedanken, von den meisten im Ruhrgebiet Lebenden erst gestreift, haben die beiden zu Ende gedacht. Mit Vielem haben sie Recht, dies muss auch ich als Ruhrgebiets-Eingeborene (nicht immer gerne) unumwunden zugeben. Ich habe mich sehr oft wieder erkannt. Sie haben Recht mit ihren liebevollen Blicken auf die mutige, oft trotzige Beharrlichkeit des \”Ruhries\”, die Herausforderungen der Zukunft anzunehmen. Es stimmt, der Ruhrgebietler kultiviert den Malocherpathos, ist aber auch stolz auf die einzigartigen Kultur- und Landschaftsräume. Ich geben Ihnen aber auch Recht mit ihrer desillusionierenden Feststellung, \”Reg Dich nicht auf, hat doch keinen Zweck\” wäre ein ausgezeichnetes Leitmotiv für eine noch zu entwerfende Ruhrpottflagge. Fatalismus hat im Ruhrgebiet Tradition und auch die ach so vorbildliche, gerühmte Multi-Kulti-Toleranz ist schlicht und ergreifend oft genug einfach nur Ignoranz und nebeneinanderher leben. Hauptsache, man fällt nicht auf, passt sich an, kappt seine eigenen Wurzeln und wird zum \”Ruhrpötter\”. Lischka/Patalong fassen es treffend zusammen:\”Der bewährte Ruhrreflex gegen alles, was uns die Schattenseiten vor Augen führen könnte:Woanders ist auch scheiße\”.

Die beiden Autoren dürfen meckern. Sie sind aus dem Ruhrgebiet, sie lieben den Pott, man liest es aus jeder, auch noch der kritischsten Zeile heraus. Und sie meckern ja nicht nur, sie zeigen uns auch ihre persönlichen Lieblingsplätze und geben jede Menge feine Tipps für alle Lebenslagen. So ist ihr Buch ein empfehlenswerter Schmelztiegel geworden, genau wie das Ruhrgebiet selbst. Es sei jedem Ruhrgebietler empfohlen, der eine kritisch liebevolle Auseinandersetzung mit seiner Heimat verträgt und darüber hinaus jedem, der immer schon mal erfahren wollte, wie es im Ruhrgebiet abseits von der in den Medien oft so gern überzeichneter Tristesse wirklich ist.

Das Ruhrgebiet ist heute vom Strukturwandel gezeichnet, \”ein Ort, wo fast alles verschwinden oder sich zumindest jederzeit verwandeln kann\”. Im Guten wie im Schlechten. Sagen wir es mit dem im Buch oft zitierten Kumpel Schibulski \”Ewich gibbet nich. Wat bleibt, iss, wie die Leute sind.\”

(Anmerkung: Der Titel zitiert einen im Ruhrgebiet allgegenwärtigen Trinkspruch, welcher dem verstorbenen Dortmunder Oberbürgermeister Samtlebe zugeschrieben wird.) 
*ortsübliche Bezeichnung für die im Ruhrgebiet allgegenwärtigen Halden

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Biographien, Memoiren, Briefe
Illustrated by Bastei Lübbe