Peter Schlemihls wunderbare Geschichte

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Peter Schlemihl ist ein armer Teufel und so nimmt es nicht Wunder, dass er seinen Schatten gegen ein unerschöpfliches Füllhorn voll Gold verkauft. Aufkäufer ist ein mysteriöser grauer Geselle, der ihm auf einer Gartenparty begegnet. Zunächst scheint der Handel ein gutes Geschäft, denn Schlemihl wird dank der Reichtümer schnell zum hochgeschätzten Wohltäter; alle Türen öffnen sich ihm geschwind.

Doch dann wendet sich das Blatt, seine Mitmenschen bemerken den fehlenden Schatten und der eben noch Umgarnte wird zum Paria der feinen Gesellschaft. Selbst sein Liebesglück droht zu zerbrechen als die Auserwählte ein Ultimatum stellt, um den Schatten wieder zu beschaffen. Da taucht in letzter Minute erneut der Graue auf, mit dem nächsten Angebot im Gepäck: Schlemihl bekommt den verlorenen Schatten zurück, wenn er dafür seine Seele abtritt …

Mit dieser Geschichte gelang Adelbert von Chamisso der literarische Durchbruch und das ist durchaus gerechtfertigt, denn sie ist stringent ausgearbeitet und gut geschrieben. Natürlich wirkt der antiquierte Schreibstil auf den modernen Leser zunächst mitunter befremdlich und es bedarf einiger Zeit, sich daran zu gewöhnen, aber die sollte man sich nehmen, denn es lohnt sich. Liebhaber der Sprache werden mit einer Fülle kunstvoller Begriffe verwöhnt und werden an dem Text viel Freude erfahren. Und man darf getrost darauf verzichten, sich den Kopf mit allzu tiefschürfenden Interpretationen zu zerbrechen, denn die Geschichte ist ein Märchen und war ursprünglich für Kinder gedacht.

Angereichert ist das Buch vom Herausgeber Ruprecht Frieling mit farbigen Holzschnitten von Ernst Ludwig Kirchner und gewohnt sorgfältigen Hintergrundinformationen zum Verfasser und zur Zeitläufte. Gerade diese aufwändig recherchierten Hintergründe und Beigaben unterscheiden Frielings Klassiker-Ausgaben von anderen Verlegern, die oft genug nur lieblos die ungeschminkten Texte veröffentlichen und sich dabei meist nicht einmal sonderlich um Design oder Lesbarkeit bemühen; Chapeau dafür, Herr Frieling!

 


Genre: Sagen und Fabeln
Illustrated by Internet-Buchverlag Berlin

Als ich unsichtbar war – eine wahre Geschichte über einen Jungen, der elf Jahre als hirntot galt

Als ich unsichtbar warMartin Pistorius, geboren 1975 in Johannisburg, war zwölf, als eine rätselhafte Erkrankung ihn aus seinem Leben riss. Elf Jahre blieb er gelähmt, seine Familie und die Ärzte gingen davon aus, dass er geistig auf dem Stand eines Babys war. Er konnte sich nicht verständigen und war doch innerlich hellwach. Niemand merkte, dass sein Gehirn sich vollständig erholt hatte. Seine Rettung verdankte er dem Zufall. 2001 konnte er mithilfe eines Computers wieder kommunizieren.
Ausschnitt aus dem Buch:

PROLOG

Im Fernsehen läuft wieder mal Barney, der Dinosaurier. Ich hasse Barney – und diese scheußliche Erkennungsmusik. Sie wird zur Melodie von ›Yankie Doodle Dandy‹ gesungen.

Auf dem Bildschirm sehe ich, wie Kinder in die ausgebreiteten Arme des riesigen violetten Dinosauriers hüpfen, hopsen und springen, und danach schaue ich mich in meinem Zimmer um. Die Kinder hier liegen regungslos auf dem Boden oder sitzen zusammengesunken auf ihren Stühlen. Ein Gurt hält mich aufrecht in meinem Rollstuhl. Mein Körper ist genau wie bei den anderen ein Gefängnis, dem ich nicht entrinnen kann: Wenn ich sprechen möchte, bleibe ich stumm, wenn ich meinen Arm bewegen will, gehorcht er mir nicht.

Es gibt nur einen Unterschied zwischen mir und den anderen Kindern: Mein Verstand ist hellwach. Er schlägt Purzelbäume und macht Saltos in dem Versuch, seine Fesseln zu sprengen und einen Feuerstrahl prachtvoller Farben in meine graue Welt schicken zu können. Doch niemand weiß davon, da ich es niemandem erzählen kann. Die Leute meinen, ich sei eine leere Hülle, weil ich hier seit neun Jahren tagaus, tagein sitze und mir Barney oder Den König der Löwen reinziehen muss; und als ich dachte, schlimmer könne es nicht kommen, kreuzten auch noch die Teletubbies auf.

Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, doch meine Erinnerungen an die Vergangenheit beginnen erst mit jenem Moment, in dem ich wieder zum Leben erwachte und aus irgendeiner Welt auftauchte, in der ich mich verloren hatte. Es war, als blendeten mich plötzlich Blitzlichter in der Dunkelheit. Ich hörte Leute über meinen sechzehnten Geburtstag reden und darüber diskutieren, ob sie mir die Bartstoppeln abrasieren sollten. Mir machte Angst, was ich da mit anhören musste, denn obgleich ich mich an nichts erinnern konnte und keine Vorstellung von der Vergangenheit hatte, war ich mir sicher, ein Kind zu sein, und die Leute unterhielten sich über einen Menschen auf der Schwelle zum Mann. Langsam wurde mir jedoch klar, dass sie mich meinten, genauso wie ich zu begreifen begann, dass ich eine Mutter und einen Vater, einen Bruder und eine Schwester hatte, die ich jeden Abend zu Gesicht bekam.

Haben Sie mal einen dieser Filme gesehen, in dem jemand als Geist aufwacht, aber die Menschen haben keine Ahnung davon, dass sie längst gestorben sind? So war das, als ich mitbekam, wie die Leute durch mich hindurch und an mir vorbei schauten, und ich verstand nicht, weshalb. Ich konnte anstellen, was ich wollte, ich konnte betteln und bitten, schreien und brüllen – durch nichts brachte ich sie dazu, Notiz von mir zu nehmen. Mein Geist war in einem nutzlosen Körper gefangen, Arme und Beine waren außer Kontrolle, meine Stimme blieb stumm. Ich konnte weder Zeichen noch Geräusche von mir geben, um irgendjemanden wissen zu lassen, dass ich das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Ich war unsichtbar – der Geisterjunge.

Als ich unsichtbar war: Die Welt aus der Sicht eines Jungen, der 11 Jahre als hirntot galt von Martin Pistorius

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Der Autor hat (s)eine Art Biografie geschrieben, die (mich) sehr berührt. Da ist ein junger Mann, der durch eine unbekannte Krankheit mit zwölf Jahren bewusstlos wird – und viele Jahre als hirntot gilt. Ärzte sind der Ansicht, dass der Junge keine Heilungschancen hat. Doch die Eltern kämpfen für ihren Jungen. Eines Tages wacht der Junge auf, kann aber, außer mit den Augen, kein Lebenszeichen von sich geben. Er bekommt alles mit, was mit ihm und auch rundherum geschieht. Erst als eine Pflegerin ihn als (lebenden) Menschen sieht und meint, in ihm stecke mehr als ein hirntoter junger Mann, wendet sich das Blatt.

Dieses Buch hat mich sehr berührt. Ich weiß nicht, ob man so etwas denken oder fühlen darf, aber ich habe eine große Hochachtung vor Martin Pistorius, wie er sich ins Leben zurückkämpft. Aber auch vor seiner Familie, die ihn nie aufgegeben hat und vor den Menschen, die ihm ‘zugehört’ haben.

Ein sehr empfehlenswertes Buch, das man nicht mehr loslässt, hat man erst einmal angefangen, es zu lesen.

Martin Pistorius: Als ich unsichtbar war: Die Welt aus der Sicht eines Jungen, der 11 Jahre als hirntot galt
Taschenbuch: 344 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe (Bastei Verlag); Auflage: 9 (17. Dezember 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3404603567
ISBN-13: 978-3404603565
Originaltitel: Ghost Boy


Genre: Erfahrungen
Illustrated by Bastei Lübbe

Papa fertig! Mein Leben als Vater

Papa fertigIch habe das Buch gelesen und kam zum Teil nicht mehr aus dem Lachen raus.

Magdi Aboul-Kheir erzählt sein Leben als Papa mit viel Humor, wobei er sich als Erziehender gerne auch selbst auf die Schippe nimmt. Sei es zu Themen, wie man seinen Kindern beibringt, wie man ein guter Verlierer wird, sei es, warum man lieber nicht in Gegenwart von Kindern mit Kraftausdrücken um sich wirft, sei es, wie man seinen Kindern erklärt, welches Benzin man für (s)ein Auto braucht, usw. usf.. Immer beschreibt er gleichzeitig seine eigenen kleinen Schwächen, die ihn sehr sympathisch machen.

Ich dachte oft bei diesem Buch: ‘Das kenn ich doch!’ und musste unwillkürlich schmunzeln. Dieses Buch ist für jeden – und nicht nur für Papas – geeignet, der die Kindererziehung mit einem zwinkernden Auge betrachtet, sich selbst als Elternteil nicht zu ernst nimmt oder mit einem Lächeln an die Kindheit der eigenen Kinder zurückdenkt.

Magdi Aboul-Kheir, Papa fertig!: Mein Leben als Vater
Verlag: Egmont Vgs (15. März 2010)
Sprache: Deutsch, 140 Seiten
ISBN-10: 3802537041
ISBN-13: 978-3802537042


Genre: Erfahrungen, Humor und Satire
Illustrated by Egmont VGS

Buchland

Buchland“Am Anfang stand das Wort” – “Am Ende steht ein Punkt.”

Eine aussterbende Straße, wo kleine Geschäfte von großen Märkten verdrängt werden. Nur ein Geschäft bleibt bestehen, nämlich Herr Planas Bibliothek. Von außen unscheinbar, von innen ein wahres Wunderland voller Bücher, mehr, als man als Kunde wahrnimmt. Auch die arbeitslose Buchhändlerin Beatrice, die eine neue Anstellung bei Herrn Plana annimmt, ahnt nichts von all dem, was sie in diesem Buchland erwartet …

Ich kannte den Autor Markus Walther, bei Blog.de bekannter als Zitatus, bereits durch seine Kurz- und Kürzestgeschichten und war sehr gespannt auf sein erstes ‘richtiges’ Buch mit nur einer Geschichte.. Ich muss sagen, dass die Neugier auf sein Werk nicht enttäuscht wurde. “Buchland” – einen treffenderen Titel, um das Buch vorzustellen / zu beschreiben, hätte Markus Walther nicht wählen können. Wenn Plana, Besitzer einer Bücherei (was für eine Untertreibung), seine neue Angestellte Beatrice durch das Buchland führt, hat der Leser das Gefühl, er wird mitgenommen. Man sieht die vorgestellten Bücher vor seinem geistigen Auge, man hat so etwas Ähnliches wie jede Menge ‘Aha’ Erlebnisse, wenn man Namen wie Edgar Allen Poe, Goethe, aber auch Namen wie Cornelia Funke oder Hape Kerkeling liest. Auch habe ich noch nie so viel Zitate in einem Buch wiedergefunden/erkannt, die dazu auch noch so miteinander verbunden sind, dass daraus eine flüssig zu lesende Geschichte entsteht.

Dieses Buch strotzt nur so vor Liebe zu Büchern und deren Autoren, dass einem das Herz aufgeht. Ich denke, jeder, der gerne Bücher liest oder gar schreibt, wird sich ein Stück in diesem Buch wiederfinden.

Fazit: Sehr empfehlenswert!

Ich hoffe, dass Markus Walther noch mehr so großartige Bücher schreiben wird. Die letzten Worte des Herrn Plana macht Mut. Dazu ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch:

– – –
“Nein.” Bea klagte nun um mich, so wie sie eben noch um Ingo geweint hatte. Ich mühte mich, ihr etwas Tröstliches zu sagen: “Dies ist vielleicht nur der Band einer größeren Geschichte. Wer weiß? Mit etwas Glück gibt es eine Fortsetzung.”
– – –

Dann hoffe ich mal, dass der Leser das Glück hat, mehr von Markus Walther zu lesen.

Broschiert: 239 Seiten
Verlag: Acabus; Auflage: 1 (März 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3862821862
ISBN-13: 978-3862821860


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Acabus

Mandergrimm – Das Buch der Magoi

MandergrimmIn diesem Buch geht es um einen jungen Kobold namens Nimrod, der sich in Aura, eine Elfe verliebt. Doch leider ist Aura bereits Jaris, einem auserwählten Mann des bösartigen Königs versprochen worden. Zudem kommt noch hinzu, dass ein Kobold, der sich zu der Liebe zu einer Elfe bekennt, grundsätzlich mit dem Tode bestraft wird. Jedoch ist Nimrod so leicht nicht zu töten. Doch schafft er es auch, seine Liebste aus den Händen von dem machthungrigen Günstling des bösartigen Elfenkönigs zu retten? Dazu muss er es erst einmal schaffen, den riesigen Grimwald mit all seinen Widersachern und weiteren unerwarteten Gefahren zu überwinden; den Wald, aus dem vor Jahren bereits sein Vater nicht mehr wiederkehrte. Denn der Grimwald gibt niemanden mehr her, den er erst einmal gepackt hat … Weiterlesen


Genre: Sagen und Fabeln
Illustrated by Selbstverlag

Angst

AngstDas Leben von Randolph Tiefenthaler scheint mit dem Kauf der schönen Berliner Altbauwohnung seine Erfüllung zu finden. Der Architekt und seine Familie ahnen nichts Böses, als der schrullige Herr Tiberius ihnen Kuchen vor die Tür stellt. Doch bald wird der Nachbar aus dem Souterrain unheimlich. Er beobachtet Tiefenthalers Frau, schreibt erst verliebte, dann verleumderische Briefe, erstattet sogar Anzeige. Die Ehe stürzt in eine Krise, das bloße Dasein des Nachbarn vergiftet den Alltag. Die unerträgliche Situation bringt Randolph auf einen entsetzlichen Gedanken…

Randolph ist Mitte 40, Architekt und zieht mit seiner Frau Rebecca und den beiden Kindern Paul und Fee in eine Berliner Altbauwohnung. Herr Tiberius aus dem Souterrain ist zuerst ziemlich nett, legt Ihnen selbstgebackenen Kuchen und Plätzchen vor die Tür und ist freundlich. Dann verändert sich sein Verhalten allerdings, er fängt an Rebecca gegenüber anzügliche Bemerkungen zu machen, woraufhin Sie ihn in seine Schranken weist!

Ab diesem Zeitpunkt fängt er an ihr Gedichte von Sex und Tod vor die Tür zu legen! Es dauert dann auch nicht lange, da fängt Herr Tiberius an zu behaupten, dass Randolph und Rebecca Ihre Kinder sexuell missbrauchen würden und erstattet Anzeige gegen Sie. Ständig ruft er die Polizei und Randolph und Rebecca erstatten Anzeige wegen Verleumdung. Randolph ist nun selbst ständig bei der Polizei, bei Anwälten und sogar beim Jugendamt aber Niemand kann ihm helfen Herrn Tiberius aus der Wohnung zu bekommen da dieser ja nie gewalttätig ist und keine aktive Gefahr darstellt…! Seine Briefe werden immer schlimmer und er schildert sehr bildlich was Randolph und Rebecca in seinen Augen angeblich mit Ihren Kindern anstellen…!

Die Geschichte wird aus Randolphs Ich-Erzählperspektive erzählt und beginnt damit dass Randolph im Gefängnis ist um dort seinen 78 jährigen Vater zu besuchen der wegen Mordes an Herrn Tiberius zu 8 Jahren Haft verurteilt wurde! Randolph sitzt nach diesem Besuch ziemlich verzweifelt zu Hause und beginnt die komplette Geschichte aufzuschreiben! Er beginnt in seiner frühesten Kindheit, was auch nicht unwichtig ist, da Randolph und sein Vater schon immer ein schwieriges Verhältnis hatten! Eigentlich schreibt Randolph sein komplettes Leben auf und zwischendurch denkt man schon des Öfteren mal „also so ausführlich brauch ich das alles jetzt eigentlich nicht“ sondern möchte eigentlich viel mehr über den Nachbarn erfahren! Uninteressant sind Randolphs Erinnerungen aber wirklich nicht und dadurch dass man seine komplette Lebensgeschichte erfährt, bekommt man einen sehr engen Bezug zu ihm als Protagonisten!

Eigentlich kommt Herr Tiberius in dem Buch gar nicht so oft vor und ich hatte mir die Geschichte völlig anders vorgestellt! Wer ausgeprägte Streitereien und einen ordentlich aus dem Ruder laufenden Kleinkrieg zwischen Nachbarn erwartet, der wird von diesem Buch enttäuscht sein denn das alles gibt es nicht und das Buch ist komplett gewaltfrei!

Es geht hauptsächlich darum mit dem Psychoterror und seiner eigenen Angst klarzukommen denn die Angst ist in dieser Geschichte das beherrschende Thema (wie der Titel ja auch vermuten lässt)! 😉 Randolph hat Angst! Er hatte schon in seiner Kindheit Angst, in seiner Jungend und auch jetzt hat er Angst! Angst davor wie weit Herr Tiberius gehen wird, denn wer so detailliert Kindesmissbrauch beschreibt, der hat doch bestimmt selbst eine pädophile Ader, oder?! Er hat Angst davor dass die Polizei Herrn Tiberius glauben könnte, Angst davor bald als Kinderschänder abgestempelt zu werden, Angst davor seine Kinder in der Öffentlichkeit zu berühren und auch Angst davor dass seine Kinder eine unbedachte Äußerung machen könnten die man falsch auslegen könnte…! Randolphs und Rebeccas Leben wird von Angst bestimmt und auch das angespannte Verhältnis zwischen den beiden spielt eine große Rolle und wird stark thematisiert.

Ein wirklich sehr gutes Buch über Psychoterror, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Selbstjustiz, Angst und darüber was Angst aus Menschen machen kann…! Ich hatte mir das Buch völlig anders vorgestellt, bin aber total begeistert und kann es sehr weiterempfehlen!

Dirk Kurbjuweit wurde 1962 geboren und war Redakteur der „Zeit“ und arbeitet nun seit 1999 für den „Spiegel“. Bisher hat er sechs Romane geschrieben, von denen drei verfilmt wurden („Die Einsamkeit der Krokodile“ „Zweier ohne“) Für seine Reportagen erhielt er 1998 und 2002 den „Egon-Erwin-Kisch-Preis“ und weitere Auszeichnungen.


Genre: Romane
Illustrated by Rowohlt

Die Glücklichen

Fürchten wir uns nicht alle davor, aus dem Paradies vertrieben zu werden?

Kristine Bilkau - die Glücklichen Isabell und Georg sind ein junges, schickes und schönes Paar. Wohlig haben sie sich in ihrer famosen Hamburger Altbauwohnung eingerichtet und schlürfen den Schaum ihres Latte Macchiato in angesagter Achtsamkeit, sich ihrer politischen und ökologischen Korrektheit stets sorgsam und stolz versichernd. Isabell ist Cellistin in einem Musical-Orchester, Georg schreibt als Journalist mit wohlwollendem Schauder über Aussteigerpaare auf dem Bauernhof. Die ganz große Karriere ist nur einen Sprung weit entfernt, aber immerhin – es reicht für Risottomischungen in durchsichtigen Tütchen und andere für das gepflegte Leben unverzichtbare Dinge wie Wildfeigen, Rosenkandis, Bio-Lavendelblütenhonig und Pfefferschokolade.

Dass nicht nur die ganz große Karriere, sondern auch der Absturz nur einen Sprung weit entfernt ist, scheint vor allem Isabell unbewusst zu ahnen. Irgendwoher muss es ja schließlich kommen, dieses Zittern in den Händen, welches sie zunächst noch verbergen kann. Doch der Druck steigt. Zuhause wartet nicht nur die Altbau-Idylle, sondern mittlerweile auch der kleine Sohn Matti und mit ihm die Verantwortung. Das Zittern nimmt zu und sie verliert ihren Job, der zwar nur als Zwischenstation geplant war, ihr nun aber unerreichbar großartig scheint. Zugleich berichtet Georg nicht mehr nur über Nachrichten, er selbst bzw. sein Arbeitgeber ist die Nachricht geworden. Das große Zeitungssterben beginnt, dem Verlag geht es schlecht. Georg fällt den berüchtigten Synergien zum Opfer, sein Job ist nur noch etwas, das schnellstmöglich outgesourced wird.

Natürlich kommt jetzt eine Mietpreiserhöhung, natürlich kommen auch noch andere Verpflichtungen auf sie zu. Georgs Mutter stirbt und hinterlässt nur Schulden, schon die Beerdigungskosten sind utopisch hoch. Schluß mit Rosenkandis und Bio-Gemüsekisten. Isabell und Georg reagieren verstört und hilflos, sie sind völlig verunsichert. Gegenseitig treiben sie sich immer mehr in die Enge, bis ihr Glück und ihre kleine Familie zu zerbrechen droht.

Kristine Bilkau zeichnet in ihrem Debütroman »Die Glücklichen« das präzise Bild einer überreizten überforderten Generation, die sich davor fürchtet, aus dem Paradies vertrieben zu werden. Es ist die Generation Praktikum, die Generation, die immer wieder von ihren Lebensentwürfen Abschied nehmen muss. Die sich unter den Druck der absoluten Perfektion setzt und doch gleichzeitig den Umgang mit einer zunehmend präkeren und unsicheren Existenz lernen muss. Dazu verdammt, ein Leben ohne Niederlagen zu führen. Solange es alles einigermaßen läuft, übertünchen sie ihre Unsicherheit mit dem Gehabe der nach außen hin ach so politisch und ökologisch korrekten Welt. Sobald jedoch etwas ins Wanken gerät, haben sie nichts als Unsicherheit. Alle erlernten Verhaltensmuster greifen nicht mehr. Isabell und Georg sind nur die Prototypen all der freien Künstler, Journalisten, der Mitarbeiter mit befristeten Verträgen in ihren grundsanierten Altbauwohnungen.

Isabell und Georg kommt plötzlich nicht nur ihr Lebensstil abhanden, sondern auch ihre mangels anderer Werte und Orientierungen mühsam zurechtgezimmerten Identität. Sie können sie sich schlicht nicht mehr leisten. Wirklich gerechnet hat keiner von ihnen damit. In ihrem Inneren haben sie immer geglaubt, dass man sich den Anspruch auf Sicherheit verdienen könne, mehr noch, ihnen war die Selbstverständlichkeit anerzogen, dass ihnen ein gutes Leben zustünde. Die plötzliche Erkenntnis, dass nichts im Leben sicher ist und das es per se keinen wie auch immer gearteten Anspruch gibt, lässt sie ermüden und nachgerade ungerecht und boshaft werden.

Das Romandebüt der Journalistin Kristine Bilkau erzählt von zunächst kaum wahrnehmbaren Verschiebungen, von erst kleinen, dann schmerzlicher werdenden Verlusten. Die diffusen Ängste ihrer Protagonisten macht sie an präzisen Ereignissen fest, lange bevor Isabell und Georg es selber merken. Fürchten wir uns nicht alle davor, aus dem Paradies vertrieben zu werden? Sie erzählt es ganz leicht, fast beiläufig, dabei ist der Leser Isabell und Georg immer einen kleinen Schritt voraus. Genau das aber erweckt seine Neugier, er will wissen, wie sie schließlich damit fertig werden. Vielleicht wünscht der Leser sich auch ein Patentrezept, welches er sich merken kann, wenn ihn dann mal die Keule trifft.

So oder so ist Bilkaus Roman ein spannendes, interessantes Buch. Es gibt weniger Antworten, als dem Leser lieb sein wird, aber wenigstens die Fragen, die viele unbehaglich umtreiben, werden einmal gestellt. Im Buch finden Isabell und Georg nur den Anfang des Weges aus ihrem Dilemma, ob er zunkunftsfähig sein wird, das erfahren wir nicht. Das Ende ist ein wenig abrupt und läßt den Leser leicht unbefriedigt zurück, zumal Bilkau auch in ihrem Stil ein wenig aus dem Takt gerät, ja geradezu ins Kitschige abgleitet. Es scheint, als habe sie auf einmal keine Lust mehr gehabt, als wäre ihr das Sujet aus den Händen geglitten und sie habe plötzlich keine Lust mehr auf das Lamento ihrer Hauptfiguren gehabt. Schade, aber abgesehen davon ein Buch, das sich zu lesen lohnt.


Genre: Romane
Illustrated by Luchterhand

Im Museum. Unheimliche Begebenheiten

lange im museum2Einmal Geschehenes kann man nicht zurückholen, auch nicht, indem man Exponate aus vergangenen Zeiten im Museum präsentiert. Da ist das Kleidungsstück fein ausgestellt, doch der Mensch, der vor Jahrhunderten darin steckte, bleibt für immer verschwunden. Ist es denn verrückt, wenn in Erzählungen Gestalten aus vergangenen Epochen in einem Museum lebendig werden? „Die Literatur hat ihren eigenen Wahrheitsgrund“, meint Hartmut Lange und lässt in den sieben Kapiteln seines Bändchens „Im Museum. Unheimliche Begebenheiten“ Protagonisten aus den Tiefen der Geschichte, Museumspersonal und Besucher einander begegnen. Es ist wahrhaft mysteriös, was sich in Hallen, Gängen, Korridoren, auf Treppen und Emporen des Deutschen Historischen Museums in Berlin abspielt.

Wer hätte als Besucher einer Ausstellung nicht schon einmal darüber nachgedacht, was in jemandem vorgeht, dessen Aufgabe darin besteht, Exponate zu bewachen? Zum Beispiel die Frau, die Tag für Tag unauffällig ihre Arbeit neben der Statue Carls des Großen macht. In Langes Geschichte bekommt sie einen Namen und sitzt nach Feierabend auf ihrem Sofa. Wir sind dabei, wie die höchst zuverlässige Frau Bachmann auf der Suche nach der Ursache eines Luftzuges die abendliche Schließung des Gebäudes verpasst, die Nacht im Museum verbringt und spurlos verschwindet. Und da ist Aufseherkollege Klinger, zu DDR Zeiten Leutnant der Staatsicherheit. Als Aufpasser sieht er sich nun mit einem „Schuppen voller Plunder“ konfrontiert. Ihn zieht es in einen Geheimgang im Keller des Hauses, in den er einen arglosen Besucher locken und einen fiesen Plan verwirklichen will.

In nächtlicher Stille wäre das „Gluckern in den Heizkörpern“ und das „Knacken unter dem Fußboden“ ganz normal, wäre da nicht der Schatten eines Mannes mit Militärkappe, der zu Lebzeiten in seinem Rassenwahn Deutschland und Europa terrorisierte. Nacht für Nacht geistert er ruhelos durch die Ausstellungsräume. Die Darstellung eines anderen Despoten lässt ihm keine Ruhe. Da wird das Bildnis Napoleon Bonapartes kostbar mit Brokat und Lorbeerkranz präsentiert, er hingegen „wie ein Paria“ in den Keller verbannt.

Foto: © Andreas von Scheven

Foto: © Andreas von Scheven

Wenn ein Herr Polenz nach Feierabend in die von der Frau verlassene Wohnung kommt, einen Zettel vorfindet, und danach ohne besondere Absicht das Deutsche Historische Museum betritt, ahne ich schon Verwicklungen. Wie ist es möglich, dass weder die Drehtür zum Festungsgraben noch die zum Boulevard Unter den Linden ihn wieder herauslässt und er sein zu Hause im Flur abgestelltes Fagott und die Querflöte im notbeleuchteten Museumsfoyer entdeckt? Und es hat auch etwas Skurriles, wenn eine Frau aus dem 19. Jahrhundert ihrer kleinen Tochter erklärt, warum sie vor der ratternden Rolltreppe keine Angst haben muss und wenn ein junger Volontär mitten in der Nacht heimlich zuschaut, wie jene Mutter und ihr Kind auf den Fliesen im menschenleeren Schlüterhof sitzen und durch das Glasdach den Himmel anschauen.

Wie es sein kann, dass ein Foto von Rodins „Denker“ immer wieder Risse und Kratzer bekommt, fragt sich ein Mitglied des Fördervereins in der letzten Story im Buch. Von einem gewaltsam zu Tode gekommenen Mann wird er darüber aufgeklärt, was sein Schicksal mit Denken zu tun hat. Die Parole „liberté, égalité, fraternité“ hat ihm den Tod gebracht. „Und war es nicht tatsächlich so, dass sich das Töten durch die Perversion des Denkens bis in alle Ewigkeit fortsetzte?“, resümiert der Erzähler.

Foto: © Andreas von Scheven

Foto: © Andreas von Scheven

In den sieben Erzählungen „Im Museum“, die alle im Gebäude des Deutschen Historischen Museum in Berlin spielen, lässt der für seine herausragenden Novellen bekannte Autor Hartmut Lange Protagonisten aus der Gegenwart und aus verschiedenen Epochen einander begegnen und im Dialog miteinander auftreten. Am liebsten nachts bei Notbeleuchtung schickt er sie in den dunklen Korridor, vor die verschlossene Tür, die frisch verputzte Wand, ins Museumscafé, in den Schlüterhof und den “Gigantenhäuptern mit qualvoll aufgerissenen Mündern“ und lässt sie an der verflixten Drehtür verzweifeln. Dabei spielt er souverän mit verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven, schlüpft mal in die Rolle des allwissenden Erzählers mal in die des einen oder anderen Protagonisten. Angenehm, mit welcher Selbstverständlichkeit ihm das fern jeder besserwisserischen Psychoschau gelingt.

Foto: © Hans-Christian Plambeck/laif

Foto: © Hans-Christian Plambeck/laif

Beim wiederholten Lesen versuche ich mir zu erklären, mit welcher sprachlichen Raffinesse Hartmut Lange es schafft, diesen Sog zu erzeugen, der mich unwillkürlich am Text hält. Da ist der Widerspruch zwischen schnörkellosen, ja banal anmutenden Formulierungen und der gespannten Erwartung, welche Überraschung der Autor denn nun wieder für mich bereit hält. Und wie könnte ich nicht Abgründe wittern, wenn ein Kapitel so beginnt: „Ich gebe zu, ich mache mir unnötige Gedanken, und ich hatte unlängst die Gelegenheit, vor einem dunklen Korridor zu sitzen.“


Genre: Kurzgeschichten und Erzählungen
Illustrated by Diogenes Zürich

5150 Das Haus des Wahnsinns

51aGm5yI08L._SX314_BO1,204,203,200_Nach einem Sturz mit dem Fahrrad will der Student Yannick im Haus 5150 eigentlich nur um Hilfe bitten. Doch als er Schreie aus dem ersten Stock hört, wird er von dem Sadisten Jacques Beaulieu und dessen Familie gefangengenommen, damit er ihr Geheimnis nicht verrät.
Gequält und gefoltert ist Yannick jetzt dem Wahnsinn der ganzen Familie ausgeliefert. Weil er kein »Böser« ist, dürfen sie Yannick nicht einfach so töten, also muss er sich mit dem Vater in einer Partie Schach messen. Der Einsatz: Yannicks Leben.
Der erste Zug ist gemacht, doch welche Pläne sein Peiniger wirklich verfolgt, erkennt der Junge im Verlauf seines Martyriums erst nach und nach…

Yannick ist Anfang 20 und Student in einer neuen Stadt! An einem Sonntag will er mit dem Fahrrad seine neue Umgebung erkunden, stürzt aber und geht zu dem Haus mit der Nummer 5150 um zu fragen ob er sich über deren Telefon ein Taxi bestellen darf! Bevor es jedoch dazu kommt, geht Yannick ins Badezimmer um sich die aufgeschürften, blutigen Hände zu waschen und hört aus einem der Zimmer ein jämmerliches Stöhnen! Yannick öffnet die Tür, findet einen blutüberströmten Mann der ihn um Hilfe anfleht, wird in diesem Moment aber bereits von Hausbesitzer Jacques dabei ertappt und kurzerhand selbst eingesperrt!

Jetzt steht Jacques vor einem großen Dilemma denn er sieht sich selbst als die personifizierte Gerechtigkeit und tötet nur böse Menschen die den Tod auch verdient haben aber Yannick hat ja nichts Böses angestellt…! Freilassen kann er Yannick aber auch nicht denn dieser würde bestimmt direkt zur Polizei gehen und somit hält er Yannick letztendlich mehrere Monate in seinem Haus gefangen…! Yannick bittet irgendwann vor Langweile um einen Stapel Papier und fängt an seine Geschichte und alles was ihm während seiner Gefangenschaft wiederfährt aufzuschreiben…!

Die Geschichte wird also aus Yannicks Sicht erzählt, spielt im Jahr 1991 und der Leser liest quasi Yannicks Niederschriften, was ich eine gute Idee finde! Nach und nach erfährt man somit viel über Jacques Taten und darüber wie besessen dieser von angeblicher Gerechtigkeit ist!

Jacques ist mit der extrem gottesfürchtigen bzw fanatisch religiösen Maude verheiratet und hat eine 16 jährige Tochter namens Michelle und eine 10 jährige (autistische?) Tochter namens Anne!

Das Buch besteht aber nicht nur aus Yannicks Aufzeichnungen, sondern auch aus Maudes Tagebucheinträgen die im Jahr 1978 beginnen und davon berichten wie die junge, gottesfürchtige Maude den Gerechtigkeitsfanatiker Jacques kennenlernt und wie er sich im Laufe der Jahre immer mehr verändert! Auch die Tagebucheinträge haben mir gut gefallen, auch diese Idee fand ich sehr gelungen, nur braucht man für diese Einträge starke Nerven da Maude wirklich fanatisch religiös ist…!

Durch Yannicks Aufzeichnungen wird deutlich, wie auch er sich im Laufe der Zeit verändert und seine ganz eigene Form von Besessenheit entwickelt…! Das Schachspielen nimmt im Laufe der Geschichte eine immer größere Rolle ein und verkörpert quasi den Kampf „Gut gegen Böse“!

Die Geschichte beginnt und bleibt recht lange unspektakulär (aber interessant) wird dann zum Ende hin aber schön krank, bleibt aber durchweg erstaunlich unblutig und auch relativ unbrutal! Generell habe ich mit wesentlich mehr Blut und Gemetzel gerechnet aber das ist kaum der Fall…! Der Klappentext ist meiner Meinung nach nicht sehr gelungen weil er einen falschen Eindruck der Geschichte vermittelt denn „gequält und gefoltert“ so wie man sich das vorstellt, wird Yannick während seiner Gefangenschaft nicht! Die Geschichte ist schon recht krank, ist aber absolut keine blutige Metzelei und auch das Cover ist völlig unpassend gewählt und soll scheinbar etwas vermitteln was das Buch aber einfach nicht ist!

Eine coole Geschichte über Fanatismus, Besessenheit und verschiedene Auffassungen von Gerechtigkeit!

Patrick Senécal wurde am 20. Oktober 1967 in Drummondville, Kanada geboren ist einer der erfolgreichsten französischsprachigen Horror- und Thrillerautoren. Nach dem Literaturstudium lehrte er einige Jahre Literatur, Film und Theater. Bisher sind etwa zehn Thriller von Patrick Senécal erschienen, die in seiner Heimat eine Millionenauflage überschritten haben. Sein Buch Sieben Tage der Rache (Les Sept Jours du talion, 2002), wurde als 7 Days erfolgreich verfilmt.

 


Genre: Thriller
Illustrated by Festa

Pimp my Dad

pimpmydadEin in der Vergangenheit hängengebliebener Vater, der erstens glaubt, dass man in einem Unternehmen noch Karriere machen kann, indem man deutsche Tugenden als eigene Stärke anführt und der zweitens davon überzeugt ist, dass die digitale Technik mit all ihren Erscheinungen doch nur Teufelswerk sein kann, hat seine Tochter zu einer äußerst altklugen jungen Frau in Sachen Lebenseinstellung und gleichzeitig zu einem äußerst naiven Prinzesschen in Sachen Teenagerliebe erzogen. Lebhaft kann man sich vorstellen, dass diese Mischung nur chaotisch werden kann.

Genau das geschieht dann auch. Die Eigenschaften Menschlichkeit, Toleranz und Fleiß zählen in seinem Unternehmen nicht mehr und so entsteht aus der angestrebten Beförderung die Arbeitslosigkeit. Christopher lässt sich nun ganz hängen und versucht trotz Geldmangel den Lebensstil, den er und seine Tochter pflegen, aufrecht zu erhalten. Seine Tochter hingegen ist der Meinung, dass ihr Vater, der übrigens erst Anfang vierzig ist und keine Ahnung von Handys, Internet und Blogs hat, dringend eine Verjüngungskur nötig hat. Mit viel Verve macht sie sich daran, ihn aufzuhübschen. Da gerade passenderweise in der Schule das Projekt “Blog” ausgerufen wird, einigt man sich schnell darauf, den “Vintage-Vater” zum Projekt zu machen. Beteiligt am Team der Tochter ist auch Jacob, ein junger amerikanischer Austauschschüler, der dem Töchterchen mit unsäglich schlechtem Deutsch den Kopf verdreht. Leider wird ihr Vater diese Geschichte niemals tolerieren, denn seine Exfrau, des Töchterchens Mutter, ist Amerikanerin, hat ihn schmählich verlassen, und deshalb hasst und negiert er alles, was irgendwie amerikanisch daher kommt. Es kommt, wie es kommen muss: Töchterchen tändelt mit amerikanischem Boy, Väterchen ist Inhalt eines Blogs und weiß nichts davon, die Blog-begleitende Lehrerin ist unglaublich attraktiv und tändelt mit dem etwas tumben, aber inzwischen aufgepeppten Vater. Und natürlich wollen die Kollegen den Vater zurück ins Unternehmen holen, weil der ihm vorgezogene Abteilungsleiter trotz Studium keine Ahnung und diesen Job lediglich über “Vitamin-B” erhalten hat. Ende gut, alles gut.

Kirsten Wendt und Marcus Hünnebeck haben ihren zweiten Liebesroman wieder aus der Sicht zweier Protagonisten geschrieben. Wie in ihrem ersten Roman erhält man auch im neuen Werk tiefen Einblick in die Gedankenwelt der agierenden Personen. Abwechselnd schildern sie ihre Befürchtungen und Emotionen und treiben damit die Geschichte voran. Den Autoren gelingt es meisterhaft, jedes neue Kanpitel an das vorangegangene anknüpfen zu lassen. Die Geschichte von Vater und Tochter wird spritzig, temperamentvoll und in atemberaubendem Schlagabtausch erzählt. Der Leser bekommt den Spiegel vorgehalten, indem er Einblick in die Fertigkeiten der Jugend im Umgang mit den neuen Medien erhält. Und die ältere Generation darf den Kopf schütteln, dass ein so junger Vater sich so vorführen lässt. Dieser Umstand bereitet großes Lesevergnügen, denn wer darf sich schon einen solchen Luxus gönnen, zwei Protagonisten in sein Herz zu schließen und ihre Gedanken lesen zu können?
Für Leser, die eine temporeiche, generationenübergreifende, handfeste Liebesgeschichte mögen, ist dieser Roman des Autorenduos ein absolutes Muss.

Kurzweilig.


Illustrated by Kindle Edition

Violetta

Violetta

Klappentext:

Wer bin ich? Dieser Frage muss sich Violetta nach einer Testamentseröffnung stellen, die ihr ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Die alleinerziehende Mutter von Zwillingen ist leidenschaftlich, klug und sehr distanziert. Gerade diese Distanz reizt die Männer, die diese attraktive, anziehende Frau treffen. Sie lässt sich lieben, aber liebt sie auch? Liebt sie die Männer oder nur den Sex? Nur die Vorstellung von Liebe?
Violetta ist eine Frau auf der Suche nach dem richtigen Weg, nach ihrer Identität! Diese Suche führt sie von Hamburg nach Dresden, nach Wien, und in die Toskana. Findet sie ihr Glück da, wo sie es niemals gesucht hat? Wird sie in Lucca, der Stadt der Oper, dem Geburtsort Puccinis, ihrem Schicksal begegnen? 

Rezension

Ach wie schön, einmal so einen Roman zu lesen!
Im Grunde habe ich es nicht so mit Romantik, in dem Fall kommt sie aber so elegant und kitschfrei daher, dass ich mich drauf einlassen konnte. Die Autorin hat ihre Protagonistin, eine schöne (fast zu schöne) junge Frau, Alleinerzieherin von Zwillingsbuben, als äußerlich kühle Person gezeichnet, was ihre Beziehung zu Männern betrifft. Sie kann sich nicht klar für einen der Kerle, die ihr samt und sonders zu Füßen liegen, entscheiden, nimmt aber deren Liebesgaben dennoch an. Sie geht auch gern mit ihnen ins Bett, weil sie ja auch Bedürfnisse hat. 

Und dann erbt sie.
Völlig unerwartet fällt ihr ein Landhaus in der herrlichen Toskana zu, das ist nun der Einstieg für Violetta, ein Familiengeheimnis zu lüften, in dem sie die Hauptrolle spielt. Sie entdeckt unangenehme Parallelen zwischen ihrer Mutter und sich selbst. Damit erlangt sie aber auch besseren Zugang zu ihrer eigenen Person, und Masken fallen, hinter denen sie sich versteckt hat. Sehr schön, die Entwicklung Violettas und ihres weiteren Lebens. 

Ich trau es mich ja fast nicht zu sagen,
aber ich bin an den Zeilen geklebt, wollte unbedingt wissen, was denn nun liebestechnisch endlich zu einem guten (?) Ende kommen kann, bis weit nach Mitternacht. Ein Buch, das bei mir Herzklopfen erzeugt hat, passiert mir selten. Zudem hat mich die liebevolle Beschreibung der Landschaft und das passende Cover erfreut.

Technisch ließe sich aber
ein bisschen was machen, es fehlen manchmal Anführungszeichen bzw. sind falsch gesetzt, etliche Flüchtigkeiten sind mir aufgefallen, mein Lektorenauge sieht das nun mal gleich. Das könnte bereinigt werden. Tut aber der Geschichte selbst keinen Abbruch, ein Buch fürs Herz.

Ich empfehle es sehr gern! 

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Genre: Liebesroman
Illustrated by Selbstverlag

Der Papyrus des Cäsar

asterix papyrusCäsar schreibt Geschichte: Sein Werk „Der gallische Krieg“ ist der Renner in Rom und Cäsars „Kommentare zum gallischen Krieg“ soll ebenfalls ein Bestseller werden. Deswegen trifft sich Cäsar mit seinem Verleger Rufus Syndicus. Der rät ihm allerdings, ein Kapitel zu streichen, weil es einen Fleck auf Cäsars glänzenden Lebenslauf schmieren würde: „Rückschläge gegen die unbeugsamen Gallier in Aremorica“ soll aus dem Buch rausfliegen, denn Niederlagen stehen Cäsar nicht. Cäsar und Syndicus haben allerdings nicht mit einem aufrührerischen Gallier namens Polemix gerechnet, der das besagte Kapitel heimlich von einem der stummen Schreiber Syndicus‘ zugesteckt bekommt. Polemix schafft es mit dem Papyrus und den Römern auf den Fersen tatsächlich bis zum Dorf der Unbeugsamen, stellt dort aber fest, dass die Gallier viel mehr an Horoskopen als an Cäsars Literatur interessiert sind. Allein Gutemines Einfluss ist es zu verdanken, dass Asterix, Obelix und Polemix die Schriftrolle zum Karnutenwald bringen, um sie dem alten und angesehenen Druiden Archaeopterix zu überbringen. Der soll sie in der Tradition der Druiden auswendig lernen und von Generation zu Generation weitergeben. Aber nicht nur der Weg dorthin ist abenteuerlich – denn die Römer lauern überall, um die Rolle wiederzubekommen – sondern auch Archaeopterix, da der uralte Druide mittlerweile ein wenig schusselig geworden zu sein scheint.

Beim Lesen des ersten Bandes des neuen Autorenduos Ferri und Conrad – „Asterix bei den Pikten“ – hatte ich noch das Gefühl, dass sowohl der Zeichenstil als auch der Humor vertraut, aber dennoch etwas fremdartig ist. Das ist beim zweiten Band anders, denn sowohl der Zeichenstil als auch der Humor und die Art und Weise, wie die Story aufgebaut ist, haben sich stimmig dem vertrauten Asterix-Universum angenähert. Man merkt fast keine Unterschiede mehr. Zum Humor gehören auch die zahlreichen Anspielungen, die aus den „alten“ Bänden vertraut sind, die aber von Kindern nicht unbedingt wahrgenommen werden müssen, um die Story zu verstehen. Im aktuellen Band z.B. gibt es in der deutschen Übersetzung Anspielungen auf die deutsche Presselandschaft, u.a. „Imago“ für „Bild“ und „Tempus“ für „Die Zeit“. Ein Thema ist auch die schriftliche Überlieferung gegen die mündliche, was im Comic humorvoll und nebenbei kritisch entfaltet wird. Beide Arten der Überlieferung haben ihre Schwächen: Die schriftliche insofern, als man nicht alles glauben muss, was geschrieben steht (Horoskope) und dass man durchaus etwas Schriftliches unterschlagen kann. Außerdem weiß jeder Geschichts- und Theologiestudent, dass die Geschichtsschreibung (nicht nur früher) alles andere als neutral erfolgt. Und die mündliche Überlieferung ist nur dann wahrheitsgetreu und verlässlich, wenn sie nicht wie das Kinderspiel „Stille Post“ abläuft. Denn die alten Druiden leiden durchaus an Vergesslichkeit und darunter leidet wiederum die Weitergabe der Informationen. Da kommen auch die Namen ins Spiel, denn sie sprechen Bände. Polemix ist die Comic-Variante von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Die deutsche Übersetzung des Namens spricht für sich, denn Polemix polemisiert gegen das römische Reich und dessen Unterschlagung von Informationen. Den Namen „Syndicus“ könnte man auf zweierlei Arten deuten: Zum einen als Sünder, denn er schlägt Cäsar vor, wichtige Informationen zu unterschlagen und damit die Geschichtsschreibung zu verfälschen. Zum anderen als Syndikat, lateinisch Syndicus (abgeleitet vom griechischen „syndicos“ = Verwalter einer Angelegenheit), als Gruppierung von Personen oder Unternehmen. Syndicus ist Cäsars Berater und Verleger. Der Name des Druiden Archaeopterix könnte man ebenfalls mehrfach deuten: „archaios“ bedeutet im Griechischen „uralt“, was der Druide definitiv ist. „pteryx“ bedeutet im Griechischen „Flügel, Schwinge, Feder“. Wenn man weiß, dass der Urvogel Archaeopteryx eine Übergangsform zwischen Sauriern und Vögeln darstellt, könnte man die Bedeutung des Druiden-Namens weiter ausspinnen, denn der Druide steht auch für die alte Tradition der mündlichen Überlieferung, die allmählich durch die schriftliche (man denke an die Feder im Namen; mit Federn schrieb man früher) abgelöst wird. Außerdem wird die Horoskop-Gläubigkeit der Gallier karikaturhaft auf die Spitze getrieben. Das geschieht auch in Richtung selbst gemachter Prophezeiung, denn wenn man der Prophezeiung glaubt, setzt man sie auch um, wie die Gallier beispielhaft demonstrieren.

Wie man an diesen Beispielen sehen kann, hat der neue Asterix-Band einiges zu bieten: Neben Spannung und Humor eben auch die netten Anspielungen, mit denen man sich als LeserIn durchaus unterhaltsam die Zeit vertreiben kann, v.a. wenn man mit anderen LeserInnen über den Band diskutiert … Kurzum: Gelungen!


Genre: Comics
Illustrated by Egmont Ehapa

Centum Night

51rAhGc2QPL._SX326_BO1,204,203,200_Macht ist alles, was zählt. Mehr und mehr Länder schließen sich der Coastal Alliance an. Der Beitritt eines Landes verhilft der dortigen Elite zu einem Luxusrefugium, während die verarmte Bevölkerung in einer vom Verbrechen beherrschten Crime Zone leben muss. Zwischen diesen Territorien befindet sich eine Hochsicherheitszone, deren Bewohner in monotoner Bedürfnislosigkeit gehalten werden. Wünsche nach emotionaler Nähe und sexuelles Verlangen werden auf hohem technologischen Niveau kontrolliert abgebaut. Hier, in Solocity, gibt es keine Gewalt. Da geschieht das Undenkbare. In Solocity beginnt eine rätselhafte Mordserie. Agent Eddie Bellefleur erhält bei seinen Ermittlungen Hinweise auf ein weitgespanntes Netz aus Verrat und verborgenen Leidenschaften, das bis in die Spitze des Regimes reicht.

Die Geschichte spielt in einer Zukunft, in der die Armen immer ärmer werden und die Reichen immer reicher werden. Das Land ist in drei unterschiedliche Bereiche aufgeteilt, in den Bereich der High Society, der „Ghettos“ und den Bereich der Normalbevölkerung die in „Solocity“ leben. Solocity befindet sich zwischen den anderen beiden Bereichen und fungiert quasi als Puffer um die Reichen in großem Abstand zu den Armen und den Ghettos fern zu halten. Die Landesgrenzen verschwimmen immer mehr und mehr denn nicht nur Reichtum und Macht, sondern auch Armut und Kriminalität steigen stetig an. In Solocity gab es seit 18 Jahren keine Gewalt mehr und erst recht keinen Mord, deshalb ist das Regime jetzt natürlich in größter Sorge als innerhalb kurzer Zeit gleich drei Frauen umgebracht werden …

Ich hatte mich sehr auf das Buch gefreut, meine Erwartungen waren recht hoch; aber leider wurde ich ziemlich enttäuscht.

Die Geschichte spielt in einer unglaublich technisierten Zukunft mit unzähligen neuen, technischen Wörtern, neuen Erfindungen, neuen Staatsformen, Berufen und Berufsbezeichnungen, Personenbezeichnungen, Dienstgraden, Einrichtungen und und und. Diese Begriffe sind alle frei erfunden und man weiß oft nicht einmal wie sie ausgesprochen werden und es gibt kaum einen Satz ohne diese ganzen Begriffe! Man kann die Geschichte kaum flüssig lesen, man holpert und stolpert förmlich durch die Sätze und das alles ist so gewaltig, dass es hinten im Buch sogar ein zehnseitiges Glossar gibt, um sich diese Begriffe erklären zu lassen.

Ich als großer und auch erfahrener Endzeitfan bin ziemlich enttäuscht von dem Buch, und es hat mir überhaupt nicht gefallen. Es erinnerte mich in seiner Art ein wenig an „Der zweite Engel“ von Philip Kerr, denn auch dieses Buch wimmelte in der ersten Hälfte von vielen neuartigen Begriffen aber bei weitem nicht in diesem Ausmaß. Dort gab es auch immerhin Sternchen mit Fußnoten, so dass die Erklärung zumindest unten auf der Seite stand!

In diesem Buch muss man immer nach hinten blättern und sich die richtigen Begriffe auf unzähligen Seiten und zusammensuchen, einfach nur grauenhaft! Man kommt gar nicht voran, das Lesen macht echt keinen Spaß und ich würde es sogar als Qual bezeichnen! Die Autorin ist da wirklich sehr weit übers Ziel hinausgeschossen, was ich wirklich schade finde, denn die Grundidee gefällt mir ziemlich gut und die Autorin hat auch sehr viel Herzblut in die Geschichte fließen lassen und eine sehr detaillierte Zukunftsvision geschaffen. Herzblut und Detailgenauigkeit sind aber leider nicht alles und manchmal ist weniger halt mehr und in diesem Fall wäre viel weniger auch wirklich viel mehr gewesen!

Lou Timisono studierte Englische Literatur und Philosophie. Sie lebt abwechselnd in Cambridge, England, und Orange, Frankreich.


Genre: Dystopie
Illustrated by Balladine Publishing

Die innere Stimme

Christian FelberChristian Felber legt mit diesem Buch ein überzeugendes Dokument seiner Verwurzelung in der lebendigen Erde vor. Er outet sich sehr bedacht als spirituell inspirierter Mensch, dessen Wurzeln Inspiration aus der tiefenökologischen Betrachtungsweise der Erde ziehen. Eine Haltung, die Erde und alle Wesen auf ihr als lebendig, mit Seele versehen erkennt und daher ein tiefes Verständnis von Ökologie, von den Zusammenhängen des Lebens auf der Erde erweckt.
Der Verfasser der „Gemeinwohlökonomie“ und Mit-Begründer von Attac Österreich, den der wirtschaftspolitisch Interessierte aus zahlreichen präzisen Diskussionsbeiträgen in den Medien kennt, überrascht mit „Die innere Stimme“ durch die Direktheit, mit der er sich zu spirituellen Erfahrungen bekennt und der Klarheit, mit der sie ihm auf seinem (politischen) Weg helfen. Damit liegt ein Werk vor, das höchst notwendig einen Zusammenhang von spirituellen Einsichten und ökonomisch-ökologische Konsequenzen im Denken und Handeln darlegt. Wobei der Autor nicht darauf hinzuweisen vergisst, dass alleine schon die ethische Haltung (ohne spirituelle Fundierung) ausreicht, ökologisch und verantwortlich zu handeln. Umso schöner, wie Felber seine Verbundenheit mit der Natur, mit Mutter Erde, mit den Wesen auf ihr streckenweise poetisch zum Ausdruck bringt. Ein Buch, das alle spirituell Interessierten lesen können, um wenn sie wollen, ökologische Verantwortung daraus abzuleiten.
Gerade an ein, zwei Stellen läuft der Text Gefahr, missverständlich interpretiert zu werden. Etwa wo es um die „permanente kreative individuelle Selbsterschaffung“ geht: Felber meint damit, dass wir uns weiterentwickeln können und sollen, der narzisstisch angehauchte Esoteriker könnte aber (wie der Zeitgeistbobo) an die permanente Selbsterfindung erinnert sein – ans ständige Neuerschaffen eines Images, eines Selbstbildes, das an Stelle eines wahren Selbst tritt. Wer Felbers Buch liest, begreift aber rasch, dass es dem Autor um echte Weiterentwicklung geht (und damit auch ökologisches Interesse), und nicht um Selbstdarstellung, also die Projektion beliebiger Bilder in die Welt, um sich selbst oder ein Produkt zu verkaufen. Felber kennt die Qualitäten der Stille, der Meditation in der Natur, die Kraft des Tanzes – das Hören nach Innen.
Diese Erfahrungen (die er nicht scheut mystisch zu nennen) lassen ihn so großartige Sätze formulieren wie, dass spirituelle Anbindung zu einer Hochzeit von Freiheit, Menschenwürde und Gemeinwohl führt. An anderer Stelle spricht er von TTIP als Handelsdiktatur. Geld ist nur ein Mittel, nicht der Zweck des Lebens: daraus resultiert seine fundierte Kapitalismuskritik, wie sie in der Gemeinwohlökonomie zu studieren ist. Spiritualität als Basis hilft, nicht fanatisch zu werden, sondern stets an die Anbindung ans Leben, die Erde, das Mitgefühl zu denken, und nicht zu Erstarren (weder in religiösen noch in ideologischen Vorschriften).
Vielleicht noch besteht die Gefahr, dass generell die „innere Stimme“ mit dem „inneren Zensor“ verwechselt wird – einer Stimme, die permanent von innen ins Ohr plärrt, was richtig und falsch ist (scheint) und wie man/frau sich am günstigsten selbst darstellt. Diese Stimme ist der Ausdruck narzisstischen Denkens, das streng kontrollierend und zensierend wirkt und mit der inneren Stimme Felbers gar nichts gemein hat, die mitfühlend und durchs Herzen spricht – oft auch durch die Stille. Die innere Stimme erschließt sich nicht durch das Denken, sondern durchs Spüren, teilt er uns mit und erklärt die innere Stimme als vom Denken weitgehend unabhängig – Felber formuliert erhellend: „Der kognitive Denkprozess sagt uns über unseren wahren Zustand, über unsere innere und innerste Befindlichkeit ungefähr so viel wie die Aktienkurse über das Gemeinwohl.“

Christian Felber: „Die innere Stimme – wie Spiritualität, Freiheit und Gemeinwohl zusammenhängen“, Publik-Forum, 2o15


Genre: Esoterik und Grenzwissenschaften, Spiritualität
Illustrated by Publik-Forum